Kobern
mit Gondorf (Gemeinde
Kobern-Gondorf, VG Rhein-Mosel, Kreis Mayen-Koblenz)
und Lehmen (VG Rhein-Mosel, Kreis Mayen-Koblenz)
Jüdische Geschichte / Synagoge
In dem in früheren Jahrhunderts zum Erzstift Trier
gehörenden Kobern bestand eine kleine jüdische
Gemeinde bis 1942 (nach dem Bericht von 1930 s.u. wurde diese auf Grund der
geringen Zahl der jüdischen Einwohner nicht mehr als eigentliche Gemeinde
wahrgenommen).
Bereits im Mittelalter lebten Juden am Ort. im Zusammenhang mit der
Verfolgung aufgrund der Legende vom Guten Werner werden in Kobern 1287 19
Personen erschlagen. Eine weitere Verfolgung war in der Pestzeit.
Die Entstehung der neuzeitlichen Gemeinde geht bis zum 16./19. Jahrhundert
zurück. Im 16. Jahrhundert werden Juden in Kobern1563 und 1576
erwähnt. Ein
"Judenkirchhof" in Kobern wird erstmals 1585 genannt. In der 2.
Hälfte des 18. Jahrhunderts werden die Juden Juden Isaac Salomon (1754) bzw.
Wittib Isaac Salomon (um 1764 / 1774), Isaac Wolf (um 1754 / 1774), Mayer (um
1764 / 1774) in Steuerlisten des Erzstiftes Trier genannt. Damals lebten
offenbar drei jüdische Familien am Ort.
Seit Anfang des 19. Jahrhunderts entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner
wie
folgt: 1808 19 jüdische Einwohner, 1906 39, 1927 16.
An Einrichtungen bestanden eine Synagoge (s.u.), eine Schule
(Religionsschule) und ein Friedhof in
Gondorf. Teilweise wurden bis Mitte des 19. Jahrhunderts auch
Beisetzungen in Wierschem vorgenommen. Von
den jüdischen Lehrern wird zuletzt Paul (Pinkas) Goetzoff aus
Cochem genannt (1932/33 waren 12 Kinder aus
der Gesamtgemeinde zu unterrichten; Goetzoff war 1924 bis 1939 Lehrer in Cochem
und unterrichtete auch Kinder in umliegenden Orten, ausführlich zu ihm in der
Seite zu Cochem).
Im Ersten Weltkrieg fiel aus der jüdischen Gemeinde Walter Wolff (geb.
23.12.1890 in Kobern, gest. 15.9.1914 in Gefangenschaft).
Bis kurz zu seinem Tod 1933 war langjähriger Gemeindevorsteher der
Kaufmann Samuel Grünewald. Ihm folgte im Vorsitz Siegmund Marx nach.
1933 lebten noch etwa 15 jüdische Einwohner in Kobern (in der
Gesamtgemeinde nach dem "Führer durch die jüdische Gemeindeverwaltung..."
1932/33 68 Personen). In
den folgenden Jahren sind nur wenige der
jüdischen Gemeindeglieder auf Grund der Folgen des wirtschaftlichen Boykotts,
der zunehmenden Entrechtung und der
Repressalien weggezogen beziehungsweise ausgewandert. Die letzten jüdischen
Einwohner wurden 1942 deportiert.
Von den in Kobern geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Daniel David (1877),
Selma Grünewald (1899), Susanne Grünewald geb. Mayer (1859), Susanne Hanau
geb. Wolff (1858), Bila Kahn (1882), Addi Koppel geb. Benedik (1903), Elisa
Koppel geb. Emanuel (1877), Ellen Koppel (1926), Emil Koppel (1897), Leo Koppel
(1875), Ella Löwenthal (1901), Ellen Berta Ruth Löwenthal (1926), Adolf Marx
(1862), Wilhelm Marx (1875), Herta Salomons geb. Weinberg (1913), Elisabeth
Gertrud Schneider (1897), Johanna Schneider (1892), Frieda Schwarz geb. Hirsch
(1889), Herta Wolf (1922), Eduard Wolff (1889), Ferdinand Wolff (1886), Fritz L.
