In Ellwangen bestand eine jüdische Gemeinde zunächst im
Mittelalter. Durch die Judenverfolgungen im Juli 1298 (Rindfleisch-Verfolgung)
und im Frühjahr 1349 (Pestzeit) wurde sie vernichtet. Erst in der ersten Hälfte
des 15. Jahrhunderts lebten wieder einige Juden in der Stadt, die von 1428 bis
1443 ihre Toten in Nördlingen bestatteten.
Auch in der Mitte des 17. Jahrhunderts soll vorübergehend eine jüdische
Gemeinde in der Stadt entstanden sein durch die Tatkraft des frommen Oberdorfer
Juden David Teble (Tevele) ben Mordechai Model Levi. Dieser war ein Sohn
des Model Mordechai ben Elijahu haLevi, ein Enkel von Simon Günzburg (einer der
angesehensten und reichsten Männer in Schwaben im 16. Jahrhundert). David
Teble ben Mordechai Model Levi soll den Juden in Ellwangen das Wohnrecht wieder
verschafft haben, doch wird dies nicht von langer Dauer gewesen sein.
Die Geschichte der Gemeinde des 19./20. Jahrhunderts begann
1823 mit der Übersiedlung des Prokurators (Buchhändlers und Antiquars) Isaak Heß von Lauchheim nach
Ellwangen, der sein Geschäft von Lauchheim nach Ellwangen verlegte und in den folgenden Jahren einer der angesehensten Bürger der Stadt
wurde. Isaak Heß' Nachkommen wurden angesehene Buchhändler in Stuttgart und
München.
1832 wurden sechs jüdische Einwohner gezählt. 1844 gab es vier
selbständige jüdische Gewerbetreibende mit ihren Familien in der Stadt, neben
Buchhändler Isaak Heß ein Bierbrauer und zwei Gastwirte.
1854
wurden 18 jüdische Einwohner gezählt. Die eigentliche Gemeindegründung
war 1870. 1880 waren es inzwischen 85 jüdische Einwohner (1,8 % von
insgesamt 4.697 Einwohnern); die höchste Zahl jüdischer Einwohner wurde 1886 mit 99 Personen
erreicht. Bis 1900 ging die Zahl auf 65 zurück (1,4 % von insgesamt 4.747),
1910 32 (0,7 % von 4.722).
An Einrichtungen hatte die Gemeinde einen Betsaal (Synagoge, s.u.) und
eine Religionsschule. Ein rituelles Bad war vermutlich nicht vorhanden. Die
Toten der Gemeinde wurden bis 1901 in Aufhausen,
danach auf einem eigenen Friedhof
beigesetzt. Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war in der 2.
Hälfte des 19. Jahrhunderts und Anfang des 20. Jahrhunderts zeitweise ein
Lehrer angestellt, der zugleich als Vorbeter und Schochet tätig war (um 1885
Lehrer A. Fröhlich, 1890-1894 Emanuel Adler, um 1902/03 Lehrer Heß). Spätestens
seit den 1920er-Jahren wurden die Kinder der Gemeinde durch den Religionslehrer
aus Crailsheim unterrichtet. Die Gemeinde
gehörte zum Rabbinat Oberdorf.
Im Ersten Weltkrieg fiel aus der jüdischen Gemeinde Ludwig Kahn (geb. in
Aufhausen, gestorben an der Kriegsverletzung. 18.7.1919). Außerdem ist
gefallen: Gefreiter David Ballenberger (geb. 22.8.1882 in Ellwangen, vor 1914 in
Stuttgart wohnhaft, gest. 5.2.1917 in
Gefangenschaft).
Die relativ
wenigen jüdischen Familien in Ellwangen leisteten trotz ihrer geringen Zahl einen wichtigen Beitrag im
wirtschaftlichen Leben der Stadt: Anfang des 20. Jahrhunderts gehörten ihnen
neben mehreren Zucht- und Nutzviehhandlungen auch eine Hadernfabrik, eine
Gastwirtschaft, ein Antiquariat und Buchhandlung, ein Landmaschinenhandel und
ein Druckerei- und Zeitungsverlag. Im einzelnen sind an ehemaligen, teilweise bis nach 1933 bestehenden Handels- und Gewerbebetrieben bekannt: Hadernfabrik Louis Ballenberger und Emanuel Neuhaus (bis 1910, Haller
Straße 8), Gastwirtschaft
"Zum Waldhorn", Inh. Maier Fröhlich, dann Isak Rosenheimer (bis 1895, Pfarrgasse 2), Antiquariat und Buchhandlung Isaak Heß, später Joseph, Moritz und Sigmund Heß (1847-1905,
Schmiedstraße 6), Vieh- und Pferdehandlung Elias Levi (bis 1917, Marktplatz 12), Zucht- und Nutzviehhandlung Julius Levi (bis 1938,
Schmiedstraße 3), Pferdehandlung Neuburger, später Zucht- und Nutzviehhandlung Sigmund Levi (bis 1938/38, Haller
Straße 3 und 3/1), Landmaschinenhandel und Werkstatt Stein (vor 1930, Haller Straße
6), Druckerei- und Zeitungsverlag Weil (bis 1903, Spitalstraße 17-19).
Um 1925, als nur noch 19 jüdische Gemeindeglieder gezählt wurden, bildeten den
Vorstand der Gemeinde: Louis Neumaier, Jakob Neuburger. Der Religionsunterricht
der schulpflichtigen jüdischen Kinder wurde durch den Lehrer der
Nachbargemeinde in Crailsheim erteilt. 1932
war Gemeindevorsteher Sigmund Levi. Die damals noch drei schulpflichtigen
jüdischen Kinder wurden von Lehrer Silbermann aus Crailsheim unterrichtet.
1933 wurden noch 15 jüdische Personen in der Stadt gezählt (Familien
Heinrich, Levi, Neuburger).
Zwei Jahre später ist die Gemeinde aufgelöst worden (siehe Artikel von 1935
unten). Von den 15 Personen
sind bereits drei von Ellwangen in andere Orte verzogen (Lore Heinrich nach
Gera, Max Heinrich nach Plauen und Gertrud Neuburger nach Nördlingen), zwei
starben in Ellwangen Jakob und Pepi Neuburger - 1935 beziehungsweise 1938), einer
in Heggbach (Samson Neuburger, gestorben 1940 in der katholischen Pflegeanstalt
Heggbach bei Biberach); neun konnten in die USA emigrieren (beide Familien Levi:
Sigmund und Frau Lea geb. Adler mit Sohn Erwin; Julius Levi und Frau Melanie
geb. Süssel mit den Söhnen Erich und Max, auch Großmutter Babette geb.
Schloßberger). 1940 wurden keine jüdischen Personen mehr in Ellwangen
gezählt.
