Baisingen Friedhof 154.jpg (62551 Byte)  Segnende Hände der Kohanim auf einem Grabstein in Baisingen


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Villmar mit Ortsteil Aumenau und Schadeck (Stadt Runkel) (Kreis Limburg-Weilburg)
Jüdische Geschichte / Synagoge

Übersicht:

bulletZur Geschichte der jüdischen Gemeinde  
bulletBerichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde   
Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer 
Berichte zu einzelnen Personen aus der Gemeinde   
bulletZur Geschichte der Synagoge   
bulletFotos / Darstellungen 
bulletLinks und Literatur   

   

Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english version)   
  
In Villmar bestand eine jüdische Gemeinde bis 1938/40. Ihre Entstehung geht in die Zeit des 18. Jahrhunderts zurück, doch werden bereits im 15. Jahrhundert jüdische Bewohner in Villmar genannt.    
  
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner wie folgt: 1823 12 jüdische Familien, 1843 68 jüdische Einwohner, 1871 71 (3,6 % von insgesamt 1.992 Einwohnern), 1885 62 (3,0 % von 2.077), 1895 61 (3,0 % von 2.049), 1905 50 (2,4 % von 2.054).  
  
Zur jüdischen Gemeinde Villmar gehörten seit der Ende des 19. Jahrhunderts auch die in Runkel (zuvor selbständige Gemeinde), Schadeck und Aumenau lebenden jüdischen Personen. 
   
1841 nahmen die jüdischen Familien in Villmar folgende Familiennamen an: Seligmann Isaak: Ackermann, Hirsch Feist: Saalberg; weitere Familiennamen waren Bürger, Leopold, Blum, Frank, Löwenthal, Sternberg, Neuberger, Rosenberg, Gerolstein, Lichtenstein u.a.m. 
  
An Einrichtungen hatte die Gemeinde eine Synagoge (s.u.), eine Religionsschule, ein rituelles Bad und ein Friedhof (zunächst Beisetzungen in Arfurt, dann auf einem eigenen Friedhof in Villmar). Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war ein Lehrer angestellt, der zugleich als Vorbeter und Schochet tätig war (vgl. Ausschreibungen der Stelle unten). Der Lehrer war auch für die in umliegenden Orten lebenden Familien/Kinder zuständig: 1868 war ein gemeinsamer Schulverband der jüdischen Gemeinden Villmar, Runkel sowie Weyer und Münster gebildet worden. Sitz des Schulverbandes war Villmar, die anderen Orte waren seitdem Filialorte zu Villmar (siehe bei den Ausschreibungstexten unten ab 1890). Unter den jüdischen Lehrern war 1896 Simon Ackermann tätig (stammte aus Hermeskeil, nach 1896 Lehrer in Simmern im Hunsrück).    
  
Als die Zahl der jüdischen Kinder auch in Villmar zurückging (nach 1900), wurde der Unterricht durch einen auswärtigen Lehrer erteilt. Ob die Lehrerstelle überhaupt nach 1901 (letzte Ausschreibung, siehe unten) nochmals besetzt werden konnte, ist nicht bekannt. Im Bericht über den 1922 verstorbenen Leopold Herz (s.u.) ist davon die Rede, dass dieser "lange Jahre in der lehrerlosen Zeit" den Vorbeterdienst versehen habe.      
  
Im deutsch-französischen Krieg fiel aus Villmar Simon Löb (1870, siehe unten).  
 
Die jüdischen Haushaltsvorstände verdienten ihren Lebensunterhalt als Viehhändler, Kaufleute, Landwirte, Pferdehändler, Bäcker, Schuster, Metzger und Getreidehändler. Die jüdischen Einwohner waren im Ort bestens integriert und in Vereinen engagiert: Isidor Saalberg leitete um 1900 mehrere Jahre den MGV Teutonia. Siegfried Frank war 1930 Kirmesbursche. 
   
