In Weiterswiller bestand eine jüdische Gemeinde bis Anfang der
1920er-Jahre. Ihre Entstehung geht in die Zeit des 17./18. Jahrhunderts zurück.
Vom Ende des 18. Jahrhunderts bis um 1870 lebten etwa 25 jüdische Familien am
Ort. Bei der Volkszählung am 15. November 1784 waren es bereits 24 Familien mit zusammen 94 Personen.
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde eine Synagoge, eine Schule,
ein rituelles Bad und einen Friedhof, der 1825 an der Route de Weinbourg
angelegt wurde. Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war ein Lehrer/Kantor
angestellt, der zugleich und Schochet tätig war. Die Gemeinde
gehörte zum Rabbinat von Buchsweiler (Bouxwiller).
1808 mussten
die jüdischen Familien feste Familiennamen annehmen (Liste der Namen und
Familien:
hier
anklicken, Hinw.: im Internetarchiv werden keine Umlaute angezeigt) und dazu eine Erklärung nach dem Schema abgeben: "Vor
uns dem Maire der Gemeinde von Weiterswiller, Kanton von Lützelstein, Gemeinde
Bezirk von Zabern, Departement des Niederrheins, hat sich dargestellt XXX...,
welcher erklärt hat den Namen YYY... zum Familien-Namen, und zu Vornamen den
von ZZZ... anzunehmen, und hat mit uns unterzeichnet den ersten November 1808".
Nach 1870 ging die Zahl der jüdischen Einwohner stark zurück. 1900 wurden
noch 65 jüdische Einwohner gezählt, 1910 nochmals 90, 1936 nur noch 9.
Um 1925 hatte sich die Gemeinde aufgelöst. Die letzten jüdischen
Einwohner wurden 1940 in das KZ Gurs nach Südfrankreich
deportiert.
Von den in Weiterswiller geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Nanette Amselle (1875),
Berthe Gerst geb. Samuel (1881), Celestine Grosz geb. Haenel (1875), Nelly
Haenel (1912), Simon Haenel (1877), Armand Jacob (1883), Lucien Jacob (1885),
Sarah Jacob (1889), Paul Joseph (1888), Celine Lazare geb. Levy (1887), Berthe
Meyer (1878), Kurt Meyer (1922), Joachim Schuler (Schüler, 1880), Henri Samuel
(1888), Jacques Samuel (1880), Zelie Samuel (), Arthur Joseph Weill (1877),
Blanche Weil geb. Jacob (1898).
Anmerkung: die im Gedenkbuch des Bundesarchives genannten Personen, die in
dieser Liste aufgenommen sind, stammen aus diesem Weitersweiler / Weiterwiller
und nicht aus dem pfälzischen Weitersweiler.
Nach 1945 lebten nur einzelne jüdische Personen am Ort. 1953 wurde ein
jüdische Einwohner gezählt. Für die religiöse Betreuung jüdischer Einwohner
in Weiterswiller war seit 1950 das Rabbinat Saverne zuständig.
Liste
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 7. August 1890: "Weitersweiler,
durch Cain Schüler II., do.: Fanni Samuel und Ungenannt je 4 M., Rachel
Samuel 2 M. 80 Pf., Ungenannt 1 M. 60 Pf., Gutel Hänel 1 M. 35 Pf.,
Adèle Meyer 1 M. 23 Pf., Henriette Blum und Sara Strauß je 1 M. 20 Pf.,
Rosalie Levi 1 M. 11 Pf., Mirjam Strauß 1 M. 08 Pf., Blumle Levi, Sara
Hänel, Nannette Joseph, Mathilde Hänel und Rosalie Hänel je 1 M., Elise
Mayer 50 Pf., Spende des Abraham Samuel 1 M. Zusammen 26 M. 07 Pf. = 32
Frcs. 60 ct."
Die Synagoge wurde nach Plänen des Distriktarchitekten Louis Fürst
von Saverne erbaut und am 7. Oktober 1868 eingeweiht. Auf
Grund der zurückgegangenen Zahl der Gemeindeglieder wurde die Synagoge nur bis 1923 genutzt.
Da
sich nach 1945 keine jüdische Gemeinde am Ort mehr bildete, wurde das Gebäude
1950 an Privatleute verkauft. Der Aron Hakodesch (Toraschrein) wurde nach Mommenheim
verbracht und nach Schließung der dortigen Synagoge nach Straßburg. Seit 1996
steht das Gebäude unter Denkmalschutz, das heißt im "inventaire
préliminaire des monuments historiques".
Adresse/Standort der Synagoge: 12 de la rue principale, 67521 Weiterswiller
Durchgang von der Rue
Principal
in die Rue des Juifs
Straßenschild innerhalb
des
Durchganges
Historische Ansicht
der Synagoge
Die Abbildung der
historischen Karte von Weitersweiler wurde mit freundlicher
Genehmigung
von Frantisek Bányai aus der Website www.judaica.cz
übernommen.
Das Synagogengebäude
in den 1980er-Jahren
Foto aus den
1980er-Jahren
(Quelle: Rothé / Warschawski S. 143)