Wolff (1924), Karoline Wolff geb. Feiner (1897), Leo Wolff (1880), Rosa Wolff
geb. Wolff (1886), Simon Wolff (1885), Theodor Wolff
(1930).
Aus Gondorf sind umgekommen: Erna Alexander geb. Herz (1902), Selma
Friesem geb. Marx (1886), Rosa (Rose) Friesen geb. Marx (1890), Markus (Max)
Herz (1874), Maximilian Wilhelm Friedrich Joel Herz (1875), Adele Marx geb. Kahn
(1892), Siegmund Friedrich Wilhelm Marx (1888).
Aus Lehmen sind umgekommen: Alexander Feiner (1865), Johanna Feiner geb.
Haimann (1883), Siegmund (Sigmund) Feiner (1870), Thekla Feiner (1883),
Eugen Friesen (1925), Rosa (Rose) Friesen (1890), Albert Hirsch, Ida Hirsch geb.
Löb (1885), Johanna Hirsch (1878), Karoline (Lina) Wolff geb. Feiner (1897).
Ausschnitt
aus einer Übersicht im Beitrag von Jakob May: Die Steuern und Abgaben der
Juden im Erzstift Trier. In: Zeitschrift für die Geschichte der Juden in
Deutschland Jg. 7 1937 S. 156-179, hier S. 177: Kobern. Einnahmen
von den Juden Isaac Salomon (1754), Isaac Wolf (um 1754 / 1774), Wittib
Isaac Salomon (um 1764 / 1774), Mayer (um 1764 / 1774).
Beitrag
zur jüdischen Geschichte Kobern von S. Lilienthal (1930)
Der Beitrag wurde erstellt von Saul Lilienthal, Oberkantor der jüdischen
Gemeinde Wiesbaden, Religionslehrer und Verleger (geb. 14. Oktober 1877 in
Jerutten, Ostpreußen, ermordet am 30. Oktober 1944 im KZ Auschwitz. Weitere
Informationen:
https://www.wiesbaden.de/stadtlexikon/stadtlexikon-a-z/lilienthal-saul).
Artikel
im "Israelitischen Familienblatt" vom 8. Mai 1930: Artikel von
S. Lilienthal - Wiesbaden: Mit jüdischen Augen durch deutsche Lande: "Cobern. l. (links
der Mosel) 1860 E., heute ohne jüdische Gemeinde; im 16. Jahrhundert
wahrscheinlich ansehnliche Gemeinde. In Austreibungserlassen 1563 und 1570
wird ihr ausdrücklich das Verbleiben in Cobern zugebilligt. 1570 hat sogar
der Rabbiner für das Erzstift Trier seinen Sitz in Cobern."
Artikel
im "Israelitischen Familienblatt" vom 15. Mai 1930 - ergänzender Hinweis
zu Kobern: "Zu unserem ersten Reiseführer wird uns noch ergänzend
mitgeteilt:
Cobern besitzt 5 jüdische Einwohner. Es besteht eine Synagoge, die 50 Jahre
alt ist. Zur Gemeinde gehören Cobern,
Dieblich, Niederfell, Gondorf. Die Ortschaften müssen
zusammengehen, da es sonst kein Minjan gibt."
Berichte zu einzelnen Personen aus der jüdischen Gemeinde
Feier einer Brit Mila (Brismiloh,
Beschneidung) mit vier Generationen der Familie Wolff - Feiner (Lehmen 1924)
Anmerkung: vgl. unten Bericht von 2021 -
Geschirrübergabe nach 80 Jahren.
Artikel
im "Israelitischen Familienblatt" vom 19. Juni 1924: "Vier Generationen
bei einer Brismiloh.
Der Vereinigten Gemeinde Cobern-Gondorf war es in diesen Tagen beschieden,
ein gar seltenes Fest zu feiern, wie es wenig Familien vergönnt ist. In der
Familie Wolff war ein Stammhalter angekommen. zu dessen Brismiloh
sich nicht weniger als die Vorfahren von vier Generationen in vollkommener
körperlicher und geistiger Frische gesellten, an ihrer Spitze das
langjährige treue Vorstandsmitglied der Korporationsgemeinde, der 83jährige
Urgroßvater Emanuel Feiner, Lehmen a. d. Mosel. Auf ihn waren aller
Augen gerichtet und man wünscht dem Urenkel, dass er in die Fußstapfen
dieses guten Vorbildes treten möge."
