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Baden-Württemberg
Notzingen (Kreis
Esslingen)
Jüdische Geschichte
Übersicht:
Zur jüdischen Geschichte am
Ort
In Notzingen gab es zu keiner Zeit eine jüdische Gemeinde. Aus dem 16.
Jahrhundert liegen jedoch Quellen vor, die für das Jahr 1523 einen
beziehungsweise mehrere "Notzinger Juden" nennen. Am 26. Januar 1523
wird berichtet, dass Antoni Gusy von Dettingen Schlossberg zu Kirchheim an der
Teck gefangen sei, weil er dem Grafenecker etliche Sachen gestohlen und diese
"an einen Notzinger Juden" gegen Geld verkauft hatte und ferner
straffällig geworden war, weil er im Gefängnis zwei weitere Personen der
Mithilfe beim Diebstahl beschuldigt hatte. Am 30. Juli 1523 wird berichtet, dass
Marx Müller, Bürger zu Kirchheim, dort gefangengesetzt wurde, weil er entgegen
eines Verbots sich wiederum mit Juden eingelassen hatte, indem er ihnen einen
Teil seiner Habe verpfändete. Müller hatte schon früher "bei den Juden
zu Notzingen" Geld aufgenommen und die in dieser Sacher errichtete
besiegelte Urkunde gefälscht.
Nachweise im Findbuch des Hauptstaatsarchivs Stuttgart: Wilfried Braunn:
Quellen zur Geschichte der Juden bis zum Jahr 1600 im Hauptstaatsarchiv
Stuttgart und im Staatsarchiv Ludwigsburg. Hauptstaatsarchiv Stuttgart.
Thematische Repertorien Band 1. Stuttgart 1982 Nr. 337 (Quelle A 44 Urfehden U
2102) und Nr. 340 (Quelle A 44 Urfehden U 1950).
Im 19./20. Jahrhundert lassen sich keine jüdischen Personen / Familien
als Einwohner der Gemeinde nachweisen. In den Ergebnissen der Volkszählungen
zwischen 1806 und 1939 werden - weder bei den Zählungen der ortsanwesenden noch
der ortsansässigen Personen - jüdische Einwohner in Notzingen genannt.
Nur einmal im 19. Jahrhundert ging der Ortsname Notzingen durch die
jüdische Presse, nachdem sich am 11. Mai 1843 der bekannte ungarische Bibelübersetzer Moses Bloch in
Notzingen durch den damaligen Notzinger Pfarrer Christoph Friedrich Haas taufen ließ. Dieses
Ereignis wurde in der damaligen ungarischen Judenheit als Schock empfunden, da
Bloch als hervorragender Repräsentant der ungarischen Judenheit galt. In der
deutschen jüdischen Presse wurde die Konversion mit bissigem Unterton
kommentiert (siehe unten). Noch Jahre darauf wurde auch in christlichen Büchern
von diesem Ereignis berichtet wie im Buch von Karl Werner über "Christian
Gottlob Barth, Doktor der Theologie, nach seinem Leben und Wirken", 3.
Band. Calw 1869 S. 93 (Bloch wird fälschlich als Arzt bezeichnet): "Während
seiner (sc. Barths) Abwesenheit war ein junger israelitischer Arzt namens Bloch
aus Pest, von einem der schottischen Missionare an ihn adressiert, ins Land
gekommen, der die Taufe begehrte. Da er in Calw jetzt keine Aufnahme finden
konnte, wurde er zu mir gewiesen. Von da begab er sich zu Pfarrer Haas, der ihn
nach seinem Wunsche zur Taufe vorbereitete, und einige Zeit hernach in Notzingen
taufte, wobei die ehrwürdige Herzogin Henriette, die sich, wie ihre Tochter die
Erzherzogin Marie, für diesen begabten Mann sehr interessierte, die Patenstelle
versah. Da Barth zu seinem Bedauern auch um jene Zeit verreist war, so durfte
ich an seiner Statt die andere Stelle als Pate einnehmen und dieser schönen
Feier beiwohnen. Der Vorgang gab Anlass, ein neues Band zwischen Ungarn und
Württemberg zu knüpfen".