In Ellwangen bestand vom Sommer 1943 bis März 1945 ein Außenkommando des Konzentrationslagers Natzweiler/Elsaß, in dem sich zwischen 50 und 100 Häftlinge befanden, die zum Arbeitseinsatz im Straßen, Bunker-, Wohnungs- und Kasernenbau eingeteilt waren. Im Zusammenhang mit dem
"Hessentaler Todesmarsch" wurde das Lager am 6./7.Apr.1945 evakuiert. Am Bahnhof Ellwangen wurden kranke Gefangene zurückgelassen, von denen die meisten (ca. 20) kurze Zeit später in Dalkingen erschossen wurden. Beim Verlassen Ellwangens wurde ein Häftling an der Neunheimer Steige (heute Alte Steige“) erschossen. In der Nacht vom 6./7.Apr. übernachteten die Häftlinge in einem Steinbruch bei Neunheim.
Persönlichkeiten. Isaak Heß (1789-1866), Buchhändler und Antiquar, erwarb sich um das jüdische Schul- und Armenwesen in Württemberg große Verdienste. Zu der in Ellwangen beabsichtigten Gründung eines Pensionats für die jüdische Theologen ist es zu keiner Zeit
gekommen. Das Wohnhaus von Isaak Heß war in der Adelbergergasse 1 (1824 bis 1847), dann
Schmiedstraße 6. Mehrere Texte und Anzeigen unten beziehen sich auf Isaak Heß
(s.u.).
Bekanntester Lehrling von Isaak Heß war seit 1855 der berühmte Antiquar Ludwig
Rosenthal (1840 - 1929; Artikel zu ihm auf Seite Fellheim).
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 7. Februar 1877:
"Lehrer- & Schächter-Gesuch. In der hiesigen
israelitischen Gemeinde wird ein Religionslehrer und Schochet sogleich
gesucht. Gehalt 1.000 Mark. Derselbe kann sich durch Nebenverdienste, wozu
vielfache Gelegenheit geboten ist, bedeutend verbessern. Reflektierende
belieben sich schriftlich zu wenden an Heinrich Kaufmann,
Ellwangen, Württemberg."
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 10. Oktober 1877: "Lehrer-Gesuch.
In hiesiger israelitischer Filial-Gemeinde ist die Lehrer-, Vorbeter- und
Schächterstelle sofort zu besetzen. Gehalt 1.000 Mark. Nebeneinkünfte in
Aussicht.
Befähigte Bewerber, unter Einreichung ihrer Zeugnisse, mit Angabe, ob
ledig oder verheiratet, wollen sich an Unterzeichneten franco melden.
Anmeldungen von Polen und Russen bleiben unberücksichtigt. Heinrich
Kaufmann, Ellwangen, Württemberg."
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 17. Juli 1890: "Ellwangen,
Königreich Württemberg. Die hiesige Religionslehrerstelle, verbunden mit
dem Dienste eines Vorsängers und Schächters, ist durch Übersiedelung
des Lehrer nach Augsburg frei
geworden. Dieselbe ist mit einem garantierten Einkommen von 1.100 bis
1.800 Mark, den Nebenverdienst nicht berechnet, dotiert. Geeignete
unverheiratete Bewerber wollen sich bei dem Unterzeichneten unter
Vorlegung ihrer Zeugnisse bis spätestens zum 1. August 1890 melden. Der
Eintritt hat auf den 1. September 1890 zu erfolgen. Die Anstellung
geschieht vorerst auf 2 Jahre.
Der Vorstand der israelitischen Genossenschaft: Heinrich Kauffmann."
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 17. Januar 1895: "Die
hiesige israelitische Kultusgenossenschaft besetzt die Stelle des Lehrers
und Vorbeters neu. derselbe hat auch die Schechita zu versehen.
Gehalt 800 Mark; für das Ergebnis aus den Schächtgebühren werden 400
Mark garantiert. Bewerber, welche ledig sein müssen, wollen unter
Vorlegung eines Lebenslaufes und ihrer Zeugnisse sich längstens bis zum
1. Februar 1895 bei dem Unterzeichneten melden.
Ellwangen an der Jagst, 14. Januar 1895. Im Auftrag: Rechtsanwalt Gump."
Lehrer Fröhlich empfiehlt seine "Pension für israelitische Schüler"
(1885)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit
vom 30. Juli 1885: "Pension für israelitische Schüler in Ellwangen
(Württemberg).
Knaben, welche die hiesigen höheren Lehr-Anstalten, wie Realschule,
Lateinschule, Gymnasium besuchen wollen, finden in meinem Hause gute
Verpflegung, gewissenhafte Beaufsichtigung und, wenn nötig, Nachhilfe in
den Lehrfächern. Pensionspreis mäßt.
Das Wintersemester beginnt am 15.
Oktober (1885).
A. Fröhlich, israelitischer Lehrer in Ellwangen".
Gedichte von Lehrer Heß (1902 / 1903)
Beitrag in der Zeitschrift "Der
Israelit" vom 9. März 1903: "Sabbatklänge. Von Lehrer Heß
- Ellwangen (Württemberg).
'Bräutigam, komm', der Braut entgegen,'
Also singet die Gemeinde,
Die sich zum Empfang des Sabbats
Hier im Gotteshaus vereint.
Denn der Sabbat ist Prinzessin
Und ist Braut, wie dies schon Heine
Hat gesungen, und der Bräut'gam
ist die jüdische Gemeinde.
Festlich ist man heute gekleidet,
Heller strahlen heut die Kerzen,
Von der Werktagslast entbunden,
Schlagen höher heut die Herzen. -
Hinten in der letzten Reihe
Sieht man einen Jüngling stehen,
Schwarz die Locken, bleich die Wangen
Und die Augen übergehen.
Und es rollet Trän' um Träne
Über seine Wang', der blassen,
Der in Lieb er jetzt gedenket -
Treulos hat sie ihn verlassen.
'Bräut'gam, komm' der Braut entgegen,'
also sang sie, die Gemeinde:
Keiner aber sag den Jüngling,
Wie er schluchzte, wie er weinte."
Beitrag in der Zeitschrift "Der
Israelit" vom 12. Januar 1903: "Mondschein.
Von Lehrer Heß - Ellwangen in Württemberg.
Mondschein liegt auf Dorf und Straßen,
Zeigt uns auch zwei Glaubensbrüder,
In der Gasse hellem Bilde,
Ganz nach ihrer Väter Sitte.
In der einen Hand die Ampel,
In der andern ein Gebetbuch,
Und das lichtumflossene Antlitz
Betend zu dem Mond gerichtet.
Glaubt Ihr immer noch, Ihr Toren,
Die Ihr für das Reich des Lichtes
Und des Völkerfriedens betet,
Daß es komme, daß es nah sei?