Über Selma Grünewald (1899-1942) und ihre Mutter Susanne
Grünewald geb. Mayer (1859-1942)
Über
die Lebensgeschichte und das Schicksal der 1899 in Kobern geborenen Selma
Grünewald informiert eine Seite bei www.mahnmal-koblenz.de:
Seite
zu Selma Grünewald.
Selma Grünewald war Tochter des Gemeindevorstehers Samuel Grünewald und
seiner Frau Susanne geb. Mayer. Die Familie lebte in Kobern, Mühlengraben
10. Nach dem Tod des Vaters lebten seine Witwe und die Tochter von den
durch den Boykott spärlicher werdenden Einkünften des Bruders Julius
Grünewald, der als Viehhändler tätig war. Er war in schlimmster Weise
Schikanen durch die Nationalsozialisten ausgesetzt und floh schließlich
mit seiner Frau und der Tochter nach Frankreich. Im Januar 1939 müssen
Selma Grünewald und ihre Mutter Kobern verlassen und ziehen nach
Düsseldorf. 1941 wird Selma in das Frauen-KZ Ravensbrück verschleppt und
im Mai 1942 in der "Heil- und Pflegeanstalt" Bernberg ermordet.
Die Mutter wird im Juli 1942 in das Ghetto Theresienstadt verschleppt, wo
sie am 28. Oktober 1942 umgekommen ist.
Zur
Familiengeschichte der Familie Gärtner
Entdeckt
in einem der jüdischen Friedhöfe von
Ingelheim am Rhein (Foto erhalten von Stefan Haas): Grab von
Andreas Gärtner, geb. in Gondorf (Mosel) 9. April 1847, gest. (in
Ingelheim) 7. März 1912. Zur Familie Salomon Gärnter, Kobern-Gondorf siehe
Beitrag in der Website "Tobias Herz"
https://tobiasherz.de/familie-salomon-gaertner-kobern-gondorf. Demnach
war Andreas Gärtner ein Sohn von Salomon Gärnter und seiner Frau Veronika
geb. Mayer.
Anzeige
im "Israelitischen Familienblatt" vom 27. Januar 1916: "Für meinen Sohn,
welcher 3 Jahre die höhere, und 1 Jahr die Handelsschule besucht hat, eine
Lehrstelle
gesucht. Getreidebranche bevorzugt.
Max Herz Gondorf (Mosel).
1768 wird erstmals eine Synagoge
("Judenschule") genannt. Sie war im Haus Peterstraße 3
eingerichtet. Das Gebäude wird in Kobern auch als "Altes
Juden-Bethaus" bezeichnet. Das Gebäude - ein vermutlich aus dem 15.
Jahrhundert stammendes Fachwerkhaus ist erhalten und wurde 1980 anlässlich des
1000-jährigen Ortsjubiläums renoviert. Damals wurde auch eine Hinweistafel an
dem Gebäude angebracht. Der Betraum im Inneren hatte eine barocke und mit
verschiedenen Motiven (Fische, Blumen und Trauben) ausgemalte Stuckdecke.
1879 wurde unweit der alten eine neue Synagoge in neuromanischem
Rundbogenstil erbaut.
Beim Novemberpogrom 1938 wurde die Synagoge verwüstet und durch
Brandstiftung zerstört. Nationalsozialisten aus Winningen und Kobern behindern
die Löscharbeiten der Feuerwehr. Das Gebäude blieb insgesamt jedoch erhalten
und wurde später zu einem Wohnhaus umgebaut.
