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jüdischen Friedhöfe im Landkreis
Mainz-Bingen
Gau-Algesheim (Landkreis Mainz-Bingen, Rheinland-Pfalz)
Der jüdische Friedhof
(die Seite wurde erstellt unter Mitarbeit von Dorothee
Lottmann-Kaeseler)
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde
Siehe Seite
zur Synagoge in Gau-Algesheim (interner Link)
Zur Geschichte des Friedhofes
In Gau-Algesheim gab es bereits im 14. Jahrhundert einen jüdischen Friedhof
(als "Judinkirchove" 1358 genannt). Im 15. Jahrhundert wurden
die in Gau-Algesheim verstorbenen Juden in Mainz beigesetzt (1470 genannt).
Der heute noch erhaltene jüdische Friedhof liegt nordöstlich der Stadt in der
Flur "Am Judensand". Die Friedhofsfläche umfasst 10,47 ar. Es
ist nicht bekannt, wann er angelegt wurde. Deutlich erfolgte innerhalb der
massiven Umfassungsmauer um 1800 (?) eine Aufschüttung des Geländes zur Anlage
einer weiteren Gräberschicht, möglicherweise liegen die bis auf das 14.
Jahrhundert zurückgehenden Gräber in einer unteren Schicht. Der Friedhof
diente den beiden jüdischen Gemeinden, Gau-Algesheim und
Ockenheim
als Begräbnisstätte. Die letzte Beisetzung erfolgte 1937 (Rosa Nathan geb.
Marx). Im Zusammenhang mit dem Novemberpogrom 1938 wurden der Friedhof geschändet
und zahlreiche Steine durch eine Gruppe von SA-Leuten unter Führung eines
Volksschullehrers namens Reinhard Eyring umgestürzt.
Im August und September 1945 wurde der Friedhof wieder hergerichtet. Auch
1948 fand eine Festigung der Grabdenkmäler statt.
Mehrfach wurde der Friedhof nach 1945 geschändet: 1964 wurden durch vier
Jugendliche Grabsteine umgeworfen. Die Grabsteine des Friedhofes stehen heute
großenteils nicht mehr am ursprünglichen Ort. Bis Ende der 1970er-Jahre
befanden sich die an der Einfriedungsmauer stehenden Steine noch auf dem Gräberfeld.
Bei einer 1983 - damals wohl gut gemeinten - durchgeführten Säuberungsaktion
durch eine Gruppe von Jugendlichen wurde nicht nur der Bewuchs des Friedhofes
entfernt, sondern auch fast alle Grabsteine und Grabeinfassungen, nur die
unversehrten Steine an den Mauerrand gestellt.
1998 richteten drei junge Erwachsene und ein Jugendlicher Schäden
in Höhe von 5.000 DM an. Mehrere Grabsteine wurden über die Friedhofsmauer
geworden, die Grabsteine mit NS-Symbolen beschmiert. Schmierereien gab es auch 1999.
Der
Friedhof in den 1950er-Jahren |
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Teilansicht des
Friedhofes
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Grabstein
von Leopold Herz aus Ockenheim (5.1.1821-21.3.1902); der
hebräische Text lautet übersetzt: "Hier ruht / ein bedeutender
Mann, der Rechtes bewegt hat / der seinen Schöpfer von seiner Jugend an
fürchtete / der ging auf dem Weg der Gerechtigkeit (Frömmigkeit) alle
seine Tage / der Gutes vollbracht hat seiner Frau und seinen Kindern / er
war ehrenamtlicher Vorbeter in seiner Gemeinde zur Ehre Gottes. / Es war
der Herr Pinchas, der gestorben ist in gutem Namen am Freitag 12. Adar
5662 / Seine Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens." |
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Oben:
Foto von 1936 (von Walter Nathan)
mit dem ältesten bekannten
Grabsteines
aus der Familie Nathan; rechts Inschrift
mit Übersetzung von
F.G. Hüttenmeister |
Grabstein
für Rosa Seligmann geb. Bergmann (11.5.1854-18.2.1899); der hebräische
Text lautet übersetzt: "Hier ist begraben die Frau Rosa, Gattin
des
Alexander Seligmann / gestorben am Heiligen Schabbat, 8. Adar 5659 /
Ihre Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens." |
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Grabstein
für Caroline Nathan geb.
Landbergs (1782-1852) - unten Inschrift
mit
Übersetzung von F.G. Hüttenmeister |
Grabstein
für Josef Herz aus Ockenheim (19.2.1897 / 17. Adar 5857 - 28.9.1913 / 27.
