Baisingen Friedhof 154.jpg (62551 Byte)  Segnende Hände der Kohanim auf einem Grabstein in Baisingen


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Unterleinach (Gemeinde Leinach, Kreis Würzburg)
Jüdische Geschichte / Synagoge 
(diese Seite entstand insbesondere durch Auswertung der Arbeit von Sabrina Steinmetz, s.Lit.)

Übersicht:

Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde  
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde  
Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer und Vorsänger   
Zur Geschichte der Synagoge   
Fotos / Darstellungen 
Erinnerungsarbeit vor Ort - einzelne Berichte  
Links und Literatur   

   

Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde          
    
In Unterleinach bestand eine jüdische Gemeinde bis 1885. Ihre Entstehung geht in die Zeit des 18. Jahrhunderts zurück. Jedoch lebten bereits seit dem 15. Jahrhundert Juden / jüdische Familien am Ort. In den Zinsregistern von Unterleinach aus den Jahren 1421 und 1492 werden bereits mehrere Juden in Unterleinach genannt. Auch in Verzeichnissen der folgenden Jahrhunderte (Gült- und Zinsbücher von 1470 bis 1723, u.a. des Brunnbacher Hofs in Würzburg) finden sich ständig Nennungen von jüdischen Ortsbewohnern. Bereits seit dem 15. Jahrhundert begegnen als (Familien-)Namen u.a. Freudenberger und Ber/Bär.  
 
Im Laufe des 18. Jahrhunderts nahm die Zahl der jüdischen Einwohner langsam zu. 1774 werden vier Juden (jüdische Familien) am Ort genannt: Schmul Jud, Hona Jud, Samuel Jud, Berlein Jud.   
   
Zwischen 1773 und 1812 erhielten folgende Juden Schutzbriefe, die im Staatsarchiv Würzburg noch erhalten sind (in Klammer die Namensbezeichnung laut Matrikelliste 1817 s.u.): Berlein Samuel 1773 [= Bär Strauß], Moyßes Bär 1800 [= Moises Strauß], Simon Moyses von Urspringen 1812 [= Moises Frank], Hejum Samuel 1812 [= Haium Heß].  
   
Bei der Erstellung der Matrikellisten 1817 werden in Unterleinach auf insgesamt sechs Matrikelstellen die folgenden jüdischen Familienvorsteher genannt ( mit neuem Familiennamen, Erwerbszweig und Familienverhältnisse): Bär Strauß (Viehhandel und Geldverleih, 65 Jahre alt, mit Frau, Tochter und Sohn; Nachfolger auf dieser Matrikelstelle war 1826 Faust Freudenberger, Seifensieder und Lichterzieher), Moises Strauß (Handel mit Vieh, Tuch, Leder, Geldverleih, 40 Jahre alt, mit Frau, vier Töchtern, zwei Söhnen), Jakob Strauß (Viehhandel und Geldverleih, 29 Jahre alt, mit Frau und Tochter), Sandel Freudenberger (49 Jahre, mit Frau, drei Söhnen, einer Tochter), Moises Frank (Spezerei-, Vieh- und Lederhandel, Schnittwarenhandel, 31 Jahre alt mit Frau, einer Tochter und drei Stiefkindern), Haium Heß (Handel mit Vieh und Leder, 32 Jahre alt, mit Frau und zwei Töchtern). Eine weitere Matrikelstelle wurde 1819 für Maier Strauß (Feldbauer) eingerichtet . Ohne Matrikelstelle war zunächst Faust Freudenberger, der jedoch wie erwähnt 1826 auf der Stelle von Bär Strauß nachrückte. Über der Normalzahl der Matrikelstellen wurden in den folgenden Jahren in Unterleinach aufgenommen 1832 Lazarus Freudenberger (lebt von der Landwirtschaft) und 1834 Löw Frank (Seilermeister). 
  
Im Verlauf des 19. Jahrhunderts entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner wie folgt: 1815 39 jüdische Einwohner (in sieben Familien), 1832 55, 1834 63, 1871 49. Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts ging die Zahl der jüdischen Einwohner durch Aus- und Abwanderung zurück. Unter anderem ist 1852 Frank Abraham nach Amerika ausgewandert. 
    