Ihr, die man so lang gemartert,
Und gequälet, und geknechtet,
Denen man das Licht im Ghetto
Wahrlich spärlich zugemessen?
Ja, Ihr glaubt es. Eure hellen,
Siegesfrohen Mienen sagen,
Daß Ihr ringen, glauben werdet,
Bis Er kommt, der Friedensbote.
Volk des Glaubens! Volk des Lichtes !
Israel, Du Gotteskämpfer!
Ach wie lang noch ringst du flehend
Für das Reich des Lichts, des Friedens?"
Beitrag in der Zeitschrift "Der
Israelit" vom 11. Mai 1903: "Mein Mütterlein..."
Beitrag in der Zeitschrift "Der
Israelit" vom 23. Dezember 1902: "Sehnsucht..."
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 26. Februar 1844: "Ellwangen
... Bei dieser Veranlassung wollen wir die Leser Ihres Blattes auf einen
anderen, wohl nicht uninteressanten Umstand aufmerksam machen. Ellwangen,
früher Sitz des Fürstbischofs und Hauptstadt der gefürchtetsten Propstei
gleichen Namens, erhob zu Anfang dieses Jahrhunderts (sc. 19. Jahrhundert) von
den Juden, welche in die Stadt kamen, Leibzoll, und keinem Israeliten wurde ein
längerer Aufenthalt gestattet. Gegenwärtig aber sind bereits vier
selbständige Israeliten, beziehungsweise israelitische Familien hier ansässig,
worunter ein Antiquar und Buchhändler; ein Bierbrauer und Gastwirt und ein
zweiter Gastwirt. Letztere haben mit ihrer Wirtschaft Restaurationen für
Koscheressende verbunden. Die hiesige Stadt besitzt ein vollständiges
Gymnasium, eine Real- und Gewerbeschule und eine vom Staate errichtete
Ackerbauschule. Außer dem für den Religionsunterricht der Israeliten am
hiesigen Gymnasium bestellten Lehrer, Antiquar Heß, zugleich öffentlicher, von
der Staatsregierung angestellter Dolmetscher der hebräischen Sprache, ist der
vormalige geprüfte jüdische Lehrer Fröhlich, welcher seinen Wohnsitz hier
hat, Unterricht im Hebräischen zu erteilen erbötig. -
Für Eltern, welche ihre Kinder für die Wissenschaft oder für Gewerbe
vorbereiten und ihnen Unterricht im Hebräischen erteilen lassen wollen,
andererseits aber die Kostspieligkeit der Anstalten in größeren Städten und
die dort so häufige Verführung der Jugend scheuen, dürfte deshalb der hiesige
Platz eine willkommene Gelegenheit sein, da man hier weder Verführung, noch
große Kosten zu befürchten hat und die Jugend unter steter Aufsicht gehalten
wird."
Isaak Heß will einen Verein zur Veredelung des Synagogengesanges gründen
(1845)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des
Judentums" vom 6. Januar 1845: "Aus dem Württembergischen, 5.
Dezember. Herr Buchhändler I. Heß in Ellwangen will einen Verein zur
Veredelung des Synagogengesanges gründen. Wir werden recht gern, sobald
der Verein gegründet ist, das Nähere darüber entgegennehmen."
Über das antisemitische Hetzblatt "Ipf" und seine Lügen (1893)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 17. August 1893: "Aus
Württemberg. In Württemberg erscheinen zwei Blätter, die 'Ulmer Schnellpost'
und der 'Ipf', die sich in gehässigen Ausfällen gegen Juden und Judentum
überbieten und fast jede Nummer strotzt von Verdächtigungen und
Schimpfereien aller Art (Ersteres Blatt hat sich ja im bekannten Ulmer
Prozess bezüglich der aus dem Talmud geschöpften Moral des Judentums in
jüdischen Kreises einen berüchtigten Namen gemacht) und wenn solche
Hetzblätter auch in ernstbedenkenden Kreisen wenig ernst genommen werden
und ihre antisemitische Tendenz beim schwäbischen Volksstamme nur wenig
Anklang findet, was am deutlichsten bei der jüngsten Reichstagswahl zum
Ausdruck kam, wo nur einige hundert antisemitische Stimmen abgegeben
wurden, so ist es doch unerquicklich, in solchen Hetzblättern
Verdächtigungen zu lesen, die ganz geeignet sind, durch ihr freches
Auftreten wenigsten den Schein der Wahrheit zu erwecken, um hintennach in
ihrer ganzen Grundlosigkeit respektive als freche Lüge sich zu
entpuppen.
So brachte der 'Ipf' kürzlich die Mitteilung, ein Jude aus Ellwangen
habe in Neresheim geäußert: 'Es wäre besser, die Katholiken sammelten
im Walde Gras für ihr hungerndes Vieh, als dass sie Wallfahrten
veranstalten', und das Blatt nahm erneuten Anlass, Juden und Judentum mit
seinen bekannten Liebenswürdigkeiten zu überhäufen. Natürlich erregte
dies in dem katholischen Bezirke berechtigtes Aufsehen, ganz besonders in
der verdächtigten Gemeinde. In letzterer ist jedoch nach eingehendster
Umfrage festgestellt, dass kein Mitglied der dortigen jüdischen Gemeinde
eine derartige Äußerung getan, beauftragter katholischer Professor bei
der Redaktion vergeblich den Namen des Betreffenden zu erfragen suchte,
forderten die Ellwanger Juden öffentlich die Redaktion auf, denselben zu
nennen. Voraussichtlich wird es von Seiten der Ellwanger Juden zur Klage
kommen und wäre es interessant, dass einmal dieses Hetzblatt durch
gerichtliche Publikation an den Pranger gestellt würde."
