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Baden-Württemberg
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in Württemberg"
Stuttgart (Landeshauptstadt
von Baden-Württemberg)
Jüdische Beträume und neue Synagoge 1945 bis 1952
Übersicht:
Zur Geschichte
der Beträume und der Synagoge in Stuttgart nach 1945
Bei Kriegsende lebten in Stuttgart gerade 24 jüdische
Personen, die nicht deportiert worden waren beziehungsweise versteckt überlegt
hatten. Nur wenige frühere Stuttgarter und Württemberger Juden kamen 1945 aus
den Konzentrationslagern in die Stadt zurück. Bis Ende 1945 waren es insgesamt
keine 200 Personen, die vor allem aus Theresienstadt, Buchenwald oder anderen
Lagern zurückgekommen waren. Und doch wurde von diesen - unter tatkräftiger
Hilfe eines amerikanischen Militärrabbiners Herbert S. Eskin - für neues
jüdisches Gemeindeleben in Stuttgart - wenn auch zunächst in bescheidenem
Rahmen - gesorgt. Ein Betraum konnte in der Reinsburgstrasse
26 eingerichtet werden. Da das frühere israelitische Gemeindehaus in der Hospitalstrasse 1944
zerstört worden war, wurde von den Behörden dieses Haus beschlagnahmt. Es war
das ehemaliges Haus der
jüdischen Familie Marx. In zwei großen Räume im ersten Stock wurde der Betsaal
eingerichtet. Am 2. Juni 1945 fand unter Leitung des amerikanischen
Militärrabbiners Herbert S. Eskin der erste öffentliche jüdische Gottesdienst
in Stuttgart nach Kriegsende statt.
In den folgenden Monaten, bis zum Sommer 1946 kam es zu einem unerwarteten
Zuwachs jüdischer Personen im Bereich der damaligen amerikanischen Besatzungszone mit der Hauptstadt Stuttgart.
Die amerikanische Besatzungszone in Deutschland wurde zur zentralen Aufnahmeregion für jüdische Flüchtlinge aus osteuropäischen Ländern, vor allem aus Polen. Sie galten als sogenannte
"Displaced Persons". Zu dieser Gruppe der Displaced Persons gehörten auch die Überlebenden verschiedener Außenkommandos von Konzentrationslagers in
Südwestdeutschland (u.a. Vaihingen/Enz). Insgesamt gab es bis Oktober 1946 zusammen 70.000 jüdische Personen, die in der amerikanischen Zone Deutschlands untergebracht wurden. Für sie wurden jüdische Flüchtlingslager eingerichtet,
darunter das DP-Lager im Stuttgarter Westen. In den Lagern wurden auch
Beträume beziehungsweise Synagogen eingerichtet, im Stuttgarter DP-Lager im Gebäude
Reinsburgstraße 199. So hatte Stuttgart 1946 bis 1948 zwei religiöse jüdische Zentren, beide in der Reinsburgstraße. Bis Ende 1950 verließen allerdings alle, vor allem nach Gründung des Staates Israel der größte Teil der Displaced Persons Deutschland. Mit dem Wegzug der Displaced Persons wurden auch ihre Baracken-Synagogen und Beträume geschlossen.
Der ehemalige Synagogenplatz in der Hospitalstrasse 36 war 1945/46
zur Beseitigung der Trümmer der zerstörten Innenstadt herangezogen worden.
Hier war für die sogenannten "Trümmerbahn" ein "Güterbahnhof
mit der Steinquetschfabrik" eingerichtet worden. Auf dem Grundstück häuften
sich die Trümmer und der Schutt der Stadt. 1946 wurde über eine würdigere
Gestaltung des Platzes nachgedacht. An eine Neubebauung mit einer Synagoge
dachte zunächst noch niemand. Im August 1947 begannen Vorarbeiten zur Gestaltung
einer Gartenanlage mit einer Gedenkstätte, die wenig später realisiert wurde.
auf dem Grundstück waren in den folgenden Jahren einige Reste der Außenmauern
der alten Synagoge zu sehen. Im Zentrum der Rasenfläche wurde eine Trauerweide
gepflanzt.
1948/49 gab es in der IKWV (der neu begründeten "Israelitische Kultusvereinigung
Württemberg") erste Überlegungen zum Bau einer neuen Synagoge in
Stuttgart. Der Betsaal in der Reinsburgstrasse reichte für die Gottesdienste
vor allem an Feiertagen der Gemeinde nicht mehr aus. Nachdem das Gebäude der jüdischen
Schule auf dem Grundstück Hospitalstrasse 36a im Krieg nur ausgebrannt war und
renoviert werden konnte, ist dieses zunächst für die Einrichtung von Räumen für
die Verwaltung und eines Betsaales in der früheren Turnhalle der jüdischen
Schule hergerichtet worden. Dieser provisorische Betsaal konnte am 8.
Juli 1950 eingeweiht werden. Für eine neue Synagoge konnte 1950 die
Finanzierung auf Grund von Zusagen des Landes eine Regelung gefunden werden.
Regierungsbaumeister Ernst Guggenheimer plante den Neubau, der 1951/52 erstellt
werden konnte. Bereits die Gottesdienste an den Hohen Feiertagen 1951 wurden in
der noch unvollendeten Synagoge gefeiert. Die feierliche Einweihung der Synagoge
war am 13. Mai 1952 unter Anwesenheit zahlreicher Vertreter der Behörden der
Stadt, des Landes, der jüdischen Gemeinden und weiteren Persönlichkeiten aus
dem In- und Ausland- Der Landesrabbiner von Luxembourg Dr. Chaim Lehrmann entzündete
das Ewige Licht. Die Weiherede hielt Landesrabbiner Dr. Siegbert Izchak Neufeld.
Neben der Synagoge wurde ein Gemeindehaus erstellt mit Räumen für die
Verwaltung, ein rituelles Bad, Gemeindesaal und Kindergarten. Dieses
Gemeindehaus ist in den vergangenen Jahrzehnten mehrfach erweitert und umgebaut
worden.
Fotos
Einzelne Presseartikel
November 2012:
Die Synagoge besteht 60 Jahre |
Artikel von Jan-Philipp Schütze im
"Schwäbischen Tagblatt" vom 17. November 2012: "Ein Haus der Versammlung.
Die Synagoge "Beth knesset" in Stuttgart besteht seit 60 Jahren.
Die vor 60 Jahren erbaute Synagoge "Beth knesset" in Stuttgart ist ein wichtiger Anlaufpunkt für die rund 1900 Mitglieder der jüdischen Gemeinde. Der Einlass in das Gebäude wird streng kontrolliert.
Stuttgart Wer Beth knesset, das jüdische Haus der Versammlung, betreten möchte, der muss zwei Dinge mitbringen: seinen Personalausweis und, falls er ein Mann ist, eine Kopfbedeckung. Ersterer ist der Sicherheitslage geschuldet, denn auch mehr als 65 Jahre nach dem Ende des Nazi-Reiches ist das Gemeindeleben von Juden in Deutschland noch weit von einer vollkommenen Normalität entfernt. Auch die Synagoge in Stuttgart ist ohne Wachmänner, Kameras und Einlasskontrolle nach wie vor undenkbar..."
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zum Artikel |
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Februar 2018:
Eine neue Torarolle soll
geschrieben werden |
Artikel von Brigitte Jänigen in der
"Jüdischen Allgemeinen" vom 19. Februar 2018: "Stuttgart. 'Gut für alle'.
Stadt und Gemeinde rufen gemeinsam zu Spenden für eine neue Torarolle auf
Die Stuttgarter Gemeinde braucht eine neue Torarolle. In einem Spendenaufruf
wendet sich der Bürgermeister für Recht, Sicherheit und Ordnung und
Schirmherr des Projekts, Martin Schairer, an die Zivilgesellschaft der
baden-württembergischen Landeshauptstadt. 'Es ist für mich eine Ehre, als
Vertreter der Stuttgarter Bürgerschaft die Schirmherrschaft übernehmen zu
dürfen, denn so können wir zeigen, dass die Menschen in der Israelitischen
Religionsgemeinschaft Württemberg zu unserer Stadt gehören', sagte er zum
Auftakt des Spendenprojekts. Der Weg sei das Ziel: 'Die Bürger sollen nicht
nur Geld geben, sondern sich damit befassen, was eine Torarolle ist und
wofür sie im jüdischen Gottesdienst gebraucht wird', so der Schirmherr. Als
langjähriger Polizeipräsident und heutiger Bürgermeister der Stadt sowie
Vorstandssprecher der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit
Stuttgart (GCJZ) ist Schairer der IRGW seit Langem verbunden; eine Torarolle
aber hatte er so nah noch nie gesehen.
Federkiel. Interessiert lässt sich der Protestant in der kleinen
Synagoge der IRGW von Michael Kashi die Besonderheit einer Torarolle
erklären und bewundert die Feinheit des handgeschriebenen Textes. 'Tora
bedeutet auf Hebräisch Weisung und enthält nach jüdischer Überlieferung
Gottes Wort', erklärt Michael Kashi, Vorstandsmitglied der Repräsentanz der
IRGW. Dass die fünf Bücher Mose bis heute vom Sofer, einem ausgebildeten
Toraschreiber, mit einem Federkiel per Hand geschrieben werden, habe vor
allem mit der Tradition zu tun, sagt Kashi. Freilich sei die Erfindung des
Buchdrucks an den jüdischen Gemeinden nicht vorbeigegangen, die fünf Bücher
Mose gebe es auch in gedruckter Form, aber eher für den Hausgebrauch. Für
den Gottesdienst würden nach wie vor handgeschriebene Rollen verwendet. 'Ist
auch nur ein Buchstabe an einer Torarolle beschädigt, ist sie nicht mehr
koscher und kann für den Gottesdienst nicht mehr verwendet werden', erklärt
Barbara Traub dem Bürgermeister. 'Wir haben mehrere Rollen, auf die das
zutrifft', fügt die Vorstandssprecherin der IRGW hinzu. Die IRGW ist die
siebtgrößte Gemeinde Deutschlands. In den zurückliegenden Jahren konnte die
3000 Mitglieder starke Gemeinde wichtige Wegmarken nehmen: den Bau des
Betreuten Seniorenwohnens, die Wiedereröffnung einer Grundschule, den
Abschluss des Staatsvertrages mit dem Land Baden-Württemberg, die Eröffnung
von zwei Gemeindezentren in Esslingen und Ulm, den Neubau der
Kindertagestätte in Stuttgart.
Tradition. Erst 2016 wurde in Esslingen und 2017 in Ulm mit
Unterstützung der Bürgerschaft jeweils eine neue Torarolle eingebracht. Nun
also Stuttgart. 'Die Beispiele in Esslingen und Ulm haben gezeigt, dass die
Bürger sehr wohl am jüdischen Leben interessiert sind', sagt Barbara Traub.
'Wir könnten uns leisten, eine neue Torarolle zu kaufen, das ist nicht das
Problem, zumal nicht bei den niedrigen Zinsen', so Traub. Wenn aber
Nichtjuden am Leben von Juden teilnehmen, so sei das 'gut für alle', sagt
Traub. Es sei sehr ehrenvoll, eine Torarolle zu spenden. Diese Tradition
wolle man beibehalten, aber mit einem neuen Aspekt versehen: dass sich die
Bürgerschaft das Anliegen der IRGW zu eigen macht. Als Vorbild für Stuttgart
gelten Esslingen und Ulm. Tatsächlich waren sowohl das Schreiben der letzten
Buchstaben der Esslinger und Ulmer Torarolle in den Rathäusern als auch die
anschließenden Umzüge bis zum Einbringen in den Schrein der jeweiligen
Synagogen ein Ereignis, das weit über die Städte hinaus ein Echo fand.
33.000 Euro soll die Stuttgarter Torarolle kosten. 'Wir hoffen, dass wir das
Geld in spätestens einem Jahr zusammenhaben', sagt Bürgermeister Schairer
hoffnungsvoll. Inzwischen wurde der Spendenaufruf beim Rat der Religionen
vorgetragen – er spiegelt die breite Vielfalt der Religionen in Stuttgart
wider. In ihm sind neben der IRGW Mitglieder christlicher Kirchen,
muslimischer, alevitischer und buddhistischer Gemeinschaften sowie der Bahai
vertreten. 'Unser Anliegen wurde positiv angenommen', berichtet Susanne
Jakubowski, Vorstandsmitglied der IRGW."
Link
zum Artikel |
Links und Literatur
Literatur:
| Paul Sauer/Sonja Hosseinzadeh: Jüdisches
Leben im Wangel der Zeit. 170 Jahre Israelitische Religionsgemeinschaft. 50
Jahre neue Synagoge in Stuttgart. 2002. |
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