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Meimbressen (Gemeinde
Calden, Kreis Kassel)
Jüdische Geschichte / Synagoge
Bitte besuchen Sie auch die Website des Vereins "Judaica
in Meimbressen e.V.":
https://www.judaica-in-meimbressen.de
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english
version)
In Meimbressen bestand eine jüdische
Gemeinde bis 1938/39. Ihre Entstehung geht in die Zeit des 17.
Jahrhunderts zurück. Doch lebten bereits im 14. Jahrhundert einige
jüdische Personen in der Stadt (um 1356). Mitte des 17. Jahrhunderts ließen
sich vermutlich einige polnisch-jüdische Flüchtlinge in Meimbressen nieder,
die vor den Chmelnitzki-Unruhen (1648) geflohen waren. Bestimmte
gottesdienstliche Traditionen in der Gemeinde erinnerten weiterhin an polnische
Gebräuche. 1747 wurden 50 jüdische Einwohner gezählt (12 Männer, 14
Frauen, 13 Söhne, 11 Töchter).
Aus Meimbressen stammte Rabbiner Moses Joseph Michel Kugelmann, der 1779 bis 1793
Landrabbiner in Kassel war.
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner
wie
folgt: 1835 98 jüdische Einwohner, 1844 119, 1861 134 (18,2 % von
insgesamt 736 Einwohnern), 1871 97 (15,4 % von 630), 1885 105 (16,7 % von 630),
1892 27 jüdische Familien, 1895 117 jüdische Einwohner (19,7 % von 594), 1896
112 (in 21 Familien), 1905 92 (15,3 % von 601). Bis weit ins 19.
Jahrhundert hinein lebten die jüdischen Familien überwiegend vom Vieh- und
Warenhandel; einige waren als Metzger tätig. Mitte des 19. Jahrhunderts gab es
auch einige jüdische Handwerber (je ein Schneider, Buchbinder und einen
Petschaftstecher)
An Einrichtungen bestanden eine Synagoge (s.u.), eine jüdische
Schule (1844 bis 1934 Israelitische Elementarschule/Volksschule), ein rituelles Bad und ein
noch im 17. Jahrhundert angelegter Friedhof.
Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war ein Lehrer
angestellt, der zugleich als Vorbeter und Schochet tätig war (vgl. Ausschreibung
der Stelle unten von 1878). Die Gemeinde gehörte zum Rabbinatsbezirk Niederhessen mit Sitz
in Kassel.
Die Israelitische Elementarschule in Meimbressen wurde im September 1844
auf Anregung des damaligen Rabbiners Dr. Roman (Kassel) gegründet. Der erste
Lehrer A. Rotschild (bis 1846) hatte 11 Jungen und 13 Mädchen zu unterrichten.
Damals lebte auch noch der alte Lehrer der Gemeinde, ein polnischer "Rebbe"
namens Wolff Katz, der 1857 im Alter von 90 Jahren starb. Weitere Lehrer an der
Elementarschule waren im 19. Jahrhundert: Lehrer Lissauer (1847-1852), Michel
Fackenheim aus Lispenhausen (nach 1853), Isaac Eichengrün aus
Niedenstein
(1858-1875), (Lehrer Müller (bis 1877), Abraham Hammerschlag aus Falkenberg
(1878 bis zu seinem Tod 1908, unterrichtete 1896 25 Kinder an der jüdischen
Volksschule; unterrichtete zugleich die jüdischen Kinder in
Niedermeisser-Liebenau siehe Berichte unten), Herbold Löwenstein (von
1909-1934; vgl. Beitrag zu H. Löwenstein von M. Dorhs über
Literaturliste). In den 1920er-Jahren hatte die Schule nur noch wenige Schüler. Sie
blieb dennoch bis zur ihrer Aufhebung 1934 bestehen, da es die damals einzige
jüdische Schule im Kreis Hofgeismar war.
Als Gemeindevorsteher werden genant: um 1892 S. Frankenberg, um 1895 ders.
und J. Vorenberg.
Von den jüdischen Vereinen werden genannt: um 1896 der Verein Chewrat
Bachurim (1896 unter Leitung von Herrn Rosenbaum), der Wohltätigkeitsverein
Chewrat Gemulius Chesed (1896 unter Leitung von Herrn Hirschberg) und der
Frauenverein Chewrat noschim (1896 unter Leitung der Frau von H. Goldmann).
Im Ersten Weltkrieg fiel aus der jüdischen Gemeinde Louis Goldwein (geb.
3.5.1884 in Meimbressen, gef. 21.9.1915). Außerdem sind gefallen: Harry
Perlstein (geb. 11.3.1892 in Meimbressen, vor 1914 in Kassel wohnhaft, gef.
12.8.1917) und Simon Perlstein (geb. 17.4.1876 in Meimbressen, vor 1914 in
Kassel wohnhaft, gef. 30.3.1917).
Um 1924, als 78 Personen der jüdischen Gemeinde angehörten (12,3 %
von insgesamt 632 Einwohnern), waren die Gemeindevorsteher Jakob
Frankenberg und Jakob Voremberg. Als Lehrer, Kantor und Schochet war der bereits
genannte Lehrer Herbold
Löwenstein tätig. Er erteilte in Meimbressen sieben Kinder den Unterricht.
Auch in einigen umliegenden Orten war er als Religionslehrer tätig. 1932
waren die Gemeindevorsteher (weiterhin) Jakob Frankenberg (1. Vors.), J. Voremberg I (2.
Vors.) und Leopold Goldwein (Schatzmeister). Lehrer Herbold Löwenstein
unterrichtete inzwischen wieder elf Kinder. An jüdischen Vereinen gab es
die Wohlfahrtsvereine Chewrah Gemilus Chesed (1932 unter Leitung
von Levy Frankenberg) und den Frauenverein Chewras Noschim (1932 unter
Leitung von Ida Goldwein mit 20 Mitgliedern; Zweck und Arbeitsgebiet:
Unterstützung Ortsarmer und Durchreisender).
1933 lebten noch 51 jüdische Personen in Meimbressen (9,0 % von 566
Einwohnern). In
den folgenden Jahren ist ein großer Teil der
jüdischen Gemeindeglieder auf Grund der zunehmenden Entrechtung, der
Repressalien und der Folgen des wirtschaftlichen Boykotts weggezogen beziehungsweise ausgewandert.
Vier Familien konnten nach Palästina emigrieren, zwei in die USA, andere nach
Holland und Südafrika. Beim Novemberpogrom 1938 wurden die Synagoge und
die jüdische Schule im Inneren völlig zerstört (s.u., vgl. Beitrag unten zum
Novemberpogrom von M. Dorhs, Literaturliste), jüdische Häuser und
Wohnungen überfallen und verwüstet - in manchen Haushalten "gab es keine
heile Tasse mehr". Wenig später wurden die letzten jüdischen Einwohner gezwungen,
Meimbressen zu verlassen. Sie verzogen nach Kassel, darunter der letzte
jüdische Gemeindevorsteher Jakob Frankenberg, der wie einige andere auch, von
Kassel aus deportiert wurde.
Von den in Meimbressen geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945", links: Ausschnitt
Meimbressen der Gedenktafel im Stadtmuseum
Hofgeismar): Viola Alexander geb.
Löwenstein (1900), Gretchen Blum geb. Frankenberg (1902), Jakob Frankenberg
(1871), Röschen Frankenberg geb. Kander (1880), Meta Goldmeier geb. Goldwein (1886), Arthur Goldwein (1913), Hetty
(Betty) Goldwein (1894), Ida Goldwein geb. Hammerschlag (1883), Jakob Goldwein
(1870), Johanna Goldwein (1900), Julie Goldwein (1893), Leopold Goldwein (1887),
Levi Goldwein (1877), Levi Goldwein (28.8.1884), Marianne Goldwein (1926),
Mathilde Amalie Goldwein geb. Goldwein (1888), Minna Goldwein (1887), Ruth
Goldwein (1924), Sally Goldwein (1895), Toni Goldwein (1896), Kurt Hirschberg
(1921), Witwe Hirschberg (), Erna Jacobs geb. Goldwein (1905), Else Jacoby (1890), Frieda Katzenberg
geb. Hammerschlag (1880), Harry Löwenstein (1904), Herbold Löwenstein (1872),
Rosalie Löwenstein geb. Adler (1873), Salomon Löwenstein (1871), Hilde
Meyerstein geb. Löwenstein (), Rosa
Rosenthal geb. Goldwein (1885), Bertha Rothenberg geb. Frankenberg (1874), Betty
Sitzmann geb. Hirschberg (1892), Abraham Vorenberg (1894), Adolf Vorenberg
(1889), Hannelore Vorenberg
(1927), Josef Vorenberg (1927), Pinna (Bina) Vorenberg geb. Goldwein (1889),
Amalie Weinberg (1863),
Helene Wolff geb. Goldwein (1884). |
Hinweis: für Helene Wolff geb. Goldwein
wurde im Juli 2014 in Aurich
ein "Stolperstein" verlegt. |
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer und der Schule
Ausschreibung der Stelle des Religionslehrers / Vorbeters / Schochet
1878
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 17. Juli 1878: "Die
hiesige israelitische Religions- und Elementarlehrerstelle, verbunden mit
Vorsängerdienste, ist vakant. Gehalt fixo jährlich 750 Mark, für
Heizung 90 Mark nebst freier schöner Wohnung mit 2 Hausgärten. Einkommen
außerdem für Schechita circa 100-120 Mark; weitere Nebeneinkünfte circa
200 Mark und soll bei guten Leistungen eine Gehaltserhöhung
stattfinden.
Meldungsgesuche sind alsbald an Unterzeichnete mit nötigen Zeugnissen
einzureichen.
Meimbressen, Regierungsbezirk Kassel. Die Gemeindeältesten." |
Auf diese Ausschreibung hin bewarb sich
erfolgreich Lehrer Abraham Hammerschlag. |
25-jähriges Ortsjubiläum von Lehrer Abraham Hammerschlag (1903)
Meldung
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 6. November
1903: "Meimbressen. Herr Lehrer Hammerschlag feierte dieser
Tage das 25jährige Jubiläum seines hiesigen Wirkens". |
Zum Tod von Lehrer Abraham Hammerschlag (1908)
Meldung in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 4.
Dezember 1908: "In Meimbressen (Hessen) ist der Lehrer und
Kantor Abraham Hammerschlag nach 30jähriger Amtstätigkeit
gestorben." |
75. Geburtstag der Witwe von Lehrer Hammerschlag (1927)
Anzeige in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und
Waldeck" vom 28. Oktober 1927: "Für die vielen
Aufmerksamkeiten und Gratulationen zu meinem 75. Geburtstag sage ich auf
diesem Wege herzlichsten Dank.
Witwe Lehrer Hammerschlag Meimbressen." |
Nach Ende der Israelitischen Konfessionsschule (1934, Dokument von 1939)
Dokument
aus Arnsberg, Bilder S. 148: "Der Landrat - Hofgeismar, den 14.
Februar 1939. An den Herrn Regierungspräsidenten in Kassel.
Betrifft: Schulunterricht an Juden. Verfügung vom 31. Januar 1939.
Die letzte jüdische Schule in Meimbressen ist im Jahre 1934
aufgehoben worden. In den Volksschulen des Kreises ist kein jüdisches
Kind mehr vorhanden. Besondere Einrichtungen für jüdische Kinder wurden
nicht getroffen. Die Zahl der jüdischen Kinder unter 10 Jahren ist dazu
zu gering." |
Aus dem jüdischen Gemeindeleben
Die jüdischen Viehhändler aus
Meimbressen bekommen Probleme mit der Gewerbeordnung (1911)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 1. Juli 1911: "Kassel,
28. Mai (1911). Wegen Vergehens gegen die Gewerbeordnung hatten sich am
Montag fünf jüdische Viehhändler aus Meimbressen zu verantworten.
Meimbressen ist ein Ort mit 641 Einwohnern; darunter befinden sich 20
jüdische Familien. Ein Metzger ist im Orte nicht vorhanden. Seit
Jahrhunderten betreiben die jüdischen Einwohner Hausschlachterei, bis in
neuester Zeit bei der Staatsanwaltschaft Beschwerden darüber eingelaufen
sind. Die Angeklagten hatten nämlich die nach jüdischer Religionsvorschrift
ihnen zum Genuss verbotener Teile an Christen unter Tagespreis verkauft.
