Eingangsseite
Aktuelle Informationen
Jahrestagungen von Alemannia
Judaica
Die Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft
Jüdische Friedhöfe
(Frühere und
bestehende) Synagogen
Übersicht:
Jüdische Kulturdenkmale in der Region
Bestehende
jüdische Gemeinden in der Region
Jüdische
Museen
FORSCHUNGS-
PROJEKTE
Literatur
und Presseartikel
Adressliste
Digitale
Postkarten
Links
| |
zurück zur Übersicht "Synagogen in der Region"
zurück zur Übersicht "Synagogen in Mittelfranken"
Weißenburg in
Bayern (Kreis Weißenburg-Gunzenhausen)
Jüdische Geschichte / Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde
In der früheren Reichsstadt Weißenburg gab es bis 1520 eine
jüdische Gemeinde mit Synagoge und Mikwe.
Ende des 13. Jahrhunderts ließen sich vermutlich die ersten Juden in
Weißenburg nieder. 1288
bat die Stadt den Nürnberger Rat um Mitteilung des dortigen Judenpfandrechtes.
1312 wurde die von Nürnberg erhaltene Judenordnung in Weißenburg in Kraft
gesetzt oder erneuert. 1298 wurden im Zusammenhang mit der sogenannten
"Rintfleisch"-Verfolgung Juden in der Stadt ermordet; die Namen
eines Teil der Märtyrer sind erhalten. In der ersten Hälfte des 14.
Jahrhunderts werden namentlich Berl (Perl) (1339) und 1342 Salman aus
Weißenburg als Judenbürger in Nürnberg genannt, wo sie sich niederlassen
konnten. Bei der Verfolgung in der Pestzeit 1348/49 wurden Juden wiederum
in der Stadt ermordet. 1350 befreite Karl IV. die Stadt von allen Judenschulden.
Einige Jahre nach der Verfolgung in der Pestzeit ließen sich wieder einzelne
Juden nieder. Freilich kam es bereits 1384 im Zusammenhang eines
Aufstandes der Handwerker gegen die Patrizier zu einem erneuten Pogrom in der
Stadt mit mehreren Toten, bei dem der Rat die Juden zu schützen versucht hatte. Damals wurden sechs
Rädelsführer des Aufstandes mit Verbannung bestraft.
Zwischen der Zeit Ende des 14. Jahrhunderts und der Vertreibung der Juden
1520 entstand nochmals eine relativ große jüdische Gemeinde in der
Stadt. Eine Judengasse wird erstmals 1514 genannt, in der vermutlich die
meisten jüdischen Familien lebten, gleichfalls eine Synagoge, die nach
einer Angabe aus dem 18. Jahrhundert nahe dem oberen Tor bei dem Bach stand (im
18. Jahrhundert stand hier das Rebdorfische Kornhaus). Es gab zwischen fünf und
neun "Judenhäuser". 1480 lebten etwa 150 jüdische Personen in der
Stadt, zuletzt (1520) insgesamt 15 Familien. Einige Weißenburger Juden sind
wird aus der Stadt verzogen: nach Weißenburg benannte Juden finden sich 1390 in
Eger, 1408 in Rothenburg o.d.T., 1413 und 1426 in Nürnberg, 1426 in
Regensburg,
1490 in Nördlingen, 1510 in Frankfurt/Main. Die Juden der Stadt lebten
insbesondere von der Geld- und Pfandleihe. Ausdrücklich verboten war in der
Stadt der Warenhandel (insbesondere Tuch und Getreide) und das Handwerk. Erlaubt
war der Handel mit in der Stadt erzeugtem Tuch außerhalb des Kreises von zwei
Meilen um die Stadt.
Beziehungen zwischen Christen und Juden gab es in dieser Zeit offenbar
auch außerhalb des Geschäftlichen. In der Judenordnung der Stadt musste
ausdrücklich das gemeinsame Glückspiel zwischen Juden und Christen verboten
werden. Als Beispiel für ein positiven Miteinanders kann auch genannt werden,
dass der christliche Hebraisten
Johann Böschenstein (1472 - ca. 1540) um 1489 bei Mosche Möllin von
Weißenburg hebräischen Elementarunterricht erhielt.
Infolge der Vertreibungen der Juden aus Regensburg
und Rothenburg o.d.T. verstärkte sich
1518/19 die judenfeindliche Stimmung der Bevölkerung von Weißenburg, die
die Austreibung der Juden auch aus Weißenburg wünschte. Am 5. Juni
1520 wurden die Synagoge und mehrere jüdische Wohnhäuser durch Christen
geplündert; einige Tage später wiederholte sich der Pogrom. Der Rat, der
zunächst die Juden geschützt hatte beziehungsweise einer Vertreibung nicht
ohne kaiserliche Einwilligung zustimmen wollte, beschloss am 12. Juni 1520 die
Ausweisung. Die Juden wurden genötigt, zu erklären, dass sie die Stadt zu
verlassen wünschen und den Rat um Erlaubnis dazu bitten. Bei ihrem Fortzug
nahmen sie die - soweit noch vorhanden - bewegliche Habe mit und wurden
von bewaffneten Ratsherren unterstützt. Die jüdischen Wohnhäuser wurden durch
den Rat konfisziert, die Synagoge wurde abgebrochen und an ihrer Stelle eine
Marienkapelle erbaut. Dabei handelte es sich um einen hölzernen Bau, der nach
Annahme der Reformation durch die Stadt verfallen ist (Standort: "Auf der
Kapelle").
