Eingangsseite
Aktuelle Informationen
Jahrestagungen von Alemannia
Judaica
Die Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft
Jüdische Friedhöfe
(Frühere und
bestehende) Synagogen
Übersicht:
Jüdische Kulturdenkmale in der Region
Bestehende
jüdische Gemeinden in der Region
Jüdische
Museen
FORSCHUNGS-
PROJEKTE
Literatur
und Presseartikel
Adressliste
Digitale
Postkarten
Links
| |
zur Übersicht über die Jahrestagungen von Alemannia Judaica
 |
Der Salmen (u.a. ehemalige Synagoge)
in Offenburg nach der Restaurierung 2002 |
Die Jahrestagung 1996 in Offenburg
Die Jahrestagung wurde einberufen und organisiert von der
"Fachgruppe Jüdische Geschichte" des "Historischen Vereins für
Mittelbaden e.V. Sitz Offenburg". Eingeladen wurde von Jürgen Stude,
Oberweier.
Protokoll der
Jahrestagung der Alemannia Judaica
am 17. März 1996 im Spitalspeicher in Offenburg
Protokoll: Uwe Schellinger, Thomas Wernstedt
1. Begrüßung durch Thomas Wernstedt für die Fachgruppe
"Jüdische Geschichte in der Ortenau" (in Vertretung für den
kurzfristig erkrankten Jürgen Stude) sowie durch Dr. Martin Ruch als Vertreter
der Stadt Offenburg, woran sich eine kurze Vorstellungsrunde der
Teilnehmerinnen und Teilnehmer anschloss.
2. Danach folgte der Vortrag von Prof. Dr. Freddy Raphael aus Straßburg
über elsässisches Judentum im 19. und 20. Jahrhundert. Der Vortrag wurde
in französischer Sprache gehalten und abschnittsweise von Herrn Bähr aus
Offenburg übersetzt. Raphael schilderte anhand einiger Beispiele anschaulich
Lebenswelten und soziale Netze vornehmlich der Landjuden im Elsass, wobei er des
öfteren auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede mit bzw. zu den badischen Juden
hinwies.
3. Nach dem Mittagessen, das auch Gelegenheit zu vielen Einzelgesprächen
bot, führte Dr. Martin Ruch die Teilnehmerinnen und Teilnehmer zuerst zum ehemaligen
Synagogengebäude der Offenburger jüdischen Gemeinde des 18. und 20. Jahrhunderts
(Lange Str. 52). Ruch wies auf Pläne hin, das geschichtsträchtige Gebäude
(u.a. Versammlungsort der 1848er-Revolution) in Zukunft möglicherweise einer
angemesseneren Verwendung zuzuführen (momentan Lagerraum einer Firma).
Anschließend
konnte die beeindruckende mittelalterliche Mikwe (14. Jahrhundert, Foto
links), das älteste erhaltene Baudenkmal Offenburgs, besichtigt werden
(Glaserstraße 8). Die rituelle Bad, 15 Meter unter dem heutigen Hofniveau
gelegen, befindet sich nach Worten Ruchs inmitten den ehemaligen jüdischen Viertels
der Stadt. Es handelt sich bei der Offenburger Mikwe zugleich um das älteste
jüdische Bauwerk Südbadens.
4. In der abschließenden Gesprächsrunde im Spitalspeicher kam es
erneut zu keiner verbindlichen Entscheidung der Arbeitsgemeinschaft hinsichtlich
der geplanten Projekte "Guide zu Stätten jüdischen Lebens" und
"Leitfaden zur Erforschung jüdischer Geschichte". Herr Grosspietsch
erläuterte nochmals die vorgesehene Konzeption und Zielrichtung beider
Vorhaben, deren Verwirklichung die Arbeitsgemeinschaft auch in Zukunft
beschäftigen wird. Es wurde beschlossen, bei der nächsten Jahrestagung
gezielter auf dieses Thema einzugehen.
