Baisingen Friedhof 154.jpg (62551 Byte)  Segnende Hände der Kohanim auf einem Grabstein in Baisingen


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Dörzbach (Hohenlohekreis) 
Jüdische Geschichte / Betsaal/Synagoge

Übersicht: 

bulletZur Geschichte der jüdischen Gemeinde  
bulletBerichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde 
Allgemeine Berichte   
bulletZur Geschichte der Synagoge   
bulletFotos / Darstellungen   
bulletLinks und Literatur   

  

Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english version see Hohebach)  
       
In dem bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts reichsritterschaftlichen (seit 1605 Herren von Eyb) Dorf Dörzbach bestand eine jüdische Gemeinde bis 1907. Ihre Entstehung geht in die Zeit des Dreißigjährigen Krieges zurück. Erstmals werden 1627 sechs jüdische Familien in Dörzbach genannt. 1688 wurden die Juden ausgewiesen; 1752 konnten sich - zunächst zwei jüdische Familien aus Hohebach (des Wolf Jacob und Simon Abraham) - wieder am Ort niederlassen. 1782 waren acht jüdische Familien am Ort.  
    
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner wie folgt: 1807 75 jüdische Einwohner, 1824 98, 1831 131, 1843 169 (Höchstzahl), 1854 156, 1869 58, 1886 27, 1894 25 (in sechs Familien), 1895 23 (in fünf Familien), 1897 23 (in sechs Familien), 1898 16 (in vier Haushaltungen), 1899 14 (in vier Haushaltungen), 1900 13, 1910 3. 
   
In der Mitte des 19. Jahrhunderts gehörten auch die wenigen noch in Laibach und Altkrautheim lebenden Juden zur Dörzbacher Gemeinde. 
  
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde eine Synagoge (s.u.), eine jüdische Schule und ein rituelles Bad (im Untergeschoss eines Hauses 'links der Brücke über den Goldbach, zur Hälfte auf dem Klepsauer Tor', gemeint Alte Klepsauer Str. 11 s.u.). Die Toten der jüdischen Gemeinde wurden zunächst auf den jüdischen Friedhöfen in Unterbalbach, Laibach und Berlichingen, nach 1852 in Hohebach beigesetzt. Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war ein Lehrer angestellt, der zugleich als Vorbeter und Schochet tätig war. Unter den Lehrern sind bekannt: Moses Kallmann, der sich ab 1828 Moses Rosenthal nennt (geb. 1790, 1863 pensioniert, gest. 1869 in Dörzbach), 1864 war Dörzbach unbesetzt, um 1868 Lehrer Frei. Um 1894/1898 erteilte Lehrer B. Sahm aus Hohebach den noch fünf bzw. 1898 vier jüdischen Kindern in Dörzbach den Religionsunterricht.
  
Die Gemeinde wurde 1832 dem Rabbinat Weikersheim zugeteilt. 
 
Von den Vereinen und Stiftungen werden genannt: um 1896 die Oser Bär'sche Stiftung (unter Leitung von J. Strauß), 1898 vier Jahrzeitstiftungen. 
  
Seit den 1850er-Jahren ging die Zahl der Juden am Ort durch Aus- und Abwanderung stark zurück, bis die Gemeinde aufgelöst und die hier noch lebenden Juden der Hohebacher Gemeinde zugeteilt wurden.
  
Von den Gemeindevorstehern werden genannt: um 1871 Herr Igersheimer, um 1894/1895 J. Heß, H. Strauß und H. Sänger, um 1896 H. Heß, H. Sänger und Tierarzt H. Rothschild, um 1898/1903 J. Heß und Tierarzt H. Rotschild. Als Rendant (Rechnungsführer der Gemeinde) wird 1896 genannt: H. Strauß. 
  
An ehemaligen, bis um 1920/30 bestehenden jüdischen Gewerbebetrieben sind bekannt: Tierarzt H. Rothschild (Hauptstraße 20), Kurzwaren- und Stoffgeschäft Hugo Sänger (Hauptstraße 28, Wohnhaus Hauptstraße 32). Eine Altmaterialiensammlung betrieb Albert Fleischhacker.   
      
