DIE MAURISCHE VILLA IN DER KÖNIGLICHEN

WILHELMA GARTENANLAGE

ein Rückblick auf das Leben des Architekten Ludwig Zanth

 

von Rolf Hofmann

 

 

 

Eine eher beiläufige Entdeckung eines Aquarells im Schlossarchiv von Ellwangen erwies sich dann doch bei näherer Betrachtung als höchst bemerkenswert. Die anmutige landschaftliche Szene mit Schloss und Kloster Ellwangen zeigt im Vordergrund eine kleine Personengruppe auf dem Spaziergang und ist vom Maler mit "L. Zadig" signiert, der sich dann ab 1820 "Ludwig Zanth" nannte. In späteren Jahren war er als Architekt für König Wilhelm I von Württemberg tätig. Sein Hauptwerk war die Gestaltung von baulichen Anlagen für den königlichen Landsitz vor den Toren der Residenzstadt Stuttgart, in Cannstatt unmittelbar am Neckar gelegen. Heute ist die nach ihrem Bauherrn benannte "Wilhelma" mit ihrer weitläufigen Gartenanlage weit über Stuttgart hinaus als Tierpark bekannt. Von der maurischen Villa ist nach den Bombardierungen des zweiten Weltkriegs ausser dem Gewächshaus so gut wie nichts mehr vorhanden. Einen sehr schönen Eindruck von der ursprünglichen Zanth'schen Planung erhält man jedoch auch heute noch beim Betrachten der formenreichen Details der Damaszener Halle, die zwar nicht von Ludwig Zanth geschaffen wurde, jedoch dessen Stil auf sehr schöne Weise wiederspiegelt.

 

PRÄCHTIGES LANDHAUS IN ORIENTALISCHEM STIL

 

Am 30. September 1846 erfolgte aus Anlass der Vermählung des württembergischen Kronprinzen Karl mit der Grossfürstin Olga von Russland die Einweihung der im maurischen Stil erbauten ländlichen Villa in der Wilhelma Gartenanlage. Grosses Lob für sein geniales planerisches Schaffen erhielt an diesem Tag auch der Architekt Ludwig Zanth, der von König Wilhelm (dem Vater des Kronprinzen Karl) mit der Planung und Bauausführung betraut worden war. Man war allgemein begeistert vom prachtvoll orientalischen Ideenreichtum dieses Bauwerks als zentralem Bestandteil einer grosszügigen Parkanlage mit Gewächshäusern und opulent gestalteten Raumfolgen.

 

Ludwig Zanth war damals fünfzig Jahre alt und auf der Höhe seines phantasiereichen Schaffens. Geboren wurde er am 6. August 1796 in Breslau als Sohn eines bedeutenden jüdischen Arztes, der später mit dem Sohn zum Christentum konvertierte und der Königin Katharina von Westfalen als Leibarzt diente. Katharina war eine Tochter von König Friedrich von Württemberg. Ihr Gatte, König Jerome von Westfalen, war ein Bruder des französischen Kaisers Napoleon. Nach dem Zusammenbruch der napoleonischen Herrschaft (und damit auch des Königreichs Westfalen) diente das Schloss in Ellwangen 1815/16 ein Jahr lang als Domizil für Jerome und  Katharina.

 

STUDIENAUFENTHALT IN ELLWANGEN

 

Seine berufliche Ausbildung erhielt Ludwig Zanth unter anderem beim Baurat Ferdinand Fischer, einem Sohn des vormaligen Hofbaumeisters Reinhard Ferdinand Fischer, welcher vier württembergischen Herzögen gedient hatte und insbesondere sich auch durch den Bau des Schlosses Hohenheim einen Ruf als bedeutender Baumeister erworben hatte. Sein Sohn Ferdinand Fischer lebte um 1818 bis 1834 in Ellwangen und arbeitete dort als Kreisbaurat für das Landbauwesen. Ludwig Zanth's Studienkollege (und lebenslanger Freund) war Karl Marcel Heigelin, der bereits 1833 allzu früh versterben sollte, bis dahin jedoch Beachtliches geleistet hatte. Er war Privatdozent für Baukunde an der Universität Tübingen, veröffentlichte ein dreibändiges Werk über Höhere Baukunst und war zuletzt noch Direktor der neugegründeten Gewerbeschule in Stuttgart, in deren Nachfolge heute die Universität Stuttgart steht. Heigelin's Nachfolger als Vorstand der Gewerbeschule (später Polytechnikum) wurde übrigens sein Lehrer aus der Ellwanger Studienzeit: Oberbaurat Ferdinand Fischer.