Die Anklage wirft ihnen vor, mit solchem Fleisch einen schwunghaften
Handel getrieben zu haben, wozu ihnen keinerlei Konzession erteilt worden
war. Sie hätten sich dadurch des Vergehens gegen die Gewerbeordnung
schuldig gemacht und seien entsprechend zu bestrafen. Die Angeklagten
bestritten aber, im Sinne der Gewerbeordnung einen Handel betrieben zu
haben. Der Staatanwalt beantragte für jeden der Angeklagten 30 Mark
Geldstrafe. Der Verteidiger, Rechtsanwalt Dr. Kaufmann, bat um
Freisprechung. Das Gericht kam auch zur Freisprechung. Es
begründete den Freispruch damit, dass die Angeklagten ihre
Schlächtereibetriebe schon vor dem Jahre 1888 betrieben hätten. Im Jahre
1888 sei die Novelle zur Gewerbeordnung erschienen, die alle neuen
Schlachtanlagen anmeldepflichtig machte. Eine nachträgliche Genehmigung
von Schlachtanlagen sieht aber das Gesetz nicht vor und aus diesem Grunde
müsse die Freisprechung erfolgen." |
Erinnerungen an jüdisches Leben und Bräuche in Gudensberg
und Orten der Umgebung von Dr. Samuel Blach (1924)
Anmerkung: im Abschnitt wird über jüdische Bräuche bei Geburt und
Beschneidung (Bris), Verlobung, Hochzeit und Tod berichtet. Auch auf
Synagogengebräuche und Hausgebräuche wie Ess-Sitten wird eingegangen. Neben Gudensberg
wird auch von Bräuchen aus Reichensachsen,
Rhina, Meimbressen und Braunfels
berichtet.
Artikel in der
Zeitschrift "Menorah"
Jahrgang 1926 Heft 10 Seiten 583-590
(zum Lesen bitte Textabbildungen anklicken) |
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Erzählungen aus Meimbressen "aus vergangenen
Zeiten" (festgehalten von Joseph Neuhahn in Grebenstein (1927)
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und
Waldeck" vom 4. Februar 1927: "Aus vergangenen Zeiten.
Lustige Streiche mit ernster Umrahmung.
Von Josef Neuhahn, Grebenstein.
Vor über 60 Jahren lebte ihm Meimbressen ein junger Mann namens
Simon, das war ein sehr netter lebensfroher Mensch, der hin und wieder gern
einmal einen Schelmenstreich machte; er war ein sehr gutmütiger Charakter,
der sich vieles erlauben durfte, zumal er das Genie - früher sagte man
meistens 'Chên' dazu - hatte, seine Streiche gut auszuführen und von diesen
will ich heute einige erzählen.
Aus der Zeit von 'Lorik' - diesen Sammelnamen hatten unsere Alten den
Gemeinden LOhne RJede und Kirchberg gegeben - kam in jedem Jahr mehrere Male
ein Ehepaar namens Fürst nach Meimbressen, hielt sich dort mehrere Wochen
auf und machte von da seine Abstecher in die nähere und weitere Umgebung.
War aber Schabbos immer wieder in Meimbressen, vielleicht weil man
dort das Schaletessen besonders gut zubereiten verstand.
Da der Heimatort des Ehepaares damals, wie auch noch heute, keine Eisenbahn
hatte, benutzte daselbe Fahrgelegenheit bis Kassel, um von da mit dem Simon,
der jeden Donnerstag im 'Fässchen' in der Kastenalsgaß (Lage siehe
https://goo.gl/maps/7Y7p5U7mZHopGp8o6; das 'Goldene Fäßchen' war eine
der ältesten Gastwirtschaften in der Kasseler Altstadt, seit 1907 in der
Kastenalsgasse, 2011 geschlossen,
Link) ausgespannt hatte, nach Meimbressen zu fahren.
Der alte Fürst trug im Sommer meistens rote Plüschpantoffeln; zu jeder
Jahreszeit reiste er aber, aus einer sehr langen Pfeife rauchend, und mit
einem 'schwarzen' Zylinder als Kopfbedeckung. Ich sage absichtlich
'schwarzen' Zylinder, zu jener Zeit fing man nämlich an, auch graue zu
tragen. Diese neue Mode machte er nicht mit, wie er für das 'Neumodische'
überhaupt nicht zu haben war. " |
Wer
von der heutigen Generation kann sich nun wohl vorstellen, dass ein Mann in
roten Plüschpantoffeln, den Zylinder auf dem Kopf und aus einer langen
Pfeife rauchend, seine Besuche bei den einzelnen Familien machte; aber
Fürsts hatten ein sehr gefälliges Wesen, das Ehepaar war bei alt und jung
sehr beliebt, und so nahm niemand daran den geringsten Anstoß, ja man würde
es als Zurücksetzung empfunden haben, wo dieser Besuch unterblieben wäre.
Man kam auf der Fahrt von Kassel nach Meimbressen bis an die scharfe
Ecke in Obervellmar (vgl.
https://de.wikipedia.org/wiki/Obervellmar) - Gastwirtschaft
Regenbogen - (Holländische Str. 121; Gastwirtschaft 2015 abgebrochen,
hier heute Gesundheitszentrum Regenbogen,
Artikel zur Geschichte), da wurde nicht vorbeigefahren, sondern erst
ein 'Halbes' getrunken, dass man dort besonders gut bekam. Bier trank man zu
jener Zeit noch sehr wenig.
Wenn nun der Simon in die Gaststube trat, musste er erst die sechs Heller -
das war ein halber Silbergroschen - für das halbe Kännchen in bar
vorausbezahlen, sonst bekam er es nicht; er hatte dem alten Gastwirt einmal
- natürlich nur aus Ulk - einen Chausseegeldquittungszettel - in Kurhessen
wurde noch Chausseegeld erhoben, der eine entfernte Ähnlichkeit mit einem
Landeskreditkassencoupon hatte - in Zahlung gegeben; seit dieser Zeit musste
er immer im Voraus bezahlen, und das ging natürlich nicht ohne Späße ab.
Und nun wurde weitergefahren. Von Obervellmar bis zur Erdfalle, dem
Wilhelmsthaler Walde, ist die Holländische Straße sehr breit und hat an den
Seiten auch sehr breite sogenannte Sommerwege, die Obstbäume stehen sehr
nahe an diesen und hatten zur Zeit sehr tief herab hängende Äste.
Sehr merkwürdig war es dann, dass das Pferd die Simon, sobald Fürst mit dem
Zylinder bedeckt auf dem Wagen saß, immer nach der Seite ging, wo Fürst saß,
bis es dicht unter den herabhängenden Ästen war, und da dauerte es denn auch
immer gar nicht lange, bis ein Ast den Zylinder abgeworfen hatte und Fürst
absteigen und ihn wieder holen musste. Das Absteigen mit der langen Pfeife
im Munde oder in der Hand war aber gar nicht so einfach; auf dem Wagen ließ
er sie nicht, er fürchtete, wahrscheinlich auch mit Recht, dass solche aus
Sehnsucht nach dem Zylinder auch runtergefallen wäre. Noch merkwürdiger war
es aber, dass der Gaul dann auch immer zu traben anfing, was ganz gegen
seine sonstige Gewohnheit war, so dass Fürst seine Last hatte, den Wagen
wieder zu erreichen. Dieses Spiel wiederholte sich noch mehrmals, bis der
Zylinder genug Beulen hatte und mittlerweile der Wald erreicht war, da
konnte das Pferd hübsch mitten auf der Straße bleiben und verfiele nun noch
selten in Trab.
Fürst schimpfte dann immer nicht schlecht - ist aber das nächste Mal doch
wieder mit dem Simon gefahren.
In Meimbressen lebten zu jener Zeit etwa 20 jüdische Familien, zwei
davon lebten in besten Verhältnissen und verzehrten ihre Zinsen nicht, alle
anderen waren, bis auf einige wenige, wohlbemittelt, mussten aber - und
waren es auch - sehr fleißig sein, um die meist zahlreiche Familie zu
ernähren und weiterzukommen. Sie gaben keinen Heller unnötig aus, was aber
unser Zeremonialgesetz vorschrieb, das wurde getreulich gehalten und die
Ausgaben dafür nicht gescheut. So hatte jedermann auch Lulof (vgl.
https://de.wikipedia.org/wiki/Lulav) und Esrog (vgl.
https://de.wikipedia.org/wiki/Etrog). Nur ein Mann machte davon eine
Ausnahme, der hatte das nie, weil er schon damals auf dem Standpunkt stand,
dass Khals (der Gemeinde) Lulof und Esrog auch für alle genügte. Der
Mann stand in der Synagoge vor der Wand. Nun war einmal Sukkaus (vgl.
https://de.wikipedia.org/wiki/Sukkot) vorbei und am
Schmini-Azeres-Morgen (vgl.
https://de.wikipedia.org/wiki/Schmini_Azeret) fand man vor seinem
Platz an die Wand genagelt, ein altes Lulof, von dem schon früher die
meisten Blätter zum Binden von Lulof und Hauschanos benutzt worden waren,
ein ganz altes Hädeß, ein am Tage vorher benutztes, zur Schleife gewundenes
Hauschanos und eine schöne gelbe Gurke, welche die Form eines Esrog
hatte - eigentlich sollte es ja eine Senfgurke werden - natürlich auch mit
dem vorgeschriebenen und diesmal nicht zu kurzen kurzem Stil. Jeder
bewunderte diesen eigenartigen Wandschmuck, und erkannte dessen satirische
Bedeutung, der erst nach Beendigung des Gottesdienstes durch die dann
erscheinende christliche Wartefrau entfernt wurde.
Als Täter hatte man den Simon im Verdacht, wahrscheinlich auch nicht mit
Unrecht; aufgeklärt ist die Sache aber nicht worden, wer hätte auch wohl den
Simon verraten?
Am Simchaous Tauro (vgl.
https://de.wikipedia.org/wiki/Simchat_Tora) wurden in Meimbressen
alle aufgerufen, mein seliger Vater sogar zweimal, weil er an diesem Tag
Jahrzeit (vgl.
https://de.wikipedia.org/wiki/Jahrzeit) hatte. Es waren das wohl,
ohne die etwa 15 bis 20 N'orim, vier Minjonim und jeder ließ die
verschiedensten Mische Beirachs, mindestens drei, machen, und das hatte
einen guten Grund. Der Lehrer war im Gehalt, selbst für die damalige Zeit,
so niedrig gestellt. Herr Lehrer Löwenstein hat die Summe in Nummer 41 des
Jahrgangs 1926 der 'Jüdischen Wochenzeitung' genau genannt, dass er auf
Nebeneinkünfte sehr angewiesen war, und jeder, der aufgerufen wurde - auch
die Knaben bis zu vier Jahren herunter wurden das - schnoderte für den
Lehrer, meistens in Naturalien, so dass seine Einnahmen an diesem Tag das
geringe Gehalt doch etwas verbesserten und wurde ihm das auch noch von den
allermeisten von Herzen gegönnt.
Das Lajenen dauerte natürlich dadurch sehr lange und wer noch nicht an der
Reihe oder schon aufgerufen worden war, ging wohl einmal heraus, um draußen
einen Schluck zu nehmen, der eine oder andere hatte sich damit versorgt; es
war ja Simchaus Tauro (vgl.
https://de.wikipedia.org/wiki/Simchat_Tora). In der Synagoge selbst
war der Gottesdienst genau so geregelt und wurde so andächtig abgehalten wie
an anderen Tagen auch, und wäre etwas anderes auch nicht geduldet worden.
In der Nähe der Synagoge wohnen Sawels und als diese Familie an einem
Simchaus Tauro ihre gebratene Gans verzehren wollte, war solche mitsamt dem
Topf verschwunden. Gänsebraten ist ja nun durch seinen schönen Geruch sein
eigener Verräter und so dauert es denn auch gar nicht lange, bis man den
bloß versteckten Braten wieder gefunden hatte, aber so ganz 'ungerupft' kam
die Gans doch nicht auf den Tisch - es fehlte eine Keule.
Auch diese Missetat schob man dem Simon in die Schuhe; es war bemerkt
worden, dass er einmal etwas länger aus der Synagoge gewesen und mit so
merkwürdig fettglänzenden Fingern zurückgekommen war.
Nun will ich die Erzählungen von Simon ruhen lassen, er selbst ruht ja schon
lange - in Chicago.
Und zum Schluss noch ein Bekenntnis und eine Frage: das erwähnte Ehepaar
hieß gar nicht 'Fürst'; wer von den älteren Lesern weiß aber dennoch, wer
das Ehepaar war?" |
Erinnerungen an Meimbressen zur Zeit des Lehrers
Eichengrün (um 1876; Bericht von 1927, von J. Sp.)
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und
Waldeck" vom 11. Februar 1927: "Erinnerungen an Meimbressen.
Von J. SP.