Weiterhin berichteten einige Teilnehmerinnen und Teilnehmer über aktuelle
Projekte und Arbeitsvorhaben. In Kürze und exemplarisch seien erwähnt der
neu gegründete "Förderverein ehemalige Synagoge Kippenheim e.V.",
die von Ende Juni bis Oktober 1997 stattfindenden Veranstaltungen zum Jubiläum
des ersten Zionistenkongresses 1897 in Basel, sowie das Projekt "Ehemalige
Synagoge Baisingen".
Angesprochen und diskutiert wurde hernach das Problem des Umgangs mit der ehemaligen
Synagoge in Altdorf bei Ettenheim; ein Gebäude, über dessen weitere
Zukunft bisher noch keine klaren Vorstellungen vorhanden sind. Es wurde
beschlossen, dass sich die Fachgruppe "Jüdische Geschichte in der
Ortenau" des Themas annehmen soll.
Uli Baumann regte an, von Seiten der Arbeitsgemeinschaft eine Art Sammelstelle
für Themen zukünftiger Forschungsarbeiten (z.B. Magister- und
Zulassungsarbeiten, Dissertationen) einzurichten. Ein Blatt mit ersten
Themenvorschlägen wird beigefügt (siehe unten). Die Mitglieder der
Arbeitsgemeinschaft sind aufgerufen, bis zur nächsten Tagung weitere Desiderate
mitzuteilen, die dann HochschullehrerInnen und Studierenden über den Verteiler
zugänglich gemacht werden könnten (Uli Baumann, Berlin).
5. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer einigten sich darauf, das nächste
Treffen der "Alemannia Judaica" am Sonntag, den 16. März 1997 in
Gailingen zu veranstalten. Eventuell soll sich daran im Herbst 1997 noch ein
zusätzliches Treffen in Basel (bezüglich des o.g. Jubiläums)
anschließen.
Teilnehmerliste (ohne akademische Titel): Verena Alborino (Museum in
der "Alten Schule", Efringen-Kirchen), Uli Baumann (Berlin), Rita
Breit (Offenburg), Yvonne Domhardt (Israelitische Bibliothek, Zürich), Ruben
Frankenstein (Freiburg), Karlheinz Geppert (Stadtarchiv Rottenburg und
Förderverein Synagoge Baisingen), Jost Grosspietsch (Sulzburg), Sibylle
Höschele (Sulzburg), Frowald Gil Hüttenmeister (Tübingen), Wolfgang Jokerst
(Bühl), Friedrich Katz (Hausach), Paul Katz (Weil am Rhein), Dieter Kauß
(Offenburg), Robert Krais (Deutsch-Israelischer Arbeitskreis südlicher
Oberrhein, Ettenheim), Rolf Kruse (Historischer Verein Kehl-Hanauerland),
Hannjost und Gisela Lixfeld (Sulzburg-Laufen), Günther Mohr (Bühl), Michael
Nathanson (Förderverein ehem. Synagoge Kippenheim), Gisela Raming (Konstanz),
Freddy Raphael (Strassburg), Martin Ruch (Museum im Ritterhaus, Offenburg), Uwe
Schellinger (Freiburg), Ilske von Schweinitz (Esslingen), Dorothea
Siegler-Wiegand (Offenburg), Beate Steg-Bayer (Konstanz), Martin Ulmer
(Geschichtswerkstatt Tübingen), Christina Weiblen (Freiburg), Thomas Wernstedt
(Schwanau).
Anlage zum Protokoll
von Ulrich Baumann, Berlin
Wie auf der Tagung angeregt, lege ich dem Protokoll einige zwischenzeitlich
eingegangene Vorschläge für Themen von Examens- und Doktorarbeiten bei. Es
wäre im Sinne der Tagungsteilnehmer/innen und der Ziele der "Alemannia
Judaica" sehr zu begrüßen, wenn die vorgestellten Themen das Interesse
von DozentInnen und Studierenden wie auch von unabhängig Forschenden finden
würden.
1. Anregungen auf der Tagung (Offenburger Lokalgeschichte)
Die vorbildliche Sammlung und Publikation von Quellen zur Geschichte der
Juden und Jüdinnen in Offenbarung seit 1862, die auf der Tagung vorgestellt
wurde, lenkte die Aufmerksamkeit der Anwesenden auf einige noch offene Fragen.
