Baisingen Friedhof 154.jpg (62551 Byte)  Segnende Hände der Kohanim auf einem Grabstein in Baisingen


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Völkershausen (VG Vacha, Wartburgkreis)
Jüdische Geschichte / Synagoge

Übersicht:  

Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde  
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde   
Berichte zu einzelnen Personen aus der Gemeinde   
Zur Geschichte der Synagoge   
Fotos / Darstellungen   
Links und Literatur   

   

Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde      
   
In Völkershausen bestand eine jüdische Gemeinde bis 1903. Ihre Entstehung geht in die Zeit des 16. Jahrhunderts zurück. Spätestens seit 1584 lassen sich Juden am Ort nachweisen, die von den Herren von Völkershausen als "Schutzjuden" aufgenommen worden waren. Namentlich genannt wird in Quellen von 1584, 1590 und 1591 Israel Sachs, Jude zu Völkershausen. 1602 gab es vier jüdische Familien am Ort. 
 
Im 17./18. Jahrhundert blieb die Zahl der jüdischen Familien ziemlich konstant: 1780 wurden fünf jüdische Familien gezählt.   

Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner wie folgt: 1861 57 jüdische Einwohner, 1895 33.  

An Einrichtungen bestanden eine Synagoge (s.u.), eine jüdische Schule (1834 errichtet, nach 1868/70 mit der jüdischen Schule von Vacha vereinigt; das Gebäude der jüdischen Schule stand auf dem Anwesen hinter der Synagoge Grundstück Friedensplatz 7) und ein rituelles Bad. Die Toten der Gemeinde wurden auf dem jüdischen Friedhof in Vacha beigesetzt, die letzten aus Völkershausen hier Bestatteten waren Therese und Meier Baumgart (geb. in Völkershausen, später nach Vacha verzogen).  
  
1903 erfolgte die Selbstauflösung der jüdischen Gemeinde. Nur noch zwei jüdische Familien waren damals am Ort, die sich am 21. August 1903 der Nachbargemeinde Vacha angeschlossen haben. Nach 1914 gab es keine jüdischen Personen mehr in Völkershausen.     
 
Im Ersten Weltkrieg fiel aus der jüdischen Gemeinde: Wilhelm Rothschild (geb. 19.9.1890 in Völkershausen, vor 1914 in Eisenach wohnhaft, gef. 13.7.1915)
.  
   
Von den in Völkershausen geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Benjamin Baumgart (1867), Jenny Baumgart (1892), Paula Dessauer geb. Baumgart (1899), Thekla Feinberg geb. Goldschmidt (1870), Berta Goldschmidt (1868), Josef Goldschmidt (1873), Mally Löbenstein geb. Rothschild (1895), Dora Maier geb. Goldschmidt (1871), Margarethe Rosenberg geb. Rothschild (1890), Hermann Rothschild (1898), Isidor Leopold Rothschild (1891), Max Rothschild (1893), Simon Rothschild (1886), Sara Schön (1853), Hedwig Speyer geb. Rosenberg (1874), Hermann Speyer (1870), Julius Speyer (1872).      
    
    
    
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde 
    
Berichte zu einzelnen Personen aus der Gemeinde  
 
Gerichtsverhandlungen gegen Kaufmann Salomon Rothschild in Völkershausen, weil er sich gegen ein antisemitisches Blatt wehrt (1894)        

Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 12. Januar 1894: "Vacha, 4. Januar (1894). Von hier schreibt man der 'Eisenacher Tagespost'. Der Kaufmann Sal. Rothschild in Völkershausen wurde am 15. November 1893 vom großherzoglichen Schöffengerichte Vacha unter Vorsitz des Herrn Ober-Amtsrichters Trautvetter zu einer Gefängnisstrafe von 14 Tagen und sämtlichen Kosten verurteilt, weil er am 29. Juli 1893 in der Lückert'schen Gastwirtschaft zu Völkershausen ersucht hatte, ein gerade aufliegendes Blättchen, genannt 'Thüringer Landbote', zu entfernen, weil in demselben 'Lügen stehen und der Redakteur des genannten, in Arnstadt erscheinenden Blättchens nicht aus dem Gefängnisse herauskomme'. Der letztgenannte Redakteur, Gottesleben, hatte hierauf die Privatklage wegen verleumderischer Beleidigung nach §§ 187 und 188 erhoben und vertrat dieselbe in obengenannter Schöffengerichtsverhandlung, worauf der Angeklagte Rothschild zu oben genannter Freiheitsstrafe verurteilt wurde, obzwar er gebeten hatte, ihm den § 193 (Wahrnehmung berechtigter Interessen) zugute kommen zu lassen. In den Urteilsgründen war aufgeführt, das großherzogliche Schöffengericht habe deshalb auf eine Freiheitsstrafe erkannt, weil eine Geldstrafe den Angeklagten Rothschild doch nicht treffe, denn diese würde 'von der Gesamtheit der Juden gemeinschaftlich getragen' werden. Gegen voriges Urteil legte Rothschild Berufung ein, und stand zweitinstanzlicher Termin am 28. Dezember 1893 vor großherzoglichem Landgerichte Eisenach. Hier vertrat der Privatkläger Gottesleben persönlich wieder die Anklage und bat in langer, weitschweifiger Rede, in deren Verlauf er sich als ein von den Juden gehetztes, in einem Kesseltreiben befindliches Wild bezeichnete, mindestens um Aufrechterhaltung des erstinstanzlichen Urteils, da er im Drange seiner vielen Geschäfte es versäumt haben, ebenfalls Berufung anzumelden. Insbesondere aber richteten sich seine Ausführungen dahin, dass ihm (dem Privatkläger) nicht nur seine gesamten Barauslagen, sondern auch sein Zeitversäumnis vom Beklagten vergütet würden, denn seine Zeit sei sehr kostbar und jeder Augenblick von seiner redaktionellen und agitatorischen Tätigkeit in Ansprach genommen. Allein der hohe Gerichtshof entsprach dem nicht, denn unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils belegte es den Angeklagten nach § 186 wegen übler Nachrede mit einer Geldstrafe von 50 Mark und die Hälfte der Kosten der zweiten Instanz, während die andere Hälfte derselben dem Privatkläger zur Last fielen. Die Urteilsgründe führen aus, dass dem Angeklagten in Anbetracht des gegen die Juden so sehr verhetzenden Tones der Zeitung des p. Gottesleben allerdings der § 193 zugute komme, und dass namentlich die Gründe der ersten Instanz, dass eine Geldstrafe von der Judenschaft in ihrer Gesamtheit getragen würde, vollständig haltlos seien und die Berufsinstanz sich denselben nicht anschließen könne, vielmehr das Vergehen des Beklagten mit einer Strafe von 50 Mark hinlänglich geahndet sei. Verteidiger des Angeklagten war Herr Rechtsanwalt Pfeiffer, Eisenach. Der vorstehende Bericht zeigt zunächst, dass es sich empfiehlt, mit Ruhe und Besonnenheit den antisemitischen Hetzern zu begegnen. Ferner ersehen wir aber aus dem Bericht, dass die antisemitische Agitation in Vacha bereits sehr verwirrend gewirkt haben muss, da ein Oberamtsrichter zur Begründung seines überaus harten Urteils, das die hiesige Strafkammer erfreulicher Weise nach Gebühr korrigiert hat, Redewendungen gebrauchte, die in antisemitischen Kreisen gang und gebe sein mögen, und die von diesen Betörten und Verhetzten vielleicht geglaubt werden. Auch hier hat das Eisenacher Gericht die bessernde Hand angelegt und die Begründung des Vachaer Richters, die wir sehr bedenklich finden müssen, 'als vollständig haltlos' bezeichnet."

 
Zum Tod von N. Hirsch Rothschild (1897) 

Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 30. Dezember 1897: "Völkershausen (Thüringen). Am 7. Chanukkatage verschied hier im hohen Greisenalter von nahezu 93 Jahren N. Hirsch Rothschild. Die hiesige jüdische Gemeinde, die leider sehr im Abnehmen ist, verliert in dem Entschlafenen ein musterhaftes Beispiel aufrichtiger Religiosität. Stets traf man den frommen Greis beschäftigt mit dem Lesen heiliger Schriften. So lange es ihm seine Kräfte gestatteten, wohnte er dem Jom Kippur-Katan-Gottesdienste in der Nachbargemeinde Lengsfeld bei. Seine Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens. rt."   

   
Zur Beerdigung des aus Völkershausen stammenden Salomon Rothschild spricht auch Pfarrer Kohlschmidt aus Völkershausen (1927 in Stadtlengsfeld)       

Stadtlengsfeld Israelit 15091927.jpg (53523 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 15. September 1927: "Stadtlengsfeld, 5. September (1927). Gestern Nachmittag wurde Salomon Rothschild von hier (sc. Stadtlengsfeld) zur letzten Ruhestätte gebracht. Er war Kaufmann von Beruf, betätigte sich aber auch als Mohel (Beschneider) und Schochet. Der Leichenzug war ein ungemein langer, wie ihn unsere Stadt lange nicht gesehen hat. Beide Konfessionen beteiligten sich gleich stark an dem Begräbnis. Am Grabe sprach zuerst Herr Lehrer Katz von hier und dann Herr Pfarrer Kohlschmidt aus Völkershausen, woselbst Rothschild geboren ist und längere Zeit gewohnt hat. Seine Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens".          


Goldene Hochzeit des aus Völkershausen stammenden  Richard Rothschild und seiner Frau Henriette geb. Friedmann (1934 in Eisenach)    

Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 30. August 1934: "Eisenach, 27. August (1934). Herr Richard Rothschild und Frau Henriette geb. Friedmann, begehen am 10. September (erster Tag Roschhaschono) das seltene Fest der goldenen Hochzeit. Herr Rothschild ist eine in weiten jüdischen Kreisen bekannte und geachtete Persönlichkeiten. Die Familie stammt aus Völkershausen bei Vacha und ist seit dem Jahre 1897 hier in Eisenach ansässig. Seit dieser Zeit ist der Jubilar Beamter der Israelitischen Kultusgemeinde. Von seinen Funktionen als Schochet, Rechnungsführer und Hilfsvorbeter ist ihm heute nur noch das letztere Amt verblieben.  
Trotz seines hohen Alters von 81 Jahren versäumt er fast keinen Gottesdienst, und die Ausübung des Hilfsvorbeteramtes ist ihm, der von tiefster Religiosität erfüllt ist, eine Herzenspflicht."           

