In der bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts zum Bistum
Speyer gehörenden Stadt Bruchsal bestand eine jüdische Gemeinde im Mittelalter
und in der Neuzeit bis 1938. Im Mittelalter wurden 1288 erstmals Juden
genannt. Die Verfolgung in der Pestzeit 1348 zerstörte die Gemeinde. 1381 wurde
wieder ein Jude aufgenommen, weitere konnten in den folgenden Jahren zuziehen.
Im 15. und 16. Jahrhundert schweigen die Quellen. Vermutlich waren in dieser
Zeit nur vereinzelt Juden in der Stadt. Vermutlich waren in dieser Zeit nur
vereinzelt Juden in der Stadt.
Erst seit der Zeit des Dreißigjährigen Krieges lebten wieder Juden in
Bruchsal (erste Nennung 1619). 1685 wurden 18 jüdische Familien in der Stadt
gezählt, 1740 11 Familien.
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde bereits im Mittelalter eine
Synagoge. Die neuzeitliche Gemeinde hat zunächst einen Betsaal, später
Synagogen (s.u.), eine jüdische Schule (Konfessionsschule bis 1876, danach
Religionsschule; vermutlich im Gebäude des Rabbinates Huttenstraße 2), ein
rituelles Bad (Stadtgrabenstraße 17; bezog sein Wasser aus dem Saalbach;
Abschluss in Richtung des Stadtgrabens; durch Kriegszerstörung nicht erhalten).
Die Toten der jüdischen Gemeinde wurden bis 1632 in Worms,
danach auf dem Friedhof
an der Gemarkungsgrenze zwischen Bruchsal und Obergrombach beigesetzt. 1879
wurde als Teil des städtischen Friedhofes in Bruchsal ein jüdischer Friedhof
im Bereich der Stadt angelegt. 1827 wurde Bruchsal Sitz eines Bezirksrabbinates.
Rabbiner in Bruchsal waren: Übersicht
siehe auf der Textseite.
Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts waren die Bruchsaler Juden von großer
wirtschaftlicher Bedeutung für die Stadt. So war der Tabak- und Hopfengroßhandel
fast ausschließlich in ihrer Hand. Mehrere wichtige Industriebetriebe wurden
von jüdischen Unternehmern gegründet.
1888 wurde in Bruchsal der "Israelitische Landeswaisenverein für
Baden" gegründet. Zweck und Arbeitsgebiet war die Erziehung
unbemittelter Waisenkinder. Der Verein hatte auch in der Folgezeit seinen Sitz
in Bruchsal (1932 Vorsitzender: Jacob Oppenheimer). Texte zur Arbeit des
Israelitischen Landeswaisenvereins siehe Textseite.
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner
wie folgt: 1814 128 jüdische Einwohner, 1825 178 (2,6 % von insgesamt 6.853
Einwohnern), 1842 256 (3,2 % von 7.962), 1862 325 (3,9 % von 8.270), 1875 609
(5,6 % von 10.811), 1880 730 (6,4 % von 11.373), Höchstzahl um 1885 mit 752
Personen, 1895 743 (5,9 % von 12.614), 1900 741 (5,5 % von 13.555), 1910 711
(4,6 % von 15.391).
Im Ersten Weltkrieg fielen aus der jüdischen Gemeinde 16 Männer. Ihre
Namen stehen auf dem Kriegerdenkmal für die Gefallenen des Ersten Weltkrieges
auf dem städtischen Friedhof.
Um 1925, als zur Gemeinde 603 Personen gehörten (3,7 % von 16.469),
waren die Vorsteher der jüdischen Gemeinde R. Schlossberger, Karl Marx,
B. Bravmann, L. Einstein, B. Kauffmann, Albert Maier, Paul Odenheimer und S.
Weinberger. Zur Repräsentanz gehörten Jakob Oppenheimer, Heinrich
Dreyfuß, Julius Marx, Max Strauß und Aron Wolf. Rabbiner war der
bereits genannte Dr. Siegfried Grzymisch. Als Religionslehrer war B.
Bravmann angestellt, als Synagogendiener S. Sandler. Der Religionsunterricht an
den Schulen wurde durch Hauptlehrer Prager und Religionslehrer Bravmann erteilt;
der Religionsunterricht an den höheren Schulen durch den Rabbiner. An jüdischen
Vereinen gab es den Israelitischen Frauenverein e.V. (gegründet
1872; 1924/32 unter Leitung von Hedwig Oppenheimer mit etwa 200 Mitgliedern;
Zweck und Arbeitsgebiete: Familienfürsorge, Kranken- und Wöchnerinnenfürsorge,
Gewährung von Holz und Kohlen, Ausbildungshilfen), den IsraelitischenArmenverein
(gegründet 1900; 1924 unter Leitung von R. Schloßberger und Synagogenrat L.
Einstein, 1932 unter Leitung von Max Straus mit 125 Mitgliedern), den Wohltätigkeitsverein
Gemiluth Chasodim (1924 unter Leitung von Isidor Einstein, 1932 unter
Leitung von Max Straus mit 100 Mitgliedern), den Kranken- und Wohltätigkeitsverein
(gegründet 1840; 1924 unter Leitung von R. Schloßberger und Synagogenrat S.
Weinberger, 1932 unter Leitung von Samuel Weinberger mit 160 Mitgliedern; Zweck
und Arbeitsgebiet: Gewährung freier ärztlicher und zahlärztlicher Behandlung,
Arznei und sonstiger medizinischer Hilfsmittel), die Chewra Kadischa
(gegründet 1879, 1924 unter Leitung von Albert Mayer mit 15 Mitgliedern, 1932
unter Leitung von Albert Mayer; Zweck und Arbeitsgebiet: Unterstützung Hilfsbedürftiger
und Bestattungswesen), der Synagogenchorverein (1924 unter Leitung von
Ernst Ullmann mit 40 Mitgliedern), der Verein für jüdische Geschichte und
Literatur (1924 unter Leitung von Max Hilb mit 98 Mitgliedern, 1932 unter
Leitung von Moritz Nathan), den Brautverein (1924 unter Leitung von R.
Schloßberger mit 10 Mitgliedern), den Wohlfahrtsrat als Zentrale aller
Wohlfahrtbestrebungen (1924 unter Leitung von Rabbiner Dr. Grzymisch), den Jüdischen
Frontbund (1932 unter Leitung von Max Hilb), den Jüdischen Jugendbund (1932
unter Leitung von Max Sichel) und eine Ortsgruppe des Central-Vereins
(1932 unter Leitung von Bernhard Kauffmann).
An ehemaligen, bis nach 1933 bestehenden Dienstleistung-, Handels- und
Gewerbebetrieben im Besitz jüdischer Familien / Personen sind bekannt
(Auswahl, Gebäude überwiegend kriegszerstört): Rohtabake A. Bär und Co.
(Friedrichstraße 16), Ausstattungsgeschäft, Kurz- und Weißwaren Alfred Bär
(Friedrichstraße 29), Konfektionsgeschäft Gebr. Bär (Kaiserstraße 43),
Holzhandlung Moses Bär (Durlacher Straße 143), Häutehandlung Raphael Bär
(Friedrichstraße 8-10), Ausstattungsgeschäft Ludwig Bärtig (Kaiserstraße
24), Zigarrenfabrik Barth und Fellheimer (Kaiserstraße 5-7), Tabakagentur Isaak
Baruch (Schillerstraße 10), Zigarrengroßhandlung Ludwig Baruch (Schillerstraße
3), Ausstattungsgeschäft Karoline Baisinger und Zigarrenfabrik Josef Basinger
(Bahnhofplatz 3), Erste Bruchsaler Herdfabrik GmbH (Büchenauer Straße ),
Manufakturwaren Heinrich Carlebach, Inh. S. Ullmann (Friedrichstraße 8-10),
Eisenhandlung Gebr. Dreifuß (Kaiserstraße 76), Ausstattungsgeschäft Isidor
Einstein (Friedrichstraße 42), Herdfabrik Josef Falk (Rheinstraße 13),
Manufakturwaren und Damenkonfektion Jakob A. Gross (Friedrichstraße 15),
Tuchwarengroßhandlung Berthold Herzog (Kaiserstraße 1), Modewaren Lili Hess
(Friedrichstraße 21), Damenschneiderei Recha Hess (Bahnhofstraße 5),
Malzfabrik Hockenheimer und Hilb (Rheinstraße 5), Viehhandlung Aaron Kahn
(Moltkestraße 18), Seidenstoffhandlung Selma Kahn (Seilersbahn 18), Rohtabake
W. Kath und Co. (Durlacher Straße 139a), Farbenfabrik Gebr. Katzauer
(Talstraße 37), Hopfenhandlung B. Kauffmann Söhne (Schillerstraße 6),
Kartonagenfabrik David Kaufmann GmbH (Zollhaldenstraße 4), Tabakagentur Simon
Kaufmann (Luisenstraße 6), Kaufhaus Geschw. Knopf (Friedrichstraße 25-27),
Manufakturwaren Henriette Levin (Kaiserstraße 101), Rohtabake Gebr. Lindauer
(Kaiserstraße 61), Rohtabake Leopold Lindauer (Württemberger Straße 13),
Darmhandlung Max Löb, Metzgerei-Bedarfsartikel Julie Löb und Kolonialwaren-
und Lebensmittelgeschäft Max Löb (Friedrichstraße 55), Tabakagentur Samuel
Marschall (Salonenstraße 13), Rohtabake J.K. Marx (Kaiserstraße 19),
Malzfabrik Moritz Marx Söhne AG (Kaiserstraße 29), Bäckerei Simon Marx (Bismackstraße
10), Schuhwaren Louis Mayer (Kaiserstraße 44), Rohtabake Adolf Moses
(Kaiserstraße 14), Zigarrenfabrik Ernst Nathan (Kegelstraße 15), Branntweingroßhandlung
Heinrich Odenheimer (Schloßstraße 15), Tabakagentur Paul Odenheimer (Schloßstraße
4a), Tuchwarengroßhandlung Louis Oppenheimer (Bahnhofstraße 4),
Ausstattungsgeschäft Max Rosenberg (Holzmarkt 37), Polstermaterialienhandlung
Benno Rothschild (Bahnhofstraße 5), Zigarrenfabrik Sally Rotheimer
(Bismarckstraße 18), Möbelgeschäft Simon Sandler (Pfarrstraße 3),
Eisenhandlung Rudolf Schloßberger (Holzmarkt 30), Malzfabrik Schrag und
Heinsheimer (Schloßstraße 1), Hopfenhandlung Staadecker und Straus (Schloßstraße
3), Café und Conditorei Saly Strauss (Bahnhofplatz 9), Schuhwarengeschäft
Jenny Stroh (Wörthstraße 6), Lederhandlung und Schuhmacherbedarfsartikel Sally
Stroh (Kaiserstraße 63), Kurzwaren Clare Türkheimer (Huttenstraße 2),
Viehhandlung Max Türkheimer (Prinz-Wilhelm-Straße 24), Papierverarbeitung
Isidor Weil (Güterbahnhof 8), Zigarrenfabrik Alexander Wertheimer
(Friedrichstraße 60), Ausstattungsgeschäft Aron Wolf (Kaiserstraße 49),
Viehhandlung Leopold Wolf, Inh. Gustav Wolf (Talstraße 12), Malzfabrik Ludwig
Wolff (Huttenstraße 28).
