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Zur Übersicht Synagogen im Kreis Neuwied
Niederbieber mit
Segendorf (Stadt
Neuwied, Kreis Neuwied)
und Datzeroth (VG Waldbreitbach, Kreis Neuwied)
Jüdische Geschichte / Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde
In Niederbieber bestand eine kleine jüdische
Gemeinde bis Anfang des 20. Jahrhunderts, zu der auch die in
Datzeroth und
Segendorf lebenden jüdischen Personen gehörten. Die Entstehung der Gemeinde
geht in das 18. Jahrhundert zurück.
1781 lebten sechs jüdische Familien in Niederbieber: Bermann Bendix
handelte mit altem Eisen. Moses Abraham und Sender Moyses waren Schlächter.
Jacob Bock handelte ausschließlich mit Honig (Wachs), desgleichen sein Sohn
Isaac Bock. Isaak Marcus war Viehhändler.
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner wie
folgt: in Niederbieber 1858 27 jüdische Einwohner, 1895 16, 1905 vier jüdische
Familien. In Segendorf 1858 13, 1895 drei jüdische Einwohner.
An Einrichtungen bestanden eine Synagoge (s.u.) und ein Friedhof,
der zentraler Friedhof für die in der Umgebung (vor allem auch in
Neuwied)
lebenden jüdischen Familien war.
1926 wurden in Niederbieber und Segendorf zusammen 26 jüdische Einwohner
gezählt. Nach 1933 sind die meisten von
ihnen auf Grund der Folgen des wirtschaftlichen Boykotts, der zunehmenden
Repressalien und der Entrechtung weggezogen beziehungsweise ausgewandert. Beim Novemberpogrom
1938 wurde die Synagoge zerstört (s.u.).
Von den in Niederbieber geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Beny Kahn (1882),
Amalie Mayer (1857), Berta Mayer geb. Salomon (1869), Salomon Mayer (1880), Hedwig Mendel geb. Mayer
(1899), Moritz Mendel (1890), Elisa Salomon geb. Oster (1887), Hermine Salomon geb. Gerdstein (1866),
Olga Salomon geb. Abraham (1886), Robert Salomon (1885), Rudolf Salomon (1880), Salomon
Sander (1866).
Aus Segendorf sind umgekommen: Beny Kahn (1882), Egon Mayer (1934), Renate
Mayer (1931), Hedwig Mendel geb. Mayer (1899).
Für mehrere der aus Niederbieber umgekommen Personen wurden inzwischen
"Stolpersteine" verlegt: Karoline Bermann geb. Jonas (Engerser
Straße 13), Amalie Mayer und Berta Mayer (Am Kirchberg zwischen 1 und 3),
Olga Salomon geb. Abraham und Robert Salomon (Wiedbachstraße 5), Elisa
Salomon geb. Oster und Rudolf Salomon (Hammergraben 5).
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Allgemeine Berichte
Erinnerungen an Neuwied, Oberbieber
und Segendorf und das Schloss Monrepos in einem Artikel im "Jüdischen
Familienblatt" 1892
Anmerkung: zu Schloss Monrepos und seiner Geschichte (auch zum
"Segenhaus"):
https://de.wikipedia.org/wiki/Schloss_Monrepos_(Neuwied)
Zu Segendorf:
https://de.wikipedia.org/wiki/Segendorf
Artikel
im "Jüdischen Familienblatt" Nr. 45 1892 - Auszug aus einem Beitrag
"Bildchen aus der Reisemappe": "Überraschend schön erweitert sich doch das
von hohen Bergen eingefasste enge Rheintal zu einer schönen, fruchtreichen
Ebene, in welcher vor noch nicht zweihundert Jahren die schöne Stadt
Neuwied erbaut wurde, als Freistadt im schönsten Sinne des Wortes. Mehr
noch als über die herrliche Gegend und schöne Stadt muss sich das Herz eines
jeden Menschen froh darüber, heben, dass der edle Fürst Alex von Neuwied
diese seine Residenz in einer Zeit schlimmer Glaubensverfolgungen allen
wegen ihres Bekenntnisses anderswo Verfolgten zum Schutze und zur freien
Religionsausübung öffnete. Seitdem wohnen, dort in schönster Eintracht
zusammen Protestanten, Lutheraner, Katholiken, Herrrnhuter, Mennoniten etc.
und Juden.
