Pressebericht vom 30. April 2005

 

Davidstern zum Gedenken an tote Kinder

Das Mahnmal bei Waldstadt wird am Freitag offiziell eingeweiht - Die Zahl der hier beerdigten Opfer ist nicht geklärt

von Marion Zauner.


Pocking. Es ist fertig, das Mahnmal für jüdische Kinder, die am Rande des Lagers Waldstadt beerdigt sind. Zuletzt wurde ein Pflaster in Form eines Davidsterns verlegt. Alles ist bereit für die Gedenkfeier am Freitag, 6. Mai. Die Passauer Historikerin Anna Rosmus, die vor Jahren die Errichtung eines Gedenksteins und nun die Umgestaltung des Platzes initiiert hat, reist mit einer Gruppe von US-Veteranen, Rabbinern, Vertretern des Holocaust Survivors & Friends Education Center (USA) und Nachkommen von Überlebenden des Lagers an. 60 Jahre nach Kriegsende wird der Gedenkstein für die toten Kinder eingeweiht.

Mütter waren unterernährt

Nach Ende des zweiten Weltkriegs wurde aus dem Konzentrationslager
Waldstadt ein DP-Lager, ein Lager für Vertriebene, die Bewohner, Juden. Ein Babyboom setzte ein - doch die Sterblichkeitsrate bei den Neugeborenen war hoch. Das lag laut Anna Rosmus an der »chronischen Unterernährung der Mütter in den KZs und Zwangsarbeitslagern.« Gerade für werdende Mütter wäre die Versorgung mit frischem Gemüse wichtig gewesen, das ging aber im DP-Lager nicht. Dadurch entstanden schon im Mutterleib »typische Fehlbildungen. In Extremfällen bilden sich Nervenstränge statt entlang des Rückenmarks außerhalb des Körpers«, berichtet die Historikerin. Doch auch weniger schlimme Erkrankungen führten zum Tod - die Baracken konnten nicht beheizt werden, Antibiotika gab es nicht. Laut Anna Rosmus gab es in Waldstadt auch Euthanasie-Fälle: Eine Krankenschwester habe die Babys mit einer schmutzigen Nadel in die Fontanelle (den weichen Punkt am Schädel) gestochen, die Infektion führte zu einem schnellen anstelle eines qualvollen, langen Dahinsiechens bis zum ohnehin unausweichlichen Tod.
Wie viele Neugeborene im DP-Lager gestorben sind und dort beerdigt wurden, das lässt sich laut Anna Rosmus heute nicht mehr nachweisen. Das Lager unterstand zunächst den US-Truppen, dann der UNRRA (United Nations Relief and Rehabilitation Administration) und dazu weiteren Organisationen. »Eventuelle Unterlagen befinden sich nicht unter einem Dach beziehungsweise in einem Staat.« Viele Akten gingen auch bei der Auflösung des Lagers verloren.
Doch es gibt Augenzeugenberichte, Unterlagen von Rabbi Meisels, der viele Kinder beerdigt hat. Die Historikerin geht von rund 40 Kindern aus, die im Jahr 1945 im Lager starben. Mindestens acht Kinder und drei Frauen habe Rabbi Lipot Meisels beerdigt. Eine Exhumierung ist nach jüdischem Ritus verboten.


Delegation startet in Schärding

Am kommenden Freitag, 6. Mai, findet die Gedenkfeier für die unbekannten und ungezählten verstorbenen Babys statt. Die Delegation fährt um 14.30 Uhr in Schärding los. Anna Rosmus wird einen Vortrag über die Befreiung des KZ halten. Der Pockinger Kirchenchor und Schüler des Wilhelm-Diess-Gymnasiums gestalten die Gedenkfeier musikalisch. Mit dabei sind auch die Tochter und Enkel von Rabbi Meisels sowie Gina Roitman aus Kanada, deren Eltern im DP-Lager geheiratet haben.