Um 1924 wurden noch 40 jüdische Einwohner gezählt (1925 35, d.h. 1,8 % von insgesamt 1.962 Einwohnern); zur Gemeinde gehörten die vier in Aumenau, vier in Runkel und vier in Schadeck lebenden jüdischen Personen. Damals waren die Gemeindevorsteher Isidor Gutheim und Isac Ackermann. Als Schochet war Ludwig Herz tätig. Den Religionsunterricht der damals fünf schulpflichtigen jüdischen Kinder der Gemeinde erteilte Lehrer Siegmund Bravmann aus Weilburg. An jüdischen Vereinen gab es insbesondere den Wohltätigkeitsverein (1924 unter Leitung von Max Frank). Die Gemeinde gehörte zum Rabbinatsbezirk Weilburg. 1932 waren die Gemeindevorsteher: Isidor Gutheim (1. Vors.), Isac Ackermann (2. Vors.) und Ludwig Rosenthal (3. Vors.). Im Schuljahr 1931/32 gab es noch sechs schulpflichtige jüdische Kinder in der Gemeinde.     
   
1933 lebten noch 35 jüdische Personen am Ort (1,5 % von 2.405 Einwohnern). Zur Gemeinde gehörten weiterhin drei in Aumenau, vier in Runkel und fünf in Schadeck lebende jüdische Personen.
In den folgenden Jahren ist ein Teil der jüdischen Gemeindeglieder auf Grund der zunehmenden Entrechtung und der Repressalien weggezogen beziehungsweise ausgewandert. 21 jüdische Einwohner flüchteten nach England, Argentinien und in die USA. Zwei Personen verstarben 1934, eine weitere 1936. Beim Novemberpogrom 1938 wurde die Inneneinrichtung der Synagoge zerstört (s.u.), die jüdischen Männer in das Gefängnis nach Diez gebracht. Josef Ackermann und die Brüder Heinrich und Sally Rosenthal wurden in das KZ Buchenwald verschleppt, wo Sally am 28. Dezember 1938 umgekommen ist. 1939 wurden noch 22 jüdische Einwohner gezählt (1,0 % von 2.108 Einwohnern). Die letzten sechs jüdischen Einwohner wurden von Villmar deportiert (darunter die zuletzt in der Kaiserstraße 35 lebende Familie Ackermann: Josef, Berta und Leopold Ackermann) sowie die Familie Löwenstein. 
Der letzte Gemeindevorsteher Isidor Gutheim wurde 1942 im KZ Sachsenhausen ermordet (Gedenkstein im jüdischen Friedhof Ungedanken).  
                 
Von den in Villmar geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Berta Ackermann geb. Adler (1890), Josef Leo Ackermann (1885), Leopold Ackermann (1922), Rosa Blum geb. Saalberg (1869), Cäcilie (Zessi) Forst (1897), Betty Frank geb. Ackermann (1885), Isidor (Israel) Gutheim (1865), Fred S. Isenberg (1935), Gertrud Isenberg geb. Bär (1912), Flandine Kahn geb. Saalberg (1864), Irma (Irene) Liebmann geb. Isenberg (1896), Berta Löwenstein geb. Saalberg (1884), Berta Löwenstein geb. Isenberg (1902), Lotte Löwenstein (1936), Rudolf Löwenstein (1901), Siegbert Löwenstein (1937), Lucie Nathan geb. Isenberg (1901), Johanna Rosenthal geb. Eisenthal (1875), Salomon (Salli) Rosenthal (1897), Hermann Saalberg (1869), Isidor Saalberg (1871).   
  
Von den in Aumenau geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Isidor Frank (1881), Salli Frank (1883), Johanna Strauß geb. Frank (1884).   
   
Aus Schadeck werden keine Personen in diesen Listen genannt.   
    
Auf dem jüdischen Friedhof in Villmar befindet sich ein Gedenkstein mit den Namen der zwischen 1933 und 1945 ermordeten jüdischen Einwohner des Ortes.    
      
     
     
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde 
 
Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer 
Ausschreibungen der Stelle des Religionslehrers / Vorbeters / Schochet 1872 / 1890 / 1892 / 1893 / 1901

Villmar Israelit 31071872.jpg (33574 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 31. Juli 1872: Die hiesige Lehrer-, Vorbeter- und Schächterstelle mit einem jährlich fixierten Gehalte von 400 Gulden wird bis zum 1. Oktober laufenden Jahres vakant. Bewerber wollen sich brieflich wenden an J. Ackermann, Vorsteher. Villmar, den 26. Juli 1872."  
 