Über den Gelehrten Moses Bloch
(Mór Ballagi; 1815-1891)
(Foto
aus Wikipedia Commons) Moritz (Mordechai) Bloch (seit 1847
nannte er sich Mór Ballagi) ist am 18.
März 1815 in Inócz (ungarisch Éralja an der ungarisch-slowakischen
Grenze; bis 1918 Königreich Ungarn, jetzt Slowakei) geboren. Er studierte
seit 1829 an der Jeschiva von Nagyvárad (heute Oradea, Rumänien) und
seit 1831 an der Talmudhochschule (Beth HaMidrasch) im
westungarischen Pápa Bibel und Talmud, dann Philosophie an der
Universität Nagyvárad. 1837/38
schlossen sich weitere Studien - auch in Geometrie und höherer Mathematik
- in Pápa und in Pest an. Erste
Publikationen erfolgten in dieser Zeit unter anderem durch Beiträge im
"Pester Tageblatt". Ab 1839 widmete er sich an der Universität
in Paris orientalischen Studien, da er in Ungarn als Jude noch keine
universitären Abschlüsse machen konnte. Im Zusammenhang mit den Bemühungen um die Emanzipation der Juden in Ungarn setzte Bloch sich für
deren Magyarisierung ein. So begann er eine ungarische Bibelübersetzung, von der
jedoch nur der Pentateuch und das Buch Josua erschienen sind (Pest 1840-43).
1840 wurde er Mitglied der Ungarischen Gelehrten-Gesellschaft (spätere
Königliche Akademie der Wissenschaften). Seine Enttäuschung bei den
Bemühungen um die Magyarisierung des ungarischen Judentums und die
Erfolglosigkeit im Blick auf die Gründung eines ungarischen rabbinischen
Seminars führte dazu, sich vom Judentum
abzuwenden. 1843 ging er nach Tübingen, wo er nach erfolgtem Übertritt
zur evangelischen Konfession (Taufe in Notzingen) Theologie
studierte (bei den Professoren Ewald, Baur, Beck u.a.). Er promovierte in
Tübingen zum Dr.phil.. Ab 1844 war er Theologieprofessor am evangelischen
Lyzeum in Szwarvas; 1848 erhielt er eine Professur an der Universität
Pest. Als Verfasser von Proklamationen und als Unterstützer von General
Artúr Görgei im Revolutionsjahr 1848 wurde er seines Amtes enthoben. 1851 wurde er wieder Professor, war
dann am theologischen Seminar in Kecskémet tätig und seit 1855 an der
theologischen Hochschule in Pest, die er gemeinsam mit Paul Török ins
Leben gerufen und deren Bestand er durch Bedeutende Opfer gesichert
hatte.
Bloch hat sich große Verdienste um die ungarische Sprache erworben und
publizierte außer den genannten Übersetzungen biblischer Bücher unter anderem:
1841 (Ofen) Ungarischer Unterricht in der Kleinkinderschule.
1842 (Pest, 8. Auflage Budapest 1881) Ausführliche Theoretisch-Praktische
Grammatik der Ungarischen und Deutschen Sprache (vgl. Abbildungen unten
mit verändertem Titel).
1850 (2 Bände, 2. Auflage Pest 1855) Sammlung magyarischer Sprichwörter
und Sprüche.
1851 Vollständiger Wörterbuch der ungarischen und deutschen
Sprache".
1856 (2. Auflage 1872 Lehrbuch der Hebräischen Sprachen (hebräische
Grammatik in ungarischer Sprache).
1865 Biblische Studien.
1887 Ungarisch-deutsches und deutsch-ungarisches kommerzielles
Wörterbuch, gemeinsam mit A. György.
Moritz Bloch trat 1877 in den Ruhestand und verstarb am 1. September 1891
in Budapest. |
Quellen: siehe unten in der
Literaturliste. |
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Titelblatt der 8.
