Baisingen Friedhof 154.jpg (62551 Byte)  Segnende Hände der Kohanim auf einem Grabstein in Baisingen


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Neustädtles (Gemeinde Nordheim vor der Rhön, Landkreis Rhön-Grabfeld) 
Jüdischer Friedhof 
(erstellt unter Mitarbeiter von Elisabeth Böhrer)  

   
Zur Geschichte des Friedhofes
              
   
Der jüdische Friedhof in Neustädtles wurde im 18. Jahrhundert angelegt. Auf ihm wurden die Toten mehrerer jüdischer Gemeinden der Umgebung beigesetzt (Hausen, Haselbach, Willmars, Nordheim v.d. Rhön, Oberelsbach mit Weisbach, teilweise Oberwaldbehrungen). Die Nordheimer Gemeinde hatte in ihrem Besitz eine Urkunde von 1736, wonach der damalige Gutsherr jährlich 4 Gulden für die Beisetzung der Toten aus Nordheim in Neustädtles erhielt. 
   
In Neustädtles selbst gab es - zumindest im 19./20. Jahrhundert - keine jüdische Gemeinde. Nach Angaben von Elisabeth Böhrer (vom 24.7.2010) findet sich im Staatsarchiv Würzburg ein Dokument vom 17.2.1809, den "Schulunterricht der jüdischen Jugend betreffend", worin berichtet wird: "In dem Ort Neustättles ... nur eine einzige jüdische Familie, deren Kinder nach Willmars in die Schule gehen". Möglicherweise lebten Ende des 18. Jahrhunderts noch mehr jüdische Familien am Ort (sc. der Ort wurde erst 1794 gegründet, vorher gab es hier nur ein kleines Rittergut). Bis 1817 dürfte die jüdische Familie aus Neustädtles verzogen sein, da es in den Matrikellisten von 1817 keinen Nachweis zu Neustädtles gibt.        
   
   
Im Juni 1926 wurden auf dem Friedhof viele Grabsteine umgeworfen und zerstört. Die letzte Beisetzung war 1938.  
  
In einem großen alten Teil sind etwa 1.300 Grabsteine vorhanden, in einem kleineren neueren Teil etwa 113 Grabsteine, die in zehn Reihen aufgestellt sind. Ein Lattenzaun umgibt den 47,80 ar (nach anderen Angaben 54,89 ar) großen Friedhof.
   
   
Lage des Friedhofes
    
Der Friedhof liegt auf einer Anhöhe (Flurstück "Judenkopf") zwischen Willmars und Neustädtles [Fl. Nr. 302], erreichbar über einen Feldweg auf Höhe des letzten Willmarser Aussiedlerhofes; hier nach rechts (von Willmars her kommend).  
    
    
Fotos 
(Fotos: Hahn, Aufnahmedatum: 15.8.2005)  

Neustaedtles Friedhof 117.jpg (81950 Byte) Neustaedtles Friedhof 116.jpg (83077 Byte) Neustaedtles Friedhof 115.jpg (76254 Byte)
Das Eingangstor  
  
Die letzten Grabsteine aus 
den 1930er-Jahren
  
     
Neustaedtles Friedhof 113.jpg (77146 Byte) Neustaedtles Friedhof 114.jpg (67940 Byte) Neustaedtles Friedhof 110.jpg (91525 Byte)
Blick über den neueren Friedhofsteil   Teilansichten des neueren Teiles  
   
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  Im alten Friedhofsteil
   
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Teilansichten des alten Friedhofsteiles    
 
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Grabstein mit den "segnenden Hände" 
der Kohanim  
Levitenkanne auf dem Grabstein 
eines Levi-Nachkommen  
Grabstein für Emanuel Scheuer 
(gest. 1931) mit Pflanzenornamentik  
     
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Grabstein für Bula Frank (gemeint - 
nach Angaben von Elisabeth Böhrer:
 Pauline Frank, gest. 6.12.1907 im 
Alter von 71 1/2 Jahren)* 
   