Villmar Israelit 13031890.jpg (53250 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 13. März 1890: "Die Lehrer-, Vorbeter- und Schächterstelle zu Villmar a.L. und Filialorten wird mit dem 1. April laufenden Jahres vakant. Jährlicher Gehalt 600 Mark, nebst 200 Mark Nebenverdienste. Qualifizierte Bewerber (Unverheiratet) wollen sich melden bei Vorsteher Wolf Ackermann."    
 
Villmar Israelit 20091892.jpg (38166 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 20. September 1892: "Die Gemeinde Villmar a.d. Lahn mit Filialorten sucht per 22. Oktober einen unverheirateten Lehrer, Vorbeter und Schächter. Gehalt 600 Mark, Nebenverdienst 200 Mark. Meldungen richte man an den Vorstand Wolf Ackermann."  
 
Villmar Israelit 18051893.jpg (40042 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 18. Mai 1893: "Die Gemeinde Villmar a.d. Lahn mit Filialorten sucht per sofort einen unverheirateten Lehrer, Vorbeter und Schächter. Gehalt 625 Mark. Nebenverdienst 200 Mark. Meldungen richte man an den Vorstand Wolf Ackermann."   
 
Villmar Israelit 10011901.jpg (51291 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 10. Januar 1901: "Vakanz
Die Religionslehrer-, Vorbeter- und Schächterstelle zu Villmar a. Lahn und Filialorten ist sofort zu besetzen. Fixes Gehalt inklusive Mark 100, vom deutsch-israelitischen Gemeindebund Mark 750, Nebeneinkommen ca. Mark 250. Inländische unverheiratete Bewerber wollen unter Einsendung ihrer Zeugnisse sich wenden an H. Cron, Kultusvorsteher."  
 
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 29. August 1901: "Vakanz. Die Religionslehrer-, Vorbeter- und Schächterstelle zu Villmar a. Lahn und Filialorten ist sofort zu besetzen. Fixes Gehalt inkl. Mark 100, vom deutsch-israelitischen Gemeindebund Mark 750, Nebeneinkommen ca. Mark 250. Inländische unverheiratete Bewerber wollen unter Einsendung ihrer Zeugnisse sich wenden an den Kultusvorsteher 
Lehmann Saalberg
."     
 
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 7. November 1901: "Die Stelle eines Religionslehrers, mit welcher die Funktionen eines Kantors und Schächters verbunden sind, ist in Villmar (Kahn) per sofort oder später zu besetzen. Einkommen einschließlich der Nebeneinkünfte 1100 bis 1200 Mark. 
Der Kultusvorstand: Lehmann Saalberg
."     

  
     
Berichte zu einzelnen Personen aus der Gemeinde       
 
Simon Löb ist im deutsch-französischen Krieg gefallen (1870)      

Mitteilung in "Der Israelit" vom 16. November 1870: "2. Nassauisches Infanterie-Regiment Nr. 88.
Musketier Simon Löb aus Villmar, Kreis Oberlahn, tot.
Musketier Wolff, leicht verwundet, Schuss ins Bein.
Musketier Isaac Isselbächer aus Isselbach, Kreis Unterlahn, tot.
Musketier Gefreiter (Einjährig-Freiwilliger Magnus Heller aus Eiterfeld, Kreis Hünfeld, schwer verwundet, Schuss in den Oberschenkel."      

    
Zum Tod von Olga Ackermann geb. Löb (1922)

