Baisingen Friedhof 154.jpg (62551 Byte)  Segnende Hände der Kohanim auf einem Grabstein in Baisingen


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Cloppenburg (Kreisstadt, Niedersachsen) 
Der alte jüdische Friedhof
(die Seite wurde erstellt von Martin J. Schmid, Oldenburg) 

Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde                  
      
Siehe Seite zur Synagoge in Cloppenburg (noch nicht erstellt)  
      
      
Zur Geschichte des Friedhofes                   
      
Bereits im Jahre 1720 wurde in einem Edikt über das Hauptgeleit für die Juden durch den Fürstbischof zu Münster festgelegt, daß den "verglaideten Juden jedes Ortes ein ehrlicher Platz zur Begräbnis ausserhalb der Stadt ohentgeltlich angewiesen und verstattet, und sie darinnen keiner Gestalt molestirt [belästigt], oder beeinträchtigt werden" sollen. 
    
Die genaue Jahreszahl der Anlegung eines ersten Friedhofes in Cloppenburg ist noch unbekannt, vermutlich wurde jedoch schon bald nach der Ansiedlung der ersten Juden im Jahr 1730 dieser Friedhof angelegt. Er war auf einem sandreichen Platz gelegen, am rechten Talabhang der Soeste, außerhalb der damaligen Stadtgrenzen von Cloppenburg (heute Görlitzer Straße). Der erste bekannte Todesfall fand 1734 statt (Meyer Jacobs). Es wird angenommen, dass ca. 30 jüdische Einwohner Cloppenburgs hier bestattet wurden. Falls bereits damals Grabsteine gesetzt wurden, was bisher unklar ist, sind bisher keine Steine gefunden worden. 
    
Ein erster schriftlichen Nachweis findet sich in einem Lagerbuch aus dem Jahr 1772 über ein Placken Heugewächs "Hinter Juden Kirchhof aus der Stadt privat Mark". Aus der Stadt führten dorthin zwei Wege: 
"Der Weg, welcher bei der Anlegung des Friedhofes bestimmt wurde, ist zunächst der Gemeinde-Nebenweg, welcher von Cloppenburg über Stedingsmühlen nach Molbergen führt" (sog. Ambührener Damm). Der zweite Weg war "ein Genossenschaftsweg, welcher zu den Kämpen und Wiesen führt[e]". An diesem Weg lag auch die Abdeckerei, die nur noch 500 Schritt vom Friedhof entfernt war. Der Weg von der Stadt zum Friedhof soll 15 - 20 Minuten betragen haben (Bericht von 1868). 
   
Auf einer Karte von 1787/88 ist das Grundstück als "Jüdenacker" bezeichnet (siehe unten). 
   
Im Jahr 1811 bezeichnet Amtsmann Schmedes den Friedhof, "der ihnen von der Commune angewiesen ist, aber nicht einer sehr honesten Gegend." 
   
Da der Begräbnisplatz auch als Sandgrube der örtlichen Bevölkerung diente, wurde im Jahr 1822 die Sandabtragung durch öffentliche Bekanntmachung unter Strafe gestellt. "Auf desfällige Beschwerde der hiesigen Israelitischen Eingesessenen wird hierdurch verordnet, dass der für diese Gemeinde bestimmte Kirchhof oder Gottes-Acker auf keine Weise mehr spoliert, und besonders, dass in Zwanzig Schritt Entfernung rund herum überall kein Sand mehr ausgegraben werden soll. Wer künftig dennoch dagegen handelt, der wird polizeilich betraft werden." Das Amt Cloppenburg forderte den Magistrat der Stadt auf, dafür Sorge zu tragen und "durch den Stadtdiener und den Feldhüter darauf achten [zu] lassen". Das Amt hielt es dann auch für geboten, "bei diesem den Begräbnissen unserer Mitbürger gewidmeten Locale" mit einer Umfriedung zu versehen. Auch wurde der Platz vergrößert so dass eine regelmäßiges Viereck zustande kam. 
   
