Baisingen Friedhof 154.jpg (62551 Byte)  Segnende Hände der Kohanim auf einem Grabstein in Baisingen


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Zu den Friedhöfen im Regierungsbezirk Schwaben  
   

Harburg (Landkreis Donau-Ries) 
Jüdischer Friedhof  
 

Listen, erstellt von Rolf Hofmann: 

bulletJewish Cemetery of Harburg - Gravelist  (pdf-Datei, Version 2 vom April 2020)  
bulletJewish Cemetery of Harburg - unscaled map (pdf-Datei)  

Hinweis: eine Fotodokumentation aller Grabsteine findet sich auf einer weiteren Seite (interner Link)     
    
     
     
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde           
    
Siehe bei der Seite zur Synagoge in Harburg (interner Link)   
   
   
Zur Geschichte des jüdischen Friedhofes                   
   
Der jüdische Friedhof in Harburg geht auf das 17. Jahrhundert zurück. In seinem Schutzbrief vom 10. März 1671 versprach der Oettingische Landesherr, einen halben Morgen Ackerland "unten am großen Hühnerberg gelegen" als jüdische Begräbnisstätte zu verkaufen. Die jüdischen Familien hatten hierfür 75 Gulden in zwei Raten zu bezahlen. Auf diesem Friedhof wurden in der Folgezeit auch Juden aus Mönchsdeggingen und Ederheim beigesetzt. In der jüdischen Gemeindeordnung von 1672 war geregelt, dass jeder neuaufgenommene Schutzverwandte von seinem Heiratsgut eine auf die Höhe der Mitgift bezogene Gebühr zur Erhaltung der Begräbnisstätte abgeben musste. Für jeden Beigesetzten war zusätzlich eine Gebühr an das Oberamt zu bezahlen. Bereits im 18. Jahrhundert wurde der Friedhof stark beschädigt: 1744 und 1800 verwendeten durchziehende Soldaten die hölzernen Grabdenkmale sowie (1744) den Friedhofszaun zum Feuermachen. 1745 wurde der Friedhof mit einer Mauer umgeben. 1833 wurde der Friedhof erstmals erweitert. 
  
Mit Beschluss des Kultusvorstandes vom Dezember 1902 wurde eine Nummerierung und Registratur der damals vorhandenen etwa 500 Grabsteine vorgenommen (siehe Bericht unten).   
  
Die letzte Beisetzung im Harburger Friedhof war 1938 (Julius Nebel). 
   
Bereits im April 1937 wurden auf dem Friedhof 33 Grabsteine umgeworfen und zerschlagen. Bis 1945 kam es zu weiteren Zerstörungen; ein Teil der Grabsteine wurde abgeräumt. Erhalten blieb bis heute ein Tahara-Haus. 
    
    
Aus der Geschichte des Friedhofes  
Über den Kultusvorstand Gerson Stein und seine Bemühungen um den jüdischen Friedhof in Harburg (1902)   

  Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 30. Dezember 1902: "Harburg (Bayern), 25. Dezember (1902). Bei der heutigen Neuwahl der israelitischen Kultusverwaltung wurde Herr Kaufmann Gerson Stein als Kultusvorstand wieder gewählt, nachdem derselbe schon volle 27 Jahre dieses Amt in hiesiger Gemeinde musterhaft bekleidet. Ebenso wurden die Herren Josef Epstein, Julius Nebel und Moritz Nebel, als Kassierer und Pfleger, sämtlich wieder gewählt. 
 In jüngster Zeit hat auf Antrag des Vorstandes, Herrn Gerson Stein, die hiesige Kultusverwaltung beschlossen: 'Es sei auf dem hiesigen israelitischen Friedhofe die Nummerierung und Registratur der sämtlichen Grabdenkmäler vorzunehmen, um den Besuchern das Auffinden der Grabstätten zu erleichtern und namentlich etwaige defekte Grabdenkmäler zu erneuern.'  
Der hiesige israelitische Friedhof, welcher ca. 500 Grabdenkmäler zählt, enthält nicht nur die Grabstätten der israelitischen Bewohner Harburgs, sondern auch die der früheren nun aufgelösten israelitischen Gemeinden Mönchsdeggingen und Ederheim, königl. Bezirksamt Nördlingen. Mit den diesbezüglichen umfangreichen Arbeiten wurde Herr Lehrer Hermann Rieck, dahier betraut. Von Seite vieler Auswärtigen, deren Ahnen im hiesigen Friedhofe schlummern, wurde der Kultusverwaltung Harburg, dieses lobenswerten und pietätvollen Unternehmens halber, Anerkennung gezollt."       

  
Zum Tod von Kaufmann Adolf Weill aus München und seiner Beisetzung im jüdischen Friedhof Harburg (1919)   

Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 28. Februar 1919: "Aus Harburg (Schwaben) wird geschrieben: Im Spital zu Wemding verstarb auf der Reise der Kaufmann Adolf Weill, geboren am 4. Februar 1866 zu München, als Sohn des Paulus Jakob Weill und seiner Ehefrau Rosa geborene Seliger, israelitischer Konfession und verwitwet. Auf Anordnung des Bezirksamtes Donauwörth wurde die Leiche nach Harburg, als nächstgelegene jüdische Gemeinde, übergeführt und auf dem hiesigen israelitischen Friedhofe beerdigt. Nähere Angaben über die Persönlichkeit und etwaige Familienangehörigen sowie über den bisherigen Wohnort des Verstorbenen fehlen."          

    
    

    
Lage des Friedhofes 
 
   
Von der Stadtmitte etwa 2 km westlich oberhalb von Harburg, zuerst Richtung Burg bis zum Ortsende, dann nach Westen auf der Anhöhe, Feldweg nach rechts zum Hühnerberg.  
   
   

Fotos
Historische Fotos aus den Jahren 1940/45:
 
(Fotos: Ernst Ruff, Harburger Heimatforscher; das mit * bezeichnete Bild von Günther Rüdel ist in den 1950er-Jahren entstanden)

Harburg Friedhof 081.jpg (50678 Byte) Harburg Friedhof 085.jpg (51789 Byte) Harburg Friedhof 080.jpg (57007 Byte)
Teilansicht des 
Friedhofes* 
Blick auf den Friedhof 
mit dem Tahara-Haus 
Grabstein für den "Kultus-Vorsteher und
 Gemeindebevollmächtigten" Nathan
 Hechinger
(1816-1835, Enkel des Hoffaktors
 Jacob Lippmann Hechinger)
   
   
     
Harburg Friedhof 083.jpg (61210 Byte) Harburg Friedhof 084.jpg (33578 Byte) Harburg Friedhof 082.jpg (58011 Byte)
Grabsteine für Moritz Nebel (1854-1914) 
und Sophie Nebel geb. Mendel (1862-1936)
Umgeworfene Grabsteine 
in der NS-Zeit - um 1938.*  
Oben und unten (von links nach rechts):
 Grabsteine für Gela Selz (1762-1850), 
Perl Selz (1802-1850), 
Joseph Löb Selz (1796-1859)
   
   
      
Harburg Friedhof 087.jpg (55336 Byte) Harburg Friedhof 086.jpg (45426 Byte) Harburg Friedhof 195.jpg (90301 Byte) Harburg Friedhof 196.jpg (74219 Byte) Harburg Friedhof 197.jpg (87653 Byte)
Grabsteine für Moses und 
Alexander Guldmann
*  
Grabstein-Symbolik: aufgeschlagenes 
Buch und Zedaka-Büchse   
Dieselben Grabsteine 
wie oben 1992  
     

Die beiden mit *) markierten Fotos sind aus dem Nachlass des Harburger Heimatforschers und Hobbyfotografen Ernst Ruff (1891-1974; Fotos erhalten über Rolf Hofmann, Stuttgart).

 

  
Fotos um 1970:
(Fotos: R. Klotz)

Harburg Friedhof 210.jpg (83442 Byte) Harburg Friedhof 211.jpg (94245 Byte) Harburg Friedhof 212.jpg (80919 Byte) Harburg Friedhof 213.jpg (84383 Byte)
Teilansichten/einzelne Grabsteine des Friedhofes
   

Neuere Fotos, teilweise im Vergleich 1992 und 2004: 
1. Farbfotos von 2004 
(Fotos: Hahn, Aufnahmedatum 12.3.2004) 
2. Sw-Fotos von 1992, entstanden für die  Dokumentation von harburgproject "Jüdischer Friedhof Harburg - Schwaben" (siehe Lit.)
(Fotos: Mario (Meir) Jacoby (1948-1015, zuletzt wohnhaft Kfar Haroeh, Israel)
Der Vergleich zeigt mehrfach den rapiden Verfall der Grabsteine innerhalb von 10 Jahren. Alle Fotos dieser Dokumentation von 1992 siehe weitere Seite (interner Link). 

Harburg Friedhof 114.jpg (66470 Byte) Harburg Friedhof 113.jpg (76527 Byte) Harburg Friedhof 115.jpg (76401 Byte)
Taharahaus  Eingangstor   Blick zum Friedhof zum Schloss Harburg  
     
Harburg Friedhof 101.jpg (78650 Byte) Harburg Friedhof 110.jpg (80018 Byte) Harburg Friedhof 111.jpg (79876 Byte)
Blicke über den Friedhof  Teilansicht 
   
Harburg Friedhof 103.jpg (80194 Byte) Harburg Friedhof 112.jpg (89459 Byte) Harburg Friedhof 109.jpg (84590 Byte)
Grabstein für Gabriel Guggenheimer 
aus Harburg 
Grabsteine der Familie Nebel: die hohen für Moritz Nebel (1854-1914) und 
Sophie Nebel geb. Mendel (1862-1936), der Sockel für Abraham Nebel (1861-1918)
   
Harburg Friedhof 145.jpg (69439 Byte)  Harburg Friedhof 102.jpg (80511 Byte) Harburg Friedhof 100.jpg (73352 Byte)
Grabstein für Urias Löb Guldmann aus Harburg (1783-1848; = Arie Löb) mit Symbolen:
 Beschneidungsmesser (des Mohel) und Buch für einen Schriftkundigen. Links 1992,
 rechts in deutlich schlechterem Zustand 2004  
Grabstein für Salomo Oettinger 
mit Schofar (Widderhorn) 
  
   
Harburg Friedhof 225.jpg (80070 Byte)Harburg Friedhof 104.jpg (76214 Byte) Harburg Friedhof 105.jpg (85447 Byte) Harburg Friedhof 106.jpg (85739 Byte)
Grabstein für Schuhmacher Isak Löb
 Hausmann
(1810-1874); Links 1992, rechts
 in deutlich schlechterem Zustand 2004  
Grabstein für Isaak Blumgart (1787-1873)
 mit Beschneidungsmesser, segnenden
 Händen der Kohanim und Schofar  
Grabstein für Lemmle Waldmann
 (1784-1829), Landkrämer aus Harburg 
  
     
Harburg Friedhof 108.jpg (90198 Byte) Harburg Friedhof 107.jpg (81801 Byte)
Grabsteingruppe (von links nach rechts): Grabstein für Daniel Hechinger (1795-1821,
 Sohn des Hoffaktors Jakob Lippmann Hechinger), Grabstein für Simon Hausmann
 (1758-1824, Gatte von Liebel Hausmann), Grabstein für Liebel Hausmann 
(1758-1834, Gattin von Simon Hausmann). Unten dieselben Steine 1992. 
Grabsteingruppe (von links nach rechts):
 Grabstein für Samuel Braunschweig
 (1760-1833), Grabstein für Abraham Moses
 (Levi) Oettinger
(1764-1834, vgl. unten),
 und dessen Frau Madele Oettinger
 (1765-1855)  
 
   
Harburg Friedhof 054.jpg (84890 Byte)Harburg Friedhof 055.jpg (78958 Byte)Harburg Friedhof 056.jpg (82743 Byte) Harburg Friedhof 144.jpg (108542 Byte)
    Der Grabstein für Abraham Moses (Levi)
 Oettinger (vgl. oben) im Zustand von 1992 
      
Harburg Friedhof 142.jpg (68690 Byte) Harburg Friedhof 140.jpg (102561 Byte) Harburg Friedhof 147.jpg (76656 Byte)
Grabstein für Jette Guggenheimer
 (1773-1843) in Harburg, Urgroßmutter 
von Prof. Ernst Guggenheimer (Architekt
 der 1952 erbauten Stuttgarter Synagoge) 
Grabstein für Jakob Hirsch Weiler
 (1775-1843), Vorsteher der 
jüdischen Gemeinde in Ederheim  
Grabstein für Emanuel Berolzheimer 
aus Harburg (1810-1858), früh 
verstorbener Lehrer der jüdischen
 Elementarschule in Harburg 
    
     
Harburg Friedhof 149.jpg (83606 Byte) Harburg Friedhof 146.jpg (103103 Byte) Harburg Friedhof 150.jpg (67533 Byte)
Grabstein für Samson Stern 
aus Harburg (1766-1848) mit 
Symbol der segnenden Hände des Cohen 
Grabstein für Abraham Mai aus Harburg
 (1774-1850), Vater von Dr. med. 
Raphael Mai (der Harburger Arzt im 
19. Jahrhundert, geachtet und verehrt 
bei Juden und Christen)  
Grabstein für Meyer Hirsch Goldschmidt 
aus Harburg (1774-1851) 
  
   
     
Harburg Friedhof 148.jpg (70536 Byte) Harburg Friedhof 141.jpg (94531 Byte) Harburg Friedhof 143.jpg (57522 Byte)
Grabstein für Rösle Einstein 
aus Ederheim (1812-1870)  
Grabstein für Regina Wassermann
 (gleichfalls gest. 1799), Tochter von 
Israel Elkan Wassermann in Harburg,
 Enkelin des Salzfaktors Elkan Wassermann 
Grabstein für Regina Wassermann 
(gest. 8.11.1799), Gattin des 
Salzfaktors Elkan Wassermann 
in Harburg 
  
     

   
   
Berichte zum Friedhof  

September 2011: Gedenkplatte bzw. neue Grabplatte für den auf dem Friedhof beigesetzten Rabbiner Dr. Isaak Stein     
Anfang September 2011 wurde auf dem Harburger jüdischen Friedhof ein neuer Grabstein für den aus Harburg stammenden Rabbiner Dr. Isaak Stein (geb. 1877 in Harburg, gest. 1915 in Berlin und in Harburg beigesetzt) gelegt. Der originale Grabstein von Rabbiner Dr. Isaak Stein ist vermutlich nicht mehr vorhanden. Chana Zmora aus Israel, eine Enkelin des Rabbis Isaac Stein, besuchte dazu mit ihrem Mann und ihren vier Enkeln Harburg und seinen Friedhof.    
 
 Fotos von der 
Grabsteinlegung 
(erhalten von Rolf Hofmann)
Harburg ISt Gr011.jpg (148674 Byte) Harburg ISt Gr010.jpg (179047 Byte) Übersetzung der Inschrift: "Hier ruht / Rabbiner Isaak, Sohn des Gelehrten Gerschon / Stein / Vorsteher des Rabbinatsgerichtes von Memel / gestorben in gutem Namen / am 4. Menachem Aw 5675 (= 15. Juli 1915) / und zur Erinnerung / an seine Gattin Johanna Stein - G'tt möge ihr Blut rächen - Ihre Seelen seien eingebunden in den Bund des Lebens". 
 
Weitere Links zu Presseberichten
- Artikel in der "Augsburger Allgemeinen" vom 7. September 2009: "Drei Generationen und ein jüdischer Friedhof..." (Familie Thum betreut den Friedhof in dritter Generation)  
- Film über den jüdischen Friedhof Harburg des Bayerischen Rundfunks vom 19. November 2017: Link zur Mediathek.   
- Artikel in der "Augsburger Allgemeinen" vom 3. April 2018: "Auszeichnung. Ein Wächter der jüdischen Kultur..." (Friedrich Thum erhielt das Bundesverdienstkreuz) 
   
Der Film des Bayerischen Rundfunks ist auch auf Youtube eingestellt: 
  
 
Oktober 2019: Über den jüdischen Friedhof in Harburg und seine Betreuung durch die Familie Thum  
Artikel von Mara Kutzner in "Donau-Ries-Aktuell" vom 19. Oktober 2019: "Harburg. Ein "Guter Ort".
Die ehemals jüdische Bevölkerung Harburgs und ihr Schicksal sind nicht in Vergessenheit geraten. Friedrich Thum pflegt die Gräber des jüdischen Friedhofs in dritter Generation. Bis heute kommen Nachfahren aus der ganzen Welt, die ihren verstorbenen Angehörigen gedenken.

Es ist ein mystischer Ort, dort oben am Hühnerberg in Harburg, wo 1671 die Grafen von Oettingen fünf jüdischen Bürgern für 75 Gulden ein halben Morgen Land zuwiesen, um dort ihren Friedhof anzulegen. 1745 wurde dort ein Taharahaus – eine Leichenhalle – gebaut. Die Jahreszahl ist im Türbogen eingemeißelt. Der Harburger 'Gute Ort', wie Juden im deutschen Sprachraum ihren Friedhof nannten, war ein Verbandsfriedhof, weil viele jüdische Gemeinden im Ries keinen eigenen Friedhof hatten. Nicht nur Juden aus Harburg, sondern auch aus Mönchsdeggingen, Ederheim und kurzfristig auch aus Alerheim bestatteten am Hühnerberg ihre Verstorbenen. Vielleicht war es aber auch die wunderbare Lage oberhalb der Harburg und direkt am Quellwasser, warum viele den Harburger Friedhof als letzte Ruhestätte für ihre Angehörigen wählten. Dass am Ende des Grundstücks ein Bach vorbeifließt, war für die Bestattungen sehr wichtig, denn die Juden wuschen ihre Toten vor der Beerdigung rein. Am großen Eingangstor des Friedhofes stand außerdem ein Wasserbehälter, denn zum israelischen Glauben gehört, sich die Hände vor und nach dem Friedhofsbesuch zu waschen. Die jüdische Bevölkerung Harburgs litt im Laufe der Jahrhunderte immer wieder unter Grabschändungen und Plünderungen. 1744 wurden die hölzernen Grabmäler und die Holzumzäunungen des Friedhofs von durchziehenden Soldaten beschädigt. Zwar wurde der Friedhof daraufhin ummauert, um 1800, während der Napoleonischen Kriege zerstörten ihn französische Soldaten erneut. Im Anschluss wurde der Friedhof allerdings fast um das Doppelte erweitert und wieder ummauert. Diese Mauer steht bis heute. Als 1831 die Cholera im Ries wütete, wurde die Durchfahrt des Leichenwagens nach Harburg verboten. Die Mönchsdegginger Juden legten daraufhin einen eigenen Friedhof an. Juden aus Ederheim wurden noch bis zum Jahre 1880 in Harburg beerdigt, danach löste sich das Judentum dort auf. Die wenigen Verbliebenen zogen nach Nördlingen um.
Seit über 100 Jahren kümmert sich Familie Thum um den Friedhof. Seit dem Jahr 1909 half der evangelische Harburger Konrad Thum seinen jüdischen Nachbarn und Mitbürgern bei den Grabaushebungen, denn wegen des steinigen und manchmal gefrorenen Bodens bedeutete das Schwerstarbeit, zumal ein jüdisches Grab in einem Tag ausgehoben sein muss und auch nicht länger als 24 Stunden offen stehen darf. 1934, ein Jahr bevor die Nationalsozialisten ihre antisemitischen und rassistischen 'Nürnberger Gesetze' ausriefen, übernahm Konrad Thums Sohn Friedrich die Aufgabe des Grabmachers. Denn die Thums gehörten nicht zu denjenigen, die Juden erst ausgrenzten, mieden und später ihre Häuser und Geschäfte schändeten. Die letzte Beerdigung auf dem Friedhof am Hühnerberg fand im Frühjahr 1938 statt. Der Harburger Stadtrat und Kurwarenhändler Julius Nebel (1857–1938) fand hier seine letzte Ruhestätte. Doch einen Grabstein konnten seine Angehörigen nicht mehr setzen, zwischen den anderen Gräbern ist eine Lücke. Daneben stehen die Grabsteine seines Cousins, der Viehhändler Moritz Nebel (1854–1914) und seiner Frau Sophie (1862–1936). Vier ihrer fünf Kinder konnten rechtzeitig nach Israel fliehen, ihre Tochter Dora ist kurz vor Ende des Zweiten Weltkrieges im Konzentrationslager umgekommen. Den letzten vier Nebels, die noch in Harburg lebten, gelang die Emigration nicht mehr. Pauline Nebel, geborene Hiller, das Ehepaar Fritz und Helene Nebel, und die Witwe Mathilde Nebel zogen von Harburg weg, bevor sie in den Konzentrationslagern Dachau, Theresienstadt und Auschwitz ermordet wurden. Bis zum Ende des Krieges war es Friedrich Thum senior und seiner Frau Margarete untersagt, den Friedhof zu betreten. Als sie 1945 wieder zum Hühnerberg kamen, tat sich ihnen ein schreckliches Bild auf. Das Unkraut wucherte kniehoch, Dornengestrüpp umgürtete die Grabsteine. Der Wildwuchs verbarg allerdings nicht die Schändung der Gräber. Viele Marmorsteine waren abtransportiert, einige umgeworfen. Es dauerte Monate, bis die Thums die Grabfelder wieder gereinigt und vom hohen Gras befreit hatten. Bis heute ist die Pflege in den Händen der Familie Thum. Vor Jahren übernahm Friedrich Thum junior die Aufgabe seines Vaters: 'Mein Vater sagte zu mir, dass ich den Friedhof weiterpflegen solle, wenn er es mal nicht mehr tun kann, denn die Harburger Juden waren gute Leute. Sie haben es verdient, dass man sich um ihre Gräber kümmert', erzählt er. Friedrich Thum kommt regelmäßig zum Friedhof auf dem Hühnerberg, mäht den Rasen und hält die Gräber sauber. Jedes Jahr kontaktieren ihn Juden aus der ganzen Welt, zum Beispiel aus den USA, aus Brasilien, aus Israel und der Schweiz, die auf ihren Reisen nach Deutschland die Gräber ihrer Vorfahren in Harburg besuchen wollen. Und tatsächlich: Auf einigen der jüngeren Grabsteine liegen kleine Kieselsteine, denn nach jüdischer Tradition werden die Gräber nicht mit Blumen geschmückt. Wer einen Stein auf ein Grab legt, will sagen: 'Ich denke an dich!'"  
Link zum Artikel  

  
   

Links und Literatur

Links:  

bulletWebsite der Stadt Harburg    
bulletZur Seite über die Synagoge Harburg (interner Link)  
bulletZur Seite mit der Fotodokumentation des Friedhofes von 1992 (interner Link)  
bulletWebsite "Jewish Genealogy in Bavarian Swabia" 

Literatur:  

bulletGermania Judaica II,1 S. 340-341; III,1 S. 518.
bulletMichael Trüger: Der jüdische Friedhof in Harburg. In: Der Landesverband der Israelitischen Kultusgemeinden in Bayern. 10. Jg. Nr. 68 vom Dezember 1995 S. 16.
bulletBaruch Z. Ophir und Falk Wiesemann: Die jüdischen Gemeinden in Bayern 1918-1945. München und Wien 1979. S. 469-470.
bulletReinhart Jakob: Die jüdische Gemeinde von Harburg (1671-1871). Nördlingen 1988.
bulletRolf Hofmann: Aus der Geschichte der Harburger Juden. 12 Artikel in der "Donauwörther Zeitung" 1994/95.
bulletHarburg Friedhof 088.jpg (62624 Byte)Meir Jacoby, Ruth Jacoby, Rolf Hofmann: Jüdischer Friedhof von Harburg (Schwaben) 
Diese Kurzdokumentation des Harburger Judenfriedhofes enthält eine Auswahl von etwa 50 besonders schönen und gut erhaltenen Grabsteinen. Die sorgfältig ausgearbeitete Dokumentation mit hebräischer Transkription der Inschriften, deutscher Übersetzung und familiengeschichtlichen Erläuterungen unterstreicht die historische Bedeutung des Harburger Judenfriedhofs, der nach dem Friedhof in Wallerstein der älteste und wohl auch schönste im Landkreis Donau-Ries ist. Die auch auf den Fotos noch klar und deutlich lesbaren Inschriften dürften eine große Hilfe bei der Erarbeitung familiengeschichtlicher Details sein. Die Dokumentation ist erhältlich bei der Stadt Harburg. 
bulletDietrich Bösenberg: Jüdische Friedhöfe im Ries. Am 7. April 2003 gehaltenes Referat (Universität Ulm, Zentrum für allgemeine wissenschaftliche Weiterbildung. Arbeitskreis Nördlinger Ries). Dieses Referat ist online eingestellt: hier anklicken (pdf-Datei).  

   
    

                   
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Stand: 18. Mai 2020