DIE ERMORDUNG DES SAMUEL JOSEPH LANDAUER

 

Ein Bericht zur letzten Hinrichtung mit dem Schwert in Harburg im Jahr 1809

erzählt von Rolf Hofmann

 

 

Bald zwei hundert Jahre sind seit der letzten Hinrichtung eines Schwerverbrechers in Harburg vergangen. Die Richtstatt von einst besteht jedoch heute noch, zumindest der gemauerte Sockel. Diese Stätte des Grauens kennt kaum jemand, sie liegt etwas abseits der Bundesstrasse zwischen Harburg und Hoppingen, etwas oberhalb auf halbem Weg zum Waldrand, unweit des Gittermasten der Überlandstromleitung. Man hat den Sockel aus gutem Grund nie entfernt, die Bauern pflügen achtsam darum herum. Das Drama aus dem Jahr 1809 ist fast vergessen.

 

Der Mörder war der 24 jährige Söldnersohn Johann Kaspar Frisch vom nahegelegen Brünnsee, ein Bürger evangelischer Religion. Das Opfer war der jüdische Händler Samuel Joseph Landauer aus Harburg. Die Ursachen des Zwists sind bekannt, die Gerichtsunterlagen sind trotz intensiver Suche bislang noch nicht auffindbar. Harburg gehörte damals nach Gründung des bayerischen Königreichs zum Oberdonaukreis, der bis 1810 vom damals bayerischen Ulm aus verwaltet wurde, ab 1810 war Eichstätt Verwaltungssitz.

 

Samuel Joseph Landauer war in Harburg als Synagogendiener tätig, dürfte dabei jedoch ein bescheidenes Einkommen gehabt haben und war demnach auch noch als Handelsmann tätig, um Frau und Kinder ernähren zu können. Er wurde 1771 in Harburg geboren und hatte etwa um das Jahr 1800 eine Nichte des Harburger Salzfaktors Elkan Wassermann geheiratet, was zweifellos keine schlechte Partie war. Landauer's Vorfahren stammten aus Ellingen in Mittelfranken. Sein Grossvater Samuel Landauer war Hoffaktor des Deutschen Ordens in Ellingen gewesen und hatte 1741 unweit des mächtigen Deutschorden-Schlosses ein stattliches barockes Palais erworben, das heute noch mit seinen bemerkenswerten Deckenfresken existiert und unter dem Namen "Römischer Kaiser" allseits bekannt ist. Ein Teil des Grundstücks hatte Samuel Landauer dann der jüdischen Gemeinde in Ellingen zum Bau einer Synagoge zur Verfügung gestellt. Sein Sohn Joseph Landauer zog um 1755 von Ellingen ins schwäbische Harburg und liess sich dort dauerhaft nieder.

 

Dessen Sohn Samuel Joseph Landauer war dann bedauerlicherweise das tragische Opfer jener Mordtat des Jahres 1809. Johann Kaspar Frisch hatte seit zwei Jahren Handelschaft mit Landauer betrieben, insbesondere mit Uhren, war inzwischen stark verschuldet und fühlte sich übervorteilt. So geschah es am 16 Juni jenes Jahres, dass Frisch dem Juden Landauer versicherte, er habe Geld vergraben und könne somit seine Schulden begleichen. Unter diesem Vorwand lockte er Landauer aus dem Markt Harburg hinaus und traf sich mit ihm auf der Anhöhe Richtung Brünnsee, wo einst das Wöllwart Schlösschen gestanden hatte. Dort zeigte er ihm die Stelle, wo das Geld versteckt sei und forderte ihn zum Graben auf. Als der Jude sich bückte, schlug ihm Frisch mit einem Stein auf den Kopf, sodass jener betäubt zu Boden ging. Landauer kam jedoch wieder zu sich, und es kam zu jenem tragischen Zweikampf, an dessen Ende dann Johann Kaspar Frisch dem am Boden liegenden Juden Landauer die Hirnsdchale mit Steinen zerschmetterte

 

Der Mordverdacht fiel sogleich auf Johann Kaspar Frisch. Er wurde ins Gefängnis gebracht und gestand die Tat nach drei Tagen. Allerdings liegt die gerichtliche Würdigung der Mordtat noch im Dunkeln. Man befand, dass er den Mord aus Habsucht und Schuldverlegenheit begangen habe und verurteilte Frisch zum Tode. Auf diesen schweren Gang vorbereitet wurde er von Herrn Kirchenrath Schöner und Diakonus Zöller (beide Harburg), sowie Vikar Cellarius zu Ebermergen. Die Hinrichtung fand endlich am 19. Dezember 1809 um 10 Uhr morgens auf dem Rabenstein weit ausserhalb des Marktes Harburg statt und wurde durch den Scharfrichter mit dem Schwert vollzogen. Die Knechte des Scharfrichters brachten anschliessend Kopf und Körper des Delinquenten zum Arme Sünder Kirchhof in Harburg und begruben ihn dort.  Es sollte dies die letzte Hinrichtung in Harburg gewesen sein. Im Jahre 1814 wurde dann auch der immer noch vorhandene Galgen abgebrochen. Grosse Verbrechen wurden ohnehin nicht mehr vor Ort gesühnt.

 

Zu erwähnen wäre noch der Lebensweg von Joseph Landauer, dem Sohn des ermordeten Samuel Joseph Landauer. Geboren um 1804 in Harburg, erhielt er eine Ausbildung in jüdischer Theologie, heiratete 1826 die Tochter des Rabbiners Salomon Wassermann und etablierte sich dann als Rabbiner in Fischach mit durchaus respektabler Verwandtschaft. Der Bruder seiner Gattin war Dr Moses von Wassermann, der zunächst Rabbiner in Mühringen gewesen war und dann zum Bezirksrabbiner in Stuttgart und Mitglied der Israelitischen Oberkirchenbehörde in Württemberg ernannt wurde.