Diese Arbeiten wurden erst 1823 veranlasst. Er wurde nun so erweitert dass er "jetzt ein regelmäßiges Viereck von 19 Schritt Breite und 41 Schritt Länge" bildete. Die Stadt forderte für den angefügten Boden von 252 Quadratschritten von den Juden eine Vergütung von 1 Rthl. 34 gr. Darüber hinaus wurden mehrere Bedingungen zur Auflassung des Grundstücks gefordert. Diese Forderung der Stadt fand aber beim Amt kein Verständnis, denn so "Gehört sie mit uns [den christlichen] doch zu derselben bürgerlichen Verfassung; und ein hinreichender und anständiger Begräbnisplatz ist jeder Gemeinde ihres I[s]raelischen Glaubens ungeachtet aus dieser bürgerlichen Gesellschaft gesichert". Der Magistrat nahm daraufhin von der Forderung Abstand. Der Amtsmann nahm dies zur Kenntnis, nicht ohne noch daran zu erinnern, dass nach den Bestimmungen des Fürstbischöflichen Ediktes von 1720 "den Gemeinden ein anständiger Gottesacker ohnentgeltlich anzuweisen" sei. Er forderte zudem noch den Auswurfgraben zu vergrößern, den Eingang zu verlegen, mit einer Pforte zu verschließen und das Gelände mit einer Wallbefriedung zu umgeben und mit Birken zu bepflanzen. 
   
Dieses Tor wurde 1834 für 4 Rthl. 48 gr. erneuert. Für Metallarbeiten und ein Schloss wurden weitere 2 Rthl. 4 gr. aufgewendet. 1842 wurde der Friedhof für die Kosten von 1 Rthl. 34 gr. erhöht und geebnet. 
    
Im Jahr 1870 wurde ein neuer Friedhof nahe dem Krankenhaus in Cloppenburg angelegt und der bisherige Friedhof wurde nun nicht mehr belegt. Trotzdem bot er Grund für Beanstandungen. So belegen Zeitungsberichte aus dem Jahr 1875: "Vor einigen Tagen soll frevelhafter Weise aus vor dem, Eingangstor der hiesigen Juden-Kirchhofs befindliche Schloss gewaltsam erbrochen sein, um die verbotene Überwegung über den Kirchhof ausüben zu können. Wie verlautet, soll das Frevler bereits ermittelt sein und sich somit seiner gerechten Strafe nicht entziehen können"
   
Es konnte wohl nicht verhindert werden, dass in der Folgezeit das Friedhofsgelände sich der Umgebung immer mehr "anpasste". Die Einfriedung zerfiel, kleinere Sandgruben entstanden, so dass bald nichts mehr an den Friedhof erinnerte. Es wurde sogar bestritten, dass überhaupt ein jüdischer Friedhof bestanden habe. 
Die Neuanlage eines Friedhofes wurde 1870 auch mit der Begründung beantragt, dass die "unwürdige Lage des jetzige Friedhofes (...), nämlich in der Heide hinter der hiesigen Abdeckerei (s.g. Ritzerei) in der Entfernung einer halben Stunde von der Stadt" befände und es vorgekommen sei, "dass die großen Hunde (...) der Abdeckerei (...) beerdigte Leichen wieder ausgewühlt hätten", dass Friedhofsanlagen von "frevelhaften Menschen zerstört und die Gräber verunreinigt" worden seien. 
Da die jüdische Gemeinde zwar den Synagogenbau beantragt hatte, aber die Absicht einen Friedhof in unmittelbarer Nähe derselben zu errichten nicht erwähnte, antwortete das Amt Cloppenburg, dass der bisher benutzte Friedhof "auch nicht so isoliert [läge], wie angegeben, da mehrere Wohnungen in den darin liegenden Kämpen nach und nach erbaut sind. Von einer frevelhaften Zerstörung der Befriedung ist dem Amt bisher nichts bekannt geworden"; vielmehr habe die jüdische Gemeinde selbst den Friedhof vernachlässigt und seine Unterhaltung unterlassen. Auch "dass Hunde dort die Leichen aufwühlten, [habe] das Amt nie etwas erfahren. Werden die Leichen in gehöriger Tiefe eingegraben, wird dies gewiss nicht geschehen können." Der Antrag auf Anlegung eines neuen Friedhofes wurde demnach durch die Regierung und das Staatsministerium in Oldenburg abgelehnt. Erst 1869 erhielt die jüdische Gemeinde ein Grundstücke zur Anlage eines neuen Friedhofes in direkter Nachbarschaft zur Synagoge. 
   