   
   
     
* Anmerkung zum Grabstein für Bula Frank: bei genauem Hinsehen wird deutlich (Hinweis von Elisabeth Böhrer), dass es sich nicht um den Grabstein, sondern nur um die Inschriftenplatte für Bula Frank handelt, da der Grabstein oben eine Levitenkanne enthält, die nur männlichen Nachkommen aus den Levitenfamilien erhalten. Somit ist die Inschriftenplatte zu irgendeiner Zeit (möglicherweise im Zusammenhang mit Restaurierungen nach den Schändungen in der NS-Zeit) auf den falschen Grabstein geraten ist. 

  
  
Berichte zur Geschichte des Friedhofes  

Oktober 2010: Drohende "Schändung" des jüdischen Friedhofs durch einen geplanten Schweinemastbetrieb  
Beitrag vom 19. Oktober 2010 in br-online.de (Artikel; Link zur Sendung des Beitrages): 
"Verwaltungsgericht Würzburg - Rabbi kritisiert "Schändung" von Friedhof 
Der geplante Schweinemastbetrieb in Willmars (Lkr. Rhön-Grabfeld) stelle eine "Schändung" des benachbarten jüdischen Friedhofs dar, hat ein Rabbi vor dem Würzburger Verwaltungsgericht kritisiert. Der geplante Stall soll 150 Meter von der Grabstätte errichtet werden. 

"Wenn es ein Kuhstall wäre, hätte ich es ja verstanden - aber ausgerechnet Schweine", empörte sich der Rabbi Jakov Ebert vor Gericht. Das Projekt sei eine "Ohrfeige" für die Toten. Der zu erwartende Geruch des Schweinestalls sei nicht nur unangenehm, sondern störe auch die Ausübung des jüdischen Glaubens: "So lange der Geruch da ist, darf man nicht beten."
Entscheidung mit Spannung erwartet. Der Anwalt der israelitischen Kultusgemeinde kritisierte das Landratsamt, das den Schweinemastbetrieb genehmigt hatte. Er warf der Behörde vor, die jüdische Kultur nicht anzuerkennen, sagte Rechtsanwalt Wolfgang Baumann. Vor dem Holocaust sei ein Drittel der Bevölkerung in der Rhön jüdisch gewesen und noch heute kämen viele Besucher aus der ganzen Welt zu dem jüdischen Friedhof. Wie der Rechtsstreit ausgeht, ist noch nicht bekannt. Das Gericht kündigte an, das Urteil den Prozessparteien schriftlich zukommen zu lassen.
Streit schwelt seit Jahren. Das Landratsamt Rhön-Grabfeld hatte 2007 einen Vorbescheid zur Genehmigung des Stalls ausgestellt. Gegen das Projekt klagten - mit unterschiedlichen Begründungen - der Landesverband der Israelitischen Kultusgemeinde in Bayern, die Kommunen Willmars und Nordheim vor der Rhön, der Wasserzweckverband Willmarser Gruppe und ein Waldbesitzer.
"Unreine Tiere" in der Kritik. Eine gütliche Einigung mit dem Landratsamt sei nach mehreren Gesprächen gescheitert, sagte Josef Schuster, Präsident des bayerischen Landesverbandes der israelitischen Kultusgemeinde: "Ich möchte mir nicht die internationale Presse vorstellen, wenn in unmittelbarer Nähe zum jüdischen Friedhof ausgerechnet eine Schweinemastanlage entstehen würde", so Schuster.
Schweinestall nach Ortstermin verkleinert. Viele der anderen Kläger teilen die Bedenken hinsichtlich der zu erwartenden Geruchsbelästigung für die Anlieger. Zudem wird eine Gefährdung des Trinkwassers befürchtet. Das Würzburger Verwaltungsgericht hatte sich Mitte September vor Ort ein Bild von der Situation gemacht. Der Antragsteller reduzierte daraufhin die Größe seiner geplanten Mastanlage von 1.500 auf 1.000 Tiere. Der jüdische Friedhof von Willmars wurde in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts angelegt, bestattet wurde darauf bis zum Beginn der Nazizeit."
 