Adresse/Standort der Synagoge: alte
Synagoge ("Judenschule"): Peterstraße 3; neue Synagoge: Lennigstraße
6
Oktober 2019:
Verlegung von "Stolpersteinen" in Kobern
Artikel in "Blick-Aktuell"
vom 2. Oktober 2019: "Realschule plus und FOS. Stolpersteinverlegung am
21. Oktober
Kobern-Gondorf. Schüler der Realschule plus und FOS Untermosel verlegen
auch in diesem Jahr wieder vier Stolpersteine. In der Marktstraße 40 lebte
bis 1942 die Familie Ferdinand Wolff. Ferdinand und Sophie sowie ihre Kinder
Herta und Paul mussten in der Zeit des Nationalsozialismus am eigenen Leib
spüren, wie sie zuerst ausgegrenzt und später verfolgt wurden. Nur Paul
Wolff überlebte das Grauen. Die Schüler der Klasse 9e haben die Geschichte
der Familie aufgearbeitet und laden am 21. Oktober um 11 Uhr in die
Marktstraße 40 ein, um mit der Verlegung von Stolpersteinen das Leben der
ehemaligen jüdischen Mitbewohner zu würdigen."
Link zum Artikel
Artikel von EP in "Blick-Aktuell"
vom 23. Oktober 2019: "Stolpersteinverlegung für Familie Wolff aus
Kobern-Gondorf. Ein Stein – ein Name – ein Mensch.
Schüler/innen der Realschule plus und FOS Untermosel auf Spurensuche
Kobern-Gondorf. In der Marktstraße 40 – die früher Adolf-Hitler-Straße
hieß – lebte bis 1942 die jüdische Familie Ferdinand Wolff. Es war die Zeit
des Nationalsozialismus und für alle eine schwere Zeit. Die Eltern Ferdinand
und Sophie bekamen am eigenen Leib zu spüren, wie sie selbst, Tochter Herta
und Sohn Paul ausgegrenzt und unmenschlich behandelt wurden. Paul Wolff überlebte die Zeit des Nationalsozialismus als einziger.
Paul Wolff überlebte diese Zeit als einziger, entkam der Deportation in dem
er nach Holland emigrierte und sich dort der holländischen
Widerstandsbewegung anschloss. Im September 1943 wurde er aber doch
verhaftet, konnte noch in derselben Nacht über Belgien nach Frankreich
fliehen. In Paris arbeitete er für die Forces Francaises de l’Intérieur
(Französische Streitkräfte im Innern), dem militärischen Arm der Résistance.
In deren Auftrag übernahm er mehrmals Reisen nach Holland. Am 17. Juli 1944
wurde er verhaftet und ins Gestapogefängnis Fresnes bei Paris gebracht. Dort
erwarteten ihn Verhöre und Folterungen. Da die amerikanischen Truppen auf
dem Vormarsch waren, verschleppten die Nazis Paul in einem Viehwaggon über Drancy nach Buchenwald. Es war eine viertägige Reise, an die der Roman 'Le
dernier wagon' erinnert. Paul Wolff musste in Mülhausen zwölf Stunden
täglich hart arbeiten, in einer Fabrik die Untergestelle für Junkers
Flugzeuge herstellte. Seine Gefangenschaft fand 1945 ein Ende, aber der
schwer an Typhus Erkrankte ins Lazarett. Nach folgenden Aufenthalten in
Holland und Frankreich, kehrte er 1945 nach Kobern zurück, um seine
Ansprüche bezüglich des Elternhauses geltend zu machen. Das gelang erst
1953, danach verkaufte Paul das Haus. Zwischenzeitlich lebte er in Israel.
In einem vierseitigen Lebensbericht, den er hinterlassen hat, beschreibt er
die Anfänge seines neuen Lebens in Tel Aviv: '…nachdem mir klar wurde, dass
von meiner Familie niemand mehr aus den Lagern zurückkehrte und ich mich
mutterseelenallein in einem sehr deprimierten, kranken und runtergekommenen
Zustand befand, …war es mir auch hier in Israel in den ersten Jahren sehr
schwer in einen normalen Zustand zurückzukehren und einen Anschluss an die
Gesellschaft zu finden.' Mit seiner Frau Rachel bekommt er einen Sohn Ben
Zion und zwei Töchter Ofra und Warda.
Das ist eine Kurzfassung aus den Unterlagen, die Schüler/innen der
Realschule plus und FOS Untermosel zusammengetragen und aufgearbeitet haben.