 

ANTIKE ARCHITEKTUR ALS PRÄGENDES VORBILD

 

Nach seiner Ellwanger Studienzeit lebte Zanth eine Zeit lang in Paris und hatte dort das grosse Glück, den Hofbaumeister Jacques Ignace Hittorf (gebürtig aus Köln) als Lehrer und Freund zu gewinnen, mit dem er sich 1822 auf eine beachtenswerte Reise nach Süditalien begab, deren hauptsächlicher Zweck die Erforschung und zeichnerische Darstellung antiker Architektur war. Hittorf und Zanth legten das Ergebnis ihrer Studienreise der Fachwelt in einem üppig gestalteten Mappenwerk vor, von dessen positiver Resonanz insbesondere auch Zanth zu profitieren begann. Infolge der Revolution von 1830 verlegte Zanth dann seinen Wohnsitz aus dem turbulenten Paris wieder ins relativ biedere Stuttgart und schrieb eine Abhandlung über die Wohnhäuser von Pompeji, zu der ihm die Universität Tübingen den Titel eines Doktors der Philosophie verlieh.

 

In der Folgezeit kam es in Stuttgart zu Aufträgen hochgestellter Persönlichkeiten in Stuttgart. Ludwig Zanth baute unter anderem in Degerloch eine Stadtvilla für den Rittmeister Freiherr von Taubenheim an der oberen Weinsteige, ausserdem auf der Prag eine Villa im pompejianischen Stil für die Freifrau von König-Warthausen. Die Villa Taubenheim existiert heute noch, die Villa König-Warthausen musste der Erweiterung der Eisenbahnanlagen im frühen 20. Jahrhundert weichen. Eine ganz besondere Herausforderung war die Planung für ein ganzes Dorf mit dazu gehörigem Schloss für den Baron Palochay in Ungarn. Diese Planung sollte ursprünglich sein allzu früh verstorbener Freund Heigelin ausführen. Zanth erhielt dann den Auftrag durch Vermittlung der Witwe Heigelins.

 

DAS WILHELMA THEATER IN POMPEJIANISCHEM STIL

 

Auch König Wilhelm I von Württemberg wurde letztendlich auf den ambitionierten Architekten Zanth aufmerksam und übertrug ihm den Bau des Wilhelma Theaters in Cannstatt, das im Innern ganz dem Reiz üppiger pompejianischer Dekoration huldigt und dessen Einweihung 1840 stattfand. Auch heute noch strahlt dieses architektonische Kleinod nach wechselvoller Geschichte und sorgfältiger Restaurierung im höfischen Glanz der damaligen Zeit. Ludwig Zanth hatte sich nun infolge seiner ideenreichen, Aufsehen erregenden Entwürfe eine feste Anstellung bei Hof und ein festes Einkommen erhofft, fand jedoch zu jener Zeit zunächst noch keine entsprechende Resonanz beim König, der sich bis dahin noch dem Hofbaumeister Giovanni Salucci verpflichtet fühlte.

