Baisingen Friedhof 154.jpg (62551 Byte)  Segnende Hände der Kohanim auf einem Grabstein in Baisingen


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Orsenhausen (Gemeinde Schwendi, Kreis Biberach)
 Jüdische Geschichte 
  

Übersicht:  

bulletZur jüdischen Geschichte in Orsenhausen 
bulletBerichte aus der jüdischen Geschichte in Orsenhausen   
bulletFotos / Abbildungen   
bulletLinks und Literatur   

   

Zur jüdischen Geschichte in Orsenhausen          
     
In Orsenhausen bestand eine jüdische Gemeinde - mit einigen Unterbrechungen durch vorübergehende Vertreibungen - vom 15. bis zum 17. Jahrhundert. Erstmals wurden Juden am Ort 1435 genannt, letztmals 1673. Um Seit 1510/20 nahm der Ortsherr Georg von Roth Juden in seinem Ort gegen Bezahlung von Judenschutzgeldern und -steuern auf. Aus dem Jahr 1534 ist ein "Judenschutzbrief" erhalten, in dem die zu leistenden Abgaben beschrieben werden. Zeitweise lebten vermutlich zehn bis fünfzehn jüdische Familien am Ort, etwa ein Viertel der Gesamteinwohnerschaft des Ortes. 1550 sollten die Orsenhausener Juden durch die Ortsherren vertrieben werden. Diese klagten jedoch erfolgreich gegen die Ausweisung vor dem Reichskammergericht in Speyer. Auch nach dem Dreißigjährigen Krieg gab es nach einer örtlichen Steuerliste von 1651 eine ansehnliche jüdische Gemeinde am Ort.     
 
Die jüdischen Familien Orsenhausens wohnten in den "Judengasse", dem unteren (westlichen) Teilstück der heutigen Weiherstraße (deutlich außerhalb des alten Ortskerns). In der Judengasse ("Judengässle") stand auch die 1550 genannte Synagoge. Zudem war ein jüdischer Friedhof vorhanden (1550 genannt). An ihn erinnert die Flurbezeichnung "Judengräber" am Waldrand.   
 
Vom 18. bis zum 20. Jahrhundert lebten keine jüdischen Personen am Ort.     
    
    
    
Berichte aus der jüdischen Geschichte in Orsenhausen     
  
Berichte zur jüdischen Geschichte in Orsenhausen liegen nicht vor. 

  
   

Fotos/Abbildungen   

  Karte von Orsenhausen
und dem "Judengässle"
 
    Die Karte zeigt die alte Dorfstruktur Orsenhausens. Farblich hervorgehoben sind das "Judengässle", der ungefähre Standort der Synagoge sowie die katholische Pfarrkirche (Foto: Staatsarchiv Ludwigsburg, bearbeitet von Volker Strähle)
   
 Fotos aus dem
unten genannten Wikipedia-Artikel
   
   Die Weiherstraße in Orsenhausen,
 ehemaliges "Judengässle". An Stelle des Gebäudes Nr. 12
vorne links stand vermutlich die Synagoge 
 Bereich des früheren jüdischen Friedhofes
in Orsenhausen
     

    
   