Von den in Dörzbach geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"):
Mathilde Andersch geb. Rothschild (1891), Albert Fleischhacker (1882), Therese (Theres) Fleischhacker geb. Strauss (1878), Lina (Karolina) Kaiser geb. Strauss (1856), Berta Roller geb. Rothschild (1884), Moritz Rothschild (1883), Otto Rothschild (1885), Charlotte Schulheimer geb. Rothschild (1887).    
      
      
      
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde   
   
Allgemeine Berichte
      
"Die Juden in Dörzbach" (Beitrag von Oberlehrer Wallrauch, 1929)               

Artikel in der "Gemeinde-Zeitung für die israelitischen Gemeinden Württembergs" vom 1. November 1929: "Die Juden in Dörzbach. Von Oberlehrer Wallrauch.
Da Dörzbach ein reichsunmittelbares Ritterdorf ist, darf es uns nicht verwundern, wenn die Juden schon frühzeitig hier auftreten. Die Ritterschaft nahm sie in Schutz, ließ sich aber dafür bezahlen. Meist wurde ihnen eine besondere Gasse angewiesen, weshalb heute noch in Orten, welche längst keine Juden mehr beherbergen, deren Vorhandensein unter den Namen wie Judenbad, Synagoge, Judengasse oder Viertel weiter lebte. Die Juden nannte man Schutzjuden. Als Einfahrtsgeld hatten sie 6 fl. zu bezahlen. Das Schutzgeld betrug 6 fl. Außerdem hatten sie 1 fl. und 15 Kreuzer zu bezahlen, um von den Fronlasten befreit zu sein.
Wenn wir die Orte, in denen Juden überhaupt vorkommen, näher betrachten, so finden wir, dass es meist uralte Dörfer mit stark parzellierten Feldern und Täler mit altem Weidebetrieb sind. In diesen Siedlungen gedieh der Vieh- sowie der Güterhandel, welcher von den Juden mit Erfolg in die Hand genommen wurde. Heute noch sind die Vieh- und Pferdemärkte ohne die Juden nicht denkbar.
Durch die unglückselige Parzellierung infolge der Vermehrung der Besitzer entstand in den Dörfern eine Menge 'kleiner Leute' und mit ihr auch 'kleiner' Juden. Was die Weber in Heimarbeit anfertigten, brachten die Juden mit ihrem Zwerchsack in den Handel. Die Maschine nahm beiden das Brot. Die 'Neue Welt' nahm die Verarmten auf, denn es hieß: 'Dort finde man das Geld auf der Straße'. In den Jahren 1840-1870 wanderten 70 Prozent der damaligen Juden aus und ihnen schlossen sich viele christliche Gemeindemitglieder an.
Dörzbach hatte einst eine blühende Judengemeinde. Im Jahre 1861 hatte Dörzbach eine eigene Synagoge und 156 Juden, zu denen von Laibach noch 10 und von Altkrautheim 3 kamen. Heute zählt sie noch 3 Glieder, deren Stamm bereits 200 Jahre hier seinen Sitz hat. Zottig Löw und seine Frau Frade Israel leben fort in der Familie Optiker Stern und deren letztem weiblichen Gliede 'Julie Stern' aus der Linie Sam. Zottig. Die weibliche Linie Jette lebt fort in den Nachkommen der Lehrerfamilie und Optiker Rosenthal. Die zweite Linie Mayer Zottig nennt sich Waldstein und lebt fort in den bekannten Optikerfamilien, die nach München, Wien und Venedig auswanderten. Die dritte Linie Israel Zottig nannte sich Geiger, ist aber frühzeitig ausgestorben.