Wahrheit und Dichtung so zu einer Synthese zusammenzufügen, dass die Grenzen
verwischt werden, ist wohl nur dem Dichter oder Belletristen gestattet und
möglich. Der simple Berichterstatter hat bei der geringsten Abweichung vom
Wege der Wahrheit eine empfindliche Abfuhr zu befürchten. Herr Josef Neuhahn
berichtet von Erlebnissen und Ereignissen aus seinem Geburtsorte Meimbressen
(Mamerschen) und lenkt so den Blick Fernstehender auf diesen, von der
Verkehrsstraße abseits gelegenen Ort, dessen jüdische Bewohner ihren
altbewährten Ruf als glaubenstreue Juden und Gastfreundschaft übende
Menschen bis in die neue Zeit erhalten haben. Als noch Locken mein
jugendliches Haupt umrahmten, weilte ich manchen Sabbat in Meimbressen, wo
meiner Mutter Wiege stand, und labte mich an den lukullischen Genüssen des
Sabbatmahles im Hause meines Onkels, der in nächster Nähe der Synagoge
wohnte und nur beim Gottesdienst fehlte, wenn berufliche Tätigkeit oder
physisches Unbehagen den Verhinderungsgrund bildeten. Besondere Freundschaft
verband ihn mit den Lehrern. Als der selige Eichengrün seines Amtes
als Vorbeter waltete, gestattete mein Onkel nicht, dass ich die Haftoroh
vortragen dürfte. Er begründete dies mit der Bemerkung, dass man eine
Parallele zwischen meiner Stimme und der des Lehrers ziehen und dadurch dem
Ansehen desselben Schaden könne. Eines Vorgangs erinnere ich mich, der für
das Bestreben der Gemeindemitglieder, die pekuniäre Lage des Lehrers
günstiger zu gestalten, spricht. Es war im Jahre 1876. Im ganzen Orte
herrschte Festesstimmung; denn ein Brautpaar des Dorfes sollte unter den
Trauhimmel schreiten. Vom Hochzeitshause aus setzte sich unter Vorantritt
einer Musikkapelle der Hochzeitszug nach der Synagoge in Bewegung. Nachdem
der heilige Akt vollzogen war, ging es wieder unter klingendem Spiel ins
Hochzeitshaus zurück. Während des Essens fasste ein Gemeindemitglied den
Lehrer beim Arm und führte ihn zu jedem Hochzeitsgast mit der Aufforderung
diesem ein Mischebeirach zu machen. Wie rücksichtsvoll das betreffende
Gemeindemitglied bei der von ihnen gestellten Honorarforderung sich erwies,
möge daraus erhellen, dass die Leistungen des Lehrers graduell bemessen
wurden. So hörte ich die Worte: 'Der Mischebeirach war e halben Taler
wert'. Der betreffende musste sich wohl oder übel dazu verstehen, den
geforderten Preis zu zahlen, was eine Vermögenslage ihm auch gestattete. Bei
einem anderen Tischgenossen fiel die Bemerkung: 'Der Mischebeirach
ist mit sechs guten Groschen bezahlt'. Und so konnte man leicht auf die
pekuniäre Leistungsfähigkeit der teilnehmenden Gäste schließen. Der für mich
bestellte Mischebeirach war keinen Deut wert, was für meine Wertschätzung
sprach. Nicht Zornes und Schamröte ob der erfahrenen Kränkung machten mein
Gesicht erröten, wohl aber der Wein. Der segenspendende Gott waltete in
unverminderter Kraft weiter, der bei Freudenmahlen Mischebeirach bietende
Lehrer ist verschwunden. Tempora Mutantur." |
75-jähriges Bestehen der Frauen-Chewra (Frauen-Wohltätigkeitsverein, 1930)
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und
Waldeck" vom 24. Januar 1930: "Meimbressen. Die hiesige
Frauenchewra kann auf ein 75-jähriges Bestehen zurückblicken. In Anbetracht
der ernsten Zeit hat man von einer größeren Feier Abstand genommen. Die
derzeitige Vorsitzende, Frau Mathilde Frankenberg, hatte zu einer
Generalversammlung eingeladen, in welcher die Rechnungsablage stattfand. Der
Lehrer L. hielt einen Vortrag, welchem er die Worte unserer Weisen zugrunde
legte: 'Kol k'nesioh schehi l'schem schomajiim usw.'. 'Jede
Vereinigung, die aus gottgefälliger Absicht gebildet ist, hat Bestand; jede
Vereinigung aber, die nicht aus gottgefälliger Absicht gebildet ist, hat
keinen Bestand'. Er betonte vor allem wie gerade durch den Zusammenschluss
vieler man besser in der Lage sei, Wohlfahrt zu üben und Not zu lindern. Es
wurde noch beschlossen, zwei Kasseler Wohlfahrtsanstalten je einen Betrag
zuzuweisen. Möge der Verein weiter blühen und in der Lage sein, Gutes zu
wirken." |
Berichte zu einzelnen Personen aus der Gemeinde
Über einen (nichtjüdischen) Schreinergesellen aus Calden, der in den
1870er-Jahren nach Jerusalem gezogen ist (Artikel von 1926)
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und
Waldeck" vom 19. November 1926: "Von einem
Handwerksburschen. Aus dem hier in der Nähe liegenden Dorfe Calden
ging anfangs der 70er-Jahre des vorigen Jahrhunderts ein Schreinergeselle
namens Schüler auf die Wanderschaft; sein Weg führte ihn nach Dresden,
durch Böhmen und Mähren nach Wien und die österreichischen Lande, von
da durch die Levante über Smyrna und Jaffa nach Jerusalem; er kam da an
einem Freitag - dem dortigen gesetzlichen Ruhetag - an. Er war nur der
deutschen Sprache mächtig und lief schon stundenlang umher, ohne dass er
jemanden getroffen hatte, dem er sich verständlich machen konnte. Der
Abend kam heran und er begann zu fürchten, dass er die Nacht auf der
Straße zubringen müsse. Zu seinem Schrecken wurde es schnell dunkel und
gerade dies brachte ihm Hilfe. Die Lichter in den Häusern wurden
angesteckt und beim Weitergehen fällt ihm ein besonders hell erleuchtetes
Fenster auf; diese waren zur Zeit in Jerusalem sehr niedrig eingebaut und
es war leicht in die Zimmer zu sehen. Er zeigt in das hellerleuchtete
Zimmer hinein und erblickt einen mit weißen Leinen gedeckten Tisch und
darüber einen mehrarmigen Beleuchtungskörper. Er stutzt zunächst,
besinnt sich, weil er glaubt, schon einmal so was gesehen zu haben - und
da fällt ihm ein: 'solche Lampen haben ja die Juden in Meimbressen'.
Er fasst sich ein Herz, geht in das Haus, in das Zimmer und wünscht
'Guten Abend' und da wird ihm in deutscher Sprache dieser Gruß erwidert.
Er hatte Glück gehabt, der Jude war ein Aschkenasi, mit dem er sich
verständigen konnte. Der behielt ihn selbstredend bei sich und verschaffte
ihm Arbeit. Mit welchen dunkleren Gefühlen er sich stets dieses 'Herrn
Aschkenasi' - einen anderen Namen kannte Schüler nicht - noch bis in sein
hohes Alter erinnerte, ist kaum zu sagen. Er blieb aber nur vier Monate in
Jerusalem, die Erwerbsverhältnisse waren keine guten, er selbst verdiente
nicht einmal so viel, dass er davon leben konnte, und ging er öfter zum
deutschen Konsul, um sich Geld zu holen, er glaubte, das sei eine
Gratisunterstützung für ihn, aber da hatte er die Rechnung ohne den Wirt
gemacht. Er bekam von Haus die Anfrage, was das für Gelder seien, die von
der Verwaltungsbehörde hier für ihn eingefordert wurden. Da sah
er, dass er sich geirrt hatte und ging von Jerusalem fort und machte sich
in seinem Heimatorte selbstständig, er behielt aber bis zu seinem Tode
den Namen der 'Jerusalemer'." |
Zum Tod von Markus Goldwein (1922)
Anmerkung: Grabstein von Markus Goldwein (18. August 1849 - 14. Januar 1922):
https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/juf/id/1638
Artikel in
der Zeitschrift "Der Israelit" vom 2. Februar 1922: "Meimbressen, 30. Januar (1922). Einen fast unersetzlichen Verlust
hat unsere Gemeinde durch den Tod des Herrn Markus Goldwein erlitten. Er
gehörte zu den Männern, die so recht im Judentume wurzeln und aufgehen
und bei denen die Heilige Wahrheit
Mittelpunkt ihres Sinnens und Denkens ist. So war auch sein leben und
Wirken ein stets Werben für Gott und sein heiliges Wort. Wie gern
forschte er in der Tora und in anderen heiligen
Schriften! Seine liebte Lektüre war die Psalmen,
deren Wortlaut er auswendig kannte und die er täglich rezitierte. Sein
Herz war durchglüht
für die gewissenhafte Erfüllung der Mizwos
(Gebote), die er selbst mit einer Gewissenhaftigkeit ausübte, die als
mustergültig bezeichnet werden muss. Mit Eifer hielt er auch die
Erhaltung des regelmäßigen Gottesdienstes, den er insbesondere an
Festtagen mit seiner klangreichen Stimme versah, wobei er seine Gemeinde
zur tiefen Andacht hinriss. Was er in Beziehung von Wohltätigkeit
gewirkt, davon darf und soll nicht gesprochen werden, dann nach seinen
Grundsätzen brauchte die linke Hand nicht zu wissen, was die rechte tat.
So war es denn kein Wunder, dass das Gefolge bei der Beerdigung ungewöhnlich
groß war; aus weiter Ferne waren die Scharen herbeigeströmt, um den
edlen Manne die letzte Ehre zu erweisen. Im Hause sprach der Schwiegersohn
des Verstorbenen, Herr Karl Wolff aus Aurich, in dieser Ergriffenheit
Worte des Schmerzes und des Trostes, und am Grabe schilderte Herr Lehrer Löwenstein
in wohl durchdachter Rede das Leben dieses besonderen
Frommen. Möge Gott die
trauernde Familie nach dieser Trauer dem Leben und Streben wiedergeben. Seine
Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens." |
90. Geburtstag von Sofie Frankenberg (1926)
Anmerkung: Sofie Frankenberg (geb. 31. Dezember 1835) starb kurze Zeit nach
ihrem 90. Geburtstag am 7. März 1926, Grab siehe
https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/juf/id/1625
Artikel in der "Jüdisch-liberalen Zeitung" vom
8. Januar 1926: "Meimbressen. (90. Geburtstag). Die älteste
Einwohnerin unseres Ortes, Frau Sofie Frankenberg, beging in
körperlich zufriedenstellendem Befinden und geistiger Regsamkeit unter
Anteilnahme weiter Kreise ihren 90. Geburtstag." |
Über den taubstummen "Mendel aus
Meimbressen" (Bericht von 1927)
Anmerkung: es handelt sich um Mendel Grünenklee (1846-1913) Grab siehe
https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/juf/id/1640
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und
Waldeck" vom 7. Januar 1927: "Mendel aus Meimbressen.
(Unterschrift des Fotos)
'Hanne kummt noch'. Von J. Voremberg, Lehrer,
Reinheim.
Wie aus ihrer letzten Nummer zu ersehen, ist nun auch die jüngste von Mannes
Töchtern dahingegangen und wirklich, wie im Leben, auch im Tode den
Geschwistern nachgekommen, leider auf sehr tragische Weise. Ich erinnere
mich aus meiner Jugendzeit in Meimbressen, da hieß es, wenn jemand etwas
spät kam: Hanne kommt noch. Als nämlich die älteren Schwestern, die Reis und
die Keile in die Schule zum Herrn Lehrer Eichengrün seligen Angedenkens
kamen und der letztere fragte: 'Wo ist die Hanne?' Da sagten sie 'Hanne
kummt noch' (Hanne kommt noch).
Übrigens waren die Mädchen nicht taubstumm, sondern etwas sehr schwerfällig
in der Sprache, aber man konnte sich ganz gut mit ihnen verständigen. Sie
machten in den Familien öfters Besuche und blieben ziemlich lange, wenn auch
die Keile sagte: 'Kumm, mer gehn ham', so eilten sie sich doch nicht sehr
mit dem Heimgehen. Der Bruder Mendel war taubstumm, aber ein etwas hitziger
Mensch. Ich hatte ihn jedenfalls als kleiner Junge einmal sehr geärgert,
denn als ich eines Tages an der kleinen Holzbrücke über den Steg saß, kam
Mendel leise heran und applizierte mir ein paar derbe Ohrfeigen, an die ich
noch lange gedacht habe.
Kam ein Fremder ins Dorf, so war Mendel sofort da, um sein Almosen in
Empfang zu nehmen. Kupfergeld wies er zurück, Er zeigte auf seine weißen
Zähne, um damit anzudeuten, dass er Silber haben möchte. Der alte Mann
Grünklee (gemeint: Grünenklee) hatte wirklich seine Last mit den
Kindern. Nun sind sie alle im hohen Alter dahingegangen und die Familie
ausgestorben. Sie wurden von der jüdischen Gemeinde stets unterstützt, so
dass sie keine große Not zu leiten hatten, ganz besonders nahm sich Herr Max
Klee aus Chicago ihrer an. Mögen Sie nun alle friedlich ruhen!" |
80. Geburtstag von Hannchen Goldwein (1927)
Anmerkung: Hannchen Goldwein (geb. 16. März 1847) starb am 11. Januar 1933;
ihr Grab siehe
https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/juf/id/1676.