Dabei hat ihnen die Zeitzeugin Hilde Böcker geholfen. Diese wohnt heute im
ehemaligen Elternhaus von Paul Wolff, in dem das Treppenhaus und ein
Terazzoboden noch original erhalten sind. Sie erinnerte sich noch an die
Kinder, wie sie durch das Treppenhaus tobten. Vier Steine gegen das Vergessen. In Gedenken an das grausame
Schicksal der Familie, beschlossen die Schüler/innen gemeinsam mit ihrer
Lehrerin Anette Schröter, an diesem Haus vier Steine gegen das Vergessen
verlegen zu lassen. Am 21. Oktober um 11 Uhr schritten sie in einer kleinen
Feierstunde zur Tat. Anette Schröter begrüßte die Gäste: 'Dank Ihnen allen,
die Sie heute den Weg zu uns gefunden haben. Liebe Schüler, gleich werdet
Ihr erzählen, dass die Würde des Menschen nicht immer unantastbar war. Und
Eure Arbeit, Euer Erinnern ist gerade heute wichtiger denn je, da sich
wieder Menschen mit extrem rechter Gesinnung gewaltsam gegen jüdische
Mitbürger wenden, bereit sind zu verletzen und zu töten, so in Halle vor
zwei Wochen. Wir danken Euch jungen Menschen.' Angehörige der Familie Paul
Wolff waren aus Frankfurt und Israel gekommen, um bei diesen sehr
emotionalen Momenten dabei zu sein. Emotional waren auch die jüdischen Worte
von Pauls Tochter Warda, welche von einem Enkel übersetzt wurden. Die Gäste
lauschten und hielten den Atem an. 'Ein Mensch ist vergessen, wenn sein Name vergessen ist'. Das
Verlegen der Steine übernahm Katja Demnig, in Vertretung ihres Mannes Gunter
Demnig. Dem Künstler ist es seit dem Jahr 2000 ein Anliegen, mit den
Gedenktafeln aus Messing, die ins Trottoir vor ihrem letzten selbst
gewählten Wohnort eingelassen werden, an die Opfer der NS-Zeit zu erinnern,
denn: 'Ein Mensch ist vergessen, wenn sein Name vergessen ist (Zitat aus dem
Talmud)'. Auf den Gedenksteinen ist zu lesen 'Hier wohnte' und weitere
Information über Jahrgang und Abschnitte ihres Lebens: 'Ein Stein – ein Name
– ein Mensch'. Inzwischen liegen Stolpersteine in 1265 Kommunen Deutschlands
und in 21 Ländern Europas. Für 120 Euro kann jeder eine Patenschaft für die
Herstellung und Verlegung eines Stolpersteines übernehmen (www.stolpersteine.eu).
Mit ruhiger Hand und bedächtig, fast andächtig ließ Katja Demnig die Steine
in das Pflaster, wie streicheln mutete das Abkehren mit dem Handfeger an.
Währenddessen verlasen vier Schüler die Geschichte der Familie Wolff, legten
danach vier mit den Namen versehene rote Rosen auf die nun in Gold
glänzenden Steine. Anschließend wurde dieser Anlass in der Schule gebührend
gefeiert.
Es war die dritte Aktion der Realschule plus und der FOS Untermosel in
Kobern-Gondorf, die jedes Mal finanziert werden muss. Bei diesem Projekt
half den Akteuren ein Preisgeld in Höhe von 1000 Euro, gewonnen beim
'Stolperstein-Wettbewerb 2019'. Er wird bundesweit ausgerichtet.
Eingereichte Projekte werden ausführlich von einer Jury begutachtet und
bewertet (Infos unter
www.stolpersteine.eu und Anfragen an
paedagogik@stolpersteine.eu).
Katja Demnig ist gemeinsam mit ihrem Mann Initiatorin des Wettbewerbes und
hofft: '…dass das Stolperstein-Projekt für Schülerinnen und Schüler nicht
nur eine kurzzeitige Abwechslung zum normalen Schulalltag ist, sondern sich
das Projekt auch nachhaltig positiv gesellschaftspolitisch auf Schülerinnen
und Schüler auswirkt.' Im Blick auf das vergangene und aktuelle
weltpolitische Geschehen, sollte das für alle Menschen gelten."
Link zum Artikel
Juni 2021:
Erinnerung an eine jüdische
Familie in Lehmen
Artikel von Alke
Kerber in swr-fernsehen.de vom 16. Juni 2021: "Über Generationen weitergegeben
Weshalb eine Familie aus Lehmen 80 Jahre lang Geschirr aufbewahrte.