Der schon 1755 genannte Schutzjude Wolf Jakob lebt fort in der letzten Einwohnerin 'Therese Strauß' verehelichte Fleischhacker. Der Schutzjude Baruch lebt weiter unter dem Namen 'Weichsel'. 1760 sind auch hier schon die Rothschild unter 'Jakob Anselm" vertreten, deren Nachkommen heute überall sind und dessen würdiger Vertreter der allbeliebte und tüchtige Tierarzt Heinrich (Herz) Rothschild noch in guter Erinnerung ist. Die begabtesten und angesehensten Glieder der Dörzbacher Gemeinde stellte Sim. Abraham und dessen Gattin Zerrle David in ihren Nachkommen, den weit verzweigten Gutmann, Sänger, Steiner, Levi und Waldstein. Abraham Gutmann, genannt 'Awerle', leistete als Gemeinderat der Gemeinde treffliche uneigennützige Dienste, indem er in den 50er Jahren die Verträge und Beschlüsse zwischen Gemeinde und Herrschaft, sowie Realgemeinde herbeiführte. Außer den genannten Familien treten noch auf: Altinger, Böhm, Bär, Ehrlich, Heß, Haas, Kahn, Igersheimer, Lichtenberg, Neuburger, Stein, Wertheimer, Weinstock.
Auch das kleine Laibach hatte seine eigene Judengemeinde. Ihr in idyllischer Waldeinsamkeit gelegener Judenfriedhof wird von den ersten Morgenstrahlen gegrüßt. Wie ich aus alten Urkunden ersah, verdankt die Laiibacher Gemeinde ihre Entstehung den deutschen Freiheitskriegen. Die Einfahrtsgelder werden meist 1812—1817 entrichtet. An Namen werden genannt: Bär, Koch, Besig, Neuburger, Schlom Jakob, Isak Abraham, Mayer Strauß, Friedenheimer sowie Abraham Löwental. Lazarus Bär und Jakob Schleisinger aus Unterschwandorf sind vom 15. bis 25. Juni 1815 als russische Dolmetscher tätig und erhalten für 10 Tage (à 40 Kreu- 
Doerzbach GemZeitung Wue 01111929a.jpg (341229 Byte)zer) 400 Kreuzer = 6 fl. 40 Kreuzer. Aaron Mayer (Vater des Optikers Waldstein) lieferte den Offizieren Arak für 6 fl. 30 Kreuzer. Die Laibacher Juden kamen auf keinen grünen Zweig. Sie verarmten in dem Notjahr 1817 und wurden einige Jahre darnach in Armut vergantet, und meist besorgte eine mildtätige Hand ein ehrliches Begräbnis. Heute erinnert nur noch der Judenfriedhof sowie die sogenannte Judengasse an die vor 100 Jahren dort blühende Gemeinde. '
Mit der Landflucht der Juden ging auch das Leben in dem blühenden Marktflecken Dörzbach zurück. Eine sympathische Figur aus der Erinnerung ist der im ganzen Lande bekannte Optiker Heß. Der große hagere, allzeit zufriedene, ehrliche Mann trug jahraus, jahrein seinen Kasten von Ort zu Ort. Er war für viele ein Berater nicht nur für schwache, sondern auch für kranke Augen. Groß war meine Freude, als er mich eines Tages im Donautal aufsuchte, er, der erfahrene Mann und ich, der blutjunge Lehrer. Immer hatte er in seinen letzten Jahren etwas für gute Kinder in seiner Tasche. Sein Vater hatte von ihm gesagt, wie mir Mathilde Böhm (die verewigte beste Trägerin der Dörzbacher Erinnerungen) erzählt: 'Joseph, du bist und bleibst ein Pechvogel, dein Leben lang.'