Auflage von Moritz Ballagi's Grammatik
der ungarischen Sprache für Deutsche. Budapest 1881. |
Gedenktafel von 2015
für Mór Ballagi in Budapest
IX. kerületében, Kinizsi utca 37 (Wikipedia Commons) |
Grabstein für Mór Ballagi
(Moritz Bloch)
in Budapest (Wikipedia Commons) |
Über den Notzinger Pfarrer Christoph Friedrich Haas
(1802-1882)
Christoph Friedrich Haas ist am 2.
Februar 1802 in Esslingen geboren. Nach seinem Theologiestudium arbeitete
er seit 1825 als Missionar der Basler Missionsgesellschaft im armenischen
Schuschi (Şuşa, Шуша)
an der persischen Grenze. Zu Beginn seines Einsatzes für die
Kaukasusmission in Armenien bildete er sich zunächst sprachlich fort im
armenischen Kollegium in Moskau, um Unterrichts- und Erbauungsschriften
für das armenische Volk verfassen zu können. Haas und mehrere andere
Missionare der Basler Mission sollten von Schuschi aus unter den
Armeniern, Tartaren und Persern wirken. Für den Aufbau der Missionsarbeit
wurde in Schuschi ein Missionshaus eingerichtet. 1827 konnte auch eine
armenische Schule eröffnet werden, die unter Aufsicht von Pfarrer Haas
von zwei armenischen Lehrern geführt wurde. Ab 1833 war Haas als
Missionar der Basler Mission im persischen Täbris (Tabriz,
تبريز) eingesetzt, doch musste die
Missionsarbeit dort 1837 nach großen Rückschlägen aufgegeben werden.
Haas kehrte nach Württemberg zurück und bekam 1839 die Pfarrstelle in
Notzingen übertragen. Er war seit 15. Juli 1830 mit Rebecca El Mortimar (bzw.
Rebecka Elisabeth geb. Mortimer) aus St. Petersburg verheiratet. Nach
seiner Notzinger Zeit war Haas Pfarrer in Stuttgart und Ludwigsburg. 1842
wurde er vom Schah von Persien ausgezeichnet mit der Dekoration des
Löwen- und Sonnenordens. Haas engagierte sich zeitlebens - u.a.
durch Spendensammlungen - für missionarische Projekte. So sammelte er als
Pfarrer in Stuttgart 126.000 RM für die Einrichtung eines Waisenhauses
für Armenierkinder.
Haas starb am 9. Februar 1882 in Waldenbuch. |
Quellen (alle - zumindest teilweise - über
Internet zugänglich): Calwer Missionsblatt 1828 Nr. 12 vom Juni 1828 S.
52.
E.G. Gersdorf: Repertorium der gesammten deutschen Literatur. Bd. 32.
Leipzig 1842 S. 28.
Christoph Friedrich Eppler: Das Leben des Armeniers Hakob Natscharoff.
Basel 1851 S. 128.
Hacik Rafi Gazer: Studien zum kirchlichen Schulwesen der Armenier im
Kaukasus. Teil 1: 19. Jahrhundert. Studien zur Orientalischen
Kirchengeschichte. Berlin 2012.
Dieter Lyko: Gründung, Wachstum und Leben der evangelischen christlichen
Kirchen im Iran. Reihe Ökumenische Studien. Leiden/Köln
1964. |
Berichte aus der
jüdischen Geschichte
Der ungarische Bibelübersetzer Moses Bloch lässt sich in
Notzingen taufen (1843)
Anmerkung: in der "Allgemeinen Zeitung des
Judentums" wurde die Taufe von Moritz Bloch
verständlicherweise mit bissigem Unterton kommentiert.
Artikel in
der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 10. Juli
1843: "Aus dem Württembergischen, im Juni (1843). Sie
haben vielleicht aus dem Schwäbischen Merkur ersehen, dass vor einigen
Tagen in Notzingen, einem Dorfe bei Kirchheim unter Teck, ein Jude
durch einen Pfarrer, der ehemals Missionär gewesen, getauft worden ist.