Villmar Israelit 13071922.jpg (123284 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 13. Juli 1922: "Villmar, 10. Juli (1922). Eine herrliche Frau haben wir heute hier unter überaus starker Beteiligung zu Grabe getragen. Frau Olga Ackermann geb. Löb ist, kaum sechzigjährig, in Homburg, wo sie Heilung gesucht hatte, ihrem Leiden erleben. Wer die Liebe und nie versagende Güte dieser Frau gekannt, weiß, was der Gatte, die Kinder und Enkel wie die Gemeinde verloren haben. Eine ideal veranlagte Natur, ein für alles Edle, Gute und Schöne warm schlagendes Herz, war sie der treue Schutzengel der Ihren und über deren Kreis hinaus erstreckte sich ihre liebende Fürsorge auf alle, die ihrer Hilfe und ihres Rates bedurften. Mit ihrer tiefen, schlichten Frömmigkeit wusste sie ihr Haus an der Seite ihres wackeren Gatten zu einem jüdischen Heiligtum zu gestalten, wo schwere Schickungen in Gottergebenheit überwunden und Glück in Bescheidenheit und Dankbarkeit gegen Ihn genossen wurden. Am Freitag Abend wurde sie sanft in die Ewigkeit hinübergeleitet. Ihre letzte Mizwohtat war das Lichtentzünden, wie ihr ganzes Leben ein Lichtspenden war; ihre letzte Freude, die an ihren Enkelkindern, die gerade gekommen waren, um die Großmutter zu besuchen; mit segnend ausgebreiteten Händen sank sie dahin in die Arme des Gatten und der Tochter. Möge dieser letzte Muttersegen erhaltne und ihr Geist des Hauses Hüter sein, dass Kraft und Trost den Gatten, Kindern und Enkeln wird im Angedenken an die Unvergessliche. Ihre Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens."   

    
Zum Tod von Leopold Herz (1922)  

Villmar Israelit 06041922.jpg (133938 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 6. April 1922: "Villmar a.d. Lahn, 27. März (1922). Unserer Besten einen haben wir, früher als wir es ahnen konnten, zur letzten Ruhe gebettet. Leopold Herz ist im Alter von erst 63 Jahren im Jüdischen Krankenhaus zu Frankfurt am Main, wo er Heilung suchte, seinem Leiden erlegen. Leopold Herz gehörte zu denen, die in schwerer Zeit all ihre Mühe und Kraft darein setzten, die Gemeinde als solche zu erhaltne. Ein Mann von echter schlichter Frömmigkeit, versah er lange Jahre in der lehrerlosen Zeit den Vorbeter- und Balkorehdienst mit Sachkunde und Innigkeit, wie sie ihresgleichen suchte. Mit seiner Ehrlichkeit und Redlichkeit in Handel und Wandel, mit seinem freundlichen Wesen und der ihm eigenen Herzlichkeit bei der Ausübung von Wohltaten und Gastfreundschaft, erwarb er sich die Liebe und Verehrung aller, und rührend war die tiefe Teilnahme, die die Todeskunde hier überall, bei Juden und Nichtjuden erweckte. Trotz der umständlichen reise war bei der Beerdigung, die auf dem Friedhof der Jüdischen Gemeinde zu Frankfurt am Main am letzten Dienstag stattfand, seine Gemeinde stark vertreten. Aus jedem jüdischen Hause waren, neben vielen nichtjüdischen Freunden, mindestens ein oder zwei Mitglieder anwesend, ebenso der gesamte Vorstand. An der Bahre hielt Herr Rabbiner Dr. Lazarus eine ehrende Gedenkrede, worauf noch Herr Redakteur Schachnowitz das Wort ergriff und aus eigener Anschauung als Kenner der Verhältnisse in der Lahngemeinde, die Bedeutung des Verstorbenen für seine Kehillah (Gemeinde) und seinen Wert als Mensch und Jehudi schilderte. Leopold Herz ruht hier nicht in fremder Erde, denn hier in Frankfurt wohnen seine Kinder, in denen er in den letzten Jahren schwerer Schickungen sein Glück und seinen Trost gesehen hat. Möge der Geist des Vaters in deren Mitte walten. Seine Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens."  

 
 
  
Zur Geschichte der Synagoge
                        
   
Zunächst war vermutlich ein Betraum in einem der jüdischen Wohnhäuser vorhanden, Um 1844 wurde von der jüdischen Gemeinde ein Wohnhaus erbaut, in dem 1846 im Obergeschoss eine Synagoge eingerichtet wurde. Im Untergeschoss befand sich die Lehrerwohnung. Beim Gebäude handelt es sich um ein zweigeschossiges Fachwerkhaus mit einem steilen Satteldach traufseitig zum Straßenzug. Die Synagoge hatte je 50 Plätze für Männer und Frauen.
  