Als er bei der Musterung die Losnummer Nr. 1 herauszog, sagte sein Vater: 'Joseph, wenn die Nr. 0 drinnen gewesen wäre, du hättest sicherlich auch die 0 gezogen." Joseph wurde ein tüchtiger Soldat, blieb aber doch ein Pechvogel. Eine Frau starb nach der andern. 4 Frauen hatte er. Im Jahre 1905 durfte er seine müden Augen schließen, er, der so vielen müden Augen Hilfe und Glanz verliehen hatte.
Vom Saufwolf erzählt man sich folgende Geschichte. Wolf Levi Wertheimer war ein schneidiger Soldat gewesen, nun aber tüchtiger Metzger. Die 1848er Freiheitsbewegung gliederte auch ihn in die Bürgerwehr ein. Weil er gerne trank, so nannte man ihn 'Saufwolf'. Am 13. März hatte Wertheimer die Wache am Regenshäuser Tor. Sein Nachbar, Schreiner Reuß, welcher angeheitert war, gedachte dem Wertheimer Judenangst einzujagen. In der Dunkelheit schlich er sich immer näher an ihn heran. Wertheimer ruft ihn 3 Mal an. Der Geist im Bettlaken gibt keine Antwort. Saufwohl legt an, und der betrunkene Wolf bricht, zu Tode getroffen, zusammen. Vor seinem Tode bezeugt er: 'Wertheimer ist unschuldig, ich wollte ihm Angst einjagen.' Wegen der stündlich zunehmenden Gefahr wurde eine Soldatenabteilung nach Dörzbach entstandt. Sie ziehen Mitte durch die Straßen. In ihrer Mitte führen sie 'Wolf Wertheimer'. Niemand ihm Darf hats ihm nachgetragen.
Im Umgang mit den Kindern fanden viele hebräische Wörter Eingang im Frankenlande. Nur haben sie meist einen mundartlichen Anstrich: Ich nenne: Schoufet, Gallach, Bornes, Mackes, Duches, Gediwer, Kaffruse, Schicker, Brauches, Schaute, Schlamassel, Massemate, Schlemil, Schmußer, Pleite, Uleno, Mores, Brauges, Rauges, meschuke, achle, ganfe, schofel, kappores, Messumes. 
Im Fränkischen hat man viel Wert darauf gelegt, von den 'Juden' die Saatfrucht zu erhalten, weil man derselben, sobald sie unter jüdischem Dache gelagert hatte, größere Keimfähigkeit zuschrieb.
Aber auch umgekehrt haben die Juden den Christen manches nachgemacht. Mathilde Böhm, im Jahre 1840 geboren, erzählte, dass sie als Kind einen unendlich feinen Faden spinnen konnte. Sie habe die ganze Freundschaft mit versehen. Die daraus gefertigten Hemden haben bei den Musterungen Glück gebracht und vom Militärdienste befreit, indem die Träger solcher Hemden unbedingt eine hohe Losnummer zogen.
Auf enge Fühlungnahme der israelitischen Jugend mit den lebhaften Frankenkindern deutet auch das Deklamationsspiel vom Jokel, der alle Schicksale durchkostet, eine Nachbildung des Chad-Godje am Pessachabend. Schließlich holt der Teufel den Metzger. Der Schluss lautet sodann im Fränkischen:
No schickt der Herr de Daifel naus
Er soll de Metzger hole,
Metzger duet des Oechsle schlachte,
Oechsle duet des Wässerli saufe,
Wässerli duet des Feuer lösche,
Feuer duet des Prügeli brenne,
Prügeli duet des Hundle schloche,
Hundle duet des Jockeli beiße,
Jockeli duet a Bire schüttle,
Bire duen a falle.
Man ersieht ganz deutlich, dass das Kind das ganze chaldäische Lied verbildet hat. Aber man darf nicht verkennen, wie rasch dies Lied von Kindern aufgenommen und durch Jahrhunderte weitergegeben wurde." 