Prozess vor dem Schöffengericht gegen Antisemiten -
einen katholischen Pfarrer und einen Redakteur der Hetzzeitung "Ipf"
(1902)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 26. Dezember
1902: "Ellwangen, im November (1902). Bezeichnend für die
Unduldsamkeit mancher klerikaler Kreise ist ein Pressprozess, der sich am
13. November vor dem hiesigen Schöffengericht abspielte. Die
'Jagstzeitung und Bopfinger Tageblatt' hatte das bekannte Gedicht 'Mein
Glaube', das die 'Allgemeine Zeitung des Judentums' schon wiederholt
abgedruckt hat, und das einen auch als Dichter bekannten und berühmten
namhaften katholischen Geistlichen, den Domherrn Ignaz Heinrich Carl von
Wessenberg, zum Verfasser hat, zum Abdruck gebracht. Darauf erschien im
'Ipf' Nr. 132 ein von dem katholischen Pfarrer Waldraff verfasster Artikel
'vom Härtsfeld' mit der Überschrift: 'Das Bopfinger Tagblatt im Dienste
des Unglaubens'. Der Artikel erhebt gegen den Redakteur Weil, den
'israelitischen Dogmatiker', die schwersten Vorwürfe. Nachdem er
behauptet, dass in dem Gedicht 'der nackte Unglaube' zum Ausdruck komme,
und er es 'ein frivoles Machwerk', 'ungläubiges Geschreibsel' genannt
hatte, heißt es weiter: 'Immerhin ist es äußerst abgeschmackt und
anmaßend, wenn ein Jude in christlichen Glaubenssachen macht und sich als
Reformator der christlichen Glaubens- und Sittenlehre einen Namen
verschaffen will. Derartige Frivolitäten müssen auch dem verschlafensten
Katholiken die Augen öffnen, sodass sie sich sagen müssen: 'Nein, das
geht denn doch übers Bohnenlied' so gemütlich sind auch wir nicht, dass
wir unseren Glauben uns aus der israelitischen Redaktionsstube des L. Weil
in Ellwangen vorschreiben lassen.' Auf Grund dieser
Äußerungen erhob der Redakteur der 'Jagstzeitung', L. Weil, gegen den
verantwortlichen Redakteur des 'Ipf'', B. Nuber und den Pfarrer Waldraff
in Auernheim Beleidigungsklage. Das Schöffengericht verurteilte den
Pfarrer Waldraff zu 100 Mark, den Redakteur des 'Ipf' Nuber, zu 75 Mark
Geldstrafe. Aus der Begründung des Urteils seien hier folgende
bemerkenswerte Ausführungen wiedergegeben: 'Bezüglich des Angeklagten
Waldraff war strafmildernd zu berücksichtigen, dass er von seinem Standpunkt
angegriffen zu sein glaubte; strafschärfend kam bei ihm noch in Betracht,
dass er vermöge seiner Bildungslaufbahn und als Geistlicher es
unterlassen sollten, ehrenhafte Nebenmenschen in gehässiger Weise
anzugreifen, und dass er ausdrücklich hervorgehoben habe, dass er die
Veröffentlichung seiner Erklärung nicht bereue. Bezüglich des
Angeklagten Nuber war strafmildernd zu berücksichtigen, dass er in seiner
Stellung nicht wohl in der Lage ist, Zeitungsberichte, die ihm von
maßgebender Seite, insbesondere von Geistlichen, zugehen, abzuändern
oder gar zurückzuweisen, strafschärfend war bei ihm ferner zu
berücksichtigen, dass das Ansehen der Presse selbst den Gerichten die
Pflicht auferlegt, gegen Missbräuche mit aller Strenge vorzugehen, und
dass das die Tageszeitungen lesende, auf Anstand haltende Publikum vor
kleinlichsten, im letzten Grund eigentlich nur auf Herrschsucht und
Konkurrenzneid zurückzuführende Zeitungsfehden zu schützen ist."
Auflösung der jüdischen Gemeinde Ellwangen (1935)
Artikel in der "Gemeindezeitung für die Israelitischen Gemeinden
Württembergs" vom 17. Juni 1935: Zum Lesen bitte Textabbildung anklicken
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des
Judentums" vom 8. Januar 1844: "In Württemberg sind jetzt
bereits sechs israelitische Rechtskonsulenten und ein israelitischer
Oberjustizprokurator, der in diesen Blättern schon rühmlichst erwähnte
Oberjustizprokurator Pflaum in Ellwangen. Auch Ärzte von anerkannter
Geschicklichkeit haben wir mehrere und für Architektur bilden sich auch
mehrere israelitische Jünglinge. Löwenstein."
Anmerkung: Bei Oberjustizprokurator
Pflaum handelt es sich um Salomon Pflaum, geb. 1813 in Pflaumloch
als Sohn des Alexander Pflaum (1774 - 1831) und der Fradel geb. Friedmann;
er war verheiratet mit Helena geb. Friedmann (geb. 1826) und starb bereits
1849.
Angaben von Rolf Hofmann, Stuttgart.
Buchhändler Isaak Heß erwirbt seltene
Werke (1857 / 1862)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des
Judentums" vom 6. April 1857: "Unser Buchhändler Heß in
Ellwangen begründet immer mehr seinen Ruf als tüchtiger kenntnisreicher
Antiquar. Kürzlich erkaufte von ihm die Königliche Bibliothek in Berlin
die Mirabilia urbis Romae. Von diesem Holztafeldruck bestanden nur
noch zwei unvollständige Exemplare. Dieses von Heß aufgefundene ist
vollständig und wurde von der Berliner Hofbibliothek um 700 Taler
angekauft."
Artikel
in der Rubrik "Literarischer Wochenbericht" in der
"Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 16. September 1862:
"Aus Württemberg. Der Nestor unserer Buchhändler, der als Antiquar
und Altertumsforscher bekannte J. Heß in Ellwangen, hat in einer
von ihm angekauften Bibliothek ein seltenes, noch ungedrucktes Manuskript
entdeckt, das nur dreimal vorhanden sein dürfte. Das Werk ist betitelt 'Beit
Elohim' (Gotteshaus) und ist verfasst von Rabbi Moses ben R. Baruch
Almosnino, Rabbiner in Salonichi. Derselbe hat sich als talentvoller
Prediger und Verfasser mehrerer theologischer, philosophischer und
mathematischer Schriften, die meistens im Druck erschienen, einen
berühmten Namen erworben. Das hier angeführte Mauskript wurde jedoch nie
gedruckt. Der Verfasser schrieb es in seinem 30. Lebensjahre, Anno 1553.
Es enthält eine Übersetzung der Schrift 'Sfera del Mondo von Sacro-Bosco'
ins Hebräische, mit Kommentar und erläuternden astronomischen
Zeichnungen. Die Zeichnungen sind sehr fleißig ausgeführt und verdienen
als solche schon Beachtung; der hebräische Kommentar ist eine bedeutende
Arbeit des Almosnino. Nach de Rossi existieren von diesem Werke nur zwei
Exemplare, wovon eine de Rossi selbst, das andere die Bodlejanische
Bibliothek besaßen. Nach Wolf Bibliotheca hebr. tom III. p. 731. soll
auch in Venedig ein Exemplar dieser Schrift existiert haben. Der Schluss
des Heß'schen Exemplars lautet 'Ich habe dieses vollendet am 15. Tewet
(5)415 (= 25. Dezember 1654) in Venedig', so dürfte es keinem Zweifel
unterliegen, dass dieses das von Wolf beschriebene Venezianische Exemplar
ist... Das Manuskript in Folio, ist in zierlicher rabbinischer Schrift,
wie sie früher in Italien üblich, geschrieben und vollkommen gut
erhalten. Es wäre interessant, wenn ein Manuskriptenkundiger, wie der
verehrte Herr Dr. Zunz, Kassel, Jellinek etc., sich über dieses seltene
Werk äußern würde, das der jetzige Besitzer wahrscheinlich verkaufen
wird, wenn es in einen solchen Besitz gelangt, dass die Wissenschaft
daraus Nutzen zieht. Alexander Elsäßer."