Sie sollten auf das Geschirr von Familie Feiner aufpassen, bis sie wieder da
wären. Doch die jüdische Familie aus Lehmen wurde 1942 deportiert. Jetzt
wurden Nachfahren gefunden. Nach 80 Jahren: Enkelin von Holocaust-Überlebender erbt jüdisches
Geschirr von deutschen Nachbarn Ein Geschirr, das über 80 Jahre Familiengeschichte in sich trägt. Es ist
Symbol für Gemeinschaft, aber auch für großes Leid. Es erzählt die
Geschichte zweier Familien, die sich ein Versprechen gegeben haben. 80 Jahre
lang hat die Familie von Ulrike Moritz aus Lehmen an der Mosel auf das
Porzellan aufgepasst. Begonnen hat alles mit ihrem Großvater: 'Mein
Großvater Eberhard Marx, hat es damals 1942 kurz vor der Deportation
übernommen und versprochen, dass er es aufbewahren wird, bis sie
zurückkommen.' Doch die jüdischen Nachbarn, Familie Feiner, kehrte nie
zurück. Sie wurde im Konzentrationslager ermordet. Trotzdem hat die Familie
von Ulrike Moritz 80 Jahre lang auf das Familiengeschirr der Nachbarn
aufgepasst. Mit Hilfe des ehemaligen Dorfpfarrers und eines Heimatforschers
haben sie nach überlebenden Familienangehörigen gesucht – und sind fündig
geworden: in Bosten, in den USA. Dort lebt Alice Lichtenstein. Ihre
Großmutter war eine Großnichte der Familie Feiner. Sie überlebte den
Holocaust und wanderte später nach Amerika aus. Große Übergabe des Geschirrs. Mit ihrer Enkelin Alice wurde nun
endlich eine rechtmäßige Erbin des Familiengeschirrs gefunden. Familie
Moritz hat sie zu sich an die Mosel eingeladen. Alice ist gekommen, um das
Geschirr entgegenzunehmen, aber auch, um sich auf die Spuren ihrer
Familiengeschichte zu begeben. In Lehmen steht sogar noch das ehemalige Haus
ihrer Großmutter. Alice ist gerührt, von der Einladung: 'Die Leute hier
kennen uns nicht und dass sie trotzdem so hart daran gearbeitet haben, um
diese Reise zu ermöglichen und unsere Erfahrung hier so positiv zu machen,
ist unglaublich. Das zeigt wirklich, wie wunderbar die Deutschen heute sind.
Dass sie Verantwortung für etwas übernehmen, was sie nicht einmal selbst
getan haben.' Das Geschirr wird nun wieder eine wichtige Rolle in ihrer
Familie einnehmen und weitervererbt werden: 'Es gibt Kinder in der Familie
und zu wissen, dass sie in der Lage sein werden, das Geschirr weiterzugeben
und immer weiterzugeben – jetzt, wo es zurück in unserer Familie ist – das
ist so unglaublich.'"
Link zum Artikel mit TV-Beitrag:
https://www.swrfernsehen.de/landesschau-rp/weshalb-eine-familie-aus-lehmen-80-jahre-lang-geschirr-aufbewahrte-100.html(bis 16. Juni 2022 online).
Landesamt für Denkmalpflege Rheinland-Pfalz/Staatliches Konservatoramt
des Saarlandes/ Synagogue Memorial Jerusalem (Hg.): "...und dies
ist die Pforte des Himmels". Synagogen in Rheinland-Pfalz und dem
Saarland. Mainz 2005. S. 214 (mit weiteren Literaturangaben).
Josef May: Die Vertreibung deutscher Juden aus
Alken, Brodenbach, Burgen, Dieblich, Gondorf, Hatzenport, Kobern, Lehmen,
Löf und Niederfell. In: Mosel-Kiesel. Hrsg. von der Volkshochschule
Untermosel. Kobern-Gondorf 1 1998 S. 163-181.
Ulrich Offerhaus: 'Aber sie kamen nicht zurück' - Jüdische Familien
in Lehmen an der Mosel. Hrsg. von der Ortsgemeinde Lehmen. Verlag Sokrates &
Freunde. Koblenz 2023.