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde eine Synagoge (s.u.), eine jüdische Schule (Religionsschule) und ein rituelles Bad (in der früheren mittelalterlichen Badstube im Haus Nr. 6 unterhalb der Kirche; nach 1911 als Wasserwerk verwendet; Gebäude steht noch in der Zellinger Strauße). Die Toten der Gemeinde wurden im jüdischen Friedhof in Laudenbach beigesetzt. Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war zeitweise ein Lehrer angestellt, der auch als Vorbeter und Schochet tätig war: seit 1809 war Lehrer der Gemeinde Henoch Maier, ab 1817 Mathes Gabriel Schwanfelder. 1840 wird als Lehrer ein Herr Goldschmied genannt, 1853 Joseph Klein.   
     
Die letzten jüdischen Leinacher sind um 1885 verzogen, überwiegend nach Karlstadt.    
    
Von den in Unterleinach geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Carl (Karl) Freudenberger (1868), Julius Freudenberger (1880), Meyer (Maier) Freudenberger (1860), Richard Ferdinand Freudenberger (1882), Marianne Heß (1870), Amalie Maier geb. Strauß (1880), Marianne (Merina) Marx geb. Freudenberger (1873).   
    
    
    
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde     

In jüdischen Periodika des 19. Jahrhunderts wurden noch keine Berichte zu Unterleinach gefunden.  

    
Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer und Vorsänger
      
Lehrer Ephraim Wolf in Unterleinach wechselt als Religionslehrer und Vorsänger nach Miltenberg und Eichenbühl (1867) 

Anzeige im "Königlich Bayerischen Kreis-Amtsblatt von Unterfranken und Aschaffenburg" vom 22. Februar 1867: "Durch Regierungs-Entschließung vom 12. Februar laufenden Jahres ad Num. 9272 wurde die Aufstellung des Ephraim Wolf, bisher Religionslehrer zu Unterleinach, königlichen Bezirksamts Würzburg, als Religionslehrer und Vorsänger der kombinierten israelitischen Schulgemeinde Miltenberg - Eichenbühl, königlichen Bezirksamts Miltenberg, genehmigt."     

   
   
   
Zur Geschichte der Synagoge             
    
Zunächst (um 1800) war ein Betraum im Haus des Juden Schmul vorhanden ("Schmuhls Häuschen", Haus Nr. 78 1/2, zwischen Riedstraße und der ehemaligen Synagoge). 1815 beschloss die jüdische Gemeinde den Bau einer Synagoge. Es wurde ein relativ geräumiges Gebäude erstellt mit einem hohen Betsaal, in dem eine Empore für die Frauen eingerichtet war. Sie befand sich hinter dem landwirtschaftlichen Anwesen von Moses Strauß im sogenannten "Judenhof" Nr. 97-99 (Bereich Hauptstraße 4-6). 
 
Wie lange die Synagoge als Gotteshaus verwendet wurde, ist nicht bekannt. Nach dem Wegzug der jüdischen Familien um 1885 kam das Gebäude in Privatbesitz, seit 1916 in den Besitz der bürgerlichen Gemeinde. Im Ersten Weltkrieg wurden einige Zeit französische Kriegsgefangene in dem Gebäude untergebracht. Später wurde hier Eichenschälrinde eingelagert. Nach 1933 wurde im Synagogengebäude das Armenhaus eingerichtet. 1955 wurde im Betsaal eine Zwischendecke eingezogen. Mehrere Landwirte konnten im Erdgeschoss eine Gemeinschaftskühlanlage für Fleisch einrichten. Nachdem diese nicht mehr gebraucht wurde, stand das Gebäude leer. 1988 beschrieb Israel Schwierz das damalige Gebäude so: "Bausubstanz insgesamt noch fast vollständig erhalten; alle Fenster und Türen im Original erhalten; Spuren des Aron Hakodesch gut erkennbar; verputzte große steinerne Fläche (Denkmal?) links von der Eingangstür; in dem Ort heute noch ein ganz hervorstechendes Gebäude!"   
 