Bis zu Beginn der NS-Zeit war das Verhältnis der jüdischen zur nichtjüdischen
Stadtbevölkerung überwiegend ohne Probleme. Jüdische Bürger waren im
Stadtrat, im Bürgerausschuss und im Kreisrat in Bruchsal vertreten. Sie unterstützten
durch ihre Mitgliedschaft u.a. das Rote Kreuz sowie Gesang-, Turn- und
Sportvereine. Die christlichen karitativen Einrichtungen, hauptsächlich die
katholischen und evangelischen Krankenschwestern, wurden von ihnen gefördert.
Namentlich in der Blütezeit der Bruchsaler Karnevalsgesellschaft um 1900 nahmen
auch etliche jüdische Einwohner an den Karnevalsveranstaltungen regen Anteil.
Weit über die Stadt hinaus bekannt war wegen seiner Liebestätigkeit bekannt
der im September 1933 verstorbene Jakob Oppenheimer. Er war Vorsitzender des
o.g. Landeswaisenvereins und leitete im Winter 1932/33 die Städtische Nothilfe.
1933 erhielt er noch ein Ehrenbegräbnis und zahlreiche Nachrufe von jüdischer
und christlicher Seite.
1933 wurden 501 jüdische Einwohner in Bruchsal gezählt. Die
nationalsozialistische Hetze richtete sich auch in Bruchsal sofort nach der
nationalsozialistischen Machtergreifung gegen die jüdischen Gewerbe- und
Industriebetriebe in der Stadt. Zahlreiche Restriktionen schränkten das jüdische
Leben in der Stadt ein. So durften jüdische Einwohner das städtische Schwimm-
und Sonnenbad ab Mai 1934 nicht mehr betreten. Für die jüdischen Schülerinnen
und Schüler wurde 1936 eine eigene Schule eingerichtet. Beim Novemberpogrom
1938 wurde die Synagoge niedergebrannt (s.u.). SA-Leute zertrümmerten die
Schaufenster jüdischer Geschäfte. Am 22. Oktober 1940 wurden aus
Bruchsal 79 jüdische Einwohner nach Gurs deportiert, siehe Website
http://www.bruchsal-gurs.de/.
Von den in Bruchsal geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen
Personen sind in der NS-Zeit umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Tana Julia Sophia Abt geb.
Groß (1874), Hilda Archenhold geb. Beisinger (1886), Laura Avellis geb. Bär
(1873), Rosa Baader geb. Kahn (1886), Albert Bär (1880), Alfred Baer (1864),
Alfred (Anselm) Baer (1877), Anni (Fanny) Bär (1925), Auguste Karoline Bär
(1856), Bernhard Bär (1885), Betty Bär (1893), Clothilde Bär geb. Kahn
(1880), Franziska Baer geb. Rosenstein (1892), Friedrich (Fritz Nathan) Bär
(1889), Fritz Bär (1889), Jakob Bär (1875), Jenny Bär (1863), Karla Baer
(1858), Regina Bär (1895), Rosa Baer geb. Schönmann (1869), Rosa Bär (1891),
Siegfried Bär (1876), Sofie Bär (1884), Hannelore Bärtig (1922), Max Bärtig
(1887), Georgette Barth geb. Spira (1888), Heinrich Barth (1889), Hilda Barth
geb. Rothheimer (1887), Lazarus Barth (1887), Leo Barth (1901), Martha (Marthe)
Vanette Barth (1927), Max Barth (1895), Mina Bendheim geb. Katz (1885), Elise
Berg (1877), Julie Berg (1882), Hilde Bergheimer geb. Zivi (1897), Benjamin
Bravmann (1875), Berta Buxbaum geb. Kirchhausen (1893), Ludwig Buxbaum (1886),
Josef Buxbaum (1885), Judis Ida Dresdner geb. Baer (1871), Emil Dreyfuss (1879),
Kurt Eckhaus (1908), Jacob Federbusch (1885), Bertha Fischl geb. Lammfromm
(1866), Johanna Frank geb. Berg (1881), Mathilde Frank geb. Weil (1883), Hermina
Frankenstein geb. Joachimsthal (1894), Julius Friedberg (1875), Paula Frogel
geb. Scharff (1884), Bertha Fröhlich geb. Oppenheimer (1898), Karl Gärtner
(1888), Ludwig Geismar (1869), Erna Herna Goldbaum (1892), Josef Harry Hirsch
Griesheimer (1883), Mina Grünspecht (1893), Karola Grzymisch geb. Schlessinger
(1891), Siegfried Grzymisch (1875), Emmy Günzburger geb. Beissinger (1885),
Margarete Günzburger geb. Löb (1905), Hermine Karoline Gutmann geb. Freund
(1885), Ella Heimberger (1883), Max Heinsheimer (1872), Ernst Heinrich Hess
(1921), Adelheid Hess (1891), Johanna Fanny Hessenthaler geb. Rothschild (1869),
Sally F. Hockenheimer (1881), Robert Holz (1875), Frieda Jacoby geb. Baer
(1864), Lotte Jordan geb. Pfeffer (1916), Walter Jordan (1914), Anna Joseph geb.
Hockenheimer (1879), Jakob Juda (1893), Aron Kahn (1861), Ferdinand Kahn (1875),
Johanna Kahn (1894), Leopold Kahn (1884), Paula Kahn (1900), Siegbert Kann
(1903), Ernst Katz (1884), Marie Katzauer geb. Marx (1872), Samuel Katzauer
(1868), Elsa Kaufmann geb. Marx (1876), Karola Kern geb. Ullmann (1906), Walter
Kracko (1912), Max Lang (1862), Mathilde Lehmann geb. Geismar (1871), Auguste
(Gretchen) Levi geb. Mayer (1870), Martha Levin (1908), Wilhelm Lichter (1865),
Gertrud Lindauer (1902), Hans Moritz Lindauer (1927), Erna Löb geb. Geisler
(1903), Heinz Löb (1931), Julie Löb geb. Weil (1901), David Maier (1878),
Siegfried Maier (1894), Siegfried (Sigo) Maier-Bender (1897), David Majerowitz
(1879), Helene (Nechama) Majerowitz geb. Landau (1879), Berthold Marx (1889),
Betty (Bertha, Berthel) Marx geb. Gross (1870), Max Marx (1876), Rosa Marx geb.
Mayer (1878), Rudolf Marx (1869), Samuel Marx (1882), Simon Marx (1876), Eugen
Moritz May (1893), Lina Mayer (1880), Rosalie Mayer geb. Bär (1861), Selma
Mayer (1887), Emil Mirabeau (1872), Flora Moritz geb. Berg (1875), Erna Sofie Münzesheimer
(1898), Betty Nathan geb. Bär (1882), Ernst Nathan (1871), Margarete (Marie)
Nathan (1904), Gertrud Amalie Neidhardt geb. Marx (1901), Luise Neuburger geb.