Zum Tod von Isaak Heß (1866)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 17. Oktober 1866:
"Ellwangen, den 6. Oktober (1866). Heute starb hier der auch in
weiteren Kreisen rühmlich bekannte Buchhändler Isaak Heß in seinem 77.
Lebensjahre, nachdem er schwere körperliche Leiden viele Monate lang bis
zu seinem letzten Lebenshauche mit starkem Geiste und stets sich seiner
bewusst ertragen hatte. Er war öffentlicher Dolmetscher für die
neuhebräische Sprache im Königreiche Württemberg, früherer Vorsteher
einer israelitischen Lehranstalt, seit dem Jahre 1821 durch
Schriftstellerei und Agitation für die geistige Erhebung und politische
und bürgerliche Emanzipation seiner Glaubensgenossen tätig, Mitglied der
zur Vorberatung des Judengesetzes von 1828 eingerufen gewesenen
Notabeln-Versammlung. Auch der Plan und die Gründung des Vereins zur
Errichtung der israelitischen Waisenanstalt war sein Werk. Seinem Sarge
folgten 2 Töchter und 3 Söhne, wovon zwei ebenfalls Buchhändler hier
und einer Oberjustizprokurator in Ulm ist. Sein Andenken sei zum Segen!
L."
Über Isaak Heß (geb. 1789 in Lauchheim,
gest. 1866 in Ellwangen)
Artikel in der "Gemeindezeitung für die israelitischen Gemeinden
Württembergs" vom 1. Oktober 1926: Zum Lesen bitte
Textabbildungen anklicken
Traueranzeige zum Tod von Moritz Hess (1902)
"Ellwangen
a.J., den 23. Mai 1902. Verwandten und Bekannten geben wir hiermit die
Mitteilung, dass unser lieber Gatte, Vater, Schwiegervater, Großvater,
Bruder und Onkel Moritz Hess, Buchhändler, heute Vormittag, wenige
Tage vor dem vollendeten 79. Lebensjahr, nach kurzer Krankheit aber
unerwartet rasch sanft verschieden ist. In tiefer Trauer die Gattin: Frau
Karoline Hess; die Kinder: Sofie Spiegel mit ihrem Gatten Albert Spiegel
in Konstanz, Gottlob Hess und Frau Meta geb. Sinn, in München,
Triftstraße 10, Rechtsanwalt Dr. Ludwig Hess mit Frau Marie geb.
Lahnstein in Ellwangen, Fanny Haarburger mit ihrem Gatten Friedrich
Haarburger in Reutlingen, Karl Hess mit Frau Marian geb. Davis, in
München, Goethestraße, Julius Hess in New York, Emma Hess, Arthur Hess,
sowie die fünf Enkel.
Die Beerdigung findet Sonntag, den 25. Mai, nachmittags 2 1/2 Uhr in
Ellwangen statt."
Goldene Hochzeit von Leopold Weil
und Frau (1911) Anmerkung: Zu Leopold Weil siehe weitere Informationen
unten bei "Weitere Dokumente".
Artikel
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 28. April
1911: "Das angesehene Leopold Weil'sche Ehepaar in Ellwangen - Herr
Leopold Weil war Jahrzehntelang Vorstand des Württemberger
Buchdruckervereins - erhielt anlässlich seiner goldenen Hochzeit vom
König seine Bronze-Plakette mit Widmung."
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 28. April 1911:
"Ellwangen (Württemberg), 18. April. Der Privatier Leopold
Weil beging mit seiner Ehefrau Hanna geborene Neuburger, am Sonntag den 9.
April in seltener Geistesfrische und körperlicher Rüstigkeit, umgeben
von seinen Kindern, Enkeln, einer Urenkelin und Verwandten das Fest der
goldenen Hochzeit. Leopold Weil widmete sich in jungen Jahren dem
Buchdruckereigewerbe, war in mehreren Städten Norddeutschlands und in
Wien tätig, und übernahm später, nachdem er das Zeitungswesen
gründlich kennen gelernt hatte, die Leitung des Amtsblatts Ellwangen, das
er kurz darauf als Eigentum erwarb und durch unermüdlichen Fleiß im
Verein mit hervorragender Begabung zu hoher Blüte brachte. Im Juli 1903
verkaufte er seine ausgedehnte Buchdruckerei mit dem Verlag der
'Jagstzeitung' an die Aktiengesellschaft 'Deutsches Volksblatt' und lebt
seitdem als Privatier in Ellwangen. Der König von Württemberg ließ den
Jubilaren durch den Vorstand der Stadt Ellwangen eine Bronzeplakette mit
seinem Bildnis und mit Widmung überreichen, der Regierungspräsident des
Jagstkreises zeichnete sie durch ein Handschreiben aus, in welchem er in
warmen Worten Weil als Nestor der württembergischen Journalistik feierte.
Von nah und fern hatte sich das Jubelpaar zahlreicher Beweise der
Verehrung und Wertschätzung zu erfreuen; alle Kreise der Stadt Ellwangen,
ohne Unterschied der Konfession, nahmen an dem Fest teil und lieferten so
den beweis, welches Ansehen die Jubilare genießen, die treue Anhänger
des jüdischen Glaubens sind."
Über die "Lebens-Erinnerungen" von Leopold
Weil (1832 Laupheim - 1913 Ellwangen)
Artikel in der "Gemeindezeitung für die Israelitischen Gemeinden
Württembergs" vom 1. April 1930:
Zum Lesen bitte Textabbildung anklicken
Goldene Hochzeit von Jakob Neuburger und Papi geb.
Stern (1928)
Artikel in der "Gemeindezeitung für die Israelitischen Gemeinden
Württembergs" vom 16. Juni 1928: Zum Lesen bitte Textabbildung anklicken
Leopold Neuburger starb in Amsterdam vermutlich an
einem Raubmord (1928)
Artikel in der "Gemeindezeitung für die Israelitischen Gemeinden
Württembergs" vom 1. November 1928:
Zum Lesen bitte Textabbildung anklicken.
Zum Tod von Jakob Neuburger (1938)
Anzeige
im "Gemeindeblatt der Israelitischen Gemeinde Frankfurt" vom
November 1938 S. 16:
"Am 9. September verschied unser guter Vater,
Großvater, Bruder und Onkel Herr Jakob Neuburger im Alter von 91
Jahren.