Oktober 2010: Der Schweinestall darf nach dem Verwaltungsgericht Würzburg gebaut werden - ein "Schlag ins Gesicht" für jeden frommen Juden    
Artikel in der "Main-Post" vom 20. Oktober 2010 (Artikel): "WILLMARS. Umstrittener Schweinemaststall darf gebaut werden 
Das Verwaltungsgericht Würzburg hat die Haltung von 1000 Tieren neben jüdischem Friedhof von Willmars (Kreis Rhön-Grabfeld) zugelassen.
 
Erleichtert und erfreut ist Landwirt Thorsten Hofmann. Der Bau eines Schweinemaststalls für 1000 Tiere neben seinem Aussiedlerhof in Willmars sei für die Familie eine Existenzfrage, hatte er immer wieder betont. 
Ganz im Gegensatz dazu wertet die Israelitische Kultusgemeinde in Bayern den Bau, der in Sichtweite des denkmalgeschützten jüdischen Friedhofs bei Neustädtles entstehen soll, als Affront. Für jeden Juden sei der jüdische Friedhof ein heiliger Ort. Doch der Maststall, ein sehr umstrittenes Projekt, darf nun gebaut werden. 
Das Verwaltungsgericht Würzburg hat die Klage der Israelitischen Kultusgemeinde in Bayern gegen das Bauvorhaben des Landwirts abgewiesen. Wie eine Gerichtssprecherin am Mittwoch auf Anfrage sagte, lehnte die vierte Kammer nach jahrelangem Rechtsstreit den Antrag einer Allianz von fünf Klägern ab, den positiven Vorbescheid des Landratsamts Rhön-Grabfeld im Hinblick auf den geplanten landwirtschaftlichen Betrieb in Willmars aufzuheben.
Dies hatten die Kultusgemeinde und vier weitere Kläger gefordert. Deren Argumente richteten sich dabei im Wesentlichen auf die Geruchsbelästigung sowie die Unvereinbarkeit eines jüdischen Friedhofs mit einem Stall für 1000 Schweine in unmittelbarer Nachbarschaft. Zudem werde befürchtet, dass von der Tierhaltung eine Gefährdung des Trinkwassers ausgehe.
'Der jüdische Friedhof hat einen Schutzanspruch wie ein Wohngebiet. Die Grenzen werden nicht verletzt.'
Manfred Mohr, Anwalt der Landwirtsfamilie. 
Bei den fünf Klagen hatte es sich um baurechtliche Nachbarklagen gehandelt. Diese hätten nur dann Aussicht auf Erfolg gehabt, so Manfred Mohr als Anwalt der Landwirtsfamilie, wenn baurechtlich geschützte Nachbarrechte durch das Vorhaben verletzt werden. Nun sei das Gericht aufgrund vorliegender Gutachten zum Ergebnis gekommen, dass dies nicht der Fall ist. 'Von dem Vorhaben gehen weder schädliche Umwelteinwirkungen aus, noch werde das Gebot der Rücksichtnahme verletzt.' Der jüdische Friedhof, so Rechtsanwalt Mohr, habe einen Schutzanspruch wie ein allgemeines Wohngebiet. 'Auch hier sind die Grenzen nicht verletzt.'