Nachdem das Gebäude der ehemaligen Synagoge wiederum in Privatbesitz war, wurde es 1991 abgebrochen. Die Steine wurden als Gartenmauern verwendet. Der Verbleib eines Chuppasteines (Hochzeitssteines) ist nicht bekannt.    
      
Die Anbringung einer Gedenktafel für die jüdische Gemeinde in der Nähe der ehemaligen Synagoge wurde im Mai 2009 im Gemeinderat Leinach auf Vorschlag von Sabrina Steinmetz beschlossen. Der Vorschlag für den Text der Gedenktafel ist: "Zur Erinnerung an die Jüdische Kultusgemeinde Unterleinach (1421-1885). Ihre Synagoge befand sich von 1815 - 1991/1992 in unmittelbarer Nähe." Die Gedenktafel wird in den nächsten Wochen/Monaten am neu gestellten Dorfplatz in der Nähe der ehemaligen Synagoge angebracht.   
  
Nachtrag zum Verbleib der Kultgegenstände aus der Synagoge in Unterleinach: die Tora und die steinernen Gebotstafeln wurden um 1885 nach Karlstadt gebracht und im Betsaal des Haus der Familie Strauß (heute Hauptstraße 24) untergebracht. Dort blieben sie bis 1935, der weitere Verbleib ist unbekannt.  
    
    
Adresse/Standort der Synagoge:   hinter dem landwirtschaftlichen Anwesen in der Rathausstraße 1.   
    
    
Fotos  
(Fotos von Israel Schwierz, um 1988)   

Die ehemalige Synagoge 
vor dem Abbruch
Unterleinach Synagoge 100.jpg (65646 Byte) Unterleinach Synagoge 101.jpg (85422 Byte)
  Rückseite der ehemaligen Synagoge Vorderseite der ehemaligen Synagoge
     

   
   
Erinnerungsarbeit vor Ort - einzelne Berichte   

2008:  Facharbeit zur jüdischen Geschichte in Unterleinach
Artikel von Wolfgang Jung in der "Mainpost" vom 17.2.2009:  "LEINACH - Sabrina und die vergessenen Leinacher Landjuden 
Sabrina Steinmetz erforschte das Leben der Landjuden in ihrem Heimatdorf