Im Namen der trauernden Hinterbliebenen:
Ellwangen (Jagst) . Familie S. F. Neuburger - Frankfurt a.M. Gartenstraße
8a - Familie Doris Schloß geb. Neuburger."
Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des
Judentums" vom 7. Oktober 1844: Anzeige. Ich suche einen
Lehrling aus einer ordentlichen Familie in mein Geschäft unter billigen
Bedingungen aufzunehmen. Derselbe muss gute Schulkenntnisse besitzen,
wenigstens schon Sprachunterricht in einer höheren Lehranstalt genossen
haben. Auf frankierte Briefe erteile ich nähere Auskunft.
Ellwangen (in Württemberg) im Oktober 1844. I. Heß, Buchhändler und
Antiquar."
Buchhändler J. (Joseph) Heß sucht eine
Erzieherin (1874)
Anzeige
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 13. Januar 1874:
"Gesuch einer Erzieherin. Mein Bruder, leider seit Kurzem
Witwer, sucht eine Erzieherin für seine 4 braven Kinder (1 Knabe und 3
Mädchen von 5-12 Jahren). Es sollte ein ältere Person von etwa 40 Jahren
sein, welche zugleich das Hauswesen zu übernehmen hätten.
Convenirendenfalls wird eine dauernde Stellung und die beste Behandlung
zugesichert. Nähere Auskunft erteilt Ellwangen in Württemberg.
Buchhändler J. Heß."
Buchhändler Hess sucht eine Erzieherin (1880)
Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 3. Februar 1880: "Gesuch einer Erzieherin.
Zur Leitung des Hauswesens und Erziehung von vier größeren Kindern wird
eine gebildete Dame israelitische Konfession gesucht. Ellwangen (Württemberg).
Buchhändler Hess."
Historische Ansichtskarte
von Ellwangen (Verlag J. Hess)
Die Karte wurde
1898 nach Lohberg bei Lam in Niederbayern verschickt und ist abgestempelt
in Ellwangen am 8. März 1898. Links am Rand findet sich der Hinweis:
"Verlag J. Hess, Ellwangen"; der Verlag von Jakob Hess wurde
1905 von Ellwangen nach Stuttgart verlegt.
Rechnung der
Fa. Ballenberger & Neuhaus (1888)
Die Rechnung
wurde am 17. März 1888 von der Fa. Ballenberger & Neuhaus in
Ellwangen nach Adelmannsfelden verschickt. Bei der Fa. Ballenberger und
Neuhaus handelte es sich um eine zwischen 1876 und 1910 bestehende
"Hadernfabrik" ("Lumpenfabrik"), die durch den
Kaufmann Louis Ballenberger gegründet worden war (auf dem Grundstück mit
der heutigen Adresse Haller Straße 8). Louis Ballenberger und seine Frau
sind auf dem jüdischen Friedhof in
Ellwangen beigesetzt worden.
Karte der Buch- und
Antiquariatshandlung
J. Hess, Ellwangen (1898)
Die Karte
wurde verschickt am 9. März 1898. Absender ist die
Buch- und Antiquariatshandlung J. Hess. Einer seiner drei Nachfolger
Joseph, Moritz oder Sigmund Hess hat die Karte unterschrieben. Empfänger
war die Verlagshandlung Gerold & Sohn in Wien.
Rechnung der Buch- &
Antiquar-Handlung
von J. Hess (1855)
Die Rechung
datiert auf den 9. Mai 1855 und wurde an die verehrliche Gemeinde Mögglingen (Schultheiß Bieg) geschickt. Sie ist von J. Hess
unterzeichnet
Brief an Rechtsanwalt Dr.
Ludwig Heß
in Ellwangen (1891)
Der Brief datiert
vom 2. Oktober 1891. Dr. Ludwig Heß , der als Sohn von Moritz Heß 1864
in Ellwangen geboren wurde, ist am 22. August 1942 von Stuttgart in das
Ghetto Theresienstadt deportiert worden, wo er am 13. September 1942
umgekommen ist.
Briefumschlag eines
Briefes
von Leopold Weil (1862)
Der Brief wurde
von Leopold Weil an die Redaktion des Ellwanger Amtsblattes am 28.
Dezember 1862 geschickt.
Er ist mit rückseitigem Siegel versehen.
Zu Leopold Weil (geb. 1832 in
Laupheim,
gest. 1913 in Ellwangen): lernte in Buchdruckerei in Ehingen* und Saulgau*,
danach auf Wanderschaft in Baden, Bayern und Sachsen; nach einer ersten
Stelle in Wien kam er über den Buchhändler Isaak Heß nach Ellwangen.
Weil heiratete 1858 Lea, eine Tochter von Isaak Heß und übernahm noch im
selben Jahr die Leitung der Buchdruckerei und des Amtsblattes, das Heß
für ihn erworben hatte. Nach dem frühen Tod von Lea heiratete Weil 1861
Hanna geb. Neuburger. Seine Buchdruckerei florierte unter seiner
umsichtigen und klugen Leitung. 1896 übergab er den Betrieb an zwei
seiner Söhne. Er wurde nach seinem Tod auf dem jüdischen
Friedhof in Ellwangen beigesetzt. Seine Frau starb zwei Jahre später
und wurde ebd. beigesetzt.
* siehe dazu: Veit Feger:
Aus
dem Leben des Verlegers Leopold Weil (Laupheim, Ehingen, Saulgau,
Ellwangen) und seiner Söhne Albert und Sigmund (Ellwangen, Tübingen)...
und ein wenig aus der Geschichte der Ehinger christlichen
Verlegerfamilie Feger. Beitrag Dezember 2019 eingestellt (pdf-Datei).
Nota
des Bank- und Wechselgeschäftes
von Heinrich Kaufmann (1884)
Die Nota des Bank - und Wechselgeschäft von Heinrich
Kaufmann datiert vom 19. November 1884 "für die Pflege der Anna
Auchter Abtsgmünd". Heinrich Kaufmann führte in Ellwangen ein Bank - und Wechselgeschäft in den Jahren von 1871
bis 1893. In den Jahren mindestens von 1877 bis 1890 war Heinrich Kaufmann in der Vorstandschaft der Israelitischen Genossenschaft aktiv.
Dies bestätigen die oben abgebildeten Stellenausschreibungen für einen Lehrer, Vorbeter und Schochet in der Zeitschrift "Der Israelit"
in den Jahren 1877 und 1890.
vgl.: Sabine Wierlemann/Nina Kenntner: Steine der Erinnerung, Der Jüdische Friedhof in Ellwangen, Sabine Wierlemann und Nina
Kenntner. S. 38.
Briefumschlag eines
Briefes
von Rechtsanwalt Benno Gump (1894)
Der Brief
von Rechtsanwalt Benno Gump wurde am 5. Dezember 1894 an das "verehrliche
Gerichtsvollzieheramt Röhlingen mit dem Sitz in Lauchheim"
geschickt.