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und
Waldeck" vom 11. März 1927: "Meimbressen. Fräulein
Hannchen Goldwein vollendet am 16. März ihr 80. Lebensjahr. Sie
erfreut sich noch recht körperlicher und geistiger Frische. Sie ist allezeit
eine der fleißigsten Synagogenbesucherinnen gewesen. Wohl selten hat sie
denn Sabbat morgen Gottesdienst versäumt. Ad meoh weesrim schono.
L." |
|
Anzeige in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und
Waldeck" vom 8. April 1927: "Statt Karten!
Für die mir anlässlich meines 80. Geburtstages überwiesenen
Aufmerksamkeiten sage ich hiermit meinen herzlichsten Dank.
Hannchen Goldwein. Meimbressen." |
60. Geburtstag von S. Voremberg (1927 in Berlin)
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und
Waldeck" vom 18. März 1927: "Meimbressen. Am heutigen
Freitag begeht wie geht der aus Meimbressen gebürtige, jetzt in Berlin
wohnhaft der Herr S. Voremberg seinen 60. Geburtstag. Herr Voremberg, der
heute noch mit allen Phasen seines Herzens an seiner hessischen Heimat
hängt, verfolgt alle jüdischen Vorgänge unseres Bezirkes mit regestem
Interesse. Er begleitet in Berlin verschiedene Ehrenämter und hat es durch
seine Tüchtigkeit und Energie verstanden, durch eigene Kraft eine große
Kunstanstalt ins Leben zu rufen, die zum Teil auf dem Gebiet der
Postkartenindustrie Hervorragendes geleistet hat und leistet. Wir wünschen
dem Jubilar noch viele weitere Jahre rüstigen Wirkens und Strebens." |
Zum Tod von Viehhändler Wolf Perlstein (1927)
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und
Waldeck" vom 17. Juni 1927: "Meimbressen. Am 14. Juni
verstarb hier im 73. Lebensjahre der Viehhändler Wolf Perlstein. Als Spross
einer alten eingesessenen Familie verstand es derselbe, die frommen
Traditionen seines elterlichen Hauses hochzuhalten und ein Heim
aufzurichten, in welchem die innige Liebe zu echt jüdischer Betätigung eine
fruchtbare Pflanzstätte fand. Nie rastende Arbeit und getreueste
Pflichterfüllung waren seines Lebens Leitstern und sein Andenken wird
besonders in seiner Gemeinde und bei allen, die ihn kannten, als ein
gesegnetes fortleben. Die Beerdigung fand am Mittwoch nachmittag unter große
Beteiligung der Bevölkerung und vieler Glaubensgenossen der näheren Umgebung
statt. Am Grabe widmete er Lehrer Löwenstein dem Verstorbenen einen
warmherzigen Nachruf, während Herr Lehrer Perlstein -
Gudensberg seinem verstorbenen Bruder
herzliche Abschiedsworte nach rief." |
|
Anzeige in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und
Waldeck" vom 17. Juni 1927: "Heute Nachmittag wurde mein
geliebter Mann, unser lieber Vater, Schwiegervater, Großvater und Bruder
Herr Wolf Perlstein
kurz vor Vollendung seines 73. Lebensjahres, nach einem arbeitsreichen
Leben, von seinem schweren Leiden erlöst.
Im Namen der trauernden Hinterbliebenen: Lena Perlstein, geb. Tannenbaum.
Meimbressen, den 13. Juni 1927." |
79. / 80. Geburtstag von Karoline Grünenklee geb.
Hecht, der Witwe von Simon Grünenklee (1927 / 1928)
Anmerkung: es handelte sich um Karoline Grünenklee geb. Hecht (geb. 1.
November 1848, gest. 30. Januar 1928 siehe unten), weitere genealogische
Informationen siehe
https://www.geni.com/people/Karoline-Kela-Gr%C3%BCnenklee/6000000079317116291
Anzeige in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und
Waldeck" vom 11. November 1927: "Für die anlässlich meines 79.
Geburtstages erwiesenen Aufmerksamkeiten sage ich auf diesem Wege meinen
herzlichsten Dank.
Meimbressen, im November 1927. Witwe Simon Grünenklee." |
|
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und
Waldeck" vom 26. Oktober 1928: "Meimbressen. Ihren 80. Geburtstag
feiert am 1. November Frau Karoline Grünenklee geb. Hecht, in
Meimbressen. Vor fünf Jahren feierte sie mit ihrem nunmehr verstorbenen
Gatten des Fest der goldenen Hochzeit. Sie nimmt noch regen Anteil an allen
Tagesereignissen. Möge ihr ein schönes Lebensabend bei guter Gesundheit
beschieden sein." |
|
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 22. November 1928: "Grebenstein,
11. November (1928). Am 1. November beging Frau Karoline Grünenklee geb.
Hecht, im nahen Meimbressen in größter körperlicher Rüstigkeit und
Geistesfrische ihren 80. Geburtstag." |
Silberne Hochzeit von Levi Frankenberg und Mathilde
geb. Kander (1928)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 20. Dezember 1928:
"Grebenstein, 10. Dezember (1928). Ihre Silberne Hochzeit
begingen im nahen Meimbressen Herr Levi Frankenberg und Ehefrau
Mathilde geb. Kander." |
Anzeige zum Tod von Lina Perlstein geb. Tannenbaum
(1929)
Anzeige in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und
Waldeck" vom 17. Mai 1929: "Mittwochnacht ist unsere liebe Mutter,
Großmutter und Schwiegermutter Frau Lena Perlstein geborene Tannenbaum
im 65. Jahr Lebensjahre nach kurzem, schwerem Leiden sanft entschlafen.
Meimbressen und Kassel, den 16. Mai 1929.
Die trauernden Hinterbliebenen. Die Beerdigung findet am Sonntag, den
19. Mai, nachmittags 3 Uhr, in Meimbressen statt. Kranzspenden
dankend verbeten.
Ein Verkehrsauto fährt nach Meimbressen ab Lutherplatz Sonntagmittag 1.45
Uhr." |
70. Geburtstag von Jakob Vorenberg I (1929)
Meldung
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 27. Juni 1929: "Meimbressen,
24. Juli 1929. Seinen 70. Geburtstag beging in größter Rüstigkeit und
geistiger Frische Jakob Vorenberg I dahier." |
80. Geburtstag von Samuel Goldwein (1930)
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und
Waldeck" vom 30. Januar 1930: "Meimbressen. Am Montag, den 27.
dieses Monats, feierte Herr Samuel Goldwein seinen 80. Geburtstag in
körperlicher und geistiger Frische im Kreise seiner Angehörigen, Enkel und
Urenkel. Wir wünschen ihm fernerhin alles Gute." |
Zum Tod der Witwe Grünenklee (1930)
Anmerkung: es handelt sich um Karoline (Kela) Grünenklee geb. Hecht (geb. 1.
November 1848, gest. 30. Januar 1928), genealogische Informationen siehe
https://www.geni.com/people/Karoline-Kela-Gr%C3%BCnenklee/6000000079317116291
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und
Waldeck" vom 7. Februar 1930: "Meimbressen. Im Alter
von 81 Jahren starb hier Frau Witwe Grünenklee. Sie war kaum einige Tage
bettlägerig. Ihr Geist war bis zur letzten Stunde sehr rege. Trotz ihres
hohen Alters war sie noch immer im Haushalt, wie auch im Geschäft tätig und
interessierte sich für alle Geschehnisse des Tages. Ein großes
Leichengefolge geleitete sie am Sonntag zur Ruhe." |
60. Geburtstag des Gemeindevorstehers Jacob Frankenberg
(1930)
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und
Waldeck" vom 28. November 1930: "Meimbressen. Am 9.
Dezember tritt der Gemeindeälteste Herr Jakob Frankenberg in sein 60.
Lebensjahr. Über 30 Jahre begleitet er das Amt als Gemeindevorsteher. Lange
Jahre war er in der Orts-Gemeindevertretung. Aber nicht allein in seinem
Heimatort erfreut er sich größter Beliebtheit, sondern weit darüber hinaus
gilt er bei seiner Kundschaft als realer, gern gesehener Geschäftsmann. Herr
Frankenberg hat stets eine offene Hand für Arme und Notleidende. Möge es dem
Geburtstagskind vergönnt sein, noch ungezählte Jahre ihn steter Gesundheit
an der Seite seiner Gattin Rosa, geb. Kander, die sich auch
ihrerseits im Vorstand des Vaterländischen Frauenvereins betätigt, und im
Kreise seiner Familie diesen Tag zu begehen." |
|
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und
Waldeck" vom 18. Januar 1931: "Für die vielen Glückwünsche und
Aufmerksamkeiten, welche mir anlässlich meines 60. Geburtstages zuteil
wurden, danke ich allen Freunden und Bekannten herzlichst
Jakob Frankenberg Meimbressen" |
60. Geburtstag von Viehhändler S. Löwenstein,
Vorsitzender des hessischen Viehhändlervereins (1931)
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und
Waldeck" vom 6. März 1931: "Meimbressen. Am 5. März vollendet
hat der Vorsitzende des Provinzialverbandes der Viehhändler von Hessen-Nassau
und Waldeck, Herr S. Löwenstein, sein 60. Lebensjahr. In den Kreisen des kurhessischen Viehhandels, des Fleischergewerbes und der Landwirtschaft hat er
sich seit mehr als einem Vierteljahrhundert große Verdienste erworben. Er
gründete den hessischen Viehhändlerverein, den er seit 21 Jahren als
Vorsitzender leitet. Durch geschickte Leitung hat er dem Verein ein Ansehen
geschaffen, das auch von den Behörden gewürdigt wird. Löwenstein schloss
auch die zahlreichen Vereine in Nassau und im Kreise Wetzlar zu dem
Provinzialverbande der Viehhändler zusammen. Auch hier wurde er zum ersten
Vorsitzenden gewählt. Er ist ferner Mitglied des geschäftsführenden
Vorstandes des Bundes Deutscher Viehhändler. Durch seinen Einfluss in den
Organisationen ist auch von berufener Stelle der Landwirtschaft anerkannt
worden, dass er viel zur Hebung der Qualität des Nutz- und Zuchtviehes beigetragen und so auch der Landwirtschaft und dem Fleischergewerbe wertvolle
Dienste geleistet hat." |
Zum Tod von Bertha Vorenberg (1931)
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und
Waldeck" vom 17. April 1931: "Meimbressen. Am Shabbos
chaul hamaued starb hier Frau Berta Vorenberg, Gattin von Isaac Florenberg
im 68. Jahre ihres Lebens. Die große Beteiligung bei der Beerdigung zeugt
von der allgemeinen Achtung und Beliebtheit der Entschlafenen
bei allen, die sie kannten. Ihr Haus, ihr Garten und ihr Feld waren die
Gebiete ihrer Tätigkeit, und als wir den Oraun (Sarg) durch das Vorgärtchen
trugen, da schien es, als ob die vielen bunten Frühlingsblumen sie noch zum
letzten Male grüßen wollten. Am Grab sprach Lehrer Löwenstein
warme Worte des Trostes." |
80. Geburtstag von Susmann Rosenbaum (1931)
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und
Waldeck" vom 12. Juni 1931: "Meimbressen. Am 16. Juni wird
der hier geborene Susman Rosenbaum 80 Jahre alt. Wer ist Susmann Rosenbaum?
Wir Älteren kennen ihn recht gut, und die Jungen haben schon viel von ihm
erzählen gehört. Rosenbaum ist schon in seiner frühen Jugend, bald nach
Entlassung aus der Schule, nach Cumberland in den Vereinigten Staaten
ausgewandert und hat dort mit seinem älteren Bruder Simon, der vor wenigen
Jahren gestorben ist, viele Jahrzehnte ein Geschäft betrieben, das sie zu
ansehnlicher Blüte brachten. Ein hoch angesehener Bürger, ein allseitig
geschätzter Mitmensch in der neuen Heimat hat Rosenbaum die alte Heimat, die
er so früh verließ doch niemals vergessen. Das bewies er so mannigfach
durch die Tat. Vor allem hat er stets der Armen in seinem Heimatdorf
gedacht. Er schrieb wohl nie einen Brief an seine Verwandten, in dem er sich
nicht nach den Armen hier erkundigte; stets legte er für sie einige
Dollar bei. Viele auf Mildtätigkeit angewiesene Glaubensbrüder erhielten in
regelmäßigen Abständen von Gebrüder Rosenbaum Unterstützung. Aber auch die
jüdische Gemeinde insbesondere hatte sich der Gunst dieser edlen Menschen zu
erfreuen. Wenn einer der Brüder hier zu Besuch war und das geschah alle paar Jahre,
stifteten sie Geld zur Ausbesserung und Verschönerung des
Gotteshauses. Noch zuletzt im Jahre 1927 erhielten wir zu Renovierung der
Synagoge einen ansehnlichen Betrag. Möge sich der Jubilar, dem es
sicherlich an diesem Tage vor allem dort nicht an Ehrungen fehlen wird, noch
recht lange einer ungetrübten Gesundheit erfreuen. Ad meoh weesrim
schonoh (= alles Gute bis 120 Jahre)." |
Hochzeitsanzeige von Gerson Jacobs und Erna geb.