So böte sich an, auf Grundlage des in Offenburg vorhandenen Materials
familiengeschichtliche Forschungen zur Geschichte der Familien in der Ortenau zu
betreiben, insbesondere zur Frage der Migration der Landjuden aus den
umliegenden Gemeinden (z.B. Schmieheim und Kippenheim) nach Offenburg und zur
Frage der Familienbeziehungen von Offenburger Juden und Jüdinnen zu ihren
ländlichen Verwandten. Die Wiederbegründung der jüdischen Gemeinde
Offenburg insbesondere vor diesem Hintergrund ist bisher noch nicht
ausreichend erforscht worden. Hilfestellung zur Frühphase der Gründung können
hier auch die Kirchenbücher leisten, die bis zum letzten
Jahrhundertviertel des 19. Jahrhunderts auch die jüdischen EinwohnerInnen
verzeichneten.
2. Kurzbiographien aller Rabbiner im württembergischen Raum (Dr. F. G.
Hüttenmeister)
Herr Dr. Hüttenmeister (Tübingen) regte auf der Tagung an, dieses Thema
intensiv anzugehen. In einem zusätzlichen Schreiben verweist er auf die schon
existierenden Arbeiten, die hierzu als Grundlage dienen könnten: die
(allerdings nicht vollständige) Liste der württembergischen Rabbiner 1832-1936
von Aaron Tänzer, abgedruckt in: Geschichte der Juden in Württemberg,
Frankfurt 1937/1983 S.71-76 sowie der baden-württembergischen Rabbiner von
Joachim Hahn, in: Erinnerungen und Zeugnisse jüdischer Geschichte in
Baden-Württemberg, Stuttgart 1988. S. 577-592. Nach Mitteilung von Herrn Dr. Hüttenmeister
ist Dr. Joachim Hahn gerne bereit, Hinweise zu den Quellen in den Archiven in Baden-Württemberg
zu geben.
3. Vorschläge von Herrn J. Grosspietsch, Stadt Sulzburg
Herr Grosspietsch hat folgende Liste mit verschiedenen Desiderata und Vorschlägen
zusammengestellt:
 | Die wirtschaftliche Bedeutung der jüdischen Händler an Fallbeispielen
des konkreten Ortes anhand einer bzw. mehrerer Familien über einen Zeitraum
von 60 Jahren. |
 | Vergleich der wirtschaftlichen Bedeutung mit der politischen Bedeutung im
kommunalen Rahmen der Gemeinde (politischen) und in Analogie zur jüdischen
Religionsgemeinde des Ortes. |
 | Aufarbeitung "literarischer" Zeugnisse von verschiedenen Orten
mit jüdischen Kulturspuren aus privaten und öffentlichen Dokumenten. |
 | "Literarische" Zeugnisse am Beispiel der Fasnet:
Fasnachtssprüche von jüdischen Ortseinwohnern. |
 | Familiäre Veränderungen an ausgesuchten Familien zwischen 1860 und 1910.
- |
 | Komplette Erhebung nach Regierungsbezirken gegliedert mit jüdischen
Sakralbauten (Architekt/gebaut/zerstört/genutzt/Zustand 1996/geplant
für...) |
 | Binnenstrukturen der jüdischen Gemeinde Badens zwischen 1805 und 1862 und
ihre Beziehungen zum Oberrat. |
4. Ortsgeschichte, jüdische Regionalgeschichte
Erlauben Sie mir, abschließend einige Überliegungen zu
Desiderate der Erforschung des Landjudentums im alemannischen Raum zu äußern,
die inhaltlich vor allem an die Gedanken von Herrn Grosspietsch
anknüpfen.
Im Sinne der von Monika Richarz auf der Alemannia-Judaica-Tagung 1992 in
Hohenems getroffenen Feststellung, es bedürfe weiterer Studien zur Geschichte
einzelner jüdischer Gemeinden sowohl hinsichtlich ihrer Binnenstruktur als auch
in Bezug zur christlichen Bevölkerung vor Ort, erscheint es weiterhin sinnvoll,
die Geschichte einzelner jüdischer Gemeinden und Judendörfer zu erforschen.
a) Das Landjudentum war stark geprägt von örtlichen
Eigenheiten im Bereich von Brauch und Kultus, deren Kenntnis mit der
Vertreibung und Ermordung der Gemeindemitglieder fast völlig verschwunden ist.
