Baisingen Friedhof 154.jpg (62551 Byte)  Segnende Hände der Kohanim auf einem Grabstein in Baisingen


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Altdorf b. Nürnberg (Kreis Roth )
Zur jüdischer Geschichte 

Zur jüdischen Geschichte in Altdorf 
  
In Altdorf - einer zwischen Nürnberg und Neumarkt zentral gelegenen Stadt - bestand zu keiner Zeit eine jüdische Gemeinde. Nur einzelne jüdische Personen werden in Altdorf als zeitweise wohnhaft genannt. Unklar ist, ob es im Mittelalter zu einer jüdischen Ansiedlung gekommen ist (vgl. Überlegungen in Germania Judaica III,1 zu einer möglichen Judenverfolgung 1298). 
  
Eine Erinnerung an die jüdische Geschichte unklarer Herkunft ist der Flurname "Am Judenbühl". Dazu Schwierz s.Lit. S. 143: "Der Name (Judenbühl) wurde von einem Historiker des 18. Jahrhunderts namens Georg Andreas Will, so erklärt, dass einer jüdischen Familie namens Symelin im 14. Jahrhundert ein Wohnrecht in verschiedenen Orten, darunter auch in Altdorf, verbrieft wurde, die Familie zog aber nicht nach Altdorf. Trotzdem behielt der dafür vorgesehene Platz den Namen." 
     
     
17. Jahrhundert  
   
Der Altdorfer Orientalist Johann Christoph Wagenseil und sein großes Interesse am Judentum  

Altdorf Wagenseil.jpg (66831 Byte)Von besonderer Bedeutung ist der Aufenthalt von Beer Perlhefter (Beer Schmuel Issachar ben Jehuda Leib ben Moses Eybeschuetz Perlhefter aus der bekannten Prager Eibenschütz-Familie; um 1650 - nach 1713) in Altdorf, der als jüdischer Lehrer (Gelehrter und Rabbiner) aus Prag bei dem Altdorfer Rechtsgelehrten und Orientalisten Johann Christoph Wagenseil (1633-1705: Abbildung links: Wikimedia commons) über ein Jahr lang beschäftigt war. Wagenseil wurde von Perlhefter 1674/75 im Hebräischen und in der jüdischen Literatur unterrichtet. Auch Perlhefters Frau Bella war hoch gebildet und hatte bereits einen Namen als Schriftstellerin und Musiklehrerin. Sie unterrichtete Wagenseils Tochter Helene Sybilla im Tanzen. Doch wohnte sie nicht bei ihrem Mann in Altdorf, sondern in jüdischer Umgebung in Schnaittach oder auch Schwabach. 1675 zog Beer Perlhefter nach Schwabach, um dann nach Prag zurückzukehren. 1676 folgte er einem Ruf als Rabbiner nach Modena. 1681 kehrte er nochmals vorübergehend nach Schwabach zurück, danach war er wieder in Prag. Weiteres zu seinem Leben siehe Literatur und biographische Artikel. 
    
Wagenseil hatte bereits nach dem Studium eine lange Bildungsreise quer durch Europa angetreten und in Wien, Bratislava, Venedig, Padua, Rom, Metz, Amsterdam, Fürth und Prag jüdische Gemeinden und Vertreter des Judentums kennengelernt. Dies begründete sein lebenslanges persönliches Interesse am Judentum. In Altdorf wurde er vor allem auf Grund seiner von Perlhefter erworbenen Kenntnisse zu einem bekannten Hebraisten an der Universität. In der Folgezeit verfasste er mehrere Schriften zur Verteidigung von Juden und widerlegte beispielsweise den alten Vorwurf des Ritualmordes). Für die Abfassung seiner hebräischen und jüdischen Arbeiten hatte Wagenseil auch mit anderen jüdischen Gelehrten und dazuhin mit getauften Juden Kontakt, u.a. mit dem Schreiber Johann Christian Jakob aus Krakau. Später sorgte er jedoch - sicher ungewollt - für eine weitere Verbreitung antijüdischer Vorurteile, indem er beispielsweise mit den "Tela Ignea Satanae" (Die Feuerpfeile des Satans, Altdorf 1681) antichristliche hebräische Schriften ins Lateinische übersetzte. Auf Grund dieser Publikation und anderer wie die Schrift "Ankündigung an alle Obrigkeiten wegen der Lästerung, womit die Juden Christum schmähen", Altdorf 1703) wurde Wagensail in der Folgezeit höchst unterschiedlich beurteilt: die Spanne reicht von "Judenfreund" bis "Judenfeind". In einer neueren Darstellung wird er positiv als "Pionier des christlich-jüdischen Zusammenlebens" bezeichnet (Peter Blastenbrei s.u.).  
      