Rechtsanwalt Benno Gump (geb. 1864 in
Ulm, gest. November 1936 in Ulm) war 8 Jahre lang als Rechtsanwalt am
"Königlichen Landgericht" in Ellwangen tätig. 1901 verzog er
nach Ulm. Außer Benno Gump waren noch weitere jüdische Rechtsanwälte am
Landgericht tätig: Leopold Löwenstein (bis 1878), David Heimann
(zugelassen bis 11/1938). Benno Gump war im Leben der Stadt engagiert,
u.a. als Mitglied des Sängerbundes. Seine Verbundenheit mit Ellwangen
blieb lange erhalten: 1926 lud er andere Ellwanger in Ulm zu einem
"Alt-Ellwanger-Abend" ein.
Rechnung von Leopold
Weil
(1900)
Die Rechnung von
Leopold Weil (L. Weil's Buchdruckerei - Verlag der Jagst-Zeitung und des
Bopfinger Tagblattes) wurde am 14. April 1900 an den Stadtschultheißen
Bergmüller in Bopfingen geschickt. Sie bezieht sich auf dessen
Bürgermeisterwahl und auf die hierzu gedruckten 15 Danksagungen und 27
Einladungen zur Amtseinsetzung.
Anzeige des Getreidehändlers Jos. Neumaier
(1900)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 26. Juli 1900:
"Familienverhältnisse halber setze mein Haus mit Laden in
bester Lage dem Verkauf aus, würde solches eventuell auch verpachten. Auf
demselben betreibe seit 30 Jahren eine Getreidehandlung mit bestem Erfolg
und ist vollständigen Einrichtung, Putzmühle ca. 20.000 Säcke etc.
vorhanden, würde mich vorerst auch assoziieren. In Folge der günstigen
Lage würde sich das Haus auch zur Einrichtung einer jüdischen
Restauration, welche am hiesigen Platz ein Bedürfnis ist, eignen, ferner
habe ein Quantum koscher Gänseschmalz abzugeben.
Jos. Neumaier, Ellwangen."
Einrichtungen aus der Zeit des Mittelalters
sowie des 15./17. Jahrhunderts sind nicht bekannt.
Die Gemeinde des 19./20. Jahrhunderts feierte ihre
Gottesdienste in Betsälen:
Ein erster Betsaal wurde durch durch Mietvertrag vom
9. März 1877 mit Anton Riederer eingerichtet in Räumlichkeiten des früheren
Gasthauses "Rössle" in der Langen Straße 41 (heute Marienstraße 20;
Orthopädie Schneider). Der Mietvertrag wurde zunächst auf zehn Jahre, für die
Zeit vom 31. Mai 1877 bis 31. Mai 1887 abgeschlossen und durch Vertrag vom 12.
September 1886 um weitere fünf Jahre - 31. Mai 1887 bis 31. Mai 1892 - verlängert.
Vermietet wurden die im mittleren Stock gelegenen Lokalitäten, nämlich das
Wirtschafts- und Nebenzimmer samt der daneben liegenden Schänke und der
Speisekammer. Der Hauseigentümer Anton Riederer ist 1885 verstorben. Danach
ging das Gasthaus "Rössle" im Jahr 1900 auf seinen gleichnamigen Sohn
über. Wie lange das bis 1892 vertraglich befristete Mietverhältnis wegen des
frühen Todes des Vermieters aber tatsächlich gedauert hat, konnte bislang
nicht festgestellt werden.
Ein zweiter Betsaal befand sich ab 1909 im alten Kapuzinergebäude der „Marienpflege“ (Gebäude Dalkinger Straße 4, Erdgeschoss, heute Raum St. Maria). Mit Ausnahme des Ersten Weltkrieges, als in diesem Gebäudekomplex ein Lazarett untergebracht war, versammelten sich hier bis 1926 die jüdischen Gemeindeglieder zu Gebet und Gottesdienst. Am Gebäude ist heute eine Hinweistafel angebracht; die frühere Nische des Toraschreines ist durch einen Stoffdruck mit hebräischem Dekalog markiert.
Mit Beschluss des Ellwanger Gemeinderats vom 11. August 1926 stellte die Stadt im Erdgeschoss des Kammergebäudes der israelitischen Gemeinde einen 100 qm großen Raum zur
Einrichtung eines dritten Betsaales zur Verfügung. Das Kammergebäude, ein Nebengebäude des früheren Versorgungsamtes, befand sich in der damaligen Bergstraße 10a, heute Peutinger Straße 2-1 (im Volksmund "Bergkaserne"; jetzt Institut für sozial-pädagogische Berufe). Die Einweihung dieses durch Architekt Mächler gestalteten dritten Betsaales fand am Sonntag, 5. Dezember 1926 in feierlichem Rahmen statt. Zur Finanzierung hatte auch der Israelitische Oberrat mit 1.000 Mark beigetragen. Am Einweihungstag erschienen der stellvertretende Präsident des Israelitischen Oberrates Louis Hirsch und der Stuttgarter Rabbiner Dr. Paul Rieger sowie Vertreter der jüdischen Nachbargemeinden Schwäbisch Gmünd, Crailsheim und Oberdorf. Der Synagogenchor aus Gmünd umrahmte die Feier. Sämtliche Stadträte Ellwangens und weitere Vertreter der Stadt und des Oberamts waren genauso anwesend wie zwei katholische und drei evangelische Geistliche. Feierlich wurden die Torarollen in den Betraum getragen, der schließlich von Bezirksrabbiner Dr. Hermann Kroner aus Oberdorf geweiht wurde.
Die Einweihung des israelitischen Betsaales
1926
Artikel in der "Jagstzeitung", am 7. Dezember
1926: "Ellwangen, 6. Dezember (Israelitisches Gebetshaus). Der gestrige Sonntag war
für die hiesige israelitische Gemeinde - der kleinsten in Württemberg - ein
Gedenktag, wie sie noch nie einen feiern konnte: er galt der Einweihung eines
Gebetshauses, eingebaut in das Hintergebäude des Versorgungsamts. Der
freundliche und schmucke Raum vermochte die erschienenen Gemeindemitglieder und
Gäste kaum zu fassen. Unter den Geladenen befanden sich Vertreter der
katholischen und evangelischen Kirchengemeinde, des Oberamts, der Stadt mit fast
dem gesamten Gemeinderat. Ferner waren vertreten die israelitischen
Nachbargemeinden von Crailsheim, Gmünd und Oberdorf, sowie die Repräsentanten
des israelitischen Oberrats in Stuttgart und des Bezirksrabbinats. Die Feier
nahm einen schönen Verlauf. Namens der Stadt überbrachte an Stelle des
verhinderten Stadtvorstandes Ratsschreiber Maier in treffenden Worten die
Glückwünsche der Stadtgemeinde. Er konnte dabei auf das reibungslose
Zusammenleben der Israeliten mit den anderen Konfessionen hinweisen. In
glänzender Rhetorik wiesen Bezirksrabbiner Dr. Kroner - Oberdorf und namentlich
auch das theologische Mitglied des israelitischen Oberrats, Dr. Rieger - Stuttgart,
auf Zweck und Bedeutung der Feier hin, betonend, dass die Errichtung eines
Hauses des Gottesdienstes einer Gemeinde nur zum Wohle gereichen könne. Letzterer
gab noch einen Rückblick in die Geschichte der jüdischen Gemeinde in
Ellwangen...