        
 Die Dörzbacher jüdische Gemeinde zählt nur noch drei Personen (1930)            

Artikel in der "Gemeinde-Zeitung für die israelitischen Gemeinden Württembergs" vom 16. September 1930:       

      
      
      
Zur Geschichte des Betsaals / der Synagoge       
   
Zunächst benutzten die Dörzbacher Juden die Einrichtungen in Hohebach. 1685 wurden sie allerdings dafür bestraft, dass sie ohne Erlaubnis die Gottesdienste im Nachbarort besuchten. Dort bestand zu dieser Zeit ein Betsaal in einem Privathaus. Drei Jahre später wurden die Dörzbacher Juden ausgewiesen. Nach der Wiederaufnahme 1752 erhielt Judenvorsteher Israel von Dörzbach mit den Seinen die Erlaubnis, die Schule des Judenschulmeisters Jakob in Hohebach für jährlich zwei Gulden zu besuchen. 
  
Ein erster Betsaal in Dörzbach wurde 1782 von den inzwischen acht jüdischen Familien eingerichtet (Standort unbekannt). Sie hatten hierfür von der Ortsherrschaft die Erlaubnis bekommen. 1807 lebten bereits 17 jüdische Familien (75 Personen) in Dörzbach. Sie benutzten nach einem Bericht des Kreisamtmannes aus Öhringen eine Synagoge  "in einem Miethaus", wobei es sich vermutlich immer noch um den 1782 eingerichteten Betsaal gehandelt hat.   
     
Um 1810/15 wurde eine (neue) Synagoge erbaut. Jedenfalls geht aus einem Bericht des Oberamtes Künzelsau vom 1. Juni 1822 hervor, dass die damals 20 jüdischen Familien "erst vor wenigen Jahren eine Synagoge erbaut haben, auf welche sie noch eine bedeutende Kapitalsumme schuldig sind". In diesem Synagogengebäude war im unteren Stock die jüdische Schule, im oberen Stock der Betsaal. Bei einer Medizinalvisitation der Oberamtes Künzelsau im September 1836 wurden jedoch die beengten und ungesunden Verhältnisse im Schulraum beanstandet. Die Schule mit damals 44 Kindern sei in einem engen und relativ niederen Raum, der nur von einer Seite durch zwei Fenster Licht erhielt. Die jüdische Gemeinde wurde zur schnellen Veränderung dieser unhaltbaren Situation aufgefordert. Doch ließ sich weder das Zimmer erhöhen noch konnte ein weiteres Fenster eingebaut werden. Auch war im Ort kein anderes Zimmer für die Schule anzumieten. Die Gemeinde plante daraufhin zunächst, einen neuen Betsaal an das Gebäude anzubauen und die Schule in den oberen Stock, wo bislang der Betsaal war, zu verlegen. Kreisbauinspektor Roth hatte gegenüber diesem Plan jedoch erhebliche Bedenken, von denen sich die jüdischen Gemeindevertreter überzeugen ließen.  
      
Im Frühjahr 1838 beschloss die jüdische Gemeinde daraufhin den Bau einer neuen Synagoge, in dem Betsaal und Schule sowie ein Zimmer für den Synagogenrat untergebracht werden konnten. Die Entscheidung fiel aus finanziellen Gründen nicht leicht, zumal nach einem Bericht von 1839 damals mehrere jüdische Familien Dörzbachs in "gänzlicher Armut" lebten, die anderen nur ein "geringes Vermöge" hatten. Im März 1838 konnte ein Grundstück außerhalb des Ortes an der Straße nach Hohebach gekauft werden. Oberamt und Kreisregierung erklärten sich einverstanden, dass die Schule bis zur Fertigstellung im alten Schullokal verbleiben könne, zumal die Schülerzahl auf 26 zurückgegangen war. Im November 1838 wurden die Baupläne für das neue Synagogen- und Schulgebäude von der Israelitischen Oberkirchenbehörde und dem evangelischen Konsistorium genehmigt. In einem Bericht der Behörden wird die Begründung für den Bau der neuen Synagoge übrigens so beschrieben: "In Folge des in neuerer Zeit auch bei den Israeliten vermerkten Sinnes für die Würde des Gottesdienstes sieht sich auch die israelitische Gemeinde Dörzbach durch den schlechten Zustand ihrer Synagoge und Schule veranlasst, ein neues Gebäude für den Gottesdienst und den Schulunterricht zu erbauen...". Die Kosten wurden vor Baubeginn auf 5.303 Gulden hochgerechnet. Einen Teil hatte die Gemeinde bereits angespart, sodass von der Gesamtsumme zunächst noch 3.675 Gulden fehlten. Am 18. April 1839 wurde ein Staatsbeitrag in Höhe von 350 Gulden genehmigt. Nach einem Bericht vom Mai 1839 war damals der Bau "im vollen Lauf". Noch 1839 oder spätestens 1840 wurde die Synagoge eingeweiht. 
     