Sabrina hat als Schülerin des Würzburger Friedrich-Koenig-Gymnasiums eine bemerkenswerte Facharbeit geschrieben, Titel: "Jüdische Kultusgemeinde Unterleinach – unsere vergessenen Bürgerinnen und Bürger".
"...sei ein jüdischer Mann so erzürnt gewesen, dass er ein Schächtermesser in die Buche stieß, und ein Wunder soll geschehen sein: Dreimal habe eine klagende Stimme "o weh!" gerufen, die Messerspitze sei blutig gewesen, ebenso das Marienbildnis. Der Jude mit dem Schächtermesser aber soll zum Christen bekehrt worden sein". Sabrina vermutet, dass die Leinacher Juden an den Folgen dieser Mär zu leiden hatten, wie Würzburger und Röttinger Juden unter ähnlichen Gräuelgeschichten. Was zu jener Zeit tatsächlich im Ort geschah, weiß sie nicht: Zu dürftig ist die Nachrichtenlage. 
Weil sie "keine halben Sachen" machen wollte, untersuchte sie historische und kulturelle Hintergründe im Land und erklärte mit ihnen Leinacher Vorgänge. Zum Beispiel, wie die Dienstmagd Sanna Rosenbusch zu ihrem Nachnamen kam. Im Jahr 1812, berichtet Sabrina, forderten die Behörden die Juden auf, sich mit deutschen Nachnamen registrieren zu lassen. Viele seien der Willkür von Beamten ausgeliefert gewesen, die ihnen Namen zuwiesen. "In Wien zum Beispiel ging man bei der Namensvergabe sehr systematisch vor, täglich wechselte der Vergaberhythmus. An einem Tag wurden die Namen nach Farben vergeben, am nächsten Tag wählte man die Pflanzenwelt als Grundlage." Die jüdischen Leinacher wurden 1813 in Würzburg vorgeladen, zur Erklärung der neuen Namen. Die selbst gewählten Nachnamen Miltenberger und Wertheimer habe das Bayerische Landgericht nicht zugelassen, weswegen sich zwei Leinacher ein zweites Mal einen neuen Namen suchen mussten. 
"Äußerst unglücklich", schreibt sie, seien die Folgen des vierten Laterankonzils der lateinischen Kirche von 1215 gewesen. Da beschlossen 1200 Bischöfe und Äbte, Juden hätten eine besondere Tracht zu tragen. Christen dürften mit ihnen nicht an einem Tisch essen und nicht als Dienstboten für sie arbeiten. Die Kirchenoberen verboten den Christen außerdem das Zinsgeschäft. Geld verleihen durften Juden weiterhin, so wurde das Geschäft des Wucherers ein jüdisches. "Wuchern", erklärt Sabrina, "bedeutete zunächst nur, Geld gegen Zinsen ausleihen." Extrem hohe Zinsen seien rechtmäßig und üblich gewesen, "weil viele Kredite nicht zurückgezahlt werden konnten beziehungsweise keine Sicherheiten zur Verfügung standen". 200 Jahre später durften auch Christen wieder Geld verleihen, aber die Juden hatten ihren schlechten Ruf als "Wucherer" weg. Sabrina fand heraus, dass in Unterleinach die katholische Kirche Kredite vergab, unter anderem an Juden: 25 Gulden an Berla Jud im Jahr 1800; 1819/20 zahlte Sundel Freudenberger für geliehenes Kapital von 31 Gulden 15 Kreuzer Zins. Das vierte Laterankonzil verbot Juden, öffentliche Ämter, landwirtschaftliche oder handwerkliche Berufe auszuüben. Lediglich Bäcker und Metzger durften sie werden, um die jüdischen Gläubigen zu versorgen. So blieb ihnen neben dem Geldgeschäft nur der Handel. Wer das nicht konnte, litt Not. Sabrina berichtet, viele Landjuden hätten am Existenzminimum gelebt. In Leinach lebten Christen und Juden – wie fast überall – mehr nebeneinander als miteinander. Die Einhaltung der 613 Gebote und Verbote ihres Glaubens prägte den Tagesablauf der Juden, vielen Christen war das nicht koscher. 
Sabrina brachte Spannungen zwischen christlichen und jüdischen Leinachern zutage, entstanden aus dem Einhalten der religiösen Ruhetage, dem samstaglichen Sabbat und dem Sonntag. Im Gemeindearchiv Unterleinach steht geschrieben, die Christen hätten den Juden 1793 verboten, am Sonntag während des Gottesdienstes den Ziehbrunnen zu benutzen, um Lärm zu vermeiden. Unter Strafandrohung trugen sie ihren jüdischen Nachbarn auf, sich an Sonn- und Feiertagen während der Gottesdienste in ihren Häusern aufzuhalten. Sabrina entdeckte eine Reihe rechtlicher, wirtschaftlicher und sozialer Beeinträchtigungen der jüdischen Leinacher. "Nicht verwunderlich" sei, "dass die Landjuden Ende des 19. Jahrhunderts ihr Glück in den Städten versuchen wollten. Sie erhofften sich dort in größeren jüdischen Gemeinschaften bessere Chancen und Perspektiven." 
90 Seiten umfasst die Facharbeit, zusammengetragen in Archiven, Gesprächen mit Historikern und E-Mail-Verkehr mit dem 85-jährigen New Yorker Reiner J. Aumann, dem Gatten von Edith Freudenberger, deren Vorfahren aus Unterleinach stammen. Sabrina hat die Bestnote bekommen und Ehrungen, unter anderem vom Leinacher Bürgermeister Uwe Klüpfel und vom Münchner Verein "Bayerische Einigung", der, so steht es in der Satzung, "die kulturellen Werte Bayerns der Vergangenheit" erhalten und pflegen will. Sabrina Steinmetz, inzwischen 19 Jahre alt, studiert mittlerweile Sozialversicherungsmanagement in Bonn. Als Historikerin wären ihr die beruflichen Aussichten zu schlecht gewesen. So, sagt sie, erlerne sie einen sozialen Beruf und hat mit Schicksalen zu tun. "Ich kann Menschen helfen – hoffentlich." Um die jüdischen Leinacher wieder ins Gedächtnis des Ortes zu rufen, regte sie an, eine Hinweistafel auf die einstige Synagoge aufzustellen. Bürgermeister Klüpfel sagt, er könne sich das "gut vorstellen".
 