Strauss (1864), Hedwig Tana Nöther (1900), Carry Odenheimer (1877), Hugo
Odenheimer (1899), Kurt Oderheimer (1906), Kurt Ohler (1912), Helene Oncken geb.
Rothmann (1880), Marie Oppenheim geb. Landauer (1881), Rosa Oppenheim geb. Münzesheimer
(1898), Marta Pappenheimer geb. Gutmann (1889), Charlotte (Lotte) Prager geb.
Wiesbaden (1886), Wilhelm Prager (1880), Jenny Recking geb. Machel (1867), Anna
Reiß geb. Bär (1870), Hermann Reuter (1892), Rosa Rosenberg geb. Wimpfheimer
(1891), Irma Rosenberger geb. Joachimsthal (1894), Elly Rosenthal geb. Doctor
(1904), Julius Rothheimer (1884), Sally Rothheimer (1881), Wilhelm Adolf Wolf
Rothschild (1874), Simon Sandler (1875), Karl Scharff (1893), Mathilde Schloßberger
geb. Neter (1868), Marie Schöndorff geb. Gross (1871), Anna Schönholz geb.
Ettlinger (1897), Hermine Schwarz (1887), Oaula Schwarzschild geb. Mayer (1877),
Bertha Seeligsberg geb. Odenheimer (1885), Emmy Sicher (1921), Fritz Sicher
(1882), Recha Sicher geb. Heß (1888), Fanny Simon geb. Sülzberger (1885), Paul
Sostheim (1885), Lucie Stern geb. Doctor (1901), Paula Stern (1897), Anna
(Aline) Sternfeld geb. Friedberg (1877), Albert Stiefel (1886), Erna Strauss
(1887), Arthur Stroh (1888), Jenny Stroh (1884), Sally Stroh (1894), Adolf
Abraham Sulzberger (1870), Max Sulzberger (1876), Paula Tuteur (1905), Lili
Ullmann geb. Heß (1893), Gustav Valfer (1877), Elsa (Elisabeth Luise) Vogel
geb. Schmidt (1884), Rosalie de Vries geb. Federgrün (1909), Gustav Weil
(1890), Lina Weil (1887), Mathilde Weil geb. Rothschild (1878), Isidor Weiß
(1875), Bertha Wertheimer geb. Wolff (1859), Emanuel Wertheimer (1903), Hanna Mina
(Wilhelmine) Wertheimer geb. Merklinger (1870), Irma Wertheimer (1887), Kurt Wertheimer
(1896), Kurt Wertheimer (1897), Max Wertheimer (1862), Moritz F. Wertheimer
(1884), Paul Wertheimer (1893),
Adelheid Westheimer (1858), Frieda Westheimer (1892), Kurt Karl Westheimer
(1896), Ludwig Willstädter (1895), Berta Wolf (1886), Bertha Wolf (1900),
Bertha Wolf geb. Strauss (1900), Ferdinand Wolf (1892), Hermann Wolf (1887),
Josef Louis Wolff (1874), Maria Hedwig Wolfsthal geb. Schrag (1879), Mozes B.
Zimmern (1885), Karoline (Lina) Zivi geb. Haas (1870).
Für viele der in der NS-Zeit ermordeten jüdischen Bruchsaler*innen wurden in
den vergangenen Jahren "Stolpersteine" verlegt, vgl. Zusammenstellung
https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_in_Bruchsal.
Hinweis: für Gertrud Amalie Neidhardt geb. Marx wurde 2011 und erneut 2024 ein
"Stolperstein" in Groß-Bieberau
verlegt. Auch für andere aus Bruchsal stammende Personen wurden an verschiedenen
Orten Stolpersteine verlegt.
Hinweise:
- Beitrag zur Geschichte der ehemaligen Synagoge in Bruchsal
(1880/81-1938) von Dagmar Hartmann (gehalten am 9. November 2013 im Großen
Sitzungssaal des Bruchsaler Rathauses) findet sich in der Website bruchsal.org (Teil
1, Teil
2).
- Seiten zum Projekt der digitalen Rekonstruktion der Bruchsaler Synagoge von
Jürgen Schöner findet sich gleichfalls in der Website bruchsal.org Teil 1, Teil
2, Teil 3, Teil
4
Das
mittelalterliche Wohngebiet konzentrierte sich auf die "Judengasse", die 1344
erstmals genannt wird. Bei der Zerstörung Bruchsals 1689 ging die Bezeichnung
unter. Die Gasse verlief im unteren Teil der Rathausstraße zwischen
John-Bopp-Straße und Kübelmarkt. Hier befanden sich auch die mittelalterliche Synagoge, die gleichfalls 1344 genannt wird. Sie stand möglicherweise auf dem
heutigen Grundstück Blumenstraße 3. Zwischen dem alten Stadtgraben (Grundstück
Stadtgrabenstraße 17) und dem Saalbach lag ein rituelles Bad, das auf einem
Stadtplan um 1650 als "Judenbad" und "Judenbrunnen" eingetragen ist.
Die neuzeitliche Gemeinde hatte zunächst einen Betsaal,
seit der ersten Hälfte des 18. Jahrhundert im Dachstock des herrschaftlichen
Hauses des Hoffaktors Jakob Süssel (sogenannter "Süsselbau", Standort:
Huttenstraße 2). Dieser war von 1704 bis 1750 zugleich Vorsteher der jüdischen
Gemeinde Bruchsals. Bis zum Bau der ersten Synagoge 1802 war der Betsaal in
seinem Haus Mittelpunkt der Bruchsaler Gemeinde, in deren Eigentum das Gebäude
nach dem Tod des Stifters übergegangen war. Süssel hatte in seinem Haus 1740
auch den ersten Rabbiner Bruchsal aufgenommen (Isaak Weil aus dem bayrischen Uehlfeld, Rabbiner von 1740 bis 1743) und bestimmte, dass auch künftig der
Rabbiner in diesem Haus wohnen sollte. Im Süssel’schen Betsaal wurden noch
bis in die NS-Zeit zweimal im Jahr Gottesdienste gefeiert. Er blieb in seiner
ursprünglichen Gestalt erhalten und war nach Berthold Rosenthal
(Heimatgeschichte 1927 S. 144) im 20. Jahrhundert "das älteste jüdische
Gotteshaus in Baden: "Dieser ehrwürdige Gebetsraum, dessen ganze
Inneneinrichtung an die Architektur des Bruchsaler Schlosses erinnert, erfüllt
jetzt noch den Besucher mit heiligem Schauer. Es ist ihm, als wäre die Zeit
still gestanden; er sieht sich umringt von den Urahnen, die, in der Tracht des
18. Jahrhunderts angetan und in ihre Gebetmäntel gehüllt, ihre Bitten und
ihren Dank zum himmlischen Vater emporsenden". Das Gebäude Huttenstraße 2
wurde im Zweiten Weltkrieg kriegszerstört. Vermutlich war in ihm bis 1876 auch
die bis dahin bestehende jüdische Konfessionsschule eingerichtet.
1802 wurde eine Synagoge auf dem Grundstück Friedrichstraße
78 erbaut. 1847 wurde die Inneneinrichtung erneuert. Die bisherige
Inneneinrichtung wurde teilweise verkauft.
Verkauf eines Teiles der bisherigen
Innenrichtung der Synagoge (1847)
Anzeige
in der "Karlsruher Zeitung" vom 19. Juni 1847: "Bruchsal.
Verkaufsanzeige.
Die israelitische Gemeinde zu Bruchsal hat mehrere, durch neue innere
Einrichtung der Synagoge entbehrlich gewordene Synagogenstühle, einen
Predigerstuhl und 6 Stück gläserne Hängeleuchter, alles im besten Zustande,
käuflich abzugeben.
Der Synagogenrat: Feist M. Ettlinger."
Die neue Synagoge (1881)
Da im Laufe des 19. Jahrhundert die Zahl der jüdischen Einwohner
Bruchsals von 129 (1814) auf 730 (1880) stark zunahm, war ein Neubau dringend
notwendig. Im Dezember 1878 wurde ein Neubau an derselben Stelle beschlossen.
Der erste Spatenstich konnte am 1. Mai 1880 erfolgen, am 10. Juni desselben
Jahres wurde der Grundstein gelegt. Innerhalb von 16 Monaten wurde der Bau
erstellt; bereits am 16. September 1881 konnte die Einweihung gefeiert werden.
Der Bau kostete 140.000 Mark, die von der Bruchsaler Gemeinde selbst aufgebracht
werden konnten. Nach den Entwürfen der Heidelberger Architekten Johann
Friedrich Henkenhaf (1848-1908) und Friedrich Ebert (1850-1914) wurde ein stattlicher Bau erstellt. Prägend für das Gebäude
war der Neu-Renaissance-Stil. In der Gestaltung der Fassade zeigten sich manche
Ähnlichkeiten mit der Karlsruher Synagoge. Auffallend war in Bruchsal jedoch
ein Fassadenvorbau, der an den Tempietto (1502) des Donato d’Angelo Bramante
(1444-1514) in Rom
erinnerte, wenngleich Ähnlichkeiten auch mit dem Felsendom in Jerusalem
vorhanden waren. Dieser wurde bis ins 17. Jahrhundert hinein als Abbild des
Jerusalemer Tempels betrachtet. In der Synagoge war auch eine Orgel vorhanden.