Goldwein (1931)
Anmerkung: Erna Jacobs geb. Goldwein (geb. 1905) und Gerson Jacobs sind in der
NS-Zeit nach der Deportation umgekommen. Gerson Magnus hatte ein Kaufhaus in
Alfeld (Leinstraße 7) gepachtet und bis 1937 ("Arisierung") geführt.
Genealogische Informationen zur Familie
https://www.geni.com/people/Gerson-Jacobs/6000000041074404977.
Anzeige in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und
Waldeck" vom 21. August 1931: "Statt Karten!
Gerson Jacobs Erna Jacobs geb. Goldwein
zeigen ihre Vermählung an. Alfeld/Leine - Meimbressen.
Trauung: Sonntag, 23. August im Hotel Meier.
Uns freundlichst zugedachte Gratulationen bitten wir durch eine Spende an
das Israelitische Waisenhaus Kassel ablösen zu wollen." |
70. Geburtstag von Lehrer Josef Vorenberg (1935; geb. 1865 in Meimbressen, fast
40 Jahre Lehrer in Reinheim)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 18. Juli 1935:
"Reinheim, 14. Juli. (1935). Montag, den 22. Juli (21. Tamus)
begeht Herr Lehrer Vorenberg dahier in voller, körperlicher und geistiger
Frische und Rüstigkeit seinen 70. Geburtstag. Herr Vorenberg, der nahezu
vier Jahrzehnte dahier überaus segensreich wirkt, erfreut sich in allen
Kreisen der größten Wertschätzung und Liebe. Möge es ihm vergönnt
sein, noch viele Jahre zum Segen seiner Gemeinde und für ganz Israel
zu wirken, möge ihm an der Seite seiner gleichgesinnten Gattin ein lange,
an Freuden reicher Lebensabend beschieden sein. (Alles Gute) bis
120 Jahre." |
Zum Tod von Isak Vorenberg
(1938)
Artikel aus der Zeitschrift "Der Israelit" vom 17. Februar 1938:
"Personalien. Meimbressen, Bezirk Kassel, 13.
Februar. Am 1. des Monats (gemeint wohl am 1. Adar = 2.
Februar 1938) verschied hier im Alter von 76 Jahren Isak Vorenberg. Der
Heimgegangene war ein Mann des Friedens und ein Freund der Tora. Wo es
galt, Awoda (Gottesdienst) und Wohltätigkeit zu üben, sah man ihn
an erster Stelle. In uneigennützigster Weise versag er seit längerer
Zeit den Dienst als Chasan (Vorbeter). An der Bahre sprach Herr
Lehrer Kleeblatt, Kassel, und im Hause Herr Wormser, Grebenstein,
Worte der Würdigung und des Trostes. Seine Seele sei eingebunden in
den Bund des Lebens." |
Zur Geschichte der Synagoge
Zunächst war ein Betsaal in einem der jüdischen
jüdischen Häuser eingerichtet. 1772 wird eine Privatsynagoge im Haus der Familie
Kugelmann (Michael Kugelmann und Sohn Jakob Kugelmann) genannt. Vor dem Bau der Synagoge befand sich der
Betsaal in Hause von Moses Goldwein (bis 1842).
1837 beantragte der damalige Gemeindeälteste Samuel Katzenstein nach
bereits mehrjährigen Planungen bei den
Behörden die Genehmigung zum Bau einer Synagoge beziehungsweise zum Umbau eines
bestehenden Bauernhauses zur Synagoge beziehungsweise zu einem jüdischen
Gemeindezentrum (später mit Schule und Lehrerwohnung). 1841/42 konnten die Baumaßnahmen
durchgeführt, die Synagoge am 5. November 1842 eingeweiht werden. Es
handelte sich um einen langgestreckten Fachwerkbau mit steilem Sattelbach,
dessen östlicher Teil die Synagoge bildete. Im westlichen Teil befanden sich
die Schule und die Lehrerwohnung. Der
Betsaal hatte 46 Plätze für Männer, 30 für Frauen. Bei der Synagoge stand
eine Mazzenbäckerei. Grundstück und das Synagogengebäude standen im
Eigentum von 16 jüdischen Gemeindegliedern/Familien - erst 1930 wurde die jüdische
Gemeinde - nachdem sie als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannt
wurde - Besitzerin der Synagoge und des Grundstückes.
1926 wurde die Synagoge renoviert. Dabei erfuhr die Gemeinde
Unterstützung durch die Gebrüder Rosenbaum in Uniontown/USA (Simon Rosenbaum
war aus Meimbressen gebürtig) und von Max Klee (Chicago).
Über die Synagoge in Meimbressen (zwei Artikel von
Joseph Neuhahn in Grebenstein von 1926 sowie von Lehrer Löwenstein von 1927)
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und
Waldeck" vom 19. November 1926: "Aus vergangenen Zeiten.
1. Die Synagoge zu Meimbressen. Von Josef Neuhahn,
Grebenstein.
Vor mir liegt ein altes Aktenstück, das einen 'Extrakt aus dem Duplikat
Steuer Kataster der Gemeinde Meimbressen Amts Grebenstein' enthält, in welchem
ein Grundstück K . 123 b 1/4el Acker 3 Ruthen aufgeführt ist,
auf welchem 'die israelitische Synagoge nebst Wohnung für den Schullehrer
usw.' erbaut ist. Das Grundstück steht aber nun nicht auf den Namen der
Synagogengemeinde Meimbressen eingetragen, sondern auf die einzelnen Namen
von 16 Gemeindemitglieder; die Gemeinde zählte damals zwar mehr Mitglieder,
aber nur diese 16 sind als Eigentümer aufgeführt, weshalb nicht auch die
anderen, will ich unerörtert lassen. Jedem der 16 stand also ein Sechzehntel gerichtlich
zu.
Es ist dies ein ganz eigenartiges Verhältnis, das wohl so leicht nicht
wieder gefunden wird, erst nach fast 30 Jahren seit der Erbauung wurde das
'Nutzungsrecht der Synagogengemeinde' gerichtlich eingetragen und zwar erst
nach einem eigenartigen Prozess, den ich hier noch schildern werde. |
Vor
mehreren Jahren war ein von hier gebürtiger Referendar Dr. Voremberg, jetzt
Rechtsanwalt in Trier, beim hiesigen Amtsgericht beschäftigt und fand in den
Grundbuchakten dieses eigentümliche Verhältnis; er wollte nun in ganz
uneigennütziger Weise gern für die Synagogengemeinde besorgen, dass das
Grundstück auf deren Namen gebracht wurde, und hatte schon die
vorbereitenden Schritte dazu getan; die Synagogengemeinde verhielt sich aber
ablehnend, und so liegt die Sache heute noch.
Welche Gründe für die Ablehnung maßgebend waren, ist mir nicht bekannt; nach
meiner Ansicht wäre es richtig gewesen, der Anregung des Dr. Voremberg zu
folgen, da im Leben doch ganz eigene Sachen vorkommen können, und eine diese
Synagoge betreffende will ich hier erzählen.
Einer der 16 Besitzer war in Vermögensverfall geraten, und ein Gläubiger,
ein Landwirt in Schachten, hatte sich wegen einer Forderung an ihn auf
dessen Grundvermögen - darunter auch das ein Sechzehntel Anteil an der
Synagoge - immittieren, und eine Zwangshypothek errichten lassen. Er brachte
dieses eine Sechzehntel zum Zwangsverkauf und ersteigerte es selbst, sodass
er vollberechtigter Mitbesitzer einer Synagoge war. Daran war ihm ja
natürlich gar nichts gelegen, denn dadurch bekam er noch kein Geld für seine
Forderung, und so beantragte er Zwangsversteigerung zum Zwecke der
Auseinandersetzung.
Dieser Antrag wurde den Beteiligten respektive deren Erben zugestellt und
Ihnen die Verkaufsbedingungen mitgeteilt; gegen diese protestierte die
Synagogengemeinde und setzte es endlich durch Urteil des
Oberappelationsgerichts in Kassel durch, dass das Nutzungsrecht für die
Synagogengemeinde von den Eigentümern für deren eigene Kosten gerichtlich
eingetragen wurde; da unterblieb natürlich die Zwangsversteigerung. Aber den
Landwirt wurmte das doch und da ritt er an einem Schabbos Morgen während des
Gottesdienstes vor ein Fenster der Synagoge und konnte nun, hoch zu Pferd,
in dieselbe hineinsehen und den Gang des Gottesdienstes genau beobachten.
Dass das für diesen sehr störend war, bedarf wohl keiner Erwähnung, aber man
war so klug, von ihm keine Notiz zu nehmen und ihn gewähren zu lassen.
Er zog denn auch ab und machte im Wirtshaus die allertollsten Glossen, was
er alles gesehen haben wollte, insbesondere sagt er wiederholt: 'und alle
haben sie weiße Pferdedecken umgehängt'. Alles das wurde ja unseren
Glaubensgenossen wieder erzählt und die Bemerkung mit den Pferdedecken
veranlasste einen Onkel meiner Mutter - Samuel Katzenstein, ich habe ihn
bereits früher einmal in der jüdischen Wochenzeitung erwähnt - in einer in
Hofgeismar erscheinenden Zeitung
folgendes zu annoncieren:
'Vor der Synagoge in Meimbressen sind Pferdedecken zu verkaufen, die dem
schönsten Esel in Schachten passen. Samuel Katzenstein.'
Den Namen des Landwirtes brauche ich ja wohl nun nicht noch zu nennen; er
hat sich aber auch nie wieder etwas derartiges erlaubt.
Sind wir nun aber bei den jetzigen Zeit läuft denn so absolut sicher, dass
so was nicht wieder vorkommt?
2. Von einem Handwerksburschen. Aus dem hier in der Nähe liegenden
Dorfe Calden ging anfangs der 70er Jahre des vorigen Jahrhunderts (sc.
1870er-Jahre) ein Schreinergeselle namens Schüler auf die Wanderschaft;
sein Weg führte ihn nach Dresden, durch Böhmen und Mähren nach Wien und die
österreichischen Lande, von dadurch die Levanti über Smyrna und Jaffa nach
Jerusalem; er kam da an einem Freitag - dem dortigen gesetzlichen Ruhetag -
an. Er war nur der deutschen Sprache mächtig und lief schon stundenlang
umher, ohne dass er jemanden getroffen hatte, dem er sich verständlich
machen konnte. Der Abend kam heran und er begann zu fürchten, dass er die
Nacht auf der Straße zubringen müsse. Zu seinem Schrecken wurde es schnell
dunkel und gerade dieses brachte ihm Hilfe. Die Lichter in den Häusern
wurden angesteckt und beim Weitergehen fällt ihm ein besonders hell
erleuchtetes Fenster auf; diese waren zur Zeit in Jerusalem sehr niedrig
eingebaut und es war leicht in die Zimmer zu sehen. Er sieht in das
hellerleuchtete Zimmer hinein und erblickt einen mit weißen Leinen gedeckten
Tisch und darüber einen mehrarmigen Beleuchtungskörper. Er stutzt zunächst,
besinnt sich, weil er glaubt, schon einmal sowas gesehen zu haben - und da
fällt ihm ein: solche Lampen haben ja die Juden in Meimbressen. Er
fasst sich ein Herz, geht in das Haus, in das Zimmer und wünscht 'Guten
Abend' und da wird ihm in deutscher Sprache dieser Gruß erwidert. Er hatte
Glück gehabt, der Jude war ein Aschkenasi, mit dem er sich verständigen
konnte. Der behielt ihn selbstredend bei sich und verschafft ihm Arbeit. Mit
welchen dunkleren Gefühlen er sich stets dieses Herrn Aschkenasi - einen
anderen Namen kannte Schüler nicht - noch bis in sein hohes Alter erinnerte,
ist kaum zu sagen.
Er blieb aber nur vier Monate in Jerusalem, die Erwerbsverhältnisse waren
keine guten, er selbst verdiente nicht einmal so viel, dass er davon leben
konnte, und ging öfter zum deutschen Konsul, um sich Geld zu holen, er
glaubte, das sei eine Gratisunterstützung für ihn, aber da hat er die
Rechnung ohne den Wirt gemacht. Er bekam von Haus die Anfrage, was das für
Gelder seien, die von der Verwaltungsbehörde hier für ihn eingefordert
wurden.