Bereits vor dem Novemberpogrom 1938 wurde das Gebäude verkauft und kam in nichtjüdischen Besitz.  
  
Beim Novemberpogrom 1938 wurde das Synagogengebäude, obwohl es bereits in christlichem Besitz war, überfallen, die Inneneinrichtung zerstört und die Kultgegenstände auf die Straße geworfen und zerstört. Danach wurde das Gebäude zu einem bis zur Gegenwart bestehenden Wohnhaus umgebaut. 
   
Von den Ereignissen beim Novemberpogrom liegt ein Bericht von Manfred Rosenthal vor. Die (jüdische) Familie Rosenthal lebte damals im Erdgeschoss des Synagogengebäudes.   

Bericht von Manfred Rosenthal: "In den Mittagsstunden des 9. (vermutlich: 10.) November 1938 drangen unbekannt Männer - ohne Uniform - in unsere Wohnung im Erdgeschoss der Synagoge ein. Anwesend waren meine schwer herzkranke Mutter und außer mir noch drei meiner Geschwister, von denen keines 16 Jahre alt war. Die Eindringlinge forderten mich auf, ihnen in die Synagoge im ersten Stock zu folgen und deren Einrichtungsgegenstände zu zerstören. Als ich mich weigerte, ihren Forderungen Folge zu leisten, schlugen sie mir mit Holzknüppeln über den Kopf und begannen wutentbrannt allein ihr Zerstörungswerk in den Gebetshäusern. Die Fenster und die Inneneinrichtungen wurden demoliert, Tora und Gebetbücher und alle heiligen Kultgegenstände auf die Straße geworfen und vernichtet.
Eine Spur von Menschlichkeit kehrte bei den Vandalen erst wieder zurück beim Anblick meiner im Bett liegenden kranken Mutter... In unserer Wohnung rührten die auswärtigen, mir unbekannten Männer nichts mehr an." 

Im November 1988 wurde eine Gedenktafel aus Villmarer Marmor am ehemaligen Synagogengebäude angebracht. 
  
Im Sommer 2009 konnte eine Gedenktafel am Synagogengebäude bei einem Aufenthalt in Villmar allerdings nicht entdeckt werden (vgl. jedoch Friedhof).  
   
   
Adresse/Standort der Synagoge        Grabenstraße / Weilburger Straße 73   
   
   
   
Fotos
(Quelle: Altaras s. Lit. 1988 S. 98)  

Rekonstruktionszeichnung der 
ehemaligen Synagoge. Die Synagoge 
befand sich im oberen Stockwerk
Villmar Synagoge 100.jpg (61454 Byte)   
       
        
Das zu einem Wohnhaus umgebaute
ehemalige Synagogengebäude  
Villmar Synagoge 101.jpg (88370 Byte)   
        
       
Villmar Synagoge 170.jpg (63830 Byte) Villmar Synagoge 171.jpg (72728 Byte) Villmar Synagoge 172.jpg (66522 Byte)
Das ehemalige Synagogengebäude im Sommer 2009 (Aufnahmen: Hahn, Aufnahmedatum 23.8.2009).
     
 Einzelne Persönlichkeiten     
 
 Emil Simon aus Weyer als Soldat im
Ersten Weltkrieg, konnte 1938
noch emigrieren.
 Salomon (Sally) Rosenthal (geb. 1897), der 1938
im KZ Buchenwald ermordet wurde (Quelle: Bilder
 zur Geschichte Villmars s.Lit.)
 Villmarer Kirmes 1930: auf dem Foto
Gretel Frank (3.v.l.) und der Kirmesbursche
 Siegfried Frank (2. Reihe, 1.v.l.)
Quelle oben: Juden im Kreis Limburg-Weilburg. Schriftenreihe zur Geschichte und
Kultur des Kreises Limburg-Weilburg 1991. 
 