Mag die Entscheidung der vierten Kammer dem formaljuristischen Grundsatz Rechnung tragen, so lässt sie aber ethisch-moralisch Fragen offen. 'Dieses Urteil ist katastrophal', findet Michael Trüger vom Landesverband der Israelitischen Kultusgemeinden in Bayern. Es sei für jeden frommen Juden, gelinde gesagt, 'ein Schlag ins Gesicht', so Trüger in einer ersten Stellungnahme. Denn es sei unzweifelhaft nicht mit der jüdischen Ethik vereinbar, dass in der Umgebung des Friedhofs ein Schweinemastbetrieb errichtet werde. Und für das Ansehen Deutschlands im Ausland sei dieses Urteil 'nicht sehr vorteilhaft'.
Auch für den Vertreter der Klägerseite, Rechtsanwalt Wolfgang Baumann, ging die Tragweite der Entscheidung des Würzburger Verwaltungsgerichts über diesen Einzelfall hinaus: 'Das ist die Nagelprobe, ob jüdische Kultur in diesem Land eine Berechtigung hat oder nicht', sagte Baumann. Zumal auch der Aspekt, andere Standorte für den Maststallbau zu prüfen, von dem Bauherrn gar nicht in Erwägung gezogen worden sei, 'weil sie wohl nicht unmittelbar an den elterlichen Hof angrenzten'.
Enttäuscht von der Entscheidung des Verwaltungsgerichts zeigte sich Bürgermeister Reimund Voß in einer ersten Reaktion. 'Ich hatte mir eine andere Entscheidung erhofft und gewünscht, um das Dorf vor Geruchsbelästigungen zu schützen und die Würde der auf dem jüdischen Friedhof bestatteten Menschen zu wahren.' Und wie geht das Ortsoberhaupt nun mit dem Richterspruch um? Reimund Voß wartet zunächst die schriftliche Urteilsbegründung ab, um dann mit dem Gemeinderat zu prüfen, ob die Entscheidung der vierten Kammer zu akzeptieren ist oder ob doch Rechtsmittel eingelegt werden.
Wolfgang Baumann, der Anwalt der Kläger, hatte bereits am Ende der mündlichen Verhandlung am Dienstag in Aussicht gestellt, in die nächste Instanz zu gehen. Und von Seiten der Israelitischen Kultusgemeinde war zu hören: Man werde erst das schriftliche Urteil abwarten und den Sachverhalt möglicherweise von der nächsten Instanz überprüfen lassen. So erscheint fraglich, dass die brisante Streitsache nun endgültig aus der Welt ist."  
   