Weiter sprach noch der Präsident des Oberrats der israelitischen Religionsgemeinschaft
Württembergs, Louis Hirsch - Stuttgart, der vor dem rührigen Vorstand der
hiesigen israelitischen Gemeinde Louis Neumaier, den verdienten Dank zum
Ausdruck bracht. Verschönt wurde die Feier noch durch den Gesang des
Synagogenchors Gmünd unter der Leitung von Lehrer Uhlmann. (Die Begleitung am
Harmonium hatte Lehrer Eisenbarth - Ellwangen übernommen). Der israelitischen
Gemeinde wird die erhebende Feier der Einweihung eines Gebetshaus, die einen
Markstein in ihrer Entwicklung darstellt, dauernd im Gedächtnis haften."
Bericht über "Die Einweihung
des jüdischen Bethauses in Ellwangen" in:
"Gemeindezeitung für die israelitischen Gemeinden
Württembergs"
vom 16. Dezember 1926: zum Lesen bitte Textabbildungen anklicken
Bis 1933 konnten die Gottesdienste der Gemeinde im
Kammergebäude abgehalten werden. In diesem Jahr wurde der jüdischen Gemeinde gekündigt,
da die NSDAP den Raum für BDM- und HJ-Versammlungen beanspruchte.
Historische Fotos der Betsäle
sind nicht bekannt.
Bitte eventuelle Hinweise an den Webmaster der "Alemannia Judaica"; Adresse siehe Eingangsseite
Fotos nach 1945/Gegenwart:
Fotos 2003/04: (Fotos: Hahn, Aufnahmedatum 5.9.2003
bzw. die Fotos des
zweiten Betsaales
am 1.9.2004)
Haus, worin der erste Betsaales
ab 1877
eingerichtet war
(Marienstraße 20)
Haus, worin der zweite Betsaal
ab 1909
eingerichtet war
(Kapuzinergebäude in der Marienpflege)
Hinweistafel am Haus
Dalkinger
Straße 4
Der frühere (zweite) Betsaal
-
Blick nach Osten
Die Nische, worin sich der
Toraschrein
befand, mit Stoffdruck des hebräischen
Dekalogs (Zehn Gebote)
Auf dem
Grundstück des heutigen Institutes für sozial-pädagogische Berufe war
1926 bis 1933 der dritte Betsaal der jüdischen Gemeinde des
19./20. Jahrhunderts
Februar 2018:
In Ellwangen sollen "Stolpersteine"
verlegt werden
Artikel
in der "Schwäbischen Post" vom 9. Februar 2018: "Ellwangen.
Wo könnten die Stolpersteine liegen?
Opfergedenken. Auf Antrag der SPD-Fraktion soll auch in Ellwangen mit
den 'Stolpersteinen' aus Messing an Opfer der NS-Diktatur erinnert
werden..."
Video zur jüdischen Geschichte im
Ostalbkreis (eingestellt 12/2023) Erstellt vom Landratsamt des Ostalbkreises: Pressetext zur
Vorstellung: "Im Frühjahr 2019 wurde auf Initiative des Ostalbkreises in der
ehemaligen Synagoge in Bopfingen-Oberdorf ein Netzwerk aller Archivare und
Bürgermeister der Städte im Ostalbkreis aus der Taufe gehoben, die Spuren
jüdischen Lebens aufweisen. Ziel war es, angesichts spürbar zunehmender
antisemitischer Stimmungen alle Kräfte zu bündeln und jüdisches Leben im Kreis
sichtbar zu machen. Die Kooperation hat drei Kerninhalte, wie Landrat Dr.
Joachim Bläse bei einem der Treffen zusammenfasste: 'Wir wollen schützen,
bewahren, erforschen und voneinander lernen, und wir wollen jüdische Geschichte
im Ostalbkreis vielen Menschen, vor allem unsere Jugendlichen, transparent und
leicht zugänglich machen.'
Dafür wurde vom Netzwerk gemeinsam mit Kollektiv K ein rund 15-minütiger Film
erstellt, der die "Jüdische Geschichte im Ostalbkreis" kompakt und anschaulich
vermittelt: Seit dem Mittelalter ist jüdisches Leben im Ostalbkreis nachweisbar.
In Archiven und Museen sind noch Relikte zu finden, was aber ist heute noch in
den Städten und Gemeinden präsent? Eine Spurensuche nach Menschen, Häusern und
Geschichten".
Paul Sauer: Die jüdischen Gemeinden in Württemberg und
Hohenzollern. 1966. S. 71-72.
Germania Judaica III,1 S. 297.
Pinkas Hakehillot. Encyclopaedia of Jewish
Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany.
Württemberg - Hohenzollern - Baden. Ed. Joseph Walk. Hg. von Yad Vashem.
Jerusalem 1986 (hebräisch) S. 42-43.
Isolde Burr: Der jüdische Friedhof in Ellwangen. Notizen zur
Geschichte der Juden in dieser Stadt, in: Ellwanger Jahrbuch 1983-84.
Sabine Wierlemann/Nina Kenntner: Steine der Erinnerung. Der
jüdische Friedhof in Ellwangen. Arbeit der 13. Klasse des Peutinger
Gymnasiums Ellwangen im Rahmen des Schülerwettbewerbs Deutsche Geschichte
1992/93.
Joachim
Hahn / Jürgen Krüger: "Hier ist nichts anderes als
Gottes Haus...". Synagogen in Baden-Württemberg. Band 1: Geschichte
und Architektur. Band 2: Orte und Einrichtungen. Hg. von Rüdiger Schmidt,
Badische Landesbibliothek, Karlsruhe und Meier Schwarz, Synagogue Memorial,
Jerusalem. Stuttgart 2007.
Ellwangen Wuerttemberg. Jews
settled in the 13th century; 15 were murdered in the Rindfleisch massacres of
1298. Other anti-Jewish disturbances shook the community and by 1800, no Jews
were present in Ellwangen. The reestablished 19th century community numbered 99
in 1886. 13 remained in 1933, of whom seven managed to emigrate in the Nazi era.
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