Noch im Jahr 1884 sah sich der Vorstand der jüdischen Gemeinde genötigt, öffentlich darauf hinzuweisen, dass "die Überwegung über unseren Kirchhof wird hiermit strengstens untersagt, und werden die Betreffenden sogar zu amtlichen Anzeige gebracht". 
Zwischen der Stadt Cloppenburg und der jüdischen Synagogengemeinde Cloppenburg wurde am 28. Februar 1939 ein Vertrag zur Übereignung der Grundstücke der Friedhöfe und der Synagoge geschlossen. Laut Protokolle war man sich "darüber einig, dass das Eigentum an den vorstehend bezeichneten Grundstücken von der Synagogengemeinde Cloppenburg auf die Stadt Cloppenburg übergeht. Die Übereignung erfolgt unentgeltlich." In einem späteren Vermerk aus dem Jahr 1952 wird nochmals bestätigt, dass "der alte jüdische Friedhof (...) von dem Vertreter der jüdischen Synagogengemeinde Kaufmann Hermann Heyersberg der Stadt angeboten worden" ist. Ob diese Übereignung tatsächlich so freiwillig geschah, oder vielmehr unter Druck der örtlichen Politiker, ist bisher unklar. 
   
Einen großen Wert hatte das Gelände des alten Friedhofes für die Stadt Cloppenburg nicht. Sie überließ es ab Herbst 1944 nach längeren Verhandlungen "dem Ausgebombten und Kriegsgeschädigten Wilhelm Kaniuda" mit dem Recht darauf "ein Behelfsheim in vorgeschriebener Form zu errichten. ( ...) Ein Pachtpreis wurde nicht festgelegt, weil das Grundstück in dem damaligen Zustande wertlos war.". 
    
In einem Wiedergutmachungsverfahren im Jahr 1952 handelte die Stadt Cloppenburg nun im Interesse des Pächters des Grundstücks und sah sich nicht in der Lage, das Grundstück zurück zu geben. Sie wies insbesondere darauf hin, dass das alte Friedhofsgelände seit 1868 nicht mehr benutzt worden sei. Die Stadt erklärte sich aber damit einverstanden, das Grundstück anzukaufen. Der JTC bestand jedoch aufgrund der religiösen Bedeutung dieses Ortes auf eine Rückübertragung des Grundstückes. Es wurden also Belege dafür gesucht, die belegten, dass hier tatsächlich ein jüdischer Friedhof gelegen habe. Es wurden entsprechende Kataster und alte Karten begutachtet. So ist belegt, dass dieses Grundstück 1837 und 1866 als Eigentum und "Kirchhof" der jüdischen Gemeinde ausgewiesen war. 1876, kurz nach Anlegung eines neuen Friedhofes in der Stadt war es nur noch als "Ackerland I (Kirchhof)" ausgewiesen, 1855 nur noch als "Ackerland I" ohne den Zusatz "Kirchhof". Auch Zeugen wurden befragt. Umliegende Grundstückseigentümer konnten sich nicht daran erinnern, dass dort jemals Bestattungen stattgefunden haben; Grabhügel habe es dort auch nicht gegeben auch sei das Grundstück eigentlich schon immer mit Gestrüpp bewachsen gewesen. Der JTC forderte eine schriftliche, amtliche Bescheinigung darüber, dass dort kein Friedhof bestanden habe, ansonsten wäre ein Vergleich der Parteien untereinander nicht denkbar. Die Abneigung des JTC gegen einen Vergleich ist aber nicht nachdrücklich gewesen, wie das Einverständnis des JTC zu dem durch die Stadt Cloppenburg vorgelegten Preisvorschlag deutlich macht. Der neu gegründete Landesverband der jüdischen Gemeinden in Niedersachsen erklärte sich nun auch ohne die geforderte amtliche Bescheinigung bereit, das Grundstück zu einem angemessenen Preis zu überlassen. Zunächst blieb das Grundstück im Besitz der Stadt. Erst nach Festlegung der Grenzen und einem entsprechendem Ratsbeschluss trat sie das Grundstück für eine geringe Summe im Jahr 1955 an den bisherigen Pächter ab. 
   