Dabei wurde dieser Apostat als ein Mann, der im Auslande einen großen Ruf
hat und der ein ausgezeichneter Literat sei, gerühmt.
Dieser Apostat ist aber kein anderer, als der ungarische Bibelübersetzer
- Moses Bloch!
Dabei drängen sich folgende Betrachtungen auf. Herr Moses Bloch ging aus
Ungarn nach Württemberg, um sich daselbst in einem Dorfe, von dessen
Existenz ich als Württemberger, und kaum sechzehn Stunden davon entfernt
seit zwanzig Jahren lebend, nicht wusste. Der Pfarrer war früher
Missionär, der also seine Seelenjagd durch alle Lande ausdehnte. Weil nur
der Apostat eben diesen aufgesucht hat, muss er notwendig schon früher
mit demselben in Verbindung und über seinen endlichen Schritt einig
gewesen sein. Und doch hat dieser Mensch gewissenlos genug eine Bibelübersetzung
für israelitische Schulen angefertigt, während er schon im
Herzen |
aufgehört
hatte Jude zu sein. Mit welcher Treue mag er das Interesse, wenn man sich
bei solch heiliger Angelegenheit, wie dies Anfertigen von Schulbüchern
oder Bibelübersetzen ist, so ausdrücken darf, der jüdischen Religion,
die Bestimmung des Judentums, des strengen Monotheismus vertreten
haben?!
Dieser Mensch hatte auch einen bessern Religionsunterricht erhalten, als
der Knabe aus den Rheinprovinzen (???), er hat aber doch und noch auf eine
schmähliche Art von seiner Seite apostasiert. Bessere Bildung schützt
also, wie ohnehin längst bekannt, nicht immer gegen Treulosigkeit, und
viele mit ihrem einfältigen Verstand sind weit treuere Anhänger des
Judentums als mancher literarische Schächer. Endlich wird es, wo bei
weitem nicht gerechtfertigt, doch einigermaßen entschuldiget, wenn viele
wahrhaft gebildete, aber darum ihrer heiligen Religion treulich anhängenden
Israeliten gegen literarische Erscheinungen im Gebiete der Religion in so
lange misstrauisch sind, bis sie von der Ehrenfestigkeit ihres Urhebers
überzeugt sich glauben. Man findet gar manches Schul- und Lehrbuch für
Israeliten in den Händen von Lehrern und Schülern, deren Verfasser
bereits längst das Judentum höhnen und es treulos verlassen
haben.
Charakteristisch ist es, dass Bloch einem jüdischen Studierenden
gegenüber geäußert hat, die Konflikte im Judentum, die zur Zeit
auftauchen, hätten ihn zu diesem Schritt verleitet. Als wenn das
Christentum, in seinen vielen Sekten, und in den Kämpfen in diesen Sekten
selbst nicht hundertmal mehr Konflikte darböte!!
Ich bin überzeugt, dass Sie diesen Bericht aufnehmen werden, umso mehr,
damit die ungarischen Lehrer und Rabbiner in der Wahl der
Bibelübersetzungen sich zu benehmen im Stande sind. Ulm." |
Ergänzende Bemerkung durch Pfarrer Haas in Notzingen (1843)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 28.
August 1843: "Bemerkungen. Der Herr Pfarrer Haas in
Notzingen sendet uns eine Erklärung wider einige Bemerkungen in dem
Artikel aus den Württembergischen in No. 28 d. J., insofern der Moritz
Bloch dem Herrn Pfarrer Haas 'vierzehn Tage, ehe er, empfohlen durch einen
auch im Auslande wohlbekannten Theologen meines Vaterlands (so lauten die
Worte des Herrn Haas), der nie Missionär war, zu mir kam,' gänzlich
unbekannt war. Schließlich bemerkt er noch, dass Bloch 'weder durch ihn
noch ohne ihn mit einer Missionsgesellschaft in Verbindung
getreten'." |
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