   
   
 
Erinnerungsarbeit vor Ort - einzelne Berichte       

Februar 2020: Erste Verlegung von "Stolpersteinen" in Villmar        
Artikel in der Website der Gemeinde Villmar https://www.marktflecken-villmar.de/marktflecken/stolpersteine (abgerufen am 29. Dezember 2019): "Zur Geschichte des Marktfleckens Villmar gehört auch die Zeit von 1933 bis 1945. Das Gedenken an die Opfer sowie die Aufklärung über die menschenverachtende Politik des Nationalsozialismus ist seit Gründung der Bundesrepublik Teil der Erinnerungskultur der deutschen Gesellschaft. Das Stolperstein-Projekt setzt sich dafür ein, die Erinnerung an die Opfer und Verfolgten der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft durch Gedenksteine vor ihrem letzten selbstgewählten Wohnsitz in unseren Alltag zu holen. 'Ein Mensch ist erst vergessen, wenn sein Name vergessen ist', zitiert der Künstler Gunter Demnig, Urheber des Stolperstein-Konzepts, den Talmud. Auf Initiative der Katholischen Arbeitnehmerbewegung (KAB) Villmar hat die Gemeindevertretung am 14. Februar 2019 die Genehmigung zur Verlegung von 'Stolpersteinen' im öffentlichen Raum des Marktfleckens Villmar erteilt. Unterstützt wird das Projekt von einer Arbeitsgruppe zur Recherche der Opfer und Verfolgten sowie durch den Bauhof des Marktfleckens bei der Vorbereitung der Verlegungen.
In einer ersten öffentlichen Veranstaltung des Arbeitskreises am 16. Mai 2019 im Pfarrsaal Villmar wurde über das Projekt ausführlich informiert. Der Künstler Gunter Demnig erinnert an die Opfer der NS-Zeit mit Gedenktäfelchen aus Messing, die in die Bürgersteige eingelassen werden. Darauf sind Name, Geburtsjahr, Deportationsort und Angaben zum weiteren Schicksal der verfolgten Menschen eingraviert. Es geht um das Gedenken, nicht um Schuldzuweisung. Mit den STOLPERSTEINEN wird ausdrücklich auch der Menschen gedacht, die den Holocaust überlebt haben. Sei es, dass sie sich verstecken konnten, ein Lager überlebt haben, flüchten oder auf andere Weise ihr Leben retten konnten. Gewürdigt werden alle verfolgten oder ermordeten Opfer des Nationalsozialismus...
Mitglieder der Arbeitsgruppe Stolpersteine: Paul Arthen (Villmar), Vorsitzender der KAB (Initiator); Gertrud Brendgen (Weyer), Ausschuss für Kultur, Sport und Soziales; Jutta Brahm (Villmar); Corina Braun (Weyer); Isabelle Faust (Runkel), Rektorin für die Sekundarstufe I, Johann-Christian-Senckenberg-Schule Runkel-Villmar; Dr. Bernold Feuerstein (Villmar), Ausschuss für Kultur, Sport und Soziales, Vorsitzender des Ortsausschusses für den Kirchort Villmar; Helmut Hübinger (Villmar), Initiator; Pfarrer Michael Vogt (Villmar), Pfarrgemeinde Hl. Geist Goldener Grund / Lahn; Willi Wünschmann (Villmar).
Der Arbeitskreis arbeitet eng mit der Johann-Christian-Senckenberg-Schule am Standort Runkel zusammen, die bereits im zweiten Jahr im Stundenplan den Wahlpflichtkurs 'Erinnerungskultur' etabliert hat. Die Recherchen der Schülerinnen und Schüler und der Mitglieder des Arbeitskreises sind die Grundlage für die Verlegung der Stolpersteine. Hierzu wurden schon umfangreiche Informationen zusammengetragen. Aktuell befasst sich der WPU-Kurs mit der Kontaktaufnahme zu den Nachfahren der Verfolgten und mit der Darstellung der einzelnen Biografien. Zeitzeugen der damaligen Ereignisse und Umstände sind herzlich eingeladen, ihre Erinnerungen und Informationen an den Arbeitskreis oder die Schülerinnen und Schüler weiterzugeben und somit für die Nachwelt zu erhalten.
Ansprechpersonen sind für den Arbeitskreis Bernold Feuerstein und für die Senckenberg-Schule am Standort Runkel Isabelle Faust.
Die Recherchearbeit konzentriert sich im Marktflecken Villmar auf folgende Opfergruppen: Ermordete und vertriebene jüdische Mitbürger, Opfer des organisierten Krankenmordes, Opfer politischer Verfolgung...  
Es sollen nach derzeitigem Stand der Recherche 50-60 Stolpersteine im Marktflecken Villmar verlegt werden. Die Verlegung der ersten 19 Stolpersteine durch Gunter Demnig wird am Montag, 3. Februar 2020 an je zwei Verlegestellen in Villmar und Weyer erfolgen.
Villmar, Grabenstraße 3: Isaak Ackermann | Leo Joseph Ackermann | Bertha Ackermann, geb. Adler | Gretel Moses, geb. Ackermann | Leopold Ackermann.
Villmar, Peter-Paul-Str. 44: Johanna Rosenthal, geb. Saalberg | Salomon Rosenthal | Emmi Rosenthal, geb. Wolf | Liselotte Rosenthal.
Weyer, Brühlstraße 7: Betty Blumenthal, geb. Hofmann | Karoline Schönberg, geb. Blumenthal | Albert Schönberg | Hermann Walter Schönberg.
Weyer, Laubusstraße 14: Mina Saalberg, geb. Blumenthal | Ida Simon, geb. Saalberg | Emil Simon | Herta Irene Heymann, geb. Simon | Julius Heymann | Heinz Heymann.
Die Stolpersteine werden über Spenden (120 € pro Stein) finanziert. Es sind auch anteilige Spenden möglich. Bankverbindung: KAB Diözesanverband Limburg e. V.
IBAN DE95500100600060308609 BIC PBNKDEFF (Postbank Frankfurt)  Kennwort (bitte unbedingt angeben!): STOLPERSTEINE."      