Artikel von Thomas Künzl in der "Jüdischen Allgemeinen" vom 28. Oktober 2010 (Artikel): "Willmars
Bauer sucht Bauland. Trotz Gegenwehr genehmigt das Verwaltungsgericht Würzburg einen Schweinemastbetrieb neben dem jüdischen Friedhof.
Die kleine Rhöngemeinde Willmars durchzieht ein tiefer Riss. Seit dem Jahr 2007 trägt sich ein örtlicher Bauer mit dem Gedanken, einen Schweinemaststall zu bauen. Eigentlich nichts Besonderes in einer ländlichen Umgebung. Sollte man meinen. Direkt benachbart zu dem geplanten Stall befindet sich der Friedhof der ehemaligen jüdischen Gemeinde zu Willmars. Eine kleine, aber stolze Gemeinde, bevor die Nationalsozialisten auch die Juden dieses Ortes verfolgten und ermordeten. Der Friedhof gehört zu den schönsten, die man in Franken finden kann. Über die vergangenen Jahrzehnte hinweg wurde er liebevoll gepflegt. Heimatforscher haben sich mehrmals mit der Vergangenheit der Ruhestätte beschäftigt. 
Klage In dieses Idyll passt so überhaupt nicht das Grunzen und der Gestank von Schweinen. Viele Menschen waren dieser Überzeugung. Vor Ort wurde protestiert. In der ganzen Republik meldeten sich Menschen zu Wort. So auch die ehemalige Ministerin und Abgeordnete Hildegard Hamm-Brücher. Viel Gründe führten dazu, dass die Israelitische Kultusgemeinde in Bayern gegen die Errichtung eines Schweinemaststalles größeren Ausmaßes klagte. Vor dem Verwaltungsgericht in Würzburg unterlagen jetzt die Gegner gegenüber dem Landwirt. Die schriftliche Begründung des Urteils steht zwar noch aus, aber der Unmut gegenüber der richterlichen Entscheidung ist nicht zu überhören. Rabbiner Jakov Ebert aus Würzburg ist entsetzt: »Das ist ein Dorn für die jüdische Religion. Es gibt bei uns Leute, die noch nicht mal das Wort Schwein in den Mund nehmen. Und dann dieser Gestank bei einem Friedhof!«
Jüdische Gäste Unverständnis zeigen auch engagierte Bürger des Ortes. Gemeinderätin Ulrike Emmert hat schon Verwandte von ehemaligen Juden aus Willmars empfangen. Ehrenvolles Gedenken dürfte wohl in der Nachbarschaft zu mindestens 1.000 Schweinen kaum möglich sein. Sie hofft immer noch auf eine Konsenslösung mit dem Landwirt. In dieser Hoffnung wird sie von der Heimatforscherin Elisabeth Böhrer unterstützt.
Bürgermeister und Jurist Reimund Voß hat kein Verständnis für die Entscheidung zugunsten des Schweinestalls. »Es macht keinen Sinn, von der christlich-jüdischen Kultur in Deutschland zu reden, um dann in Baugenehmigungen die jüdische Kultur mit Füßen zu treten. Auch im Außenbereich darf nach § 35 Baugesetzbuch nicht gebaut werden, wenn öffentliche Belange, wie Religionsausübung, entgegenstehen. Das wird von Obergerichten noch zu werten sein«, ist sich Voß sicher. 
Interessen In der kleinen Gemeinde treffen viele Interessen aufeinander. Natürlich gibt es einige, denen es lediglich um die Frage der Geruchsbelästigung für die Wohnbebauung geht. Die Ökologie spielt eine wichtige Rolle. Eine mögliche Belastung des Grundwassers treibt viele um. Auf der Gegenseite spielen wohl hauptsächlich die guten Gewinnerwartungen eine Rolle. Industrielle Schweinezucht ist ein lukratives Geschäft. Es ist aber immer noch die Respektlosigkeit, die einer Religionsgemeinschaft angetan wird, die einem unerträglich erscheint. Jetzt in der feuchteren Jahreszeit sind die Zufahrtswege zum Friedhof deutlich von den landwirtschaftlichen Fahrzeugen in Mitleidenschaft gezogen. Mit der Schweinemast wird sich die Belastung verstärken, befürchten die Gegner. Die große Menge anfallender Schweinegülle wird auf den umliegenden Feldern großzügig ausgebracht werden. Wegen der dortigen Hangneigung erscheint es unvermeidlich, dass die Gülle in Richtung des Friedhofs sickert. In ganz Mainfranken wurde gerne Sandstein zum Bauen und bei Grabmalen verwendet. Dieses Gestein prägt die Region. Allerdings ist der Stein gegenüber Umwelteinflüssen extrem empfindlich. Auch über die Luft werden durch Aerosole Schadstoffe wie Ammoniak in Richtung des Friedhofs getragen. Er liegt grob in der Hauptwindrichtung. Verständlich, dass Bayerns oberster Denkmalschützer Johannes Greipl den Stall ablehnt. Josef Schuster, Präsident des Landesverbandes der Israelitischen Kultusgemeinden in Bayern, macht sich so seine Gedanken: »Über Jahrhunderte bediente man sich des Schweins, um Juden zu verspotten und zu demütigen. Dies vermutlich rein technokratisch begründete Urteil verletzt die jüdischen Religionsvorschriften. Moralisch-ethische Grundsätze der aktuell häufig zitierten gemeinsamen christlich-jüdischen Kultur werden durch das Urteil mit Füßen getreten.« