Baisingen Friedhof 154.jpg (62551 Byte)  Segnende Hände der Kohanim auf einem Grabstein in Baisingen


Eingangsseite

Aktuelle Informationen

Jahrestagungen von Alemannia Judaica

Die Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft

Jüdische Friedhöfe 

(Frühere und bestehende) Synagogen

Übersicht: Jüdische Kulturdenkmale in der Region

Bestehende jüdische Gemeinden in der Region

Jüdische Museen

FORSCHUNGS-
PROJEKTE

Literatur und Presseartikel

Adressliste

Digitale Postkarten

Links

 

   
zurück zur Übersicht "Synagogen in der Region"  
zurück zur Übersicht "Synagogen in Rheinland-Pfalz" 
Zur Übersicht "Synagogen im Kreis Bad Kreuznach"   
     

Schweppenhausen (VG Stromberg, Landkreis Bad Kreuznach ) 
Jüdische Geschichte / Synagoge

Übersicht:

bulletZur Geschichte der jüdischen Gemeinde  
bulletBerichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde   
bulletZur Geschichte der Synagoge   
bulletFotos / Darstellungen   
bulletLinks und Literatur   

    

Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde                 
    
In Schweppenhausen bestand eine jüdische Gemeinde bis um 1930. Ihre Entstehung geht in die Zeit des 18. Jahrhunderts zurück. Genaue Zahlen jüdischer Einwohner sind jedoch erst aus dem 19. Jahrhundert bekannt. 1808 lebten 52 jüdische Personen am Ort (12 % der Gesamtbevölkerung). 1827 wurde bereits die Höchstzahl jüdischer Einwohner mit 72 Personen erreicht, danach ging die Zahl durch Aus- und Abwanderung zurück (1858 63 Personen, d.h. 10 % der Gesamteinwohnerschaft; 1895 35 Personen).
   
Im Ersten Weltkrieg fiel aus der jüdischen Gemeinde Julius Eschenheimer (geb. 20.8.1893 in Esch, Untertaunus, gef. 11.3.1915).  
   
Um 1925
, als noch 20 Personen der jüdischen Gemeinde angehörten (3,3 % von etwa 600 Einwohnern), war Vorsitzender der Gemeinde Jakob Schüller. Den Religionsunterricht für die damals noch zwei jüdischen Kindern erteilte Lehrer Bernhard Lehmann aus Simmern. An jüdischen Vereinen gab es einen Wohltätigkeitsverein, dem 1925 18 Mitglieder unter dem Vorsitzenden Moritz Marx angehörten. 1932 war Vorsitzender der Gemeinde Moritz Marx. 

Nach 1933 verzogen unter dem Druck der zunehmenden Repressalien und der Wirkungen des wirtschaftlichen Boykotts weitere der jüdischen Einwohner den Ort. 1939 lebten in Schweppenhausen noch die folgenden jüdischen Personen: Elisabeth Eschenheimer geb. Dach, Henny Schüller, Jakob Schüller und Emilie Schüller geb. Marx sowie die jüdische Ehefrau von August Bahnemann. 1942 wurden die verbliebenen jüdischen Einwohner - außer Frau Bahnemann - deportiert. 
     
Von den in Schweppenhausen geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945" sowie dem Buch "Jüdische Grabstätten" s. Lit. S. 383):  Elisabeth Eschenheimer geb. Dach (1881), Ilse K. Eschenheimer (1914), Helene Haas geb. Dach (1866), Moritz Haas (1862), David Löb (1869), Heinrich Löb (1903), Emma Marx geb. Löb (1878), Henriette Marx (1854), Mathilde Meyer geb. Schüller (1869), Elisabeth Oster geb. Haas (1899), Nelly Henriette Reiss geb. Dach (1901), Henny Schüller (1891), Isaak Schüller (1880), Josef Schüller (1912), Karoline Schüller (1869), Jacob Schwarz (1943), Hermann Silberstein (geb. in Schweppenhausen, lebte mit seiner Frau Selma geb. Glücksmann (1883) und den beiden Kindern in Frankfurt, von wo aus die ganze Familie deportiert und ermordet wurde).     
     
     
     
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde                   
      
In jüdischen Periodika des 19. / 20. Jahrhunderts wurden - außer dem bei der Synagogengeschichte zitierten Bericht - noch keine Artikel zur jüdischen Geschichte in Schweppenhausen gefunden.   
      
      
      
Zur Geschichte der Synagoge                       
      
Eine erste Synagoge war in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts vorhanden. Es ist nicht bekannt, wann sie erbaut wurde. Um 1860 ist diese erste Synagoge abgebrannt. Für einige Zeit musste ein provisorischer Betsaal benutzt werden. 1862/63 konnte mit Hilfe zahlreicher Spenden eine neue Synagoge erstellt werden. Im Monat Elul 5623 (siehe Bericht unten = August/September 1863) wurde die neue Synagoge, in der sich auch die Wohnung für den Lehrer und ein Schulzimmer befand, mit einem großen Fest der ganzen Gemeinde eingeweiht werden. Die Einweihung nahm Rabbiner Bamberger aus Kreuznach vor. Über das Einweihungsfest liegt in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 28. Oktober 1863 ein Bericht vor:   

Schweppenhausen Israelit 28101863a.jpg (252069 Byte)Schweppenhausen  bei Kreuznach, im Elul. Gott hat geholfen, unsere Synagoge ist vollendet und wir haben bereits am verflossenen Sabbat unseren Gottesdienst in derselben begonnen. Die Unterzeichneten finden sich daher, sowohl in ihrem als im Namen ihrer Gemeinde verpflichtet, ihren wärmsten Dank allen Denjenigen, von nah wie von fern, hiermit auszusprechen, die mit Rat und Tat dazu beigetragen haben, dass unser Gotteshaus seine Vollendung, ja so bald seine Vollendung erreicht hat. Das Andenken an die Freude der Einweihung wird zeitlebens nicht aus unserm Herzen sowie aus dem unserer Kinder und Enkel weichen. Man konnte diese Einweihung ein wahres religiöses Volksfest nennen. Die ganze Umgegend, Israeliten wie Nichtisraeliten beteiligten sich daran und ein Jeder, der dazu beitragen konnte, das Fest zu verherrlichen, der tat es mit Freude. Die Straßen des Dorfes sowie die Synagoge wurden von unseren christlichen Mitbürgern mit Blumen, Kränzen, Bäumchen etc. geschmückt, besonders war dabei Herr Postmeister Lang von hier recht tätig. 
Die Einweihung begann Freitag, nachmittags 5 Uhr mit Minchagebet in der Stube, die seitdem unsere alte Synagoge ein Raub der Flammen geworden, als Betlokal diente und nachdem hierauf Herr Rabbiner Bamberger aus Kreuznach eine kurze, aber herzliche Abschiedsrede gesprochen, begann ein unabsehbarer Zug von diesem Betlokal aus sich zur neuen Synagoge hin zu bewegen. Herr Kantor N. Cahn aus Bingen leistete hierbei Vortreffliches. Drei Torarollen, von den Ältesten der Gemeinde unter einem Himmel getragen, bildeten den Anfang des Zuges. An der Synagoge angelangt, überreichte der Herr Bürgermeister Dheil von Windesheim dem Herrn W. P. Heymann aus Kopenhagen, der unsere Gemeinde mit einer prachtvollen Sepher Tora (= Torarolle) beschenkt hatte und sich, da er gerade auf Reisen in unserer Gegend sich befand, bei unserm Feste einfand, den Schlüssel zur Synagoge, der sie, nach vorausgeschickten herzlichen Glückwünschen öffnete. Nach dem Eintritte ward in der Synagoge Ma towu ("Wie lieblich…") gesungen und einige passende Psalmen vom Kantor und der Gemeinde rezitiert. Hierauf hielt der Rabbiner die Einweihungsrede über Psalm 24,1-6, die einen ungeteilten Beifall sowohl bei Israeliten wie bei Nichtisraeliten erntete. Unter den zahlreichen christlichen Anwesenden befanden sich auch der königliche Friedensrichter von Stromberg, die Herren Bürgermeister von Windesheim und Stromberg und andere Persönlichkeiten höheren Ranges. Nach der Predigt und einigen unmittelbar darauf abgesungenen Psalmen folgte Kabbalat Schabbat ("Empfang des Schabbat"). Sabbat früh predigte der Herr Rabbiner über die Stelle im Talmud Rosch-Haschana Fol. 16 … Der Gottesdienst endete gegen Mittag. 
Schweppenhausen Israelit 28101863b2.jpg (60011 Byte)Ein eigentliches Festessen fand wohl nicht statt, allein in jeder Familie wurden so viele herbeigekommenen Gäste bewirtet, dass man sagen konnte, in einem jeden Hause fand ein Festmahl statt. 
So hat nun der allgütige Gott unserer kleinen Gemeinde einen Tag geschenkt, der nie aus unserm Gedächtnisse schwinden wird.  
Friedrich Albenberg, Vorsteher       Marx, Vorsteher."  

Die Schweppenhauser Synagoge wurde zeitweise auch von den in Windesheim lebenden jüdischen Personen besucht, bis dort eine eigene Synagoge erbaut wurde. Die Synagoge war ein einfacher Bruchsteinsaalbau (7 m x 9 m) mit Rundbogenfenstern in den Traufseiten. Die zweigeschossige Wohnung für den Vorsänger/Lehrer nahm den westlichen Gebäudeteil ein.    
  
W.P. Heymann (Kopenhagen) hat zur Einweihung der Synagoge eine neue Torarolle gespendet (Rückblicke von 1865 und 1867 anlässlich des Todes von W. P. Heymann)  

Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 17. Mai 1865: "Kopenhagen, Anfangs Ijar (Privatmitteilung) ....
Zum Schlusse wollen wir noch eine Mannes erwähnen, der auch in weiteren kreisen bekannt zu werden verdient und es schon in hohem Grade ist, da er besonders Gemeinden auch in der weitesten Ferne seine hilfespendende Hand reicht. Es ist dies der sowohl mit Mitteln als auch jüdischen Kenntnissen reichlich begabte Herr W. P. Heymann dahier. Derselbe hat es sich zur löblichen Aufgabe gemacht, fremde Gemeinden, die irgendein religiöses Projekt zur Ausführung bringen wollen, nach Kräften zu subventionieren, wie er zum Beispiel der Gemeinde Schweppenhausen bei Kreuznach vor einigen Jahren bei ihrem Synagogenbau eine Sefer Tora schreiben ließ. Er (G'tt) vermehre seine Tage und seine Jahre im Guten und im Glück (nach Hiob 36,11). Ein Mann aus dem Haus Levi. "  
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 16. Januar 1867: "Eine zweite, aber betrübende Nachricht aus Kopenhagen haben wir unsern Lesern mitzuteilen. Der denselben wohlbekannte Herr W.P. Heymann verließ, nachdem er mit seinem enormen Nachlasse die israelitische Gemeinde Kopenhagens und ihre Wohltätigkeitsinstitute noch reichlich gedacht, vor ungefähr sechs Wochen das Zeitliche, um im besseren Leben den Lohn seiner Taten zu ernten. Nicht allein die Gemeinde, in deren Mitte er gelebt und gewirkt, verliert an ihm eines ihrer bedeutendsten und hervorragendsten Mitglieder - auch alle religiösen Unternehmungen nah und fern verlieren an ihm einen ihrer wohlwollendsten Mäzene. Wir können wohl mit Recht sagen, dass niemals ein Bittgesuch um Förderung irgendeines religiösen Unternehmens - und deren erhielt er nicht wenige - an ihn gelangte, dem er nicht reichlich, ja zuweilen mit fürstlicher Munifizenz entsprochen hätte und erinnern wir nur an die Gemeinde Schweppenhausen bei Kreuznach, der er bei Gelegenheit ihrer Synagogenweihe eine prachtvolle Sefer Tora (Torarolle) schenkte - seine Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens."  

     
Nachdem in den Jahren nach 1933 die Zahl der jüdischen Einwohner so stark zurückgegangen war, dass kein Gottesdienst mehr in der Synagoge möglich war, verkauften für die Jüdische Kultusgemeinde Moritz Marx, David Löb und Jakob Schüller die Synagoge am 12. Oktober 1938 für 2.500 RM an einen Privatmann. Die wenigen in Schweppenhausen noch lebenden jüdischen Personen besuchten bis zu deren Verwüstung beim Novemberpogrom 1938 die Synagoge in Seibersbach. Der neue Besitzer des Synagogengebäudes baute dieses zu einer Scheune um. Das Gebäude ist bis heute erhalten. In den 1990er-Jahren wurden die Reste des Toraschreines ausgebaut, die Wandöffnung verschlossen.      
    
    
Adresse/Standort der SynagogeSchwabenstraße 4a.  
    

    
Foto
(Quelle: Landesamt S. 341)

Schweppenhausen Synagoge 100.jpg (115477 Byte)
Die ehemalige Synagoge in Schweppenhausen: Blick auf den 
westlichen Gebäudeteil, in dem sich die Vorsängerwohnung befand.
Neue Fotos werden bei Gelegenheit erstellt - 
über Zusendungen freut sich der Webmaster, Adresse siehe Eingangsseite

    
     

Erinnerungsarbeit vor Ort - einzelne Berichte       

August 2020: Erinnerung an die Synagoge in Schweppenhausen       
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung" vom 6. August 2020: Abschnitt zu Schweppenhausen: "Baustellenschilder und Mülltonnen dekorieren das brüchige Gemäuer der ehemaligen Synagoge von Schweppenhausen in der Schwabenstraße. Nichts erinnert mehr daran, dass hier einst jüdische Mitbürger ihre Gottesdienste abhielten. 1863 wurde die Synagoge mit einem großen Fest eingeweiht. In einem Bericht der Zeitschrift 'Israelit hieß es: 'Die Straßen des Dorfes sowie die Synagoge wurden von unseren christlichen Mitbürgern mit Blumen, Kränzen und Bäumchen geschmückt.' In dem Gebäude war auch eine Wohnung für den Lehrer und Vorbeter untergebracht. Nach 1933 verließen die meisten jüdischen Mitbürger wegen der zunehmenden Repressalien das Dorf. Im Oktober 1938 musste das Synagogengebäude für 2500 Reichsmark an einen Privatmann verkauft werden. Noch in den 1990er Jahren wurden die Reste des Thoraschreins ausgebaut. Die letzten vier verbliebenen jüdischen Einwohner (Elisabeth Eschenheimer, Henny Schüller, Jakob Schüller und Emilie Schüller) wurden 1942 in den Osten deportiert. Insgesamt verzeichnet Yad Vashem 17 Opfer des NS-Terrors auf Schweppenhausen. Sie alle haben zu ihren Lebzeiten die Dorfsynagoge in der Schwabenstraße besucht. Heute erinnert an dem maroden Gebäude nicht mehr daran...".        

 
  

Links und Literatur 

Links: 

bullet Website der VG Stromberg mit  Seite zur Gemeinde Schweppenhausen 
bulletZur Seite über den jüdischen Friedhof in Schweppenhausen  

Literatur:  

bulletDokumentation Jüdische Grabstätten im Kreis Bad Kreuznach. Geschichte und Gestaltung. Reihe: Heimatkundliche Schriftenreihe des Landkreises Bad Kreuznach Band 28. 1995. S. 379-390.  
bulletLandesamt für Denkmalpflege Rheinland-Pfalz/Staatliches Konservatoramt des Saarlandes/ Synagogue Memorial Jerusalem (Hg.): "...und dies ist die Pforte des Himmels". Synagogen in Rheinland-Pfalz und dem Saarland. Mainz 2005. S. 341 (mit weiteren Literaturangaben). 

       
        n.e.   

                   
vorherige Synagoge  zur ersten Synagoge nächste Synagoge   

                          

 

Senden Sie E-Mail mit Fragen oder Kommentaren zu dieser Website an Alemannia Judaica (E-Mail-Adresse auf der Eingangsseite)
Copyright © 2003 Alemannia Judaica - Arbeitsgemeinschaft für die Erforschung der Geschichte der Juden im süddeutschen und angrenzenden Raum
Stand: 30. Juni 2020