Heinz M. Bleicher, Träger der Otto-Hirsch-Medaille, ist im Alter von 82 Jahren gestorben

 

Heinz M. Bleicher ist am 9. März im Alter von 82 Jahren gestorben. Bleicher war Träger der Otto-Hirsch-Medaille, die von der Landeshauptstadt Stuttgart, der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit und der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württembergs verliehen wird

Bleicher erhielt die Auszeichnung im Januar 1994 für sein beharrliches Arbeiten an der Aussöhnung zwischen Juden und Christen, der Bekämpfung des Antisemitismus und das Bemühen, Verständnis für Israel zu wecken. Oberbürgermeister Dr. Wolfgang Schuster würdigte die Verdienste Bleichers: “Er hat sich Zeit seines Lebens dafür eingesetzt, die Lehren aus der Vergangenheit bewusst zu machen und Versöhnung auf der Grundlage des Erinnerns anzustreben.”

 

Manfred Rommel sagte 1994 in seiner Laudatio, Heinz Bleicher sei ein Mann, der mit viel Initiative und großer Zähigkeit seine Ziele verfolge und er sei ein Mann deutlicher Worte. “Er hat uns, wenn wir irgendwo zu erlahmen im Begriffe waren, immer aufgerüttelt und auf den Weg gebracht.”
In seiner Rede bei der Verleihung der Medaille sagte Bleicher, er empfinde Dank und Freude, aber auch ein wenig Skepsis und Sorge. “Ich bin überzeugt”, sagte Bleicher damals, “ dass wir die leidige Situation, die wir heute haben, dieses Einbrechen von Rechtsextremismus, von Antidemokratismus, dass wir diese nicht zuletzt den ewigen Verharmlosern verdanken, denen, die immer wieder erklärt haben: Was wollt Ihr denn? Was willst Du, Bleicher? Bei uns ist doch alles in Ordnung.” Er hoffe, dass es gelinge, der Jugend Wissen zu vermitteln. Er sei vor vielen Jahren im Sinne des Satzes von Martin Buber angetreten, der auch auf der Otto-Hirsch-Medaille steht: “Ein Geschlecht sagt es dem anderen.”
Heinz M. Bleicher wurde am 9. Februar 1923 als Sohn des Stuttgarter Kaufmanns und Prokuristen Gustav Bleicher und dessen Frau Helene in Mettingen bei Esslingen geboren. 1930 zog die Familie nach Stuttgart. Seine Mutter war Jüdin. Bleichers Vater weigerte sich, sich von seiner Frau scheiden zu lassen und unternahm einen Selbstmordversuch, der zwar misslang, aber zur völligen Erblindung führte.
Schwestern und Brüder der Mutter wurden nach der Reichspogromnacht verhaftet und ins Konzentrationslager gebracht; eine Schwester und ein Bruder wurden dort ermordet.
Heinz M. Bleicher wurde aktives Mitglied der Evangelischen Jugendarbeit und des CVJM. Nach dem Abitur 1941 am Eberhard-Ludwig-Gymnasium und Reichsarbeitsdienst kam er zu einer Nachrichtentruppe. Hier wurde er Augenzeuge der Massaker von Beley und Jassy, wo Tausende von Juden von SS-Einsatzkommandos ermodet wurden. Der junge Heinz Max wurde als so genannter “jüdisch Versippter” aus der Wehrmacht entlassen und begann eine kaufmännische Ausbildung, die er jedoch nicht beenden konnte, da er von der Gestapo verhaftet und im Arbeitslager Wolfenbüttel interniert wurde.
Unmittelbar nach Kriegsende kehrte er nach Stuttgart zurück und heiratete die Rotkreuz-Schwesternhelferin Maria Oehler. Sie war es auch, die seine Eltern in den letzten Kriegswochen bei sich auf dem Land versteckte. Das Ehepaar bekam eine Tochter und drei Söhne. Durch Oberbürgermeister Dr. Arnulf Klett kam Heinz Bleicher zur Stadtverwaltung Stuttgart, wechselte als persönlicher Assistent des Verwaltungsdirektors zur Württembergischen Feuerversicherung und wurde 1950 Bezirksdirektor der Deutschen Postreklame. Daneben studierte er Psychologie am Stuttgarter Institut für Tiefenpsychologie. 1968 gründete er zusammen mit seiner Tochter den Bleicher Verlag in Gerlingen. Hier erschien auch Paul Sauers Biografie von Otto Hirsch “Für Recht und Menschenwürde”. 1991 wurde der Verlag Lambert Schneider übernommen.
Neben seiner Berufstätigkeit widmete Heinz M. Bleicher einen großen Teil seiner Arbeitskraft der Versöhnung zwischen Christen und Juden. Sofort nach deren Gründung 1948 trat er in die Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit (CJZ) ein, der er von 1979 bis 1993 vorstand. Ebenso war er in den Vorständen des Deutschen Koordinierungsrats, der Buber-Rosenzweig-Stiftung und der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, AG Stuttgart. Entscheidend mitbeteiligt war Heinz M. Bleicher bei der Verwirklichung des städtischen Einladungsprogramms für ehemalige jüdische Bürger Stuttgarts, der Stiftung der Otto-Hirsch-Medaille, bei der Erhaltung und Renovierung der ehemaligen Synagoge Freudental und den besonderen Beziehungen der Stadt Stuttgart zur israelischen Gemeinde Shavei Zion. 1988 gründete er die Heinz-M.-Bleicher-Stiftung, die Maßnahmen gegen Antisemitismus und Antijudaismus fördert.
Für seine vielfältigen Tätigkeiten erhielt Bleicher zahlreiche Auszeichnungen, darunter das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse und die Verdienstmedaille des Landes Baden-Württemberg.

 

Quelle: Pressemitteilung der Landeshauptstadt Stuttgart vom 11.3.2005