Da sah er, dass er sich geirrt hatte und ging von Jerusalem fort und machte
sich in seinem Heimatort selbstständig, er behält aber bis zu seinem Tod den
Namen der 'Jerusalemer'." |
|
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und
Waldeck" vom 28. Oktober 1927: "Die Synagoge zu Meimbressen.
Von Lehrer H. Löwenstein.
Wie lange die Gemeinde in Meimbressen besteht, beziehungsweise seit wann
Juden hier wohnen, ist nicht genau festgestellt. Jedenfalls kann als sicher
angenommen werden, dass hier wenigstens schon seit über 200 Jahren
Glaubensgenossen ansässig sind. Alte Grabsteine auf dem hiesigen
Sammelfriedhof dürften dies beweisen. Bekanntlich war ja ein Kasseler
Landrabbiner mit Namen Josel Michel Kugelmann, der 1779, also vor 150 Jahren,
auf dem Melsunger Landtage gewählt wurde, ein Meimbresser. Die Annahme, dass
die ersten Juden hier aus Polen stammten, lässt sich nicht ganz von der Hand
weisen. Schon früher hat hier ein Cheder bestanden; von alten Leuten wird
erzählt, dass er sich zuletzt im Haus Nummer 46, in der sogenannten 'Ecke',
wo heute noch Juden wohnen, befunden hat.
Es ist aber merkwürdig, dass man erst spät, vor nicht ganz 100 Jahren, zum
Bau beziehungsweise zur Einrichtung einer eigenen Synagoge geschritten ist.
Aus Gemeindeakten, die leider nur vom Jahre 1827 an hier vorhanden sind, ist
zu entnehmen, dass ein Moses Goldwein, dessen Enkel noch hier wohnen, in
seinem Hause eine Stube zum Betraum eingerichtet hatte. Der Raum ward
unentgeltlich hergegeben. 'Die Unterhaltung bestreitet aus freiem Willen der
Eigentümer'. Trotzdem finden sich doch in den ersten hier noch vorhandenen
Rechnungen ab und zu einmal kleine Ausgaben für Reparaturen in der Synagoge.
Im Jahre 1837, als die Verhandlungen betreffs des Umbaus des erkauften
Grundstückes schon im Gange waren, soll für den Vorbeter von der Gemeinde
aus ein neuer Pult, für den genannten Betraum, beschafft werden. Der
Gemeindeälteste Samuel Katzenstein macht dieserhalb ein Gesuch an das
Landratsamt um Genehmigung. Jedenfalls war die Ausgabe im Voranschlage nicht
aufgeführt. Katzenstein schreibt wörtlich: 'Der Stand des Vorsängers ist
unanständig, es ist eine Abänderung nötig, wo derselbe sein Buch auflegt und
sogleich verschließen kann. Das Buch gehört der Gemeinde, worinnen er
vorsingt usw.. Seit welchem Jahre die Andachtsstätte hier gewesen, habe ich
nicht feststellen können.
Man mag aber die Ungeeignetheit dieses Raumes längst eingesehen haben. Zu
einem Neubau hat man sich aber nicht entschließen können, obwohl schon
damals auch Verhandlungen über Einrichtung einer eigenen Volksschule und
Anstellung eines Lehrers geführt wurden. Der nervus rerum ist gewiss
ausschlaggebend gewesen. Er erwarb denn die Gemeinde am 6. Mai 1831 ein
Bauernhaus, da sie für fragliche Zwecke umbauen wollte. Die Besitzerin,
Ehefrau Heinrich Meyer, Elisabeth geb. Meyer, hatte ihren Wohnsitz von hier
nach Lippoldsberg verlegt. Das Haus war demnach zur Zeit unbewohnt. Das
Grundstück bestand aus Haus und Hofraite, gelegen zwischen der Adeligen
Meierei und dem Grundstück Ludwig Kleinschmidt. Es war 1/4 Acker 3 Ruten
groß und kostet 320 Reichstaler. 'Die Herren Wolff von Gudenberg erteilen
zum Besitzwechsel den zinsherrlichen Konsens unbeschadet deren Gerechtsame,
jedoch unter dem ausdrücklichen Vorbehalt, dass, sobald die Übergabe erfolgt
ist, die 'Zehnte Pfennigsgelder' von diesem anderweitigen Verkauf an Wolff
von Gudenberg bezahlt werden müssen.' Von dem Grundstück sind an die Wolf
fvon Gutenberg in Sequester jährlich 8 Albus 8 Heller zu zahlen, von dem
Erbgarten 10 Eier. In dem Kaufvertrag heißt es:
'Von den 320 Reichstalern sind sofort 70 Taler zu bezahlen oder auf
Anweisung an die Wolff von Gudenberg diejenigen Zehntpfennigsgelder, welche
Verkäuferin vom Ankaufe des Hauses hier noch schuldet. 150 Taler sind 1/4
Jahr später ohne Zinsen zu zahlen. Der Rest von 100 Talern bleibt bei
der Verkäuferin zu 4 Prozent vier Jahre lang bestehen. Käufer müssen ferner die Zehntpfennigsgelder an die Wolff von Gudenbergschen von dem
gegenwärtigen Kaufvertrage ohne Zurechnung auf das Kaufgeld abführen; ferner
müssen Käufer die Kosten des Kontraktes ausschließlich tragen und von jetzt
ab die Abgaben übernehmen'. Bereits am 28. August 1833 wurde der Rest des
Kaufgeldes gezahlt und die Löschung seitens der Verkäuferin erfolgt am
selben Tage. In dem Jahre, als der Kauf getätigt wurde, hatte die Gemeinde
nur einen Vorsteher, Beer Voremberg, der das Amt von 1829 bis 1833 allein
inne hatte. Von diesem Jahre ab teilte er sich die Geschäfte mit Samuel
Katzenstein, der allerdings erst am 11. Februar 1835 verpflichtet wurde. Von
da ab hatte Voremberg die Geschäfte eines Ältesten nicht mehr.
Eigenartig ist es, dass nicht die Gemeinde als solche als Käuferin des
Grundstückes genannt wird, sondern 16 israelitische Staatsbürger von
Meimbressen und zwar 1. Salomon Goldwein, 2. Josef Großguth, 3, Herz
Perlstein, 4. Wolf Gans, 5. David Neuhahn, 6. Joseph Neuhahn, 7. Heinemann
Neuhahn, 8. Salomon Voremberg, 9. Meyer Voremberg, 10. Samuel Voremberg, 11.
Bär Voremberg, 12. Samuel Goldwein, 13. Jakob Weinberg, 14. Levy Rosenbaum,
15. Samuel Katzenstein, 16. Josef Grünenklee.
Nach der Gemeinderechnung vom Jahre 1831, da der Kauf getätigt wurde, sind
nur 15 selbstständige Männer oder Witwen vorhanden, welche zu den
Gemeindelasten beitragen. Dass 16 Mitglieder als Käufer eingetragen sind,
aber die Gemeinderechnung nur 15 Steuerzahler nennt, erklärt sich wohl
daraus, wie mir Herr Josef Neuhahn in
Grebenstein mitteilte, dass bei einer in dem Jahre gewesenen großen
Wasserflut das Anwesen eines Mitgliedes vollständig von der Bildfläche
verschwand, wodurch die Familie verarmte. Es ist auch aus einer Rechnung zu
ersehen, dass diesem Betreffenden 'wegen Unglücksfälle' die Steuern erlassen
wurden.
In den gerichtlichen Zuschriften heißt die Anschrift stets: Rosenbaum und 15
Genossen. Dass nicht die Gemeinde als solche, sondern 16 israelitische
Staatsbürger als Käufer und Eigentümer galten, hat später zu großen
Unzuträglichkeiten geführt. Ein jahrelanger Prozess beunruhigte die
Gemeinde; er wurde schließlich zu Gunsten dieser entschieden. Vor einigen
Monaten hat Herr Josef Neuhahn darüber in dieser Zeitung in humorvoller
Weise berichtet.
Die Nutzungsrechte von den zustehenden Eigentümern sind unter dem späteren
Gemeindeältesten Blankenberg im Grundbuche zu Gunsten der Synagogengemeinde
dahier im September 1879 eingetragen.
Es ist kaum zu verstehen, dass die Gemeinde als solche nicht schon vor
vielen Jahrzehnten darauf hingearbeitet hat, dass das Gebäude auf deren
Namen überschrieben wurde. Die Gemeinde hat stets die nicht unerheblichen
Reparaturkosten tragen müssen. Vor etwa 15 Jahren war die Angelegenheit im
Fluss, ist aber durch einige recht kurzsichtige Mitglieder vereitelt worden.
Durch den Neuhahnschen Artikel in der Jüdischen Wochenzeitung wurde das
Vorsteheramt zu Kassel auf diesen unhaltbaren Zustand aufmerksam und
veranlasste die Gemeinde, dass das Grundstück grundbuchlich auf den Namen
der Synagogengemeinde eingetragen werde. In einer kürzlich stattgefundenen
Versammlung wurde beschlossen, einen diesbezüglichen Antrag bei dem
zuständigen Amtsgericht zu stellen. Hoffentlich erledigt sich die Sache
recht bald in günstiger Weise.
Das 1831 erworbene Grundstück musste selbstverständlich für den fraglichen
Zweck umgebaut werden. Die Verhandlungen darüber haben sich elf Jahre
hingezogen. 'Viel Köpfe, viel Sinne'. Vielleicht hat auch hier die Geldfrage
am meisten mitgesprochen. Die Gemeinde musste dazu ein größeres Kapital
erborgen. Ein ziemlicher Betrag, 253 Taler, 11 Sgr. 2 Heller, wurde auch
durch den Gemeindeältesten S. Katzenstein, die dieser durch freiwillige
Spenden aufgebracht, zum Bau beigesteuert. Es ist aus den Akten nicht zu
sehen, ob auch hiesige oder nur auswärtige Glaubensgenossen und Freunde
jenen Betrag aufgebracht haben. Letzteres ist wahrscheinlich. Es werden
Kollektengelder aus den Kreisen Melsungen, Eschwege und Fritzlar erwähnt.
Auch ist die Rede von Gesuchen, die an reiche Juden in Frankfurt am Main und
Hamburg abgesandt wurden. Von einem Ergebnis ist nichts bemerkt.
(Fortsetzung folgt.)" |
|
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und
Waldeck" vom 4. November 1927: "Die Synagoge zu Meimbressen.
Von Lehrer H. Löwenstein. (Schluss). Betr. Einrichtung des
Synagogengebäudes ist am 13. Mai 1835 Landesbaumeister Schnackenberg (Hofgeismar)
hier, desgleichen fertigt er Riss und Kostenanschlag an. Am 12. August
desselben Jahres ist Gemeindeältester Katzenstein 'wegen Riss und Überschlag
des Synagogenbaus' nach Hofgeismar
vorgeladen, um Erklärung betreffs Bau abzugeben. 1836 ist der Schullehrer
Sommer (Hofgeismar) hier zur
Besichtigung und jedenfalls auch Begutachtung des Synagogenbauplatzes. Ob
der für diese Reise geforderte Betrag der Gemeinde zu hoch erschien, ist
wohl anzunehmen, denn sie zahlt erst die verlangten 1 Taler 10
Silbergroschen 8 Heller, nachdem das kurfürstliche Kreisamt diese Forderung
genehmigt hatte.
Am 14. Februar 1840 ist der Landesbaumeister Schnackenberg auf Requisition
der Gemeindevorsteher abermals hier gewesen wegen Erbauung der Synagoge; es
wurde abermals ein Kostenanschlag aufgestellt. Am 16. September wurde auf
Requisition des Kreisamtes ein zweiter Riss angefertigt. Am 19. Januar 1841
sind die Gemeindeältesten zum Landrat beordert, um vernommen zu werden
hinsichtlich der Aufbringung der Kosten. Die Angelegenheit ist also ganz
bedeutend vorangeschritten.
Endlich sind die Vorarbeiten beendet. Es wird 1842 zum Umbau geschritten.
Die Gemeinde erborgt, nachdem die Genehmigung dazu erteilt ist, im Juni 1842
fünfhundert Reichsthaler. Die gesamte Gemeinde muss sich für diese Summe
solidarisch verbürgen. Dem Gemeindeältesten Samuel Katzenstein stand seit
dem 17. Juli 1839 noch ein zweiter, David Neuhahn, zur Seite. Berechtigt zum
Borgen des Kapitals waren zwei Gemeindemitglieder: Josef Grünenklee und Juda
Perlstein. Dieselben erklärten, dass sie für die Gänge und Wege, welche sie
als Bevollmächtigte tun würden, keinerlei Vergütung in Anspruch nehmen
wollten.
Nach dem Fuß der Klassensteuer wurden außerdem zum Synagogenbau erhoben 403
Taler 10 Silbergroschen. (Laut Verfügung Kurfürstlichen Kreisamtes vom 19.
Januar 1843). Die Gemeinde zählte damals 20 Steuerpflichtige. Für den Taler
wurden elf Taler erhoben.
Die neu hinzutretenden Gemeinde Mitglieder mussten zum Gemeindehaus
Einkaufsgelder zahlen. Miteigentümer wurden sie aber nicht, so zahlt einer
25 Taler, 18 Talerusw., je nach der Klassensteuer.
Betreffs des Einkaufsgeldes möchte ich hier bemerken: Die Gemeinde reicht
betreffs Abzugs- und Einzugsgeld im Oktober 1842 ein Gesuch an
kurfürstliches Kreisamt ein. Es soll betragen 1 1/2 % von der Mitgift.
Betreffs Einzugsgeld wird 1845 vom Kreisamt verfügt, dass dasselbe vor der
Verheiratung bezahlt und die Quittung zugleich mit dem Eheprotokoll daselbst
produziert werde. Sollte die Quittung fehlen, so wird die Genehmigung zur
Trauung versagt, bis sie beigebracht ist. Nach einem Schreiben vom 29.
Oktober 1839 muss die Einführung zur Zahlung des Einzugsgeldes in Preußen
schon länger bestanden haben. Betr. Abzugsgelder sind später von der
Gemeinde verschiedene langjährige Prozesse geführt worden.
Betreffs des erborgten Geldes will ich hier gleich ein schieben, dass 1858
350 Taler - 150 Taler sind bereits zurückgezahlt - gekündigt wurden und die
Gemeinde beschließt am 12. Mai desselben Jahres, diese Summe bei der
Landeskreditkasse gegen die gesetzlichen Zinsen und 2 % Abtrag zu erborgen.
Die Zinsen nebst Abtrag sollen von den Ständegeldern mit jährlich 25 Talern
gezahlt werden. Am 9. Juli 1858 wird der Gemeinde genannter Betrag geliehen.
Es verbürgen sich für die Sicherheit 26 Gemeindemitglieder. Die Gemeinde ist
also bedeutend gewachsen. Im Jahre 1870 ist die Schuld vollständig
zurückgezahlt.
Von Interesse dürfte es gewiss sein, zu erfahren, dass die Gemeinde für ihr
Gemeindehaus 1842 zum Landwegebau für Kontributionen und zwar 18
Silbergroschen 2 Heller, zahlen musste. Auch muss für das Gemeindehaus an
die Gemeindekasse des Dorfes eine Steuer für den Feldhüter (Feldaufsicht)
gezahlt werden. Auch ruhte auf dem Haus 2 1/2 Metze Läutekorn. Jedenfalls
musste die Gemeinde sich gesträubt haben, dieses zu entrichten, denn im
Jahre 1843 Uhr führte der hiesige Dorflehrer Dawin einen Prozess um dieses
Läutekorn. Dieser musste zu Ungunsten der Gemeinde entschieden sein, denn
sie zahlt die Prozesskosten. Wie lange die Verpflichtung der Gemeinde,
Läutekorn zu entrichten, bestanden, ist Schreiber nicht bekannt.
Nun zurück zur Synagoge. Wie gesagt, 1842 wurde der Umbau endlich ausgeführt
und im selben Jahre beendet. Die Einweihung konnte am 5. November vor sich
gehen. Über die Feierlichkeit selbst habe ich nichts erfahren können. Die
Weiherede hielt der Lehrer Gutkind aus dem Nachbarstädtchen
Zierenberg und bekam dafür zwei
Kronentaler, das Ist drei Thaler 2 gute Groschen. Zur Zahlung dieses
Betrages musste auch Genehmigung seitens des Kreisamtes eingeholt werden.
Zur Einweihung hatten sich jedenfalls recht viele Fremde eingefunden. Laut
Spendenliste, welche beim Aufrufen zur Tora geschnodert hatten, waren Gäste
aus Herleshausen,
Niedermeiser,
Liebenau,
Helmarshausen,
Oberlistingen,
Kassel,
Sielen, Grebenstein,
Zierenberg,
Lengsfeld, Ostheim, Koerbecke,
Rösebeck, Daseburg, Hofgeismar und
Mansbach hier. An Spendengeldern kamen
ein 33 Taler 13 Albus.
Die gesamte Ausgabe für den Umbau und die Einrichtung betrug 1342 Taler 24
Silbergroschen 8 Heller, und es wurden 26 Thaler, 24 Silbergroschen 10
Heller überzahlt. Zur Erinnerung an die Erbauer der Synagoge und die
damaligen Gemeindeältesten wurde an dem Gebäude eine eichene Bohle
angebracht, in welche künstlerisch eingeschnitzt war: Zur Ehre Gottes und
unter seinem Beistande wurden von der israelitischen Gemeinde unter den
Gemeindeältesten Neuhahn und Katzenstein der Bau der Synagoge aufgeführt am
1. Juni 1842. |
Leider
wurde bei einer späteren Renovierung diese Inschrift entfernt und
zerschnitten. Vielleicht hat man den Ruhm, den sich die genannten Herren
damals erworben, damit vergessen machen wollen. Zugleich mit dem Umbau
wurden seinerzeit auch das rituelle Bad gebaut.
Es wird vielleicht auch interessieren, zu hören, dass hier damals das
bekannte Schulenrufen üblich war. Bist zum Jahre 1869 bestand diese
Gebrauch. Nur zu den Selichot-Tagen und den zehn Bußtagen, da man vor
Tagesgrauen das Gotteshaus aufsucht, ließ man sich vom Schames
(Synagogendiener) auch noch später, vielleicht zehn bis fünfzehn Jahre,
rufen.
In den folgenden Jahren nach der Einrichtung der Synagoge wurde auch das
Schullokal und die Lehrerwohnung im selben Gebäude eingerichtet. Der
Vollständigkeit halber soll auch erwähnt werden, dass sich im westlichen
Teil des Gebäudes ein Backofen zum Mazzothbacken befand. Es wurden
hier alljährlich die Mazzoth gebacken, und zwar nicht nur von den hiesigen
Gemeindemitgliedern, auch Auswärtige benutzten den Backofen alljährlich
gegen Entgelt. Dass sich bei dem Backen manchmal auch unerfreuliche Szenen
abgespielt haben, wussten alte Leute noch zu erzählen. Von dem Backofen und
der Einrichtung ist nichts mehr da. Ein kleiner Brand zerstörte einst die
Einrichtung. Frühzeitig wurde das Feuer von einem Nachbar bemerkt - und
Wohnung, Schule und Synagoge blieben verschont.
Die Schulchronik, die von meinem verstorbenen Vorgänger angelegt wurde,
meldet, dass vor 30 Jahren die Synagoge erfreulicherweise einen Holzfußboden
erhielt statt der Steinplatten. Dass dieses im Winter besonders angenehm
empfunden wurde, lässt sich denken. Bis heute kann der Betraum noch nicht
geheizt werden. Man hat die Ausgaben dafür stets mit der Motivierung
abgelehnt, weil es immer so gewesen sei, oder wie der gewöhnliche Ausspruch
lautet: es ist aulom woed (seit ewiger Zeit) so gewesen.
Die Mittel für das Legen des Fußbodens hat ein ehemaliger Meimbresser, der
in Cumberland in Amerika wohnte, Herr Simon Rosenbaum seligen Andenkens, auf
Anregung des damaligen Lehrers Hammerschlag zur Verfügung gestellt. Fünf
Jahre später wurde auch das Innere der Synagoge renoviert. Die Mittel dazu
stellten zwei Brüder des oben genannten Herrn ebenfalls in Amerika zur
Verfügung.
Heute hat das Synagogengebäude ein schmuckes Aussehen. In den beiden letzten
Jahren wurden gründliche Reparaturen und Verbesserungen vorgenommen. In
diesem Blatt wurde seinerzeit darüber ausführlich berichtet." |
Über die Synagoge im Wohnhaus des Michael Kugelmann
(1712; ergänzender Artikel von 1927)
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und
Waldeck" vom 28. November 1927: "Meimbressen. Von Herrn Lehrer
Horwitz erhalten wir zu dem Artikel des Herrn Lehrer Löwenstein über
die Synagoge in Meimbressen noch nachstehende Notiz: Jakob Kugelmann, Sohn
des Michael Kugelmann, hatte im Jahre 1712 ein Wohnhaus mit Synagoge und
Garten. Er war damals 77 Jahre alt, wohlhabend, aber ganz blind. Jakob war
auch wohlhabend, handelte mit Waren, Pferden und schlachtete, war
gegen jeden höflich, bescheiden, redlich und aufrichtig. Er war mit der
Tochter von Joseph Katz verlobt. Das Leumundszeugnis ist unterschrieben von
Johannes Krug, Johann Martin Becker, Karl Battenhausen (Bauermeister),
Johann Heinrich Reichhart, Heinrich Homburg, Vorsteher. " |
Weiterer Beitrag zur Synagogengeschichte von Lehrer
Löwenstein (1931)
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und
Waldeck" vom 29. Mai 1931: "Altes aus der Gemeinde
Meimbressen. Von Lehrer Löwenstein.
In diesem Jahr sind es 100 Jahre, dass die damalige jüdische Gemeinde ein
Grundstück mit Gebäude (Bauernhof) erworben, um dieses zu einer Synagoge und
eventuell später zur Schule und Lehrerwohnung umzubauen. Es ist zwar nicht
ganz richtig, wollte man sagen: die jüdische Gemeinde hätte das Grundstück
erworben; es waren von den damals vielleicht 25 Familien nur 16 namentlich
aufgezählten Mitglieder, die als Käufer eingetragen wurden und somit als
Eigentümer galten. Auf den Namen Rosenbaum und Genossen stand das Grundstück
mit Gebäude bis vor wenigen Jahren. Die Gemeinde als ganze hatte natürlich
das Nutzungsrecht, das grundbuchlich eingetragen war: musste sie ja auch den
Umbau und alle späteren Reparaturen bestreiten. Auf Betreiben des
Vorsteheramtes der Israeliten in Kassel wurde vom Amtsgericht in Grebenstein
am 21. Mai 1928 das Aufgebot zur Ausschließung des Eigentümers der im
Grundbuch eingetragenen Grundstücke erlassen. Da kein rechtsgültiger
Einspruch erhoben wurde, ist nunmehr die Synagogengemeinde Meimbressen
Eigentümer geworden." |
Hier
möchte ich nebenbei bemerken, dass es wohl auch anderwärts vorgekommen ist,
dass nicht die Synagogengemeinde Erbauer ihres Gotteshauses und somit nicht
Eigentümer war. In meiner früheren Gemeinde, Bremke, Landkreis
Göttingen, die seinerzeit über 40 Familien zählte und einen sehr guten Ruf
hatte - es wirkten unter anderem dort der selige Friedländer als Lehrer und
Chassen, der von dort einen Ruf an die Hirsch'sche Synagoge in Frankfurt am
Main erhielt, ferner ein Lehrer Frank, der sich als Schriftstellers später
sehr betätigte - hat ein dortiger Landwirt auf seinem Grundstücke für die
Gemeinde eine Synagoge gebaut und bekam dafür einen jährlichen Pachtzins von
63 Mark, außerdem 75 Pfennig jährlich für Anzünden und Auslöschen der
Lichter an Sabbaten und Feiertagen. Dieses Vertragsverhältnis war unkündbar
und besteht heute noch.
Nun zurück zur hiesigen Synagoge: wenn auch jetzt 100 Jahre seit dem Kauf
verflossen sind, so kann, abgesehen von den trüben Zeitverhältnissen von
einem Jubiläum überhaupt keine Rede sein. Denn, lange dauerten die
Verhandlungen, die das erworbene Gebäude seiner Bestimmung entgegenführten.
Jedenfalls machte die Beschaffung des Geldes die größte Schwierigkeit. Es
vergingen noch über elf Jahre, bis eine Gemeindesynagoge erbaut war.
Privatbetstuben bestanden hier schon seit alters her. Die Gemeinde gehört
jedenfalls mit zu den ältesten in Hessen. Die Adeligen auf dem hiesigen
Rittergute, Wolf von Gutenberg, haben schon sehr früh Schutzjuden
aufgenommen. Herr Lehrer Horwitz (Kassel) teilte mir mit, dass es in einer
Akte im Staatsarchiv Marburg heißt: 1772 Jakob Kugelmann, Sohn des Michael
Kugelmann, hatte ein Wohnhaus mit Synagoge und Garten; er war damals 77
Jahre alt. Später war eine solche Privatsynagoge im Hause eines Moses
Goldwein, bis 1842.
Um die Errichtung einer jüdischen Volksschule sind jahrelange
Verhandlungen gepflegt worden, die 1844 zum Abschluss gelangten. Es war
allerdings schon ein Wolf Katz als Lehrer und Schächter hier tätig, der
unter dem Namen 'Rebbe' heute noch fortlebt. Dieser mag schon seit Anfang
des 19. Jahrhunderts hier tätig gewesen sein. Die Gemeinde war Ende des 18.
Jahrhunderts kleiner als heute. Aus einer alten Dorfchronik habe ich
festgestellt: 1794 waren hier 12 Schutz- und Handelsjuden, 14 Weiber,
darunter zwei Witwen, 13 Söhne und 11 Töchter.
Aus dem Kirchenbuche der Pfarrei Ehrsten, zu der auch Meimbressen gehört,
habe ich festgestellt, dass schon im Jahre 1775 und früher die hiesige
Judenschaft einen 'Schulmeister' hatte. Es muss aber zwischen beiden kein
gutes Verhältnis bestanden haben. Das geht aus einer Notiz im Kirchenbuch
hervor, die ich wörtlich folgen lasse:
Ehrsten, den 10. März 1775. Erschien der gewesene Meimbresser
Judenschulmeister Hirzlich Daniel und bekannte, dass er an die Judenschaft
daselbsten wegen seiner Verstoßung fordere 194 Reichsthaler. Weil ihm nun
der Rabbiner diese Forderung abgesprochen, er aber an die fürstlich
hessische Regierung appelliert und nunmehr außer Landes ziehen wollte, so
drehte er diese ganze Schuldforderung ausschließlich ausschließlich 6
Reichsthaler Prozesskosten, so er bar ausgelegt hatte, zum Ersther
Kirchenbau und die Hälfte an die christlichen Armen ab und dass dieses seine
Willenserklärung sei, solches bekräftige er mit seiner eigenständigen
Namensunterschrift. Hirzlich Daniel.
Wie die Angelegenheit ausging, ob die Kirchenkasse die für die damalige Zeit
sehr hohe Summe, vereinnahmt hat, kann nicht festgestellt werden, ebenso
wenig, um was der Streit sich gedreht hat. Jedenfalls dürfte es trotz Ben
Akiba einzig dastehen, dass ein jüdischer Lehrer seine Forderung an die
jüdische Gemeinde einer Kirchengemeinde zu Restaurierung der baufälligen
Kirche überweist. Der damalige Rabbiner in Kassel, der dem Lehrer die
Forderung abgesprochen, war Hirsch Naftali von Kirchheim, der von 1754 bis
1779 - Amt begleitete, dem dann ein Josef Michel Kugelmann, gebürtig von
hier, folgte." |
Beim Novemberpogrom 1938 wurde der
Innenraum der Synagoge und die Schule vollständig zerstört, die Torarollen und
die Kultgegenstände wurden in die Nebel geworfen. Nach 1945 erfolgte ein
Teilabbruch des ehemaligen jüdischen Gemeindezentrums: 1949 wurde der Teil mit
dem Synagogenteil abgebrochen, 1970 der Teil mit der Schule.
1988 wurde ein Gedenkstein für die ehemalige Synagoge aufgestellt
mit dem Text: "Aus der Tiefe rufe ich, Herr, zu Dir. Herr, höre meine
Stimme. Ps. 130,1 und 2. Hier stand die Synagoge der Jüdischen Gemeinde
Meimbressen (November 1842 - November 1938). Dieses Gotteshaus wurde am 10.
November 1938 durch nationalsozialistische Gewalttäter zerstört. Juden wurden
vertrieben verschleppt und getötet. Dieses Unrecht wird nicht vergessen. Herr,
vergibt uns unsere Schuld. Meimbressen, November 1988. Die politische Gemeinde
Calden. Die evangelischen Kirchengemeinden der Gemeinde Calden. Die katholische
Kirchengemeinde Calden-Grebenstein."
Adresse/Standort der Synagoge: An der
Nebelbeeke 3 1932:
Ortsstraße 87.
Fotos
(Quelle: oberes Fotos aus Arnsberg Bilder S. 148 bzw.
Fremde im eigenen Land s.Lit. S. 103; Foto
1986 und Plan aus Altaras 1988 S. 44, Foto 1990 Heimatgeschichtlicher Wegweiser
S. 73; neuere Fotos: Hahn, Aufnahmedatum 16.6.2008)
Historische Aufnahme der
Synagoge
(um 1927) |
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Blick auf das
Synagogengebäude |
Innenansicht, links der
Toraschrein |
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Teilabbruch des Gebäudes
-
dargestellt auf Plan |
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Der Plan zeigt das
ehemalige Synagogengebäude, die abgebrochenen Teile und die übrig
gebliebene Mitte des Synagogengebäudes, die zu einem Wohnhaus umgebaut
wurde. |
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Das Wohnhaus nach dem
Teilabbruch
des Synagogengebäudes
(1986/1990) |
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Am Bildrand rechts der 1988
aufgestellte Gedenkstein |
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Das o.g. Wohnhaus im Juni
2008
und der Gedenkstein |
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Der Gedenkstein - zum Text
siehe oben |
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Rechts: die im Stadtmuseum
Hofgeismar ausgestellte
Goethe-Ausgabe war ein Bar-Mitzwa Geschenk des
Lehrers
Herbold Löwenstein für Sally Frankenberg, Meimbressen 1919
(Stadtmuseum
Hofgeismar) |
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Erinnerungsarbeit
vor Ort - einzelne Berichte
April 2010:
Die Verlegung von "Stolpersteinen" ist
geplant |
Artikel in der "Hessischen
Allgemeinen" (hna.de) vom 24. April 2010 (Artikel):
"Erinnerung an jüdische Mitbürger wach halten. Stolpersteine gegen das Vergessen.
Hofgeismar. Mit so genannten Stolpersteinen soll die Erinnerung an ermordete jüdische Mitbürger in mehreren Kommunen im Landkreis Kassel wachgehalten werden.
Noch in diesem Jahr sollen in Grebenstein,
Calden, Immenhausen und Espenau die ersten Steine verlegt werden..." |
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Juli 2019:
Verlegung der ersten
"Stolpersteine" in Meimbressen |
Mitteilung vom Juli 2019: "Geschichtsverein
Meimbressen e.V. Calden. Verlegung der ersten zwei STOLPERSTEINE in
Meimbressen - zur Erinnerung an die Eheleute Salomon und Rosalie Loewenstein
- Information für alle geschichtlich Interessierten in Meimbressen und
den Ortsteilen von Calden!
Die öffentliche Verlegung der STOLPERSTEINE findet am Dienstag, den 16. Juli
2019 um 16:00 Uhr in Meimbressen, Hauptstraße 19, statt. In diesem Haus
haben die am 7. Juli 1944 in Auschwitz ermordeten Eheleute Salomon und
Rosalie Loewenstein, geb. Adler, einst mit ihren sechs Kindern gelebt. Der
Künstler, Herr Gunter Demnig, kommt nach Meimbressen und wird die
Gedenksteine persönlich in den Gehweg einlegen. Dabei sein werden auch
Angehörige der Familie Loewenstein, die aus Deutschland, England/UK und den
USA anreisen und Meimbressen besuchen.
Im Anschluss an die Verlegung findet eine 'Stunde der Erinnerung und des
Gedenkens' im nahegelegenen Gasthaus Bornmann statt. Herr Peter Loewenstein
wird über das Schicksal seiner Großeltern Salomon und Rosalie Loewenstein
und ihren Kindern berichten. Grußworte des Bürgermeisters Mike Mackewitz,
des Landrats Uwe Schmidt und der Bundestagsabgeordneten Esther Dilcher sind
vorgesehen. Es besteht auch Gelegenheit für persönliche Gespräche.
Historische Dokumente und Fotos werden gezeigt." |
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Juli 2023:
Nachfahren der Familie Goldwein in
Meimbressen |
Artikel
von Dorina Binienda-Beer in der "Hessischen Allgemeinen" (hna.de) vom 21.
Juli 2023: "Auf den Spuren von Hilde und Ruth. Nachkommen der jüdischen
Familie Goldwein sahen sich in Meimbressen um..."
Zum Lesen des Artikels bitte Textabbildung anklicken.
Englische Übersetzung (pdf-Datei) |
|
Links und Literatur
Links:
Quellen:
Literatur:
| Umfassende Literaturhinweise siehe bei Michael
Dorhs [Zsst.]: Bibliographie zur Kultur und Sozialgeschichte der
Jüdinnen und Juden im Bereich der alten Landkreise Hofgeismar, Kassel,
Wolfhagen und in der Stadt Kassel. Ausführliche Zusammenstellung. 200 S.
Eingestellt als pdf-Datei (Stand
November 2023). |
| Paul Arnsberg: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang -
Untergang - Neubeginn. 1971. Bd. II S. 64-67. |
| ders.: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Bilder -
Dokumente. S. 148. |
| Thea Altaras: Synagogen in Hessen. Was geschah seit
1945? 1988 S. 44-45. |
| dies.: Das jüdische Rituelle Tauchbad und: Synagogen in
Hessen. Was geschah seit 1945 Teil II. 1994. S. 44-45. |
| Studienkreis Deutscher Widerstand (Hg.):
Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der
Verfolgung 1933-1945. Hessen I Regierungsbezirke Gießen und Kassel. 1995 S. 72-73. |
| Pinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish
Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany Volume
III: Hesse - Hesse-Nassau - Frankfurt. Hg. von Yad Vashem 1992
(hebräisch) S. 507-508. |
| Fremde im eigenen Land. Beiträge zur Kultur- und
Sozialgeschichte der Juden in den alten Kreisen Hofgeismar, Kassel,
Wolfhagen und in der Stadt Kassel. Hofgeismar 1985 S. 103 und passim. |
| Michael Dorhs: Zweimal "Hölle" und zurück. Das
beschädigte Leben von Flory und Marga Goldwein aus Meimbressen. In: Jahrbuch
2022 des Kreises Kassel. S. 62-67. Eingestellt
als pdf-Datei.
Zugänglich auch über
https://www.hofgeismar.de/museum-hofgeismar/sammlungen/geschichte/juedische-kultur-in-nordhessen/
Englische Übersetzung: "Hell" and back twice. The damaged life of Flory
and Marga Goldwein from Meimbressen.
Eingestellt als pdf-Datei. |
| Michael Dorhs: "Ecken-Levis Ludi" und sein Weg in
die Freiheit. Vom Überleben des Louis Goldwein (1922-2003) aus Meimbressen.
In: Jahrbuch 2021 Landkreis Kassel S. 92-98.
Eingestellt als pdf-Datei |
| Englische Übersetzung: "Ecken-Levis Ludi" and his way
to freedom. On the survival of Louis Goldwein (1922-2003) from Meimbressen.
Eingestellt als pdf-Datei. |
| Presseartikel von Bernd Schünemann in hna.de vom 6.
Dezember 2021: "1700 Jahre Juden in Deutschland. Blick in die jüdische
Geschichte Hofgeismars. Vom Nachbarn zum Nazi-Opfer...". |
| Michael Dorhs: Die Meimbresser Juden und ihr
Schicksal in der Nazi.-Zeit - Ein Langzeit-Forschungsprojekt des
Stadtmuseums Hofgeismar. In "Aus Stadt und Land". Mitteilungen des Vereins
für hessische Geschichte und Landeskunde 1834 e.V. N. 62 Juli 2021 S. 62-65.
Artikel
eingestellt als pdf-Datei.
Zugänglich auch über
https://www.hofgeismar.de/museum-hofgeismar/sammlungen/geschichte/juedische-kultur-in-nordhessen/ |
| ders.: Das traurige Ende eines Dorfschulmeisters. Herbold
Löwenstein (1872-1944) aus Meimbressen. In: Jahrbuch 2023 Landkreis Kassel
(hrsg. vom Kreisausschuss. Kassel 2022. S. 58-62).
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| ders.: "Schau Dir an, was diese heute Abend hier
treiben". Der Novemberpogrom im Meimbressen 1938. In: Jahrbuch 2023
Landkreis Kassel (hrsg. vom Kreisausschuss. Kassel 2022 S. 63-68).
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| ders./Ernst Klein: 600 Jahre jüdische Kultur und
Geschichte - Eine Meimbresser Initiative für aktives Erinnern.
Veröffentlicht im Jahrbuch 2024 Landkreis Kassel S. 69.
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Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Meimbressen
(now part of Calden) Hesse-Nasseau. Survivors of the Chmielnicki massacres
of 1648-49 reinforced the community, which adopted their Polish rite and customs.
The community had a large burial ground and established a synagogue in 1842. It
maintained an elementary school (1844-1934) and numbered 134 (18 % of the total)
in 1861. Affiliated with Kassel's rabbinate, it declined to 51 in 1933. The
interior of the synagogue was destroyed on Kristallnacht (9-10 November
1938) and by 1939 all the Jews had left, 33 emigrating. At least 15 perished in
Nazi camps.
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