     
     
     
Zur Geschichte der Synagoge      
   
Zunächst war ein Betraum vorhanden. 1816 wurde eine Synagoge erbaut, die 1864 und 1871 renoviert wurde. 
 
Den Bau der Synagoge versuchte insbesondere der Pfarrer von Völkershausen zu verhindern. Dieser schrieb in einem Votum: "Die Anmaßungen der jüdischen Religion und ihr reger Eifer, sich besonders in Religionssachen nicht einzuschränken zu lassen, sind bekannt". Hinter dem Widerstand des Pfarrers steckte nach dem damaligen Amtmann von Vacha jedoch etwas anderes. Dieser schrieb, dass "die Beschwerde vom Zaun gebrochen ist, um Privatrücksichten dahinter zu verstecken. Um dem Kinde den Namen zu geben, bemerke ich nur: Dass die ganz unchristliche [!] von einem Mann herrührt, welcher der Judenschaft das Local zu der beabsichtigten Synagoge gern verkaufen wollte und des Handels nicht einig werden konnte."   (aus dem Beitrag von Robert von Friedeburg s.Lit.)  
 
Um 1890 befand sich die Synagoge in einem baufälligen Zustand, weswegen die jüdische Gemeinde 1893 um Spenden zur Renovierung der Synagoge aufrief:
   
Spendenaufruf zur Renovierung der Synagoge (1893)      

Voelkershausen Israelit 21081893.jpg (64880 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 21. August 1893: "Dringende herzlichste Bitte. 
Der hiesigen, im Jahre 1816 erbauten Synagoge droht der Verfall, wenn nicht noch im Laufe dieses Jahres durchgreifende Ausbesserungen vorgenommen werden. Die Gemeinde ist klein und nicht im Stande, aus eigenen Mitteln die Reparaturen herzustellen. Edle Herzen und Freunde einer höchst gottgefälligen Tat werden innigst gebeten., eine Unterstützung uns zukommen zu lassen. Völkershausen bei Vacha. Der israelitische Kultusvorstand Rothschild
Dass die gemachten Angaben auf Wahrheit beruhen, beglaubigt Chr. Döttger, Bürgermeister."     

Ob der Spendenaufruf Erfolg hatte oder sich in den folgenden Jahren die Renovierung der Synagoge durch den weiteren Wegzug der jüdischen Familien vollends erledigte, ist nicht bekannt. Im Zusammenhang mit dem Tod von N. Hirsch Rothschild (siehe Artikel oben) wird 1897 allerdings berichtet, dass dieser die Gottesdienste in Stadtlengsfeld besucht habe. Daraus ist zu schließen, dass die Synagoge in Völkershausen nach 1893 nicht mehr renoviert wurde und bereits um 1895 keine Gottesdienste mehr stattfanden.   
  
Nach der Selbstauflösung der jüdischen Gemeinde 1903 wurde die Synagoge aufgegeben. Das Gebäude ging in den Besitz der jüdischen Kultusgemeinde Vacha über. Später wurde das Synagogengebäude teilweise abgebrochen, ein Rest ist bis heute als Teil einer Garage erhalten. 
 
Erhalten ist auch die Wetterfahne der Synagoge von Völkershausen mit der Zahl des Baujahres 1816. Die Wetterfahne befindet sich in Privatbesitz.
  
  
Adresse/Standort der Synagoge    auf dem Grundstück Friedensplatz 7   
  
  
Fotos   

Die ehemalige Synagoge 
in Völkershausen (1984)  
Voelkershausen Synagoge 120.jpg (57483 Byte)  
     

     
     
Links und Literatur

Links:  

Website der Gemeinde Völkershausen  

Englischer Beitrag: Jewish live in Voelkershausen near Vacha auf der Website www.voelkershausen.de     

Literatur:  

Israel Schwierz: Zeugnisse jüdischer Vergangenheit in Thüringen. Eine Dokumentation - erstellt unter Mitarbeit von Johannes Mötsch. Hg. von der Landeszentrale für politische Bildung Thüringen ( www.lzt.thueringen.de) 2007. Zum Download der Dokumentation (interner Link). Zu Völkershausen S. 257-258.  
Monika Richarz / Reinhard Rürup: Jüdisches Leben auf dem Lande. Studien zur deutsch-jüdischen Geschichte. Tübingen 1997. S. 161-162 innerhalb des Beitrages von Robert von Friedeburg: Kommunaler Antisemitismus. Christliche Landgemeinden und Juden zwischen Eder und Werra vom späten 18. bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts. S. 139-172.       
        
         

                   
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Stand: 28. Oktober 2014