 

GUSSEISERNE BAUTEILE AUS WASSERALFINGEN

 

Allerdings steht fest, dass der König mit der Leistung des Architekten Zanth durchaus zufrieden war, was dann letzten Endes dazu führte, dass er ihm auch die Planung und Ausführung eines spektakulären Wohn- und Badehauses inmitten exotischer Gewächshäuser und Parkanlagen in unmittelbarer Nähe zum Wilhelma Theater übertrug. Ludwig Zanth fühlte sich über alle Massen geehrt und gab sein Bestes, unternahm auch Reisen, unter anderem nach England, um dort gusseiserne Konstruktionen und Heizsysteme bei Gewächshäusern zu studieren und daraufhin eigene Entwürfe zu gestalten. Sämtliche gusseisernen Bauteile der Wilhelma wurden dann unter Zanths künstlerischer Oberleitung in den Königlichen Hüttenwerken in Wasseralfingen hergestellt.

 

Man darf wohl sagen, dass Zanth mit der "Wilhelma" seinem König und auch sich selbst ein Denkmal wundersamer orientalischer Formensprache gesetzt hat, das in seiner Schönheit bis zur weitgehenden Zerstörung bei den Bombenangriffen des zweiten Weltkriegs eine grosse Schar von Besuchern begeistert hat. Allerdings hatte die Gesundheit des Architekten durch nächtliche Planungsarbeit bei Kerzenlicht und permanente Arbeitsüberlastung so sehr gelitten, dass Ludwig Zanth immer häufiger beim König um Kur- und Genesungsurlaub nachsuchen musste.

 

GEADELT UND ZUM HOFBAUMEISTER ERNANNT

 

Die Einweihung der maurischen Villa im Jahr 1846 war ein so grosser Erfolg, dass Zanth unverzüglich daran ging hierüber ein grossformatiges Mappenwerk mit kolorierten Zeichnungen anzufertigen, das uns heute noch erhalten ist und Zeugnis ablegt von einem bemerkenswerten Bauwerk, welches leider in der ursprünglichen Gesamtanlage nicht mehr existiert. Resultat all dieser Mühen war die Ernennung Zanths in den Rang eines Hofbaumeisters und die Verleihung des persönlichen Adelstitels. Auch erhielt er eine ganze Reihe von Ordensauszeichnungen anderer europäischer Herscherhäuser. Allein, seine Lebensenergie war nun endgültig verbraucht. Sommer wie Winter suchte er Heilung seines Brustleidens und sehnte sich insbesondere nach südlichen Gestaden mit mildem Klima. Auch seine alten Freunde in Paris wurden ihm nun immer wichtiger. Eine Heimat hat seine Seele in Stuttgart trotz allen äusserlichen Erfolgs wohl nie gefunden. Bedingt durch seine extrem geschwächte Gesundheit war Ludwig von Zanth auch nicht mehr für weitere Bauprojekte zu gebrauchen. Ein Konzertsaal auf dem Wilhelma-Gelände war zwar noch im Gespräch, zu weiteren konkreten Planungen fehlte dem Architekten jedoch dann die Kraft.

 

ALLZU FRÜHES ENDE EINES GENIALEN ARCHITEKTEN

 

All die vielen Orden und Ehrungen der letzten Lebensjahre erscheinen im nachhinein wie vorweggenommene Trauerkränze. Als Dr Karl Ludwig Wilhelm von Zanth (so nannte er sich mit vollem Namen, auch seinem König und dem Kronprinzen zu Ehren) am 7. Oktober 1857 in Stuttgart verstarb, verlor das Königreich Württemberg einen der bemerkenswertesten Architekten jener Epoche. Er war im übrigen auch ein begabter und fleissiger Zeichner. Das Aquarell im Ellwanger Schloss zeugt von diesem Talent, das insbesondere auch eine Persönlichkeit wie der Kunstmäzen Sulpice Boisserée zu schätzen wusste, dessen Engagement beim Kölner Dombau und bei der Gründung der Alten Pinakothek in München von hervorragender Bedeutung war. Er war Ludwig von Zanth ein guter Freund und hilfreicher Förderer im Verborgenen. Seine letzte Ruhe fand Ludwig von Zanth auf dem Hoppenlaufriedhof in Stuttgart in unmittelbarer Nähe zu seinem Freund und Gönner Karl Marcel Heigelin.