Die jüdische Gemeinde erhält einen Staatsbeitrag zum Bau der Synagoge und des Schulhauses (1839)       

Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 30. November 1911: 
"Die israelitischen Konfessionsschulen (Elementarschulen) in Württemberg. 
Von Rabbiner Dr. Schweizer in Weikersheim (Schluss). 
Vergleicht man die Staatsbeiträge, die auf Grund dieses Artikels des Gesetzes von 1836 den israelitischen Gemeinden zu Schulhausneubauten damals gewährt wurden, mit den heute noch bewilligten Beiträgen zu Schulzwecken, so ergeben sich, besonders wenn man den höheren Wert der damaligen Geldwährung mitberücksichtigt, ungeheure Summen, die mit denen von heute stark kontrastieren. Dabei ist noch zu bemerken, dass die damalige Bevölkerungszahl der Israeliten keine höhere war, und was die Steuerkraft derselben betrifft, viel geringer als heute anzuschlagen ist. 
Nach den Regierungsblättern des betreffenden Jahrganges wurden bewilligt:  
der israelitischen Gemeinde Hohebach zur Erbauung einer Synagoge und eines Schulhauses (beide zusammen bilden 1 Haus) [17. Juli 1839] 250 Gulden   
der israelitischen Gemeinde Dörzbach zur Erbauung einer Synagoge und eines Schulhauses (beide bilden 1 Haus) [17. Juli 1839] (Gemeinde ist nun aufgelöst)  350 Gulden."

Etwa ein halbes Jahrhundert war die neue Dörzbacher Synagoge der Mittelpunkt des jüdischen Gemeindelebens am Ort. In den 1890er-Jahren war jedoch immer weniger ein regelmäßiger Gottesdienst möglich, da die Zehnzahl der jüdischen Männer nicht mehr erreicht wurde. Nach 1900 besuchten die Dörzbacher Juden die Synagoge in Hohebach. Das Synagogengebäude wurde verkauft; das Inventar fiel an die Hohebacher Gemeinde.  
       
Das Gebäude der Synagoge ist als Wohnhaus erhalten (Hohebacher Straße 4). 
     
     
     
Fotos 
Historische Fotos:   

Historische Fotos sind nicht bekannt, eventuelle Hinweise bitte an den 
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Fotos nach 1945/Gegenwart:  

Fotos um 1985:
(Fotos: Hahn) 
   
Doerzbach Synagoge 001.jpg (85523 Byte) Doerzbach Synagoge 002.jpg (87020 Byte) Doerzbach Synagoge 003.jpg (74731 Byte)
 Die ehemalige Synagoge in Dörzbach Seitenansicht  Eingangstor 
     
Fotos 2003/04:
(Fotos: Hahn, Aufnahmedatum 22.9.2003; 
erstes Foto oben links am 1.8.2004)
Doerzbach Synagoge 130.jpg (66944 Byte) Doerzbach Synagoge 150.jpg (55769 Byte) Doerzbach Synagoge 153.jpg (72065 Byte)
Die ehemalige Synagoge an der Hohebacher Straße  Seitenansicht 
   
Doerzbach Synagoge 152.jpg (59845 Byte) Doerzbach Synagoge 154.jpg (71760 Byte) Doerzbach Synagoge 151.jpg (79340 Byte)
Eingang von der 
Straßenseite  
Blick von der Gartenseite 
auf das Gebäude  
Eingang von der Gartenseite. Über der Tür
 könnte eine Inschrift gewesen sein.
     
     

2022: Ausgrabungen der ehemaligen Mikwe (rituelles Bad)
Im Dezember 2022 wurde die ehemalige Dörzbacher Mikwe im Zusammenhang mit der Wohnhaussanierung des Gebäudes Alte Klepsauer Straße 11 ausgegraben. Das Becken war gefüllt mit nassem Schlamm, der mit Steinen, Mauerziegelstücken, Dachziegelstücken und Holzstücken durchsetzt war. Sehr auffallend war, dass eine Holztreppe und keine steinerne Treppe ins Becken führte (Fotos erhalten von Jörg Waterstraat).    