Rezension von Israel Schwierz in Würzburg: SABRINA STEINMETZ: " JÜDISCHE KULTUSGEMEINDE UNTERLEINACH – unsere vergessenen Bürgerinnen und Bürger". Leinach 2008.   
Auf dem Gebiete des heutigen Regierungsbezirks UNTERFRANKEN gab es schon immer die meisten jüdischen Kultusgemeinden in BAYERN: bereits im Mittelalter wurden viele durch Pogrome und Vertreibungen ausgelöscht, es entstanden auch wieder neue. Aber nicht nur durch Gewalt oder staatliche Erlasse verschwanden Gemeinden – manche lösten sich auch ganz einfach durch den Wegzug der Mitglieder von allein auf. Dieses Schicksal widerfuhr auch der Jüdischen Kultusgemeinde UNTERLEINACH, die ungefähr vom 18. Jahrhundert (möglicherweise auch schon früher, denn bereits 1421 werden Juden in UUNTERLEINACH urkundlich erwähnt) bis zum Jahre 1885 existierte. 
Zeitungsartikel über "Stolpersteine" in WÜRZBURG hatten das Interesse der in UNTERLEINACH – heute LEINACH – wohnenden Abiturientin SABRINA STEINMETZ geweckt, auch in ihrem Heimatort nach Spuren jüdischen Lebens zu suchen. In der Ortschronik aus dem Jahre 1999 von CHRISTINE DEMEL wurde sie fündig. So entschloss sie sich, eine Facharbeit in Geschichte mit dem Thema "Jüdische Kultusgemeinde in UNTERLEINACH" zu erstellen. Das Ergebnis ihrer Forschungsarbeit ist eine erstaunliche Dokumentation. 
Eingeleitet wird die Arbeit mit einer detaillierten Inhaltsübersicht , dem sich ein erstes kurzes Kapitel anschließt, in welchem die Autorin darlegt, wie sie zu dem Thema ihrer Facharbeit gelangt ist und unter welchen erschwerten Bedingungen sie bei der Spurensuche für die Dokumentation vorgehen musste. Ein weiterer ausführlicher Abschnitt beschäftigt sich mit dem Leben der Landjuden in Mainfranken: hier kann man viele interessant Details über die rechtlichen Beschränkungen (Schutzbriefe - Judenregal", Matrikelparagraphen und Probleme bei der Annahme von Familiennamen), die erwerbswirtschaftlichen Beeinträchtigungen und über den gesellschaftlichen Status der Juden (Außenseitertum, Selbstisolierung und antisemitische Gerüchte und Klischees) erfahren. Der dritte große Teil der Arbeit ist der Spurensuche im heutigen LEINACH gewidmet: SABRINA STEINMETZ dokumentiert sehr anschaulich alles Wissenswerte über die 1815 erbaute Synagoge, die nach dem Wegzug der jüdischen Bevölkerung aus dem Ort mehrfach den Besitzer wechselte. Obwohl sie 1988 als Bauwerk noch fast vollständig erhalten war (alle Fenster und Türen waren erhalten, ebenso die Nische des Ahron Hakodesch und eine verputzte Fläche links der Eingangstür, möglicherweise ein Chuppastein) wurde sie 1991/92 abgerissen. Auch die Mikwe, ursprünglich eine mittelalterliche Badstube, die 1745 von CASPAR FREUDENBERGER als jüdisches Ritualbad erworben wurde und ab 1911 der Gemeinde UNTERLEINACH als Wasserwerk diente, wird ausführlich in Wort und Bild dargestellt. Beschrieben werden ferner die Schulverhältnisse, die Lage der ehemaligen jüdischen Häuser im Ort (mit Ortsplan und Lagebezeichnung ehemaliger jüdischer Häuser) sowie die Beerdigungskultur (die Juden von UNTERLEINACH beerdigten ihre Toten auf dem jüdischen Friedhof von LAUDENBACH bei KARLSTADT). Besonders interessant ist die Auswertung amtlicher Register von 1421 bis 1876: Gült- und Zinsbücher, besonders aber die kompletten Geburts- (1811 – 1876), Sterbe- (1811 – 1873) und Trauregister (1812 – 1873). 
Ein Viertes Kapitel der Arbeit befasst sich mit der aus UNTERLEINACH stammenden Familie FREUDENBERGER: Sehr einfühlsam berichtet SABRINA STEINMETZ über das Leben der Familie vor dem Dritten Reich, die erfolgreichen Bemühungen der Eltern, alle ihre acht Kinder aus NS-Deutschland in Sicherheit zu bringen und schließlich den Tod von RICHARD FREUDENBERGER s.A. 1941 im KZ DACHAU und den seiner Frau GUTTA s.A. 1942 im Vernichtungslager AUSCHWITZ. 
In einem letzten Abschnitt erklärt die Autorin nach einem kurzen Rückblick über ihr Werk die Absicht, bei den Behörden ihres Heimatortes einen Antrag zu stellen, damit diese in irgendeiner Form – z.B. als "Stolperstein" – auf dem neu geschaffenen Platz des Ortes an die jüdische Geschichte der Gemeinde erinnern. Ein ausführlicher Anhang – bestehend aus Literatur- und Quellenverzeichnis, mehreren transkribierten Originalurkunden aus dem Leben der Juden in UNTERLEINACH sowie aus einigen Photokopien runden diese in der Tat sehr eindrucksvolle Dokumentation harmonisch ab. 
Es wundert nicht, dass die Arbeit im Gutachten des Friedrich-Koenig-Gymnasiums WÜRZBURG mit der Höchstpunktzahl und der Note "sehr gut" beurteilt wurde. Die Autorin erhielt für ihre hervorragende Facharbeit auch den Preis des Jahres 2008 des Vereins der Freunde des Friedrich-Koenig-Gymnasiums WÜRZBURG und den Sonderpreis der Bayerischen Einigung e.V. der Freunde Mainfränkischer Kunst und Geschichte e.V. 
Mit ihrer Dokumentation hat SABRINA STEINMETZ nicht nur eine hervorragende Facharbeit erstellt. Sie hat darüber hinaus auch die vor weit über einem Jahrhundert aufgelöste Jüdische Kultusgemeinde UNTERLEINACH dem dauernden Vergessen entrissen und ihr ein bleibendes Denkmal gesetzt. Dafür gebührt ihr tiefer Dank und höchste Anerkennung.  