Von einem festlichen Gottesdienst in der Bruchsaler
Synagoge berichtet einmal die "Allgemeine Zeitung des Judentums" anlässlich der
am Abend des 7. September 1900 durchgeführten Investitur des neugewählten
Bezirksrabbiners Dr. Max Doctor: "Vor Beginn des Gottesdienstes versammelten
sich die Herren Gemeindevorstände mit dem Herrn Rabbiner in dem an die Synagoge
sich unmittelbar anschließenden Betsaal und begaben sich von hier unter
Orgelklang und Chorgesang in das Gotteshaus, wo unser Gemeindevorstand, Herr
Louis Marx, den Seelenhirten der Gemeinde vorstellte und sie ermahnte, ihm die
gebührende Hochachtung entgegen zu bringen und dazu beizutragen, das bisher so
lobenswert anerkannte friedliche Verhältnis in der Gemeinde weiter zu
pflegen..."
Für die Synagoge wird eine Orgel angeschafft (1880)
Artikel
in der "Karlsruher Zeitung" vom 4. Juli 1880: "In einer vor einigen Tagen
stattgehabten Versammlung der israelitischen Gemeinde zu Bruchsal
wurde mit großer Mehrheit die Beschaffung einer Orgel für die neue Synagoge
beschlossen. Dem Vernehmen nach wünscht man ein größeres Werk, dessen Kosten
auf 6 bis 8000 Mark veranschlagt sind."
Die Synagoge ist bald fertiggestellt (1881) Anmerkung: Artikel aus nichtjüdischer
Zeitschrift
Artikel
im "Badischen Beobachter" vom 14. Mai 1881: "Bruchsal, 11. Mai.
In der Poststraße dahier geht der Neubau der Synagoge seiner Vollendung
entgegen. Der Gesamtkostenbetrag mag, nach der ganzen Veranlagung zu
schließen, ein sehr bedeutender sein und beweist, dass die hiesige
Judenschaft rollendes Kapital genug besitzt, ansonst sie mit der alten
Synagoge sich noch begnügt hätte. Es kann nicht geleugnet werden, dass die
neue Synagoge in ihrer Vollendung der Poststraße an Ort und Stelle ein
günstigeres Aussehen verschaffen wird, als die früheren kleinen Häuschen und
Gebäulichkeiten, die ohnedies vom Zahn der Zeit stark benagt waren. Dies
Bewusstsein hat nun den Vorstand der israelischen Gemeinde veranlasst, beim
Stadtrat die Abtragung der 'in mehrfachen Winkeln vorspringenden
Klostermauern von der Töchterschule bis zum Saas'schen Hause' zu verlangen,
um 'den Blick auf das stattliche Gebäude - die neue Synagoge nämlich - durch
Entfernung der unschönen Mauer freizumachen'. Dem Stadtrat scheint dieses
Ansinnen überraschend gekommen zu sein, darum die Sache bis zum nächsten
Jahre verschoben wurde, bei deren Wiedervorlage die israelitische Gemeinde
sich unter anderem dann auch darüber äußern soll, welchen Beitrag sie zur
Verwirklichung des gemachten Vorschlages zu geben bereit wäre? Hübsch nimmt
sich allerdings die fragliche Mauer des jetzigen Schullehrergartens nicht
aus und ein geschmackvolles Geländer wäre für das Auge angenehmer. Da aber
diese Umschaffung mit besonderem Bezug auf die nahe neue Synagoge geschehe n
soll, so hat der Stadtrat gut daran getan, den Geldbeutel Israels dabei ins
Auge zu fassen, sonst noch manche andere ähnliche Anforderungen angeblich
zur Verschönerung der einzelnen Stadtteile gemacht werden könnten, zumal an
verschiedenem alten Mauerwerk von früheren Zeiten her kein Mangel ist. Fatal
nur, dass der Gemeindegeldbeutel von Jahr zu Jahr trotz der Flut von Umlagen
immer unwirscher durch die laufenden Ausgaben in Anspruch genommen wird und
darum auf Schonung berechtigten Anspruch hat. Schließlich muss zugegeben
werden, dass die jüdische Gemeinde im Bewusstsein ihrer wohl bestellten
Börse um der neuen Synagoge willen mit kühnen Anforderungen hervortritt."
Die Synagoge ist fertig und kann eingeweiht werden
(1881)
Artikel
in der "Karlsruher Neuen Zeitung" vom 14. September 1881: "Bruchsal.
Der Bau der neuen Synagoge ist nunmehr auch im Innern soweit vollendet, dass
nächsten Freitag, den 16. dieses Monats, abends 5 Uhr die festliche
Einweihung derselben stattfinden kann."
Generalversammlung des Naphtali Epstein-Vereins in der
Synagoge (1883)
Anzeige
im "Karlsruher Tagblatt" vom 10. Mai 1883: "Naphtali Epstein-Verein.
Sonntag, den 13. Mai, vormittags 11:00 Uhr, findet in dem Betsaale
der neuen Synagoge in Bruchsal die ordentliche Generalversammlung
unseres Vereins statt, zu welcher wir die Mitglieder und Freunde desselben
mit der Bitte um recht zahlreiche Beteiligung freundlichst einladen.
Der Vorstand."
Gesangsaufführung mehrerer Synagogenchöre (1895)
Artikel
in der "Badischen Landeszeitung" vom 28. Juni 1895: "Mannheim, 26.
Juni. (Gesangsaufführung vereinigter Synagogenchöre.) Schon vor Jahresfrist
hat in Karlsruhe von Vertretern der badischen Synagogenchöre eine
Versammlung stattgefunden, um einen Verband zu gründen, der durch
gegenseitigen Anschluss den musikalischen Interessen der einzelnen Chöre
dienlich und überhaupt dem synagogogal-gottesdienstlichen, mehrstimmigen
Chorgesang förderlich sein soll. Es wurde zunächst für 1895 eine gemeinsame
Aufführung der vereinigten Synagogenchöre von Bruchsal, Mannheim und
Pforzheim geplant, unter Leitung von Musikdirektor Hänlein in
Mannheim, als dem Dirigenten des ältesten Synagogenchors in Baden, eines aus
freiwilligen Mitgliedern (Damen und Herren) bestehenden Chorvereins, welcher
noch in diesem Jahre sein 40-jähriges Bestehen feiert. Die geplante
Aufführung findet nun Sonntag, den 7. Juli, nachmittags 3 Uhr in der
Synagoge in Bruchsal statt und besteht aus einer Anzahl von
gemeinsamen vierstimmigen Chören der genannten drei Vereine und
Spezialchören derselben. Wegen derzeitigen Kranksein des Herrn Musikdirektor
Hänlein hat Herr Hofkapellmeister Langer freundlichst die
musikalische Leitung übernommen. Nach der Aufführung findet im Gasthaus
'Fortuna' ein Bankett statt, das außer Reden noch verschiedene gesangliche
Vorträge bieten wird. Die Eintrittskarte zur Gesangsaufführung kostet 1 Mark
50 Pfennig, zum Bankett 1 Mark. Der Ertrag ist für einen edlen Zweck
bestimmt."
Feier in der Synagoge zum Geburtstag des Kaisers (1901)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 4. Februar 1901: "Bruchsal, 28.
Januar (1901). Die religiöse Feier in der Synagoge anlässlich des
Geburtstages Seiner Majestät des Kaisers nahm einen sehr schönen Verlauf.
Herr Bezirksrabbiner Dr. Doktor hielt die Festrede in meisterhafter Weise
und begeisterte damit sämtliche Zuhörer. Nach dem Gottesdienste begaben sich
die Veteranen jüdischer Konfession und mit ihnen noch einige
Glaubensgenossen in das Hotel Maier, woselbst ein solennes
Mittagsmahl eingenommen wurde. Herr Rechtskonsulent Levin hielt hierbei eine
schwungvolle Rede, in der er die Bedeutung des Tages den Anwesenden in
schönen Worten nahe legte. Sodann brachte derselbe ein Hoch auf den Kaiser,
den Großherzog, die Großherzogin und den Erbgroßherzog aus.
Erst in später Nachmittagsstunde trennte man sich mit dem Bewusstsein,
einige recht angenehme, der Bedeutung des Tages entsprechende würdige
Stunden verlebt zu haben."
Einbruch in der Synagoge (1921)
Artikel
in der "Badischen Presse" vom 3. September 1921: "Bruchsal,
2. September (1921). In vergangener Nacht wurde in die hiesige Synagoge
eingebrochen. Die Diebe nahmen eine zentnerschwere eiserne leere Koste mit,
in der sie jedenfalls Reichtümer vermuteten. Am Altar brachen sie eine
Füllung heraus und stahlen Silber (sc. vom Torarollenschmuck) im
Werte von 400-500 Mark."
1926 bis 1928 wurde der gesamte Innenraum der Bruchsaler Synagoge
von dem in Bruchsal gebürtigen, später in Ulm wohnhaften Maler Leo Kahn (1894-1983) ausgemalt, ein nach einem zeitgenössischen
Urteil unerhörtes Unternehmen", das viel Beachtung fand. Leo Kahn wurde zu
seiner Ausmalung von den aus verschiedenen Synagogen des 18. Jahrhunderts
bekannten Bemalungen inspiriert und hat besonders in der Jerusalem darstellenden
Landschaft in der Nische oberhalb des Toraschreines ein altes Motiv neu belebt.