     

Bericht zu den Ausgrabungsarbeiten der Mikwe im Dezember 2022: Die Arbeiten begannen am 6. Dezember 2022. Zuerst wurde der Estrich und die darauf platzierte Wand im Süden des Raumes herausgenommen. Darunter konnten bereits bauliche Reste erkannt werden. Am 7. Dezember wurde zuerst südlich des Baubefundes die Untersuchung angesetzt, um die vermutete Fortführung der Mikwe in diesem Bereich ausschließen zu können. Mittags begannen die Arbeiten an der eigentlichen Mikwe und deren Verfüllung fortgesetzt und intensiviert werden. Hierbei wurde die Verfüllung, welche im Zuge der Aufgabe der Mikwe eingebracht wurde, im Laufe der folgenden beiden Tage gänzlich entnommen. Das eintretende Wasser (vgl. Foto rechts) machte den Einsatz einer Pumpe bereits seit am 7. Dezember notwendig. Am 9. Dezember wurde eine leistungsstärkere Pumpe angeliefert und eingesetzt. Die Mikwe konnte damit vollständig geleert werden. An diesem Tag begannen auch die Dokumentationsarbeiten an der Mikwe. Diese zeigt einen Einbau, welcher den eigentlichen Wasserbereich verkleinert. Besonders ist eine hölzerne Leiter mit drei erhaltenen Stufen, welche auf einem ebenfalls hölzernen Podest stehen, anzuführen.  

     

   
   

Links und Literatur 

Links: 

bulletWebsite der Gemeinde Dörzbach  

Quellen:  

Hinweis auf online einsehbare Familienregister der jüdischen Gemeinde Dörzbach 
In der Website des Landesarchivs Baden-Württemberg (Hauptstaatsarchiv Stuttgart) sind die Personenstandsregister jüdischer Gemeinden in Württemberg, Baden und Hohenzollern einsehbar: https://www2.landesarchiv-bw.de/ofs21/olf/struktur.php?bestand=5632     
Zu Dörzbach sind vorhanden:    
J 386 Bü. 151 Dörzbach Geburten 1836-1874  http://www.landesarchiv-bw.de/plink/?f=1-442474   
J 386 Bü. 152 Dörzbach  Eheschließungen 1836-1869 http://www.landesarchiv-bw.de/plink/?f=1-442475   
J 386 Bü. 153 Dörzbach Geburten 1869-1874   http://www.landesarchiv-bw.de/plink/?f=1-442476  
J 386 Bü. 154 Dörzbach Eheschließungen 1868-1870  http://www.landesarchiv-bw.de/plink/?f=1-442477   
J 386 Bü. 155 Dörzbach Sterbefälle 1836-1874 http://www.landesarchiv-bw.de/plink/?f=1-442478  
J 386 Bü. 156 Dörzbach Sterbefälle 1868-1870  http://www.landesarchiv-bw.de/plink/?f=1-442479  
J 386 Bü. 157 Dörzbach Familienbuch 1762-1868  http://www.landesarchiv-bw.de/plink/?f=1-442480    

Literatur:

bulletPaul Sauer: Die jüdischen Gemeinden in Württemberg und Hohenzollern. 1968. S. 68-69. 
bulletJürgen Hermann Rauser: Dörzbacher Heimatbuch. 1980. 
bulletsynagogenbuch-1.jpg (32869 Byte)Joachim Hahn / Jürgen Krüger: "Hier ist nichts anderes als Gottes Haus...". Synagogen in Baden-Württemberg. Band 1: Geschichte und Architektur. Band 2: Orte und Einrichtungen. Hg. von Rüdiger Schmidt, Badische Landesbibliothek, Karlsruhe und Meier Schwarz, Synagogue Memorial, Jerusalem. Stuttgart 2007.   
bulletSpuren Wege Erinnerung. Orte des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus. Eine Dokumentation. Hrsg. Landratsamt Hohenlohekreis. Redaktion Thomas Kreuzer (Kreisarchiv Hohenlohekreis). Künzelsau 2021. 82 S. (pdf-Datei ohne zugänglich)   

     
      

                   
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Stand: 06. Oktober 2024