Elul 5673); der hebräische Text lautet übersetzt: "Hier ist
begraben ein liebenswerter
junger Mann / Liebling seiner Eltern und all
dener, die ihm nahe standen / geschätzt
und geliebt von allen, die ihn
kannten / er war fleißig in seiner Arbeit und aufrichtig in
seinen Taten
/ ... / Es war der junge Mann Pinchas, der Sohn des Herrn Jizchak, der
starb in der Nacht des Sonntag auf den 27. Elul und begraben wurde am
Dienstag, dem
28. Elul 5673 / Seine Seele sei eingebunden in den Bund des
Lebens." |
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Der Friedhof
1976: die Steine
standen noch am ursprünglichen
Standort; die
Grabeinfassungen
waren noch erhalten |
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Blick auf den
Friedhof und das Eingangstor |
Teilansicht |
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Teilansichten
des Friedhofes |
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Der Friedhof im Frühjahr
2005
(Fotos: Hahn, Aufnahmedatum 31.3.2005) |
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Blick auf das Friedhofstor (in
den
1980er- Jahren vom städtischen
Friedhof anstelle eines älteren Tores
hier angebracht) |
Links und rechts der
umgebenden
Mauer zeigt sich der Höhenunterschied |
Blick über den vermutlich zur
leichteren Pflege weitgehend
abgeräumten Friedhof |
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Einige ältere Steine
im
Gebüsch |
Familiengrab Abraham Wolf aus
Ockenheim; die Platten in den
seitlichen Steinen
fehlen; neue Platte
seit dem Jahr 2000. |
Grabsteine entlang
der
Friedhofsmauer |
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Blick über
den Friedhof |
Grabsteine für Henriette
Nathan
aus Ockenheim (links, 1869-?) und
Siegmund Wolf (1867-1917) |
Grabstein für Josef Herz
aus
Ockenheim (1897-1912) |
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Hinweistafeln,
angebracht im November 2008
(Vorlagen erhalten von Dorothee Lottmann-Kaeseler, auf Grund der
Dateigröße
bitte etwas längere Ladezeit beachten!) |
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Tafel zur
Geschichte der jüdischen
Gemeinden und der Synagogen von
Gau-Algesheim
und Ockenheim |
Tafel zur
Geschichte
des Friedhofes |
Tafel mit den Namen der
ermordeten
Juden aus Gau-Algesheim
und Ockenheim |
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Gedenkstunde
zur Anbringung der Gedenktafeln
(Die Fotos und der Bericht waren 2008 eingestellt auf www.gau-algesheim.com;
bereits seit 2009 dort wieder herausgenommen) |
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GEDENKSTUNDE ZUR "REICHSPOGROMNACHT" VOR 70 JAHREN AM 9. NOVEMBER 2008
(Bericht von Dorothee Lottmann-Kaeseler)
Zu einer besonderen Gedenkstunde, Beginn 11.30 Uhr, zur Erinnerung anlässlich des 70. Jahrestages der
"Reichpogromnacht" am 9. November 1938 versammelten sich am späten Vormittag Mitglieder der evangelischen und katholischen Kirchengemeinden, die Pfarrerin und Pfarrer von Gau-Algesheim und Ockenheim, die Bürgermeister, Bürger und Bürgerinnen der Stadt Gau-Algesheim, der Ortsgemeinde Ockenheim in Zusammenarbeit mit der Verbandsgemeinde Gau-Algesheim. Diesmal waren außerdem fast 60 Gäste angereist, von denen die meisten zum ersten Mal diesen Ort besuchten. Auf Einladung von Walter Nathan (Chicago) waren drei Generationen von Nachkommen der einst in Gau-Algesheim lebenden großen Familie Nathan aus aller Welt gekommen, um an diesem denkwürdigen Tag dabei zu sein. Walter Nathan selbst wurde begleitet von seiner Frau Ann, seinen 3 Töchtern mit Familien und seinem Sohn Richard (Enkel des 1873 in Gau-Algesheim geborenen Richard
Nathan) mit Familie.
Zunächst wurden drei Informationstafeln an der Außenmauer des Friedhofs präsentiert, die erstmals konkrete Hinweise zur Geschichte der jüdischen Gemeinden und ihres Friedhofs geben. Auch die Namen der Schoah-Opfer waren bisher nicht öffentlich.
(im Ort jeweils Gedenktafel ohne Namen. siehe Seite
zur jüdischen Geschichte in Gau-Algesheim).
Dann wurde der Gedenkstein auf dem Friedhof mit einer Bronzetafel zur Erinnerung an die hier bestatteten jüdischen Bürger aus Gau-Algesheim und Ockenheim und an die Opfer der Schoah enthüllt.
(Text der Tafel als
pdf-Datei)
Bei der Gedenkstunde sprachen der Stifter Walter Nathan, die Bürgermeister, Pfarrerin und Pfarrer, Dr. Emanuele Ottolenghi
(Brüssel) jüdische Gebete und das Kaddisch. Walter Nathan erinnerte an den amerikanischen Präsidenten Abraham Lincoln mit der Aussage: "Es liegt an uns Lebenden die Arbeit so fortzusetzen, dass die Toten nicht umsonst gestorben sind." Und zum Abschluss rezitierten die 11 anwesenden seiner Enkel ein Gebet der Hoffnung an die Zukunft.
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