Es gilt, diese Spuren der Erinnerung an das religiöse Leben für die einzelnen
Landgemeinden zu sichern.
b) Unterschiede bestanden auch im Wirtschaftsleben und in der
demographischen Entwicklung der Judendörfer, deren lokalgeschichtliche Erforschung
schließlich auch Material zu überörtlichen oder evtl. regionalen Vergleichen
liefern könnte. So wäre zu prüfen, warum die jüdische Bevölkerung eines
gegebenen Ortes während des 19. Jahrhunderts in besonderen Maße am migratorischen
Prozess teilhatte und wohin sie migrierte, während andere Gemeinden eine
größere demographische Stabilität aufwiesen, deren Ursachen ebenfalls aufzuzeigen
wären. Vergleichende Untersuchungen dieser Fragestellung könnten bereits
vorhandene demographische Arbeiten ergänzen. Für eine vergleichende oder eine
Gesamt-Schau auf die jüdischen Siedlungsschwerpunkte - wie auch als
Anhaltspunkt für einzelne Gemeinden - kann als erste Quelle neben den Pinkassim
Hakelliot (Yad VaShem) für Baden-Württemberg, Bayern und Hessen auch der
"Führer durch die jüdische Wohlfahrtspflege", Berlin 1933, dienen.
Er führt die meisten der zu Ende der Weimarer Republik bestehenden jüdischen
Gemeinden und Filialgemeinden und ihre sozialen Institutionen auf.
c) Vielversprechend wäre auch ein Vergleich der religiösen,
wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse in den großen jüdischen
Landgemeinden im alemannischen Raum. Wünschenswert wären in diesem
Zusammenhang auch, dass eine intensive Forschung ähnlich wie z.B. zu den
Gemeinden Gailingen, Hohenems, Ichenhausen, Schmieheim, Sulzburg, Eichstetten
und Breisach auch in den Gemeinden Haigerloch (vormals Hohenzollern,
insbesondere zum jüdischen Stadtviertel "Haag") und Rexingen
(Württemberg; im Anschluss an die Forschungen von Beate Bechtold-Comforty)
begonnen würde. Diese beiden Gemeinden gehören zu jenen oben erwähnten
großen süddeutschen jüdischen Landgemeinden. Anknüpfend an diese
geographisch-regionalgeschichtlichen Gedanken möchte ich dafür plädieren,
neben dem Raum Elsass/Baden/Württemberg/Nordschweiz/Vorarlberg den
alemannisch-schwäbischen Teil Bayerns, den Regierungsbezirk Schwaben, wo
mehrere jüdische Landgemeinden bestanden (darunter Ichenhausen) in den
regionalen Rahmen der "Alemannia Judaica" zu integrieren.
d) Desideratum bleibt die Lebenswelt der jüdischen Frauen auf
dem Lande. Für den alemannischen Raum könnten auch hier an die vorbildlichen
Studien von Beate Bechtold-Comforty zu Rexingen angeknüpft werden.
Unpublizierte Selbstzeugnisse von Frauen sind, wie bei dieser Quellengattung üblich,
außerordentlich schwer zu erheben. Die Hoffnung bleibt, durch eine Nachfrage
bei Emigranten oder ihren Nachkommen weitere Materialien (Briefe, private
Aufzeichnungen) zu finden. Der Kreis der Gesprächspartner könnte sich dabei
durchaus auch auf die Mitglieder/Nachfahren jener landjüdischer Familien
beziehen, die vor 1933 bereits in deutschen Großstädten lebten. Dies würde
die frauengeschichtliche Sichtweise auch auf den Aspekt der Migration (s.o.)
erweitern.
5. Weiterführung der Themensammlung
Ich bin gerne bereit, weitere Vorschläge zu sammeln und den
Teilnehmern bekannt zu machen. Denkbar wäre auch, beim nächsten Treffen einen
solchen Tagesordnungspunkt aufzunehmen, der die Erörterung der laufende Projekt
der Alemannia Judaica ergänzen könnte.
|