Texte       
Wagenseil in kritischer Darstellung in jüdischen Periodica im 19. Jahrhundert (Beispiel von 1894)    
Anmerkung: auch jüdischerseits wird Wagenseil im 19./20. Jahrhunderts positiv wie negativ oder auch ausgewogen beurteilt.

Aus einem Beitrag in "Jeschurun" vom 6. Juli 1894: "...So war der berühmte Professor in Altdorf, J. C. Wagenseil. ein bekannter Freund und Förderer der jüdischen Wissenschaft, hat seinen jüdischen Freunden in Wien Schabbesgoidienste erwiesen, hat sich einen Schalet und Kugel bei Juden gut schmecken lassen, hat jüdische Exilanten unterstützt und verkehrte so lange mit Judenfeinden, bis er zuletzt Pamphlete gegen Juden veröffentlichte..."   

  
  
Literatur: u.a. Bernard Weinryb: Historisches und Kulturhistorisches aus Wagenseils hebräischem Briefwechsel. In: Monatsschrift für Geschichte und Wissenschaft des Judentums 83 1939 S. 325-341. Online eingestellt (pdf-Datei).
Friedrich Dickmann: Das Judenmissionsprogramm Johann Christoph Wagenseils. 1974. https://www.deepdyve.com/lp/de-gruyter/das-judenmissionsprogramm-johann-christoph-wagenseils-UXyCZO37E0 (kostenpflichtig).
Peter Blastenbrei: Ein Pionier des christlich-jüdischen Zusammenlebens. Johann Christoph Wagenseil zum 300. Todestag. In: in PaRDeS. Informationsblatt der Vereinigung für Jüdische Studien e.V. Heft Nr. 10; Juni-Juli 2005.  S. 3-10. Online zugänglich.  https://publishup.uni-potsdam.de/opus4-ubp/frontdoor/deliver/index/docId/2100/file/pardes_10_a4_Art01.pdf
Deutsche Biographie: zu Johann Christoph Wagenseil:  https://www.deutsche-biographie.de/sfz84199.html  
Wikipedia-Artikel: zu Johann Christoph Wagenseil: https://de.wikipedia.org/wiki/Johann_Christoph_Wagenseil  
Artikel in JewishEncyclopedia.com zu Isaachar Perlhefter Issachar Perlhefter in JewishEncyclopedia.com (hier wird Wagenseil kritisch als "well-known anti-Jewish author bezeichnet"   
Digitale Ausgabe von "Tela ignea Satanae" https://www.digitale-sammlungen.de/de/view/bsb10690618?page=5  
Zu Beer Perlhefter: https://de.wikipedia.org/wiki/Beer_Perlhefter und zu seiner Frau Bella Perlhefter  https://de.wikipedia.org/wiki/Bella_Perlhefter 
   
  
19./20. Jahrhundert   
  
Im 19./20. Jahrhundert haben sich nur wenige jüdische Familien/Personen zeitweise in der Stadt niedergelassen. Von Interesse ist die zeitweise Möglichkeit der Ausbildung jüdischer Lehramtskandidaten am Königlich-Bayerischen Lehrerseminar in Altdorf.
   
Die Ausbildung jüdischer Lehramtskandidaten am Königlich-Bayerischen Lehrerseminar (bis 1842)   
  
Die Ausbildung der Lehrer wurde im Königreich Bayern seit 1809 staatlich organisiert. Für Mittelfranken wurde zunächst in Nürnberg ein staatliches Lehrerseminar eingerichtet. 1824 wurde dieses aus Nürnberg nach Altdorf verlegt. Hier war die frühere Universität 1809 geschlossen worden. Mit der Einrichtung des Lehrerseminars in dem leerstehenden Kollegienhaus der Universität fand dieses eine neue Nutzung. Seitdem wurden in Altdorf die protestantischen Lehrer für ganz Bayern ausgebildet. 1924 wurde das Altdorfer Seminar aufgelöst und die Ausbildung in die 1843 von Altdorf aus gegründete Lehrerbildungsanstalt Schwabach verlegt.     
  
