Baisingen Friedhof 154.jpg (62551 Byte)  Segnende Hände der Kohanim auf einem Grabstein in Baisingen


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Niederbieber mit Segendorf (Stadt Neuwied, Kreis Neuwied) 
und Datzeroth (VG Waldbreitbach, Kreis Neuwied)
Jüdische Geschichte / Synagoge 

Übersicht:  

bulletZur Geschichte der jüdischen Gemeinde  
bulletBerichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde  
Allgemeine Berichte
Anzeigen   
bulletZur Geschichte der Synagoge   
bulletFotos / Darstellungen  
bulletErinnerungsarbeit vor Ort - einzelne Berichte  
bulletLinks und Literatur   

   

Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde   
   
In Niederbieber bestand eine kleine jüdische Gemeinde bis Anfang des 20. Jahrhunderts, zu der auch die in Datzeroth und Segendorf lebenden jüdischen Personen gehörten. Die Entstehung der Gemeinde geht in das 18. Jahrhundert zurück.   
  
1781 lebten sechs jüdische Familien in Niederbieber: Bermann Bendix handelte mit altem Eisen. Moses Abraham und Sender Moyses waren Schlächter. Jacob Bock handelte ausschließlich mit Honig (Wachs), desgleichen sein Sohn Isaac Bock. Isaak Marcus war Viehhändler.   
   
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner wie folgt: in Niederbieber 1858 27 jüdische Einwohner, 1895 16, 1905 vier jüdische Familien. In Segendorf 1858 13, 1895 drei jüdische Einwohner. 
   
An Einrichtungen bestanden eine Synagoge (s.u.) und ein Friedhof, der zentraler Friedhof für die in der Umgebung (vor allem auch in Neuwied) lebenden jüdischen Familien war.     
  
1926 wurden in Niederbieber und Segendorf zusammen 26 jüdische Einwohner gezählt. Nach 1933 sind die meisten von ihnen auf Grund der Folgen des wirtschaftlichen Boykotts, der zunehmenden Repressalien und der Entrechtung weggezogen beziehungsweise ausgewandert. Beim Novemberpogrom 1938 wurde die Synagoge zerstört (s.u.).  
     
Von den in Niederbieber geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Beny Kahn (1882), Amalie Mayer (1857), Berta Mayer geb. Salomon (1869), Salomon Mayer (1880), Hedwig Mendel geb. Mayer (1899), Moritz Mendel (1890), Elisa Salomon geb. Oster (1887), Hermine Salomon geb. Gerdstein (1866), Olga Salomon geb. Abraham (1886), Robert Salomon (1885), Rudolf Salomon (1880), Salomon Sander (1866).
   
Aus Segendorf sind umgekommen: Beny Kahn (1882), Egon Mayer (1934), Renate Mayer (1931), Hedwig Mendel geb. Mayer (1899).      
      
Für mehrere der aus Niederbieber umgekommen Personen wurden inzwischen "Stolpersteine" verlegt: Karoline Bermann geb. Jonas (Engerser Straße 13), Amalie Mayer und Berta Mayer (Am Kirchberg zwischen 1 und 3),  Olga Salomon geb. Abraham und Robert Salomon (Wiedbachstraße 5), Elisa Salomon geb. Oster und Rudolf Salomon (Hammergraben 5).   
    
    
    
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde 
 
Allgemeine Berichte  
Erinnerungen an Neuwied, Oberbieber und Segendorf und das Schloss Monrepos in einem Artikel im "Jüdischen Familienblatt" 1892
Anmerkung: zu Schloss Monrepos und seiner Geschichte (auch zum "Segenhaus"):  https://de.wikipedia.org/wiki/Schloss_Monrepos_(Neuwied)
Zu Segendorf:  https://de.wikipedia.org/wiki/Segendorf        