     
      

Links und Literatur

Links:  

Website der Gemeinde Leinach    

Literatur:  

Israel Schwierz:  Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens in Bayern. Eine Dokumentation der Bayerischen Landeszentrale für politische Bildungsarbeit. A 85. 1988 S. 120. 1992² S. 128.
Christine Demel: Abschnitt zur Geschichte der Juden in Unterleinach. In. Leinach. Geschichte - Sagen - Gegenwart. Leinach 1999 S. 429-440 (die Verfasserin behandelt hier die Geschichte der Unterleinacher Juden von den ersten Nachweise bis zur Auflösung der israelitischen Kultusgemeinde - 1421-1885, sowie das Schicksal der Leinacher Juden nach ihrer Übersiedlung nach Karlstadt am Main bis zur Shoa, Hinweis von Joachim Braun, Würzburg). 
Dirk Rosenstock: Die unterfränkischen Judenmatrikeln von 1817. Eine namenkundliche und sozialgeschichtliche Quelle. Reihe: Veröffentlichungen des Stadtarchivs Würzburg Band 13. Würzburg 2008. S. 264-265.   
Unterleinach LIt 010.jpg (57732 Byte)Sabrina Steinmetz: Jüdische Kultusgemeinde Unterleinach - unsere vergessenen Bürgerinnen und Bürger. Facharbeit Geschichte - Friedrich-König-Gymnasium Würzburg. Kollegstufenjahrgang 2006/08. Eigenverlag 2009.
diese Arbeit wurde veröffentlicht im "Mainfränkischen Jahrbuch für Geschichte und Kunst" Würzburg 2010 S. 313-370. 

    
      

                   
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Stand: 12. Dezember 2013