Noch im Februar 1955 wird in einer Publikation der Friedhof wie folgt beschrieben: "Der Judenfriedhof ist ein Sandboll am rechten Talabhang der Soeste. Ringsherum liegen Flächen des Bauern Meyer-Bühren. Der Friedhof war früher im Eigentum der jüdischen Gemeinde. Bestattungen sind auf ihm nicht nachgewiesen. In dem Baumbestand auf dem etwa ein Scheffelsaat großem Platz soll sich vor langen Jahren ein Viehkaufmann aus Lindern aufgehängt haben, Vielleicht war es ein Jude, und so ist der Platz zu dem Namen gekommen. Der Platz ist schon lange im Eigentum der jüdischen Gemeinde gewesen und war mit Fichten und Eichen bestanden. Nach dem letzten Kriege hat ein Flüchtling den Platz von der Stadt als Hausgrundstück gekauft und den zeitweise als Schuttabladeplatz genutzten "Judenfriedhof" kultiviert. Einige hohe Eichen stehen noch auf dem Sandberg. Gegenüber dem Friedhof lag die ehemalige Fillerei, die Abdeckerei von Cloppenburg. Diese ist etwa um die Jahrhundertwende abgebrochen. Die Reste an Grundmauern waren noch lange zu sehen. Heute ist der Platz eingeebnet und eine Weide geworden." Die Publikation zeigte auch ein Foto der Belegenheit (siehe unten). 
   
Damit schließt sich die Geschichte des ersten jüdischen Friedhofes in Cloppenburg. 
    
    
    
Die angenommene Lage des Friedhofes    
     
Görlitzer Straße 
    
    
Link zu den Google-Maps 
(der grüne Pfeil markiert die angenommene Lage des Friedhofes)      
    

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Dokumente     

Cloppenburg Friedhof alt 1787.jpg (140058 Byte) Cloppenburg Friedhof alt 1787a.jpg (134300 Byte) Cloppenburg Friedhof alt 1955.jpg (166538 Byte)
Karte von 1787: eingetragen ist der "Jüdenacker" 
(rechts Ausschnittvergrößerung)
Das Siedlerhaus auf dem 
ehemaligen "Judenfriedhof" (1955) 
     

         
          

Links und Literatur   

Links:

Website der Stadt Cloppenburg      
Zur Seite über den neuen jüdischen Friedhof in Cloppenburg (interner Link)   

Literatur:  

Oldenburger Land Lit 010.jpg (81351 Byte)Johannes-Fritz Töllner in Zusammenarbeit mit Wouter J. van Bekkum, Enno Meyer und Harald Schieckel: Die jüdischen Friedhöfe im Oldenburger Land. Bestandsaufnahme der erhaltenen Grabsteine. Oldenburg 1983 (= Oldenburger Studien Bd. 25). Zu Harpstedt: S. 588-594.
Berne Literatur 010.jpg (66315 Byte)Hans Hochgartz: Zur Geschichte der Cloppenburger Synagoge. In: Enno Meyer (Hrsg.): Die Synagogen des Oldenburger Landes. Oldenburg 1988. S. 18-27.   
Walter Denis: Aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde Cloppenburg. Cloppenburg 2003. S. 205-225. 
H. Rehme: Das Soestetal von Cloppenburg bis Stedingsmühlen. In: Volkstum und Landschaft - Heimatblätter der Münsterländischen Tageszeitung, 15. Jahrgang Nr. 30 Februar 1995. 
Werner Teuber: Als gute Untertanen und Bürger ... geduldet, verfolgt, vertrieben, ermordet: jüdisches Schicksal 1350-1945 (Dokumente und Materialien zur Geschichte und Kultur des Oldenburger Münsterlandes 3). Vechta 1988.          
Historisches Handbuch der jüdischen Gemeinden in Niedersachsen und Bremen (Hrsg. von Herbert Obenaus in Zusammenarbeit mit David Bankier und Daniel Fraenkel). Bd. I Göttingen 2005 S. 422-429 (Abschnitt zu Cloppenburg von Tamar Avraham).   
Hier finden sich S. 429 weitere Literaturangaben.       

     
      

                     
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Stand: 18. Januar 2017