 
Video zur Verlegung von "Stolpersteinen" in Villmar  https://youtu.be/iZ1Tm_oXaJ8
 
  
   
  

     
Links und Literatur

Links:  

bullet

Website der Gemeinde Villmar   

bullet

Seite zum jüdischen Friedhof in Villmar (interner Link)   

Literatur:  

bulletPaul Arnsberg: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang - Untergang - Neubeginn. 1971. Bd. II S. 325-327. 
bulletThea Altaras: Synagogen in Hessen. Was geschah seit 1945? 1988 S. 98-99.  
bulletdies.: Das jüdische Rituelle Tauchbad und: Synagogen in Hessen. Was geschah seit 1945 Teil II. 1994. S.  
bulletStudienkreis Deutscher Widerstand (Hg.): Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der Verfolgung 1933-1945. Hessen II Regierungsbezirke Gießen und Kassel. 1995 S. 140-141. 
bulletPinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany Volume III: Hesse -  Hesse-Nassau - Frankfurt. Hg. von Yad Vashem 1992 (hebräisch) S. 537-538. 
bulletLydia Aumüller: Zur Geschichte der Juden in Villmar. In: Juden im Kreis Limburg-Weilburg. Schriftenreihe zur Geschichte und Kultur des Kreises Limburg-Weilburg 1991.  (Die Ergebnisse dieser Publikation konnten bislang nur teilweise eingearbeitet werden). 
bulletBilder zur Geschichte Villmars 1053-2003. Hrsg. Markflecken Villmar. Wiesbaden 2003. 

    
    


 

Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the Holocaust". 
First published in 2001 by NEW YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad Vashem Jerusalem, Israel.

Villmar an der Lahn  Hesse-Nassau. Established in 1772, the community opened a synagogue in 1846 and numbered 71 (4 % of the population) in 1871, declining to 35 in 1933. The Jews were mostly dealers in cattle and farm produce, and the community was affiliated with the rabbinate of Bad Ems. Until 1911 a separate, much older community existed in nearby Runkel, where Shelomo Zalman Runkel (died c. 1400) - the teacher of Yaacov Moellin ('Maharil') - was born. On Kristallnacht (9-10 November 1938), the interiore of Villmars Synagogue was destroyed. A third of the Jews emigrated and another 12 perished in the Holocaust.  
    
     

                   
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Copyright © 2003 Alemannia Judaica - Arbeitsgemeinschaft für die Erforschung der Geschichte der Juden im süddeutschen und angrenzenden Raum
Stand: 30. Juni 2020