 
Erinnerungsarbeit vor Ort - einzelne Berichte       

Dezember 2021: Erinnerung an die jüdische Geschichte in Orsenhausen 
Artikel in der "Schwäbischen Zeitung" vom 9. Dezember 2021: "Weiherstraße. Das 'Judengässle' von Orsenhausen
Es ist eine schwierige Suche nach Spuren jüdischen Lebens: Kaum jemand weiß, dass sich in Orsenhausen vor 500 Jahren Juden angesiedelt haben. Mindestens 150 Jahre lang existierte hier eine jüdische Gemeinde. Wo genau haben die Orsenhausener Juden gelebt? Wie sah ihr Leben aus? In Archiven, bei einem Historiker und vor Ort finden sich Antworten. Eine Abschrift des 'Schutzvertrags' hat die Zeit überdauert, sie ist im Kreisarchiv Biberach überliefert: Der Ortsherr Georg von Roth nimmt 1534 neun Juden in Orsenhausen auf. Sie und ihre Familien sollen sechs Jahre im Ort bleiben dürfen – 'und nit lenger'. Später wird der Vertrag jedoch immer wieder verlängert. Im 16. und 17. Jahrhundert leben jeweils etwa 15 jüdische Familien im Ort – das entspricht einem Viertel der gesamten Einwohnerschaft. Der Historiker Stefan Lang hat sich für seine Doktorarbeit mit jüdischem Leben in Schwaben beschäftigt. 'Es ist eine Besonderheit, dass die jüdische Gemeinde von Orsenhausen so groß ist – und sich so lange hält', sagt er. Zwar leben in dieser Zeit in vielen oberschwäbischen Dörfern Juden, die zuvor aus den Städten vertrieben worden sind. Meist sind es aber nur einzelne Familien, die wenige Jahre an einem Ort bleiben. Warum Reichsritter wie die Herren von Roth Juden in ihren Dörfern aufnehmen, ist in der Forschung unstrittig. 'Das geschah natürlich immer aus wirtschaftlichen Gründen, nicht aus humanitären', meint Lang. 'Die Herren von Roth wollten Schutzgelder einnehmen, vielleicht auch den örtlichen Handel ankurbeln.' Juden müssen deutlich mehr Steuern zahlen als Christen. Viele Orsenhausener Juden sind arm, nur einzelne wohlhabend. Die meisten Familien leben wohl von der Geld- und Pfandleihe. Wo aber lebten nun die Orsenhausener Juden? In den Archivquellen ist immer wieder von Häusern 'am Weiher' zu lesen. Die Witwe Golda lebte laut Schutzvertrag sogar in einem 'Häuslein auf dem Weiher'. Heute gibt es nahe des Ortszentrums keinen Weiher mehr. Doch alte Karten aus dem 19. Jahrhundert weisen noch auf einen 'Großen Weiher' hin. Auch eine Straßenbenennung erinnert daran.
Besuch in der Weiherstraße in Orsenhausen. Vorne, an der Abbiegung von der Bachstraße, drängen sich die Häuser. Es ist ein sonniger Vormittag. Anton Jöchle, 80 Jahre alt, kommt im Arbeitshemd von seinem Hof auf die Straße. Er ist mit Malerarbeiten beschäftigt, doch unterbricht seine Arbeit gerne. Seit Generationen lebt seine Familie in der Weiherstraße. Haben hier die Juden gelebt? 'Das weiß ich nicht', sagt er. 'Aber die Straße hier hat man früher das Judengässle genannt.' Das Judengässle, erzählt Jöchle, sei so schmal gewesen, dass gerade mal ein Kuhgespann durchkam – 'wenn es keinen Gegenverkehr gegeben hat'. Erst in den 1970er-Jahren sei die Straße verbreitert und asphaltiert worden. Vor Jahrhunderten müssen im Judengässle nur wenige Häuser gestanden haben. Es sind, der Zeit entsprechend, strohbedeckte Hütten. In einem Haus wohnen bis zu vier Parteien. Die Juden leben nicht isoliert von den Christen. So wohnt etwa der Jude Isaak neben dem Katholiken Hans Heniglin, wie in einer Kaufurkunde zu lesen ist. Wie bedeutend die jüdische Gemeinde von Orsenhausen ist, zeigt sich daran, dass es im Judengässle auch eine Synagoge gibt. Eine Chronik des Lehrers Wolfram Heizmann von 1957 nennt das 'Haus Nießer' als früheren Standort, heute ist das die Weiherstraße 12. 'Wie die Synagoge ausgesehen hat, ist extrem schwer zu sagen', sagt der Historiker Lang. 'Wahrscheinlich ist das ein bescheidenes Gebäude mit einem Betsaal gewesen.' Sogar über einen eigenen Rabbiner muss die Gemeinde verfügt haben. Lang ist auf ein interessantes Dokument von 1544 gestoßen. Darin berichtet der 14-jährige Abraham aus dem fränkischen Wiesenbrunn, dass er ein Jahr in Orsenhausen in die 'jüdischen Lehre' gegangen ist. Bis heute erinnert der Name eines Waldstücks daran, dass es auch einen jüdischen Friedhof gegeben hat: die 'Judengräber'. Franz Fick aus Orsenhausen hat sich bereit erklärt, die Stelle am Waldrand zu zeigen. Der 81-Jährige hat heute im Wald zu tun, er parkt seinen Traktor an einer Weggabelung. In Sichtweite hängt an einem Baum eine Tafel, die für die armen Seelen im Fegefeuer bittet. Fick zeigt auf das Waldstück zwischen den Wegen: 'Dort, wo es nach hinten den Buckel hinauf geht, das heißt man die Judengräber.' Nichts weist vor Ort darauf hin."
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Oktober 2024: An die jüdische Geschichte erinnern Erinnerungstafeln       
Artikel in der "Schwäbischen Zeitung" vom 11. Oktober 2024: "Übergabe von Erinnerungstafeln der jüdischen Geschichte in Orsenhausen. Zwei Tafeln werden am Sonntag der Öffentlichkeit übergeben.
Vor Ort in der Weiherstraße in Orsenhausen wies bislang nichts darauf hin, dass hier einst eine Synagoge stand: Am Sonntag, 20. Oktober, um 15 Uhr übergibt nun die Gemeinde Schwendi zwei Tafeln der Öffentlichkeit. Sie erinnern an die frühere jüdische Gemeinde von Orsenhausen. Im 16. und 17. Jahrhundert stellten die Juden rund ein Viertel der Einwohnerschaft des Dorfes. Zur Präsentation der Tafeln sind alle Interessierten eingeladen. Dabei spricht der Historiker Volker Strähle über die Geschichte der Orsenhausener Juden. Die Erinnerungstafeln sind in der Weiherstraße zu finden, die über Jahrhunderte den Namen 'Judengässle' trug, sowie am Waldrand, wo sich der jüdische Friedhof befand. Auf den Weg gebracht hat die Tafeln der bisherige Ortsvorsteher Werner Jans. Der Ortschaftsrat von Orsenhausen unterstützte das Vorhaben bereits im November 2021, die Gemeinde Schwendi übernahm die Finanzierung.
Die Geschichte der jüdischen Gemeinde von Orsenhausen reicht weit zurück: Die ersten Juden hat Ortsherr Georg von Roth wahrscheinlich um 1520 aufgenommen. Über den Zeitraum von mindestens 150 Jahren lebten Juden an der Seite von Christen im Dorf. Die etwa 15 jüdischen Familien waren immer wieder von Vertreibungen bedroht. 1550 wurde ihre Ausweisung tatsächlich verfügt, jedoch nicht durchgesetzt. Die meisten jüdischen Einwohner wohnten in der heutigen Weiherstraße, die bis vor wenigen Jahrzehnten als 'Judengässle' bezeichnet wurde. Wann die letzten Juden den Orsenhausen verließen, ist nicht überliefert. Die Veranstaltung zur Übergabe der Tafeln am 20. Oktober beginnt um 15 Uhr in der Weiherstraße in Orsenhausen bei der früheren Raiffeisenbankfiliale. Auf die Begrüßung durch Bürgermeister Wolfgang Späth, Ortsvorsteher Manfred Schoch sowie den früheren Ortsvorsteher Werner Jans folgt ein historischer Kurzvortrag von Volker Strähle am Standort der früheren Synagoge. Nach der Fahrt mit dem Auto zu den 'Judengräbern' am Waldrand folgt dort gegen 15.30 Uhr ein weiterer Kurzvortrag über den Friedhof und die Flurnamen, die an die lokale jüdische Geschichte erinnern. Anschließend besteht die Möglichkeit zum Austausch in der Turnhalle Orsenhausen bei Getränken. Bei schlechtem Wetter findet die gesamte Veranstaltung ab 15 Uhr in der Turnhalle statt (Dietenheimer Straße 38)."   
Link zum Artikel 