Das vor der Estrade angebrachte schmiedeeiserne Gitter mit dem Rednerpult und
den flankierenden Leuchtern war eine Arbeit des Künstlers Benno Elkan
(1877-1960, der auch
hier auf Vorbilder aus Osteuropa zurückgriff. 1928 rühmte die "Badische Presse"
den schönen und würdevollen Gesamteindruck der Bruchsaler Synagoge, die "neben
dem Können und Eifer der Künstler auch dem Opfersinn und Kunstgeist der
Gemeinde und ihrer Berater das beste Zeugnis" ausgestellt und dabei "jede
Beeinträchtigung durch minderwertige und konventionelle Klischeekunst vermieden"
habe. Die Synagogenweihe nach der Renovierung war am 1. April 1928.
Ausmalung der Synagoge durch Leo Kahn (1928)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 28. Juni 1928: "Bruchsal,
10. Juni (1928). Die Gemeinde Bruchsal hat die Notwendigkeit eingesehen,
den nüchternen und wenig ansprechenden Synagogenräumen der Gründerzeit
ein neues Gewand zu geben. Sie hatte in dem Maler Leo Kahn einen meister
gefunden, der es verstanden hat, dieser schwierigen Aufgabe, unter
Berücksichtigung traditioneller Ideen, im Sinn der Gegenwart, gerecht zu
werden. Der bekannte Bildhauer Benno Elkan hat Geländer und Leuchter der
Vorlesungs-Estrade in bemerkenswerter und neuartiger Weise zu einem
Schmuckstück der Synagoge gestaltet. Prof. Spannagel hat wirkungsvoller
Beleuchtungskörper hinzugefügt und so repräsentiert sich das Gebäude
der 1880er-Jahre des vorigen Jahrhunderts im Gewande der Gegenwart und
ihrer Errungenschaften."
Beim Novemberpogrom 1938 wurde die Bruchsaler
Synagoge bis auf die Grundmauern niedergebrannt. Nicht alle Vorgänge konnten
nach 1945 rekonstruiert werden. Eindeutig ist nach den Akten des
Synagogenbrandprozesses (12. Juli 1946 vor der Karlsruher Strafkammer), dass
sich NSDAP-Partei-Mitglieder, SA- und SS-Männer am 10. November morgens um 3
Uhr im Gasthof "Grüner Baum" trafen, um das Vorgehen abzusprechen. Ein 37-jähriger
Truppenführer der SA aus Bruchsal und ein 39-jähriger SA-Mann aus
Untergrombach gehörten zu den Brandstiftern. Sie waren dabei, als Benzin in
Kannen und Eimern zur Synagoge geschleppt wurde. Einer von beiden stieg durch
ein Fenster in die Synagoge, öffnete von innen die Tür und goss das Benzin in
die untersten Räume. Gleichzeitig drangen die übrigen Mittäter ein und
verteilten an allen brennbaren Punkten der Synagoge Benzin. Die Synagoge wurde
angezündet und brannte zwischen 4.30 Uhr und 6.00 Uhr bis auf die Grundmauern
nieder. Die Feuerwehr erhielt die Order, nur das Übergreifen des Brandes auf
weitere Häuser zu verhindern. Beim Synagogenbrandprozess 1946 wurde der
Bruchsaler SA-Mann wegen schweren Landfriedensbruchs in Tateinheit mit
Brandstiftung zu einer Gesamtzuchthausstrafe von drei Jahren, der
Untergrombacher wegen einfachen Landfriedensbruchs und Beihilfe zur
Brandstiftung zu einem Jahr Gefängnis verurteilt.
Über den Prozess gegen zwei Brandstifter der Synagoge
(1946)
Artikel
im "Jüdischen Gemeindeblatt" vom 20. August 1946: "Bruchsal.
Zwei Brandstifter der Synagoge, der 45-jährige Edgar Schweizer aus
Bruchsal und der 47-jährige Otto Wachter aus Untergrombach konnten am
12.7. vor der Karlsruher Strafkammer abgeurteilt werden.
Schweizer war nach eigenen Aussagen in der fraglichen Nacht zum 'Grünen
Baum' gerufen worden. Benzin wurde herbeigeschleppt, Kannen und Eimer
gefüllt. Schweizer stieg zu einem Fenster ein, öffnete von innen die
Tür und goss das Benzin in die untersten Räume. Gleichzeitig drangen die
übrigen Mittäter ein und verteilten an allen brennbaren Punkten der
Synagoge Benzin.
Der mitangeklagte Wachter war um 3 Uhr morgens gerufen worden. Er wollte,
wie er angab, mit der Sache nichts zu tun haben. Bei der vorangegangenen
Besprechung war er jedoch mit dabei und begleitete dann ebenfalls die
Brandstifter zur Synagoge. Dass Wachter nicht über die Mauer gestiegen
ist, begründete er damit, dass ihm sein Anzug dafür zu schade gewesen
sei.
Der Staatsanwalt beantragte für Schweizer wegen schweren
Landfriedensbruchs in Tateinheit mit Brandstiftung eine
Gesamtzuchthausstrafe von drei Jahren, für Otto Wachter wegen einfachen
Landfriedensbruchs und Beihilfe zur Brandstiftung ein Jahr Gefängnis. Der
Antrag des Staatsanwalts wurde vom Gericht in voller Höhe anerkannt und
als Urteil ausgesprochen."
1966
ist am Feuerwehrgebäude eine Gedenktafel für die Synagoge angebracht worden.
Eine der sechs Säulen aus dem halbrunden Tempiettovorbau der ehemaligen
Synagoge liegt heute auf dem jüdischen Friedhof in Obergrombach. Eine neue
Gedenktafel für die Synagoge wurde am 30. Oktober 2000 enthüllt.
In der 1840 errichteten zentralen Strafanstalt in Bruchsal (Schönbornstraße
32) wurde unterhalb der Orgel des heute noch erhaltenen Kirchenraumes ein Betsaal
mit sieben Einzelboxen für die jüdischen Insassen eingerichtet. Diese
Einrichtung ist nicht mehr vorhanden.
Auf der Suche nach einer Torarolle aus Bruchsal
(2012) (Informationen und Dokumente erhalten von Rolf Schmitt,
Bruchsal)
Bei Recherchen zu einem Buch über die Bruchsaler jüdische Familie Oppenheimer wurden in der beim Leo-Baeck-Institut in New York publizierten Baer-Oppenheimer Family Collection
(http://archive.org/details/baeroppenheimerfamily) zwei Schreiben entdeckt, die darauf schließen ließen, dass entweder Otto Oppenheimer oder Fritz Bär, der Vater dessen Schwiegersohnes, eine
Sefer Thora (Torarolle) der Bruchsaler Synagoge bei der Flucht mit ins Schweizer Exil nahm. Bei der Ausreise in die USA 1941 bat Otto Oppenheimer die Jüdische Gemeinde in Luzern, diese Thorarolle in Verwahrung zu nehmen, was diese auch zusagte. Nachforschungen im Jahre 2012 bei der Jüdischen Gemeinde Luzern ergaben nunmehr, dass nach so vielen Jahren keine Angaben mehr über den Verbleib der Thora – so sie tatsächlich jemals in Luzern angekommen ist – gemacht werden können. Ein Protokoll über diese Angelegenheit existiert nicht, damit befasste Leute leben nicht
mehr.
Rechts: Schreiben
der
Jüdischen Gemeinde Luzern
vom 15.4.1941 an
Otto Oppenheimer (Zug)
Links: Schreiben von
Otto Oppenheimer vom
28.4.1941 an die Jüdische
Gemeinde Luzern
Am 09.7.2012 teilte Hugo
Benjamin, der Präsident der Jüdischen Gemeinde Luzern in seinem
Schreiben u.a. mit: "Meine Nachforschungen, ob dieses Sefer Thora
jemals in Luzern gelandet ist und wenn ja, was damit geschehen ist, sind
ohne Erfolg geblieben. Diejenigen Leute, welche sich damit seinerzeit
beschäftigt haben, leben nicht mehr und ein Protokoll in dieser Sache ist
nicht mehr auffindbar. Ich erinnere mich lediglich, dass vor Jahren ein
Sefer Thora beerdigt worden ist, doch von woher diese stammte, ist mir
völlig unbekannt."
Säule aus der
Bruchsaler Synagoge als Denkmal auf dem Friedhof in
Obergrombach
- mit Hinweistafel
Originalfilm zur Deportation der Juden aus
Bruchsal im Oktober 1940 - eingestellt bei Youtube:
Weitere
Originalfilmaufnahmen aus Bruchsal zwischen 1938 und 1940, teilweise in
Farbe:
Kreisparteitag der NSDAP in Bruchsal 1938, Bombenangriff auf Bruchsal
1940, Deportation nach Gurs am 22. Oktober 1940.