Bis 1842 wurden in Altdorf auch jüdische Schulamtskandidaten aus dem mittelfränkischen Bereich aufgenommen. Es scheinen allerdings nur wenige gewesen zu sein. Da in Altdorf keine jüdische Gemeinde bestand, konnten die Seminaristen an keinem jüdischen Gemeindeleben vor Ort (Gottesdienstbesuch, jüdischer Religionsunterricht usw.) teilnehmen. Nach einem Beitrag in "Der Israelit des 19. Jahrhunderts" vom 16. August 1846 S. 246 kümmerte sich allerdings die jüdische Gemeinde Ottensoos um die jüdischen Seminaristen aus Altdorf. Ebd. wird berichtet, dass die jüdischen Seminaristen in Altdorf im Seminargebäude logieren durften. Auf Grund des fehlenden Bezugs zu einer jüdischen Gemeinde vor Ort wurde 1842 jedoch von der Regierung beschlossen, die Ausbildung der jüdischen Lehramtskandidaten aus Mittelfranken nach Bamberg zu verlegen, wo seit 1840 die Ausbildung für jüdische Lehramtskandidaten möglich war. Auch in Schwabach wurden weiterhin jüdische Lehramtskandidaten aufgenommen, doch durften sie hier nicht im Seminargebäude logieren (nach "Der Israelit des 19. Jahrhunderts" vom 16. August 1846 S. 246).
Nach der Gründung der "Israelitischen Lehrerbildungsanstalt" in Würzburg 1864 verlagerte sich der Schwerpunkt der Ausbildung jüdischer Lehrer in Bayern (und darüber hinaus) jedoch immer mehr nach Würzburg.   
  
Texte 
Jüdische Lehramtskandidaten können das Seminar in Altdorf nicht mehr besuchen (1842)  

Artikel in "Allgemeine Zeitung des Judentums" vom 24. Dezember 1842: "Aus Mittelfranken, 23. November (Privatmitteilung). Das in den bayerischen Staatsangelegenheiten herrschende religiöse, vielmehr konfessionelle Prinzip, hat auch unsererseits einige Erscheinungen hervorgerufen, die ich Ihnen mit einigem Andern nachstehend berichten will. Die jüdischen Seminaristen unteres Kreises haben jetzt nicht mehr das Seminar zu Altdorf, woselbst keine Juden wohnen und sie auch keinen Religionsunterricht erhielten, sondern das Seminar zu Bamberg zu besuchen, erhalten jedoch Stipendien aus dem diesseitigen Kreisfond. Möchte ihnen aber auch dort ein gehobener Religions- und hebräischer Sprachunterricht zuteil werden und der Staat seine Wohltat dadurch vervollständigen, dass er auch den betreffenden Religionslehrer besolde, damit dies nicht die armen Seminaristen wie gegenwärtig auf eine horrende Weise zu tun gebrauchen."      

     
Im Altdorfer Lehrerseminar werden einige Jahre auch (wenige) jüdische Seminaristen aufgenommen (Artikel von 1907)    
Anmerkung: an die vorübergehende Ausbildung jüdischer Lehramtskandidaten in Altdorf wird auch im Artikel von Simon Dingfelder über "Das jüdische Schulwesen Bayerns im 19. Jahrhundert" erinnert. 

Artikel in "Israelitisches Familienblatt" vom 7. Februar 1907: Hier wird berichtet: "Erst im Jahre 1840 öffneten die Seminare zu Würzburg, Bamberg und Kaiserslautern den jüdischen Jünglingen, welche dem Lehrerberuf sich widmeten, ihre Pforten, 1845 folgte das Lehrerseminar zu Schwabach. Auch in Altdorf scheinen einige wenige jüdische Jünglinge Aufnahme gefunden zu haben, trotzdem dort keine Juden wohnten..." ""      

       
        

Links und Literatur 

Links:  

bulletWebsite der Stadt Altdorf b. Nürnberg  
bulletWikipedia-Artikel  https://de.wikipedia.org/wiki/Altdorf_bei_Nürnberg  

Literatur:  

bulletGermania Judaica II,1 S. 9 (mit Überlegungen zu 1298), III,1 S. 9.
bulletIsrael Schwierz:  Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens in Bayern. Eine Dokumentation der Bayerischen Landeszentrale für politische Bildungsarbeit. A 85. 1988 S. 143. 

    
      

                   
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Stand: 30. Juni 2020