Im 17. Jahrhundert bestand wiederum eine kleine jüdische Gemeinde in
Weißenburg.
Im 19./20. Jahrhundert kam es (bis 1945) nur zu vereinzelten Niederlassungen in der
Stadt.
Nach 1945: Nach Ende des Zweiten Weltkrieges
wurden in Weißenburg wenige Jahre bis zu 100 jüdische Personen (Displaced
Persons, Überlebende von Konzentrationslagern und jüdische Flüchtlinge
aus Osteuropa) untergebracht, wo sie auf ihre Ausreise nach Palästina oder
andere Länder warteten. Sie bildeten in Weißenburg eine kleine jüdische
Gemeinde ("Jüdisches Komitee Weißenburg"), deren Verwaltung
am Westring 16 war. Das Gemeindeleben fand in der Gaststätte zum Schlachthof
statt. Zu der Gemeinde gehörten 1945 70 Mitglieder, drei Monate später waren
es ca. 100. Vorsitzender der Gemeinde war Rabbiner Dr. Jechiel Jakob Weinberg.
Dieser konnte 1947 in die Schweiz übersiedeln (Montreux).
Die jüdische Gemeinde bestand vermutlich bis 1949. Nach Gründung des Staates
Israel 1948 verließen die meisten Weißenburg; einige sind nach Übersee
(insbesondere USA) ausgewandert.
Zu Rabbiner Dr. Jechiel Jakob Weinberg: geb. 1884 in Ciechanowiec/Podlachien; 1905 bis 1918 Rabbiner in
Pilwishki; seit 1914 in Berlin; 1924 Rabbiner in einer Gemeindesynagoge ebd.; 1931 bis
1939 letzter
Rektor des Berliner Rabbinerseminars; 1939 nach Kowno (Kaunus) geflohen, von
hier im August 1939 nach Warschau. 1941 in der Sowjetunion verhaftet und als
"sowjetischer Staatsbürger" in das Internierungslager Wülzburg
bei Weißenburg verschleppt, wo er bis April 1945 verblieb; gest. Januar 1966 in
Montreux.
An die jüdische Geschichte des Mittelalters erinnert bis heute die "Judengasse".
Link
zum Stadtplan von Weißenburg mit Eintragung der "Judengasse".
Im städtischen Museum (Reichsstadtmuseum)
ist ein Grabstein mit
hebräischer Inschrift vorhanden, dessen Ursprung ungeklärt
ist.
Zu den jüdischen
Gräbern auf dem Interniertenfriedhof 1941-1945 an der Wülzburg
(interner Link)
Fotos
Jüdischer Grabstein
im städtischen Museum
(Reichsstadtmuseum) in Weißenburg
(Fotos: Alexander Moisseenko) |
 |
 |
|
Grabstein
einer jüdischen Frau, Weißenburg 1290; datiert auf den 19. November
1290.
Übersetzung siehe Textabbildung rechts; der Grabstein wurde in einem
ehemaligen Bürgermeisterhaus aufgefunden. |
|
|
|
Die Judengasse in
Weißenburg
(Fotos: Alexander Moisseenko, Aufnahmen vom August 2015) |
|
|
 |
 |
 |
Straßenschild
"Judengasse" |
|
|
|
|
|
 |
 |
 |
|
|
|
|
|
|
Rechts: Im Haus Nr. 3
befand sich einst die Mikwe (rituelles Bad) |
 |
|
Literatur:
Moritz Stern: Die Vertreibung der Juden aus Weißenburg
1520. In: Zeitschrift
für die Geschichte der Juden in Deutschland. 1929 S. 297-303.
Links und Literatur
Links:
Literatur:
 | Germania Judaica II,2 S. 873; III,2 S.
1570-1572. |
 | Moritz Stern: Die Vertreibung der Juden aus
Weißenburg 1520. In: Zeitschrift für die Geschichte der Juden in
Deutschland. 1929. S. 297-303 (siehe Textabbildungen oben). |
 | Israel Schwierz: Steinerne Zeugnisse
jüdischen Lebens in
Bayern. Eine Dokumentation der Bayerischen Landeszentrale für politische
Bildungsarbeit. A 85. 1992²
S. 198. |
 | ders.: Die vergessenen jüdischen Toten von
Weißenburg/Mittelfranken? In: Zeitschrift für fränkische
Landeskunde und Kulturpflege. 1993. S. 360-361.
Als pdf-Datei online zugänglich. |
 | Jim G. Tobias: Vorübergehende Heimat im Land der
Täter: Jüdische DP-Camps in Franken 1945-1949. 2002.
Beitrag von Jim G. Tobias zu Weißenburg: Als im fränkischen
Weißenburg ein Rabbiner lehrte.
Eingestellt bei haGalil.com. |
n.e.

vorherige Synagoge zur ersten Synagoge nächste Synagoge
|