April
2015: In Bruchsal werden die ersten
zehn "Stolpersteine" verlegt
Hinweis: Am 19. April 2015
werden nach einem Festakt im Bruchsaler Rathaus fünf Stolpersteine für
die Familie Sicher in der Bismarckstraße 18, drei Stolpersteine für die
Familie Dreifuß in der Wilderichstraße 23 und zwei Stolpersteine für
die Eheleute Jordan verlegt.
Artikel
von Sonja Zeh zur Stolpersteine-Verlegung im "Kurier" vom
23. April 2015
September 2015:Zum 140. Geburtstag des Dichters Otto Oppenheimer
Artikel von Sibylle Orgeldinger in der
"Bruchsaler Rundschau" vom 7. September 2015: "'Gutes
Gefühl, ein Bruchsaler sein zu dürfen'. Der Narrenrat richtete eine
Matinee zum 140. Geburtstag des Dichters Otto Oppenheimer
aus..." Link
zum Artikel (eingestellt als pdf-Datei)
Artikel von Sonja Zeh in "Der
Kurier" vom 10. September 2015: "Matinee über Otto Oppenheimer
gewährt tiefe Einblicke in das Leben eines Heimatvertriebenen. Über
den 'Dorscht', Falschheit und Heimatgefühle..." Link
zum Artikel (eingestellt als pdf-Datei)
Juni 2016:
Weitere elf Stolpersteine werden verlegt
(zweite Stolpersteine-Verlegung)
Stolpersteine wurden verlegt für Oskar
Bornhäuser in der Gutleutstraße 5, für Wilhelm Prager, Charlotte Prager
und Mathilde (Tilde) Prager in der Styrumstraße 20, für Fanny Bär,
Sofie Bär und Alfred Anselm Bär in der Friedrichstraße 8, für Bertha
Kahn und Johanna Kahn in der Kaiserstraße 15, für Hedwig Oppenheimer und
Berta (Bertel) Fröhlich geb. Oppenheimer in der Bahnhofstraße
16a
Nachfolgende Fotos wurden gleichfalls von
Sascha Zimmermann erstellt und zur Verfügung gestellt:
Gutleutstraße mit Schülern
des
Justus-Knecht-Gymnasiums,
Oberbürgermeisterin Petzold-Schick
und weiteren Teilnehmern
Verlegung von Stolpersteinen
in
der Styrumstraße 20 für
Angehörige der Familie Prager
durch Gunter Demnig
Verlegung in der
Friedrichstraße;
links von G. Demnig: Schulleiter
Hanspeter Gaal vom
Justus-Knecht-Gymnasium
Stolpersteine in der
Kaiserstraße 15 für Bertha Kahn
geb. Hirsch und Johanna Kahn
Verlegung von Stolpersteinen
in der Bahnhofstraße 16a für
Hedwig Oppenheimer und
Berta Fröhlich geb. Oppenheimer
Artikel
im "Kurier" (Bruchsal) von Sonja Zeh vom 30. Juni 2016: "Neue
Stolpersteine in Bruchsal erinnern an elf Schicksale aus fünf Familien.
'Ein Projekt der Versöhnung'..."
April 2017:
Dritte Verlegung von Stolpersteine
Am 26. April 2017
wurden weitere 16 Stolpersteine in Bruchsal verlegt. Die Orte der
Verlegung waren die Huttenstraße 2 (für Dr. Siegfried Grzymisch, Carola
Grzymisch geb. Schlessinger, Charlotte (Lina) Mayer), Huttenstraße 26
(für Mathilde Weil), Friedrichstraße 53 (für Max Löb, Julie Löb geb.
Weil, Heinz Löb, Edith Löb), Durlacher Straße 71 (für Opfer der
"Euthanasie"-Aktion Friedrich Molitor, nichtjüdisch), die
Schwimmbadstraße 17 (für Friedrich Sem Bär, Franziska Bär geb.
Rosenstein, Therese (Resi) Bär) und die Bismarckstraße 10 (für Simon
Marx, Rosalie Marx geb. Mayer, Betty Marx und Trude Marx). Im Anschluss an
die Verlegung fand eine Gedenkveranstaltung in der Aula des
Justus-Knecht-Gymnasiums statt.
Nachfolgende Fotos
wurden von Sascha Zimmermann erstellt und zur Verfügung
gestellt:
Verlegung vor dem
Haus Schwimmbadstraße 17
für Angehörige der Familie Bär
Verlegung
vor dem Haus Huttenstraße 26
für Mathilde Weil
Verlegung
vor dem Haus Bismarckstraße 10 für Angehörige der Familie
Marx
Verlegung vor dem
Haus Friedrichstraße 53 für Angehörige der Familie Löb
Verlegung
vor dem Haus Huttenstraße 2 für Ehepaar Grzymisch und Charlotte
Mayer
Präsentation bei
der Gedenkveranstaltung im Justus-Knecht
Gymnasium
2018:
Überlegungen zur weiteren Nutzung des
Grundstückes der ehemaligen Synagoge
Links:
Flyer "Es ist unsere Geschichte" mit Hinweisen auf
Veranstaltungen zur Thematik im Februar/März 2018, teilweise im
Feuerwehrhaus auf dem Grundstück der ehemaligen Synagoge
(der
Flyer ist als pdf-Datei eingestellt;
aktueller Flyer siehe unten)
Artikel
von Heikle Schaub in der "Bruchsaler Rundschau" vom 5. Dezember 2018: "Zwischen
Gedenken und günstigem Wohnraum. Vorschläge der Bürger für Nachnutzung
des Feuerwehr-Areals stehen auf der städtischen Homepage..."
Zum Lesen des Artikels bitte Textabbildung anklicken
Juni 2019:
Ein Förderverein "Haus der
Geschichte der Juden Badens e.V." wurde gegründet
Dezember 2019:
Zum Stand des Ideenwettbewerbs für
das Synagogengrundstück
Artikel von Stefan
Jehle in der "Stuttgarter Zeitung" vom 29. Dezember 2019: "Neue Pläne am
Standort der früheren Synagoge. Bruchsal plant einen Garten des Gedenkens
Bruchsal will dem Gedenken Raum geben: An der Friedrichstraße in Bruchsal
soll der Standort der 1938 zerstörten Synagoge wieder ins Blickfeld rücken –
1952 war gerade an dieser Stelle ein Feuerwehrhaus gebaut worden, das nun
umzieht.
Bruchsal - Ein Feuerwehrhaus am Standort der früheren Synagoge – bis
heute ist das in Bruchsal Realität. Seit etwa zwei Jahren wird das Areal
zwischen Friedrichstraße und Friedrichsplatz überplant: die Feuerwehr soll
im Sommer 2020 in das neue Carré 'Bahnstadt' umziehen. Dann soll der
Standort der 1938 zerstörten Synagoge neu ins Blickfeld rücken: Die
Oberbürgermeisterin Cornelia Petzold-Schick (parteilos) sieht sich
gefordert, 'auf dem Areal für die Zukunft manches besser zu machen'. Sie hat
ein umfangreiches Beteiligungsverfahren angestoßen. Mit dem übergreifenden
Thema 'Gedenken' wolle man 'der historischen Verantwortung gerecht werden',
sagt Petzold-Schick. Der Umgang mit dem Grundstück an der Friedrichstraße,
nur wenige Meter vom Rathaus und der katholischen Stadtkirche entfernt,
hatte bis dato in der Stadt viele befremdet. Erworben vom 'Jewish
restitution Fund', ging das Grundstück 1948 über in den Besitz der Stadt,
die schließlich 1952 dort das Feuerwehrhaus seiner Bestimmung übergab 'Ein
schrecklicher Zynismus' sei das, zitiert der Stadtplaner Hartmut Ayrle
Kritiker. Denn im November 1938 habe die damalige Feuerwehr die
Brandschatzung nicht etwa verhindert, sondern geschaut, dass es auch gut
lodert.
Noch im 19. Jahrhundert und im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts gab es in
Bruchsal reges jüdisches Leben. Um 1885 zählte die Stadt 752 Mitbürger
jüdischen Glaubens. Seit mehr als sechs Jahrhunderten lebten Juden in der
Stadt. Die 1881 errichtete Synagoge wurde in der Pogromnacht zum 9. November
1938 zerstört und nach dem Krieg nicht mehr aufgebaut. Es gab keine Gemeinde
mehr. Im Foyer ist das Modell der Synagoge zu sehen. Im zweiten Stock des
Rathauses werden nun 18 Entwürfe eines Ideenwettbewerbs präsentiert, fünf
davon wurden prämiert. Ein Modell der Synagoge ist im Foyer zu sehen,
gefertigt hatte es eine Bruchsaler Schülergruppe. Das Modell verdeutliche,
dass 'die Synagoge ein großes, prägendes Gebäude in der Stadt war', sagt der
Stadtplaner Ayrle. Im Frühsommer habe man zudem nach Fundamenten des
einstigen Prachtbaus gegraben, berichtete die Stadtsprecherin Ina Rau. Die
archäologischen Arbeiten seien ein wichtiger 'Input' für den Ideenwettbewerb
gewesen, sagt sie. Hartmut Ayrle ist es wichtig, dass in allen vorliegenden
Entwürfen 'ein paar identische Grundfiguren' mit auftauchen. So wurde gleich
mehrfach 'ein Garten des Gedenkens' vorgeschlagen, in dem die Grundrisse der
innerhalb von nur 16 Monaten fertiggestellten Synagoge, ein Gebäude im
Neo-Renaissance-Stil, erkennbar werden. Der Bau soll später vor allem ein
Begegnungszentrum werden. Der Stadtplaner sagt, es sei ein bedeutungsschweres Projekt. Wenn es
nach Rami Suliman ginge, wäre dort ein Haus der Geschichte der Juden Badens
wünschenswert. Suliman, der Vorsitzende der Israelitischen
Religionsgemeinschaft Badens, war Mitglied in der Jury des Ideenwettbewerbs.
Stadtplaner Ayrle sagt, das Gedenken an jüdisches Leben in Bruchsal 'muss
auch optisch ins Auge fallen.' Ihm ist das Projekt, das er als 'eines der
bedeutungsschwersten in meiner Amtszeit als Leiter des Planungsamtes',
bezeichnet, erkennbar ein Anliegen."
Link zum Artikel
September 2020:
Über das "Narrenschiff" in
Bruchsal
Fotos
und Beitrag aus der Facebook-Seite von Rolf Schmitt, Bruchsal (mit
freundlicher Genehmigung von R. Schmitt): "Bericht über die
Feierlichkeiten zur Eröffnung des Narrenschiffs in Bruchsal - Report on the
festivities for the opening of the Ship of Fools in Bruchsal (Text in German
and English)
Späte Genugtuung für verfolgten Bruchsaler - Rolle Otto Oppenheimers mit dem
modernen Kunstwerk 'Narrenschiff' in Bruchsal gewürdigt.
Bericht von Heike Schaub in der 'Bruchsaler Rundschau' vom 21. September
2020: "Bruchsal. Ob Otto Oppenheimer der Standort gefallen hätte? Bis 1945
hieß der Holzmarkt Adolf-Hitler-Platz. 2011 wurde der Platz zu Ehren des
verfolgten und von den Nazis ins Exil vertriebenen Bruchsaler
Tuchgroßhändlers umbenannt. Oberbürgermeisterin Cornelia Petzold-Schick
würdigte bei der Enthüllung des Kunstwerks 'Narrenschiff' zu Ehren des
Graf-Kuno-Erfinders dessen prägenden Einfluss in Bruchsal. Für den 1951 im
New-Yorker Exil Verstorbenen wäre die Einweihung am Sonntagabend eine späte
Genugtuung. 'Mitten im Leben' liege der Platz. Das gesellschaftliche Leben
hat der jüdische Tuchhändler und begeisterter Fasnachter geprägt, so OB
Petzold-Schick. Am Sonntag wurde das Kunstwerk von Wolfgang Thiel unter
Begleitung der Guggemusiker von Transpiratio und den Schlabbedengla mit
einigen Mikro-Hängern enthüllt. Die OB erinnerte an die lange
Entstehungsgeschichte des 'Narrenschiffs', dass zeitweise drohte
unterzugehen, 'doch es fanden sich immer wieder Lotsen und Schlepper', so
Petzold-Schick. Unter ihnen der verstorbene GroKaGe-Ehrenpräsidenten Michael
Tinz. Auch die Ideen für Standort und Gestaltung wechselten. Ursprünglich
war die Treppe zum Saalbach angedacht. Die Kneipp-Anlage ist mittlerweile in
der Bahnstadt vorgesehen. Die ursprüngliche Idee einer traditionellen
Skulptur mit 'Graf Kuno auf dem Weinfass' wurde zwischenzeitlich von einer
modernen Installation mit Fliesen der Staatlichen Majolika abgelöst. Die
bunte Darstellung wurde von einer Zeichnung des ebenfalls verfolgten Malers
und Freund Oppenheimers, Karl Hubbuch, inspiriert.
Schließlich fiel um 17.30 Uhr mit etwas Anlaufschwierigkeiten die
Christo-mäßige Verhüllung der vier Betonstele. Der Stuttgarter Wolfgang
Thiel erläuterte seine künstlerische Auseinandersetzung mit dem Schicksal
der jüdischen Tuchhändlerfamilie Oppenheimer. Kunsthistoriker Ulrich Simon
erklärte die kulturgeschichtlichen Aspekte des 'Narrenschiffs'. Sie nehmen
Anleihen bei der gleichnamigen Moralsatire von Sebastian Brand, sollen den
Menschen 1494 einen Spiegel vorhalten und verweisen auf das Exil der von den
Nazis vertriebenen Bruchsaler Juden. Mit dem Dampfschiff kam Oppenheimer im
Dezember 1941 in New York an. Heimfried Werner verwies als 'Graf Kuno' in
einem fiktiven Dialog mit seinem 'Erfinder' Oppenheimer auch auf die
wichtige Rolle anderer Familienmitglieder. So war Ehefrau Emma im
'Fürsorgeausschuss der Stadt Bruchsal' oder im Vorstand des 'Vereins für
Frauenbestrebungen' aktiv. Bruder Jakob organisierte etwa den Sommertagszug
mit. Das Leben Oppenheimers und die Ziele Tinz als Initiator des Denkmals
erläuterte GroKaGe-Präsident Michael Vettermann, der am Sonntag närrische 66
Jahre alt wurde. Die Veranstaltung hätte dem Tuchhändler gefallen.
.
"Bruchsaler
Rundschau of September 21, 2020 - article written by Heike Schaub: "Late
satisfaction for persecuted Bruchsaler.
Otto Oppenheimer's role with the modern work of art "Narrenschiff" in
Bruchsal.
Bruchsal. Would Otto Oppenheimer have liked the location? Until
1945, the Holzmarkt (name of a square) was called Adolf-Hitler-Platz. In
2011 the square was renamed in honor of the Bruchsal cloth wholesaler [Otto
Oppenheimer] who was persecuted and driven into exile by the Nazis. At the
unveiling of the work of art "Narrenschiff" in honor of the Graf Kuno (Count
Kuno) inventor, Lord Mayor Cornelia Petzold-Schick paid tribute to his
formative influence in Bruchsal. For the poet, who died in exile in New York
in 1951, the inauguration on Sunday evening would be a late satisfaction.
"In the middle of life" is the place. According to Mayor Petzold-Schick, the
Jewish cloth merchant and enthusiastic Fasnachter (carnivalist) has left his
mark on social life. On Sunday the artwork by Wolfgang Thiel was unveiled,
accompanied by the Guggemusiker of Transpiratio and the Schlabbedengla (names
of music groups) with some microphon failures. The Mayor reminded the
audience of the long history of the "Narrenschiff", which at times
threatened to sink, "but pilots and tugboats were always found", said
Petzold-Schick. Among them was the late GroKaGe Honorary President Michael
Tinz.
The ideas for location and design also changed. Originally, the stairs to
the Saalbach were planned. The Kneipp facility is now planned for the
Bahnstadt (a new borough of Bruchsal). The original idea of a traditional
sculpture with "'Graf Kuno auf dem Weinfass" (Count Kuno on the wine barrel)
has meanwhile been replaced by a modern installation with tiles of the
Staatlichen Majolika (State Majolica) in Karlsruhe. The colorful
representation was inspired by a drawing by Karl Hubbuch, a painter and
friend of Oppenheimer's, who was also persecuted due to Entartete Kunst (degenerate
art).
Finally, at 5:30 p.m., with some teething problems, the Christo-like veiling
of the four concrete steles fell. Wolfgang Thiel from Stuttgart explained
his artistic examination of the fate of the Jewish cloth merchant family
Oppenheimer. Art historian Ulrich Simon explained the cultural and
historical aspects of the "Ship of Fools". They borrow from the moral satire
of the same name by Sebastian Brand, are supposed to hold up a mirror to the
people in 1494 and refer to the exile of the Bruchsal Jews driven out by the
Nazis. Oppenheimer arrived in New York by steamship in December 1941.
As "Graf Kuno", Heimfried Werner, in a fictitious dialogue with his "inventor"
Oppenheimer, also referred to the important role played by other members of
the family. Thus, his wife Emma was active in the Fürsorgeausschuss der
Stadt Bruchsal' (Welfare Committee of the City of Bruchsal) or on the board
of the "Verein für Frauenbestrebungen' (Association for Women's Efforts).
Brother Jakob, for example, helped organize the 'Sommertagsumzug' (summer
day parade). The life of Oppenheimer and the goals of Tinz as the initiator
of the monument were explained by GroKaGe President Michael Vettermann, who
turned 66 on Sunday – a foolish number. The cloth merchant would have liked
the event.".
April 2022:
Zum Stand der Diskussion um die
Nutzung des Grundstückes der ehemaligen Synagoge
Artikel von Nicole
Jannarelli in der "Bruchsaler Rundschau" vom 9. April 2022: "Nachnutzung
des alten Feuerwehrhauses: Beim Bruchsaler Denkort gibt es neue
Impulse..." (Artikel
eingestellt als pdf-Datei)
Mai 2022:Am Synagogenstandort soll ein
Bildungszentrum der jüdischen Religionsgemeinschaften Badens und
Württembergs entstehen
Artikel von Stefan
Jehle in der "Stuttgarter Zeitung" vom 27. Mai 2022: "Frühere Synagoge in
Bruchsal wird Bildungsort. Die jüdischen Religionsgemeinschaften in
beiden Landesverbänden wollen ein gemeinsames Zentrum schaffen..."
Link zum
Artikel (eingestellt als pdf-Datei; Hinweis zur Überschrift: es geht
nicht um die frühere Synagoge, sondern um das Synagogengrundstück; die
Synagoge wurde 1938 zerstört)
November 2024:
Erinnerung zum Jahrestag des
Pogroms 1938
Artikel
von Annika Abendschön in der "Bruchsaler Rundschau" vom 9. November 2024.
- Beitrag zur Geschichte der ehemaligen Synagoge
in Bruchsal (1880/81-1938) von Dagmar Hartmann (gehalten am 9. November 2013
im Großen Sitzungssaal des Bruchsaler Rathauses) findet sich in der Website
bruchsal.org (Teil
1, Teil
2).
- Seiten zum Projekt der digitalen Rekonstruktion der Bruchsaler Synagoge
von Jürgen Schöner findet sich gleichfalls in der Website bruchsal.org Teil 1, Teil
2, Teil 3, Teil
4
Harold Hammer-Schenk: Synagogen in Deutschland. Geschichte einer
Baugattung im 19. und 20. Jahrhundert. 2 Bände. Hamburg 1981.
Joseph Walk (Hrsg.): Württemberg - Hohenzollern -
Baden. Reihe: Pinkas Hakehillot. Encyclopedia of Jewish Communities from
their foundation till after the Holocaust (hebräisch). Yad Vashem Jerusalem
1986. S. 274-277.
Jürgen Stude: Geschichte der Juden im Landkreis Karlsruhe. 1990
(passim).
Günter Boll: Entfremdung - Konflikte und
Konversionen. Beitrag von 2010. Eingestellt
als pdf-Datei. (darin u.a. über den Rabbiner Isaak Weyl, der u.a. 1740 bis 1743
Rabbiner in Bruchsal war, 1759 mit seiner Familie in Darmstadt konvertierte
und nun Ludwig Wilhelm Weyland hieß).
Elmar Weiss: Der Gerechte lebt durch seine Treue (Veröffentlichungen
des Vereins zur Erforschung jüdischer Geschichte… im tauberfränkischen
Raum Band 3) 1996 (zu Josef Eschelbacher, aber auch zur Bruchsaler jüdischen
Gemeinde).
Franz-Josef Ziwes (Hg.): Badische Synagogen. 1997 S. 62-65.
Reiner Oberbeck: Die Synagoge Bruchsal 1881-1938 sowie Konrad Exner-Seemann:
Die Deportation Bruchsaler Juden in das Vernichtungslager Gurs. Aufsätze
in: Badische Heimat Heft 2/2002;
Alixua Kira Haus: Bruchsal und der Nationalsozialismus. Geschichte
einer nordbadischen Stadt in den Jahren 1918-1940. Verlag Regionalkultur
2001 (= Veröffentlichungen der Historischen Kommission der Stadt Bruchsal.
Band 19).
Dagmar Hartmann: Die ehemalige Synagoge in Bruchsal
aus kunsthistorischer Sicht. Ms. Heidelberg 1998. Druck für 2005/06
vorgesehen.
Jürgen
Stude: Geschichte der Juden in Bruchsal. Veröffentlichungen
zur Geschichte der Stadt Bruchsal Band 23. Verlag Regionalkultur 2007. (umfassende
Darstellung zur jüdischen Geschichte der Stadt und der Stadtteile)
Joachim
Hahn / Jürgen Krüger: "Hier ist nichts anderes als
Gottes Haus...". Synagogen in Baden-Württemberg. Band 1: Geschichte
und Architektur. Band 2: Orte und Einrichtungen. Hg. von Rüdiger Schmidt,
Badische Landesbibliothek, Karlsruhe und Meier Schwarz, Synagogue Memorial,
Jerusalem. Stuttgart 2007.
Thomas Adam /Thomas Moos / Rolf Schmitt (Hrsg.): Oppenheimer - Eine
jüdische Familie aus Bruchsal. Spuren - Geschichte - Begegnungen. Reihe:
Veröffentlichungen zur Geschichte der Stadt Bruchsal Band 25. ISBN
978-3-89735-747-1.
Erschienen im Verlag Regionalkultur Ubstadt-Weiher 2012 - 22,80 €. Informationen
auf Verlagsseite - Flyer zum Buch
(pdf-Datei) Die jüdische Bruchsaler Familie Oppenheimer hat in
der Geschichte der Stadt bleibende Spuren hinterlassen. Zur Kaiserzeit und
während der Weimarer Republik war ihre florierende Tuchgroßhandlung eine
feste Größe im regionalen Wirtschaftsleben, und auf vielfältige Weise
haben sich die Oppenheimers gesellschaftlich engagiert - sei es als
Kunstmäzene, Vereinsförderer, Stadtverordnete oder Wohltäter im
sozial-karitativen Bereich. Die Machtübertragung an die Nationalsozialisten
setzte dem allen ein Ende. Das Unternehmen wurde 'arisiert', die
Familienmitglieder mussten aus ihrer Heimat fließen oder fanden in
Konzentrationslagern den Tod. Seit 2011 erinnert ein Platz im Bruchsaler
Stadtzentrum an den Mäzen, Kunstsammler und Schöpfer des bekannten Liedes
vom 'Brusler Dorscht', Otto Oppenheimer. Wie in einem Brennspiegel
verdichtet sich die deutsche Historie des 20. Jahrhunderts im Schicksal
dieser Familie.
Christiane
Twiehaus: Synagogen im Großherzogtum Baden (1806-1918). Eine
Untersuchung zu ihrer Rezeption in den öffentlichen Medien. Rehe: Schriften
der Hochschule für jüdische Studien Heidelberg. Universitätsverlag Winter
Heidelberg 2012. Zur Synagoge in Bruchsal S. 212-217.
Rolf Schmitt: Ich glaube nicht, dass ihr in
Deutschland zu solch einer Geste fähig seid. Nach acht Jahre währenden
Diskussionen wurden in Bruchsal erstmals Stolpersteine verlegt. In:
Bausteine zur Geschichte der Stadt Bruchsal und ihres Umlands Bd. 3. Hrsg.
im Auftrag der Kommission für Stadtgeschichte der Stadt Bruchsal von Konrad
Dussel und Jürgen Treffeisen. S. 254-267. Verlag Regionalkultur GmbH & Co.
KG, 76698. Ubstadt-Weiher,
www.verlag-regionalkultur.de ISBN 978-3-95505-421-2, 288 Seiten, EUR
19,90. Das Buch ist im Buchhandel oder direkt beim Verlag erhältlich.
Beitrag ist eingestellt als pdf-Datei.
Im selben Band erschienen: Konrad Dussel: 275 Jahre Jägerhaus Forst.
In diesem Beitrag wird u.a. der Lebens- und Leidensweg der jüdischen
Gondelsheimer / Bruchsaler Familie Rothheimer vorgestellt. Florian Jung: Ein Schülerprojekt als Versöhnungsprojekt. In
diesem Beitrag wird berichtet, wie aus der Verlegung von Stolpersteinen ein
Schulprojekt wurde, in das alljährlich Schülerinnen und Schüler des
Bruchsaler Justus-Knecht-Gymnasiums eingebunden sind. Vorgestellt werden
neun Stolpersteinverlegungen in Bruchsal von 2015 bis 2023, mit 44
Verlegestellen, 128 Steinen, 44 Familien und 167 angereisten Angehörigen.
Bruchsal
Baden. A Jewish settlement existed by the latter 13th century with an
organized community concentrated in a Jewish quarter in the first half of the
14th century. The community was destroyed in the Black Death persecutions of
1348-49. The new community suffered religious persecutions in the 15th century
and lost all its property in the Thirty Years War (1618-48). Throughout the 18th
century, the Jews were subjected to political and economic pressure by the
ruling bishops. The first synagogue was consecrated in 1802 and in 1827 Bruchsal
became the seat of the district rabbinate with jurisdiction over a dozen
communities. Jews came to play a leading role in the city's economy, trading in
beer hops and other farm produce and operating a major knitwool factory. The
Jewish population grew steadily, rising from 178 in 1825 to 743 (total 12,614)
in 1895. Antisemitism made itself felt in the 1880s and 1890s, with occasional
violent outbursts, and again after worldwar I. From the early 20th century, the
Jewish population began to decline through emigration and by 1933 numbered 501.
The community remained prominent economically, with Jews owning 21 factories (12
of them making cigarettes) and being well represented in the professional class.
Under Nazi rule, discriminatory laws were applied and the economic boycottes was
enforced. In 1936-37, 110 Jews left the city, 76 of them emigrating from
Germany. In 1938 Jews of Polish and Czech origin were expelled to the Polish
border and on Kristallnacht (9-10 November 1938), the synagogue was
burned to the ground, Jewish homes and stores were wrecked, and Jewish men were
sent to the Dachau concentration camp. The last 79 Jews in the city were sent to
the Gurs concentration camp in October 1940, joined by another 37, who had
previously left and were subsequently cought up in the deportations; 86 perished
in the camps.
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