       
        

     
Links und Literatur   

Links:  

bulletWebsite der Gemeinde Schwendi  
bulletWikipedia-Artikel  https://de.wikipedia.org/wiki/Jüdische_Gemeinde_Orsenhausen      

Literatur/Quellen:  

bulletJoachim Hahn: Erinnerungen und Zeugnisse jüdischer Geschichte in Baden-Württemberg. Stuttgart 1988. S. 133.  
bulletQuellen zur Geschichte der Juden bis zum Jahr 1600 im Hauptstaatsarchiv Stuttgart und im Staatsarchiv Ludwigsburg (bearb. von W. Braunn): Quellen Ne. 442, 401, 503, 505, 533, 544, 554, 559, 561f, 576, 611, 737, 740, 750, 753, 794, 811,821, 823, 831, 847, 851. 
bulletQuellen im Stadtarchiv Biberach - Spitalarchiv: Nr. 542, 16677, 1696, 1990, 1991.
bulletGeorg Schenk: Von den Juden in Orsenhausen und Umgebung. In: Pessach-Festschrift 5731 (1971) S. 25f.
bulletSabine Frey: Rechtsschutz der Juden gegen Ausweisung im 16. Jahrhunderts. 1983 S. 50-68.
bulletStefan Lang: Ausgrenzung und Koexistenz. Judenpolitik und jüdisches Leben in Württemberg und im "Land zu Schwaben" (1492-1650). 2008.
bulletVolker Strähle: Als eine Synagoge in Orsenhausen stand. In: Gesellschaft für Heimatpflege Biberach: BC. Heimatkundliche Blätter für den Kreis Biberfach. 44. Jg. 2021 S. 20-25. 
   
 

        

                   
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Stand: 06. Oktober 2024