Artikel im "Jüdischen Familienblatt" Nr. 45 1892 - Auszug aus einem Beitrag "Bildchen aus der Reisemappe": "Überraschend schön erweitert sich doch das von hohen Bergen eingefasste enge Rheintal zu einer schönen, fruchtreichen Ebene, in welcher vor noch nicht zweihundert Jahren die schöne Stadt Neuwied erbaut wurde, als Freistadt im schönsten Sinne des Wortes. Mehr noch als über die herrliche Gegend und schöne Stadt muss sich das Herz eines jeden Menschen froh darüber, heben, dass der edle Fürst Alex von Neuwied diese seine Residenz in einer Zeit schlimmer Glaubensverfolgungen allen wegen ihres Bekenntnisses anderswo Verfolgten zum Schutze und zur freien Religionsausübung öffnete. Seitdem wohnen, dort in schönster Eintracht zusammen Protestanten, Lutheraner, Katholiken, Herrrnhuter, Mennoniten etc. und Juden.
Diese (sc. die Juden) bilden eine ansehnliche, wohlgeordnete Gemeinde, welche vieles Treffliche an Einrichtung und Institutionen dem vor einigen Jahren verstorbenen Vorsteher Adolph Reinach verdankt.
Dieser war ein vielseitig gebildeter, hochherziger Mann, hoch geachtet bei seinen Mitbürgern, deren Bestes er viele Jahre im Stadtrate vertrat; er förderte das Gute und Schöne nicht nur in seiner Gemeinde, auch auswärtige Anstalten der Wohltätigkeit oder Bildung in Israel fanden in ihm einen warmen Gönner und Vertreter. So hatte das Max Haindorf'sche (israelitische) Lehrerseminar in Münster an ihm einen einfluss- und erfolgreichen Geschäftsführer, der aus seinem Kreise der Anstalt dankenswerte Beiträge zuzuwenden sich bemühte. — Solcher edler Männer bedarf Israel.
In einer Entfernung von etwa einer Stunde liegt nordöstlich von der Stadt malerisch auf bewaldeter Höhe das Schloß Monrepos. Hier verlebte die königliche Dichterin Carmen Sylva (Königin von Rumänien) ihre Jugend; und sie bewährt sich in ihren Dichten, durch ihre Werke der Menschenliebe als edler Sprössling des hochsinnigen, toleranten Fürstengeschlechtes der Wied- Neuwieder«. — Israel soll seiner Wohltäter, seiner Beschütz« und all« wahren Menschenfreunde dankbar gedenken. .     Treu - Münster."    
 