Verlagsseite:
https://lehrerselbstverlag.de/Aber-sie-kamen-nicht-zurueck-Juedische-Familien-in-Lehmen-an-der-Mosel Zum Inhalt: "Vor 200 Jahren ließ sich die erste jüdische Familie in
Lehmen nieder. Nachfahren dieser Familie und wenige zugezogene jüdische
Familien lebten mit den Dorfbewohnern der christlichen
Mehrheitsgesellschaft zusammen - in gegenseitigem Respekt und in
nachbarschaftlichem und freundschaftlichem Einvernehmen. Mit Beginn der
nationalsozialistischen Herrschaft trat ein radikaler Wandel ein. Die
vorliegende Studie geht den Wegen nach, die jüdische Familie aus Lehmen in
der Verfolgungssituation des herrschenden Antisemitismus gewählt haben, um
durch Flucht und Emigration ihr Leben zu retten - und den Wegen, die sie
gezwungenermaßen durch Gefängnisse, Internierungs- und Sammellager gehen
mussten, bis sie zuletzt in Konzentrations- und Vernichtungslager deportiert
und dort ermordet wurden. Jede Familie hat ihre eigenen Stationen von
Flucht, Emigration, Verhaftung, Internierung und Deportation durchgemacht -
wenige, die durch Auswanderung in die Vereinigten Staaten von Amerika sich
ihr Leben bewahren konnten, und viele, die von Zuhause aus deportiert oder
die nach der Besetzung der westlichen Nachbarstaaten durch die Wehrmacht
(Niederlande, Belgien, Luxemburg und Frankreich) wieder in die Hände der
Gestapo fielen. Als Eltern von der Polizei verhaftet und deportiert wurden,
konnten ihre Kinder fliehen und überlebten die Judenverfolgung, jedoch zwei
Jahre lang völlig auf sich allein gestellt - sei es bei Bauern und Hirten in
der einsamen Berglandschaft des Massifcentral untergetaucht oder in einem
von Nonnen geleiteten Kinderkrankenhaus versteckt. In Zeiten der Entrechtung
und Ausgrenzung von Juden aus der Dorfgemeinschaft gab es in Lehmen
erschütternde Szenen infamer Denunziation wie auch rührende Beispiele
nachbarschaftlicher Hilfe. Der Lehrer in Lehmen war Mitglied der NSDAP;
dennoch erfüllte er die Bitte seines jüdischen Nachbarn und nahm das
Festtagsporzellan der Familie Feiner am Abend vor ihrer Deportation in
Verwahrung, bis wir wiederkommen - aber sie kamen nicht zurück. Inhaltsverzeichnis: Einleitung (danach jeweils ab Seite:) 11
Landjudenschaft im Kurfürstentum Trier 11 Zeitenwende unter französischer
Herrschaft 13 Jüdische Familien in Lehmen 15 Familie Alexander Ritter und
Eva, geb. David 15 Lehmen als Orts- und als Familienname 22 Familie Simon
Hirsch und Johanna, geb. Ritter 25 Kinder der Familie Simon und Johanna
Hirsch 26 Familie Emanuel Feiner und Johanna, geb. Ritter 29 Familie
Alexander Feiner und Frieda, geb. Strauß 35 Familie Siegmund Feiner und
Thekla, geb. Haymann 43 Familie Albert Leopold und Helene, geb. Feiner 53
Die Kinder des Ehepaares Albert und Helene Leopold 55 Familie Leopold in den
USA 59 Familie Albert Marx und Nanette, geb. Gärtner 61 Kinder und
Enkelkinder von Albert und Nanette Marx 63 Die Brüder Moritz und Julius
Friesem aus Burgbrohl, verheiratet mit den Schwestern Selma und Rosa Marx
aus Lehmen 71 Familie Albert Hirsch und Ida, geb. Löb 79 Alice Hirsch,
verheiratet mit Martin Brauner 85 Zusammenfassung 91 Nachweis der
Abbildungen 97 Bürgerinnen und Bürger jüdischen Glaubens, die in Lehmen
geboren wurden oder hier zeitweilig gelebt haben - und die nicht wieder
zurückkamen 99"
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