Diese (sc. die Juden) bilden eine ansehnliche, wohlgeordnete
Gemeinde, welche vieles Treffliche an Einrichtung und Institutionen dem vor
einigen Jahren verstorbenen Vorsteher Adolph Reinach verdankt.
Dieser war ein vielseitig gebildeter, hochherziger Mann, hoch geachtet bei
seinen Mitbürgern, deren Bestes er viele Jahre im Stadtrate vertrat; er
förderte das Gute und Schöne nicht nur in seiner Gemeinde, auch auswärtige
Anstalten der Wohltätigkeit oder Bildung in Israel fanden in ihm einen
warmen Gönner und Vertreter. So hatte das Max Haindorf'sche (israelitische)
Lehrerseminar in Münster an ihm einen einfluss- und erfolgreichen
Geschäftsführer, der aus seinem Kreise der Anstalt dankenswerte Beiträge
zuzuwenden sich bemühte. — Solcher edler Männer bedarf Israel.
In einer Entfernung von etwa einer Stunde liegt nordöstlich von der Stadt
malerisch auf bewaldeter Höhe das Schloß Monrepos. Hier verlebte die
königliche Dichterin Carmen Sylva (Königin von Rumänien) ihre Jugend; und
sie bewährt sich in ihren Dichten, durch ihre Werke der Menschenliebe als
edler Sprössling des hochsinnigen, toleranten Fürstengeschlechtes der Wied-
Neuwieder«. — Israel soll seiner Wohltäter, seiner Beschütz« und all« wahren
Menschenfreunde dankbar gedenken. . Treu - Münster."
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Artikel im "Jüdischen Familienblatt" Nr. 46 1892 S. 82: "Einige Lichtblicke
zum letzten 'Bildchen aus der Reisemappe'. Die Bildchen aus der Reisemappe meines verehrten Lehrers haben gewiss viele
Leser dieses Blattes interessiert; mich ganz besonders die Schlusssätze des
letzten, worin Herr Treu mit großer Wärme meiner Heimat Neuwied, des
unvergesslichen Reinach und der fürstlichen Familie gedenkt. Ja, die Toleranz des Fürsten zu Wied ist eine historische Tatsache; doch
weniger bekannt dürfte es sein, dass die Fürstin Mutter zu Wied, Schwester
der Königin von Schweden, jüdische Frauen mit ihrer Freundschaft beehrte.
Häufig hat man mir in meiner Jugend erzählt, dass sie die sel. Frau Frommet Löb in
Segendorf nicht nur öfters besuchte, um mit dieser
jüdischen Frau — sie war ein eschet chajal (tüchtige Frau) im besten
Sinne des Wortes - sich zu unterhalten, nein, ab und zu sei sie auch am
Pessachfeste erschienen, um die Mazzoth zu probieren. Ebenso stand die
Fürstin mit der sel. Frau Rosa Götzel, welche jahrelang Vorsteherin des
Vaterländischen Frauenvereins war, (Kaiser Wilhelm zeichnete sie 1891 sogar
mit dem Orden für Nichtcombattanten aus) freundschaftlichem Verkehr. Oft
genug sah man die beiden, um die Neuwieder Wohltätigkeitsanstalten
hochverdienten Frauen ratend und tatend beisammen. Unvergesslich geblieben
sind mir die Beileidsschreiben, welche die fürstliche Mutter nebst ihrer
königlichen Tochter an den Vorsteher Reinach und die trauernde Familie
richteten, als Frau Rosa Götzel, die Freundin der Fürstin, aus der Reise
nach Essen begriffen, in Köln plötzlich vom Tode ereilt wurde. Soweit mir bekannt, sind die jüdischen Lehrer Neuwieds stets zu den
Hoffestlichkeiten geladen; ja, ein Londoner Gelehrter, Dr. Seligmann, aus
Oberbieber gebürtig, folgte oftmals der speziellen Einladung des Fürsten und
hielt auf dessen Anregung im Schlosse zu Neuwied literarisch-historische
Vorträge, welche sich großen Beifalls erfreuten. Am Hofe der Fürstin Mutter, in
Segenhaus, weilte viele Jahre Freiherr von
Roggenbach, ein intimer Freund des Großherzogs von Baden und weiland Kaiser
Friedrichs, und fast will es mir scheinen, als ob die toleranten Ideen des Wiedschen Hofes hier und dort ein freudiges Echo gefunden! Erwähnt sei noch,
dass man in den Werken Carmen Sylva's nicht selten biblischen Stoffen in
poetischem Gewand begegnet. Augenblicklich weilt die hohe Dichterin wieder
in Segenhaus bei ihrer Mutter von ihrem hartnäckigen Leiden Genesung
Anm. Zu diesem Buche wird die Stelle der Bergpredigt (Ev. Matthäi 5.6), in
welcher es irrtümlich lautet: 'Du sollst Deinen Nächsten lieben und Deinen
Feind hassen', welcher Nachsatz im alten Bunde (Levit 19,18) fehlt, damit
motiviert, dass Exodus 32,22 fälschlich die zweite für die erste Person
weiwta gelesen worden ist. - Liest man aber weahawta ('Du sollst deinen
Feind lieben'), so sind versöhnt das alte und das neue Testament."
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erhoffend. Diesem Wunsche verdankt nachstehendes Gedicht seine Entstehung;
möge es bald sich erfüllen!
An Carmen Sylvah
Nun hast Du Deine Ruhe wieder.
Bist nun bei Mütterchen daheim —
Nun sing' auch wieder Waldeslieder.
Leicht fügt sich Dir ja Reim zu Reim!
Fern bist Du jetzt vom Weltgetriebe,
Nun ruhe Dich gehörig aus
am Mutterherzen - Mutterliebe
wirkt wunderbar in Segenhaus.
Wo Du nur weilest, da ist Segen,
in jedem Dorf am Wied'schen Bach;
Aufjubelnd sieht man Dir entgegen,
Beglücket schaut Dir jeder nach. |
Ach, mich ergreifet Sehnsuchtsfieber,
Denk ich an's traute Wiedbachtal,
An Segendorf und Niederbieber
Und auch an Monrepos zumal.
Hier hört' ich einst die Blätter rauschen.
Hier kannt' ich jeden Weg und Baum.
Hier saß ich oft in stillem Lauschen
Und träumte süßen Jugendtraum.
Hier sangest Du de schönsten Lieder,
Und nannt'st sie sinnig: 'Meine Ruh'!
Hier singe nun und dichte wieder,
Und wieder ganz gesund wirst Du.
Essen, Ruhr Jacob Kaufmann. "
. |
Anzeigen
Anzeige von Witwe Wolf aus Niederbieber (1896)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 6. Juli 1896: "Ein junges Mädchen,
welches den Haushalt anderweitig gelernt hat, sucht sofort in
besserem Hause Stellung.
Gefällige Offerten an Frau Wwe. Wolf, Niederbieber." |
Anzeige von Robert Salomon aus Niederbieber (1923)
Anzeige
im "Israelitischen Familienblatt" vom 26. Juli 1923: "Jüdische Stütze
zur Entlastung meiner Frau für meinen Haushalt zum sofortigen Eintritt
gesucht. Beste, zeitgemäße Entschädigung. Hausmädchen vorhanden. Angebote an
Robert Salomon, Niederbieber bei Neuwied/Rh." |
Anzeige von Mary Salomon aus Niederbieber (1923)
Anzeige
im "Israelitischen Familienblatt" vom 16. Juli 1936: "Perfekte
Putzarbeiterin
bisher in feinem Geschäft tätig sucht per sofort Dauerstellung
Mary Salomon, Niederbieber, Roonstraße 2. Kreis Neuwied." |
Zur Geschichte der Synagoge
Über die Synagoge in Niederbieber liegen nur wenige
Informationen vor. Im einem Haushaltsvoranschlag 1869 verzeichnet das
"Kapital der Spezialgemeinde Niederbieber-Segendorf: Synagoge 1000 Taler /
Das Bewegliche in der Synagoge 200 Taler".
Beim Novemberpogrom 1938 wurde die Synagoge
in Niederbieber durch Nationalsozialisten zerstört. Dabei wurde die
Inneneinrichtung auf die Straße geworfen, die Torarollen und anderes Inventar
verbrannt und das Dach des Gebäudes eingerissen.
Im 27. Januar 2001 wurde am Standort der Synagoge ein Gedenkstein
eingeweiht. Das Denkmal wurde mit Steinen errichtet, die von den Grundmauern der
Synagoge stammen und auf dem Grundstück gefunden wurden. Die Inschrift der
Gedenktafel lautet: "Zur Erinnerung und Mahnung. An dieser Stelle stand
einst eine kleine jüdische Synagoge im Ausmaß von zirka 4 m x 8 m. In der
Pogromnacht am 09. Nov. 1938 wurde dieses Gotteshaus von Nationalsozialisten
zerstört, geplündert und später abgerissen. Mit dieser Gedenktafel soll an
das geschehene Unrecht erinnert und ein Mahnzeichen für alle nachfolgenden
Gegenrationen gesetzt werden, auf dass nach Gottes Willen alle Menschen an allen
Orten ihren Glauben in Frieden leben können."
Adresse/Standort der Synagoge: Backhausgasse
Fotos
(Quelle: Artikel aus der Rhein-Zeitung vom 29.1.2001
s.u.; Foto von Uwe Oster)
Gedenktafel für die
ehemalige
Synagoge an ihrem Standort |
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Erinnerungsarbeit
vor Ort - einzelne Berichte
Januar 2001:
Aufstellung eines Gedenksteines für die 1928
zerstörte Synagoge |
Artikel von Uwe Oster in der "Rhein-Zeitung" vom 29. Januar
2001: "Gedenkstein erinnert an Synagoge
Im Garten gefundene Steine gehörten einst zur Grundmauer des von Nazis geschändeten jüdischen Gotteshauses.
Am Samstag, dem Gedenktag für die Opfer von Auschwitz, wurde in der Backhausgasse in Niederbieber ein Gedenkstein am ehemaligen Standort der jüdischen Synagoge eingeweiht. Zahlreiche Bürger nahmen an der Feier teil..."
Link zum Artikel siehe unter den Links |
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Links und Literatur
Links:
Literatur:
 | Franz
Regnery: Jüdische Gemeinde Neuwied. Geschichte in Bildern und
Dokumenten. Zeichen und Zeugen von damals und heute. Hg. vom
Deutsch-Israelitischen Freundeskreis Neuwied. 1988. |
 | Dorothea Elisabeth Deeters: Sie lebten mit uns. Zur
Geschichte der Wied-Neuwiedischen Landjuden, für die Zeit 1817-1942
dargestellt am Dorf und Synagogenbezirk Oberbieber. Neuwied-Oberbieber 1983.
|
 | Landesamt für Denkmalpflege Rheinland-Pfalz/Staatliches Konservatoramt
des Saarlandes/ Synagogue Memorial Jerusalem (Hg.): "...und dies
ist die Pforte des Himmels". Synagogen in Rheinland-Pfalz und dem
Saarland. Mainz 2005. S. 288 (mit weiteren Literaturangaben).
|
n.e.

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