Artikel im "Jüdischen Familienblatt" Nr. 46 1892 S. 82: "Einige Lichtblicke zum letzten 'Bildchen aus der Reisemappe'.
Die Bildchen aus der Reisemappe meines verehrten Lehrers haben gewiss viele Leser dieses Blattes interessiert; mich ganz besonders die Schlusssätze des letzten, worin Herr Treu mit großer Wärme meiner Heimat Neuwied, des unvergesslichen Reinach und der fürstlichen Familie gedenkt.
Ja, die Toleranz des Fürsten zu Wied ist eine historische Tatsache; doch weniger bekannt dürfte es sein, dass die Fürstin Mutter zu Wied, Schwester der Königin von Schweden, jüdische Frauen mit ihrer Freundschaft beehrte. Häufig hat man mir in meiner Jugend erzählt, dass sie die sel. Frau Frommet Löb in Segendorf nicht nur öfters besuchte, um mit dieser jüdischen Frau — sie war ein eschet chajal (tüchtige Frau) im besten Sinne des Wortes - sich zu unterhalten, nein, ab und zu sei sie auch am Pessachfeste erschienen, um die Mazzoth zu probieren. Ebenso stand die Fürstin mit der sel. Frau Rosa Götzel, welche jahrelang Vorsteherin des Vaterländischen Frauenvereins war, (Kaiser Wilhelm zeichnete sie 1891 sogar mit dem Orden für Nichtcombattanten aus) freundschaftlichem Verkehr. Oft genug sah man die beiden, um die Neuwieder Wohltätigkeitsanstalten hochverdienten Frauen ratend und tatend beisammen. Unvergesslich geblieben sind mir die Beileidsschreiben, welche die fürstliche Mutter nebst ihrer königlichen Tochter an den Vorsteher Reinach und die trauernde Familie richteten, als Frau Rosa Götzel, die Freundin der Fürstin, aus der Reise nach Essen begriffen, in Köln plötzlich vom Tode ereilt wurde.
Soweit mir bekannt, sind die jüdischen Lehrer Neuwieds stets zu den Hoffestlichkeiten geladen; ja, ein Londoner Gelehrter, Dr. Seligmann, aus Oberbieber gebürtig, folgte oftmals der speziellen Einladung des Fürsten und hielt auf dessen Anregung im Schlosse zu Neuwied literarisch-historische Vorträge, welche sich großen Beifalls erfreuten.
Am Hofe der Fürstin Mutter, in Segenhaus, weilte viele Jahre Freiherr von Roggenbach, ein intimer Freund des Großherzogs von Baden und weiland Kaiser Friedrichs, und fast will es mir scheinen, als ob die toleranten Ideen des Wiedschen Hofes hier und dort ein freudiges Echo gefunden! Erwähnt sei noch, dass man in den Werken Carmen Sylva's nicht selten biblischen Stoffen in poetischem Gewand begegnet. Augenblicklich weilt die hohe Dichterin wieder in Segenhaus bei ihrer Mutter von ihrem hartnäckigen Leiden Genesung
Anm. Zu diesem Buche wird die Stelle der Bergpredigt (Ev. Matthäi 5.6), in welcher es irrtümlich lautet: 'Du sollst Deinen Nächsten lieben und Deinen Feind hassen', welcher Nachsatz im alten Bunde (Levit 19,18) fehlt, damit motiviert, dass Exodus 32,22 fälschlich die zweite für die erste Person weiwta gelesen worden ist. - Liest man aber weahawta ('Du sollst deinen Feind lieben'), so sind versöhnt das alte und das neue Testament."     
erhoffend. Diesem Wunsche verdankt nachstehendes Gedicht seine Entstehung; möge es bald sich erfüllen!
An Carmen Sylvah
Nun hast Du Deine Ruhe wieder.
Bist nun bei Mütterchen daheim —
Nun sing' auch wieder Waldeslieder.
Leicht fügt sich Dir ja Reim zu Reim!

Fern bist Du jetzt vom Weltgetriebe,
Nun ruhe Dich gehörig aus
am Mutterherzen - Mutterliebe
wirkt wunderbar in Segenhaus.

Wo Du nur weilest, da ist Segen,
in jedem Dorf am Wied'schen Bach;
Aufjubelnd sieht man Dir entgegen,
Beglücket schaut Dir jeder nach.
Ach, mich ergreifet Sehnsuchtsfieber,
Denk ich an's traute Wiedbachtal,
An Segendorf und Niederbieber
Und auch an Monrepos zumal.

Hier hört' ich einst die Blätter rauschen.
Hier kannt' ich jeden Weg und Baum.
Hier saß ich oft in stillem Lauschen
Und träumte süßen Jugendtraum.

Hier sangest Du de schönsten Lieder,
Und nannt'st sie sinnig: 'Meine Ruh'!
Hier singe nun und dichte wieder,
Und wieder ganz gesund wirst Du.
Essen, Ruhr    Jacob Kaufmann. " 

    
   
Anzeigen

Anzeige von Witwe Wolf aus Niederbieber (1896) 
   

Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 6. Juli 1896: "Ein junges Mädchen, welches den Haushalt anderweitig gelernt hat, sucht sofort in besserem Hause Stellung.
Gefällige Offerten an Frau Wwe. Wolf, Niederbieber."   

   
Anzeige von Robert Salomon aus Niederbieber (1923) 
   

Anzeige im "Israelitischen Familienblatt" vom 26. Juli 1923: "Jüdische Stütze
zur Entlastung meiner Frau für meinen Haushalt zum sofortigen Eintritt gesucht. Beste, zeitgemäße Entschädigung. Hausmädchen vorhanden. Angebote an
Robert Salomon, Niederbieber bei Neuwied/Rh."   

   
Anzeige von Mary Salomon aus Niederbieber (1923) 
   

Anzeige im "Israelitischen Familienblatt" vom 16. Juli 1936: "Perfekte Putzarbeiterin 
bisher in feinem Geschäft tätig  sucht per sofort Dauerstellung  
Mary Salomon, Niederbieber, Roonstraße 2. Kreis Neuwied."   

   
   
    
Zur Geschichte der Synagoge              
     
Über die Synagoge in Niederbieber liegen nur wenige Informationen vor. Im einem Haushaltsvoranschlag 1869 verzeichnet das "Kapital der Spezialgemeinde Niederbieber-Segendorf: Synagoge 1000 Taler / Das Bewegliche in der Synagoge 200 Taler". 
    
Beim Novemberpogrom 1938 wurde die Synagoge in Niederbieber durch Nationalsozialisten zerstört. Dabei wurde die Inneneinrichtung auf die Straße geworfen, die Torarollen und anderes Inventar verbrannt und das Dach des Gebäudes eingerissen.  
    
Im 27. Januar 2001 wurde am Standort der Synagoge ein Gedenkstein eingeweiht. Das Denkmal wurde mit Steinen errichtet, die von den Grundmauern der Synagoge stammen und auf dem Grundstück gefunden wurden. Die Inschrift der Gedenktafel lautet: "Zur Erinnerung und Mahnung. An dieser Stelle stand einst eine kleine jüdische Synagoge im Ausmaß von zirka 4 m x 8 m. In der Pogromnacht am 09. Nov. 1938 wurde dieses Gotteshaus von Nationalsozialisten zerstört, geplündert und später abgerissen. Mit dieser Gedenktafel soll an das geschehene Unrecht erinnert und ein Mahnzeichen für alle nachfolgenden Gegenrationen gesetzt werden, auf dass nach Gottes Willen alle Menschen an allen Orten ihren Glauben in Frieden leben können."      
    
    
Adresse/Standort der Synagoge            Backhausgasse         
    
    
Fotos
(Quelle: Artikel aus der Rhein-Zeitung vom 29.1.2001 s.u.; Foto von Uwe Oster)  

Gedenktafel für die ehemalige 
Synagoge an ihrem Standort  
Niederbieber Synagoge 130.gif (187738 Byte)  
     

  
  
Erinnerungsarbeit vor Ort - einzelne Berichte 

Januar 2001: Aufstellung eines Gedenksteines für die 1928 zerstörte Synagoge     
Artikel von Uwe Oster in der "Rhein-Zeitung" vom 29. Januar 2001: "Gedenkstein erinnert an Synagoge 
I
m Garten gefundene Steine gehörten einst zur Grundmauer des von Nazis geschändeten jüdischen Gotteshauses. 
Am Samstag, dem Gedenktag für die Opfer von Auschwitz, wurde in der Backhausgasse in Niederbieber ein Gedenkstein am ehemaligen Standort der jüdischen Synagoge eingeweiht. Zahlreiche Bürger nahmen an der Feier teil..."   Link zum Artikel siehe unter den Links   
  
  

         

        
Links und Literatur

Links:  

bulletWebsite der Stadt Neuwied   
bulletWebsite des Stadtteiles Niederbieber  mit Artikel von Uwe Oster aus der Rhein-Zeitung vom 29.1.2001 zur Einweihung des Gedenksteines für die Synagoge 
bulletÜbersicht zu den in Neuwied und Umgebung verlegten "Stolpersteinen"  (pdf-Datei)   

Literatur:  

bulletFranz Regnery: Jüdische Gemeinde Neuwied. Geschichte in Bildern und Dokumenten. Zeichen und Zeugen von damals und heute. Hg. vom Deutsch-Israelitischen Freundeskreis Neuwied. 1988.     
bulletDorothea Elisabeth Deeters: Sie lebten mit uns. Zur Geschichte der Wied-Neuwiedischen Landjuden, für die Zeit 1817-1942 dargestellt am Dorf und Synagogenbezirk Oberbieber. Neuwied-Oberbieber 1983.      
bulletLandesamt für Denkmalpflege Rheinland-Pfalz/Staatliches Konservatoramt des Saarlandes/ Synagogue Memorial Jerusalem (Hg.): "...und dies ist die Pforte des Himmels". Synagogen in Rheinland-Pfalz und dem Saarland. Mainz 2005. S. 288 (mit weiteren Literaturangaben).

  
  n.e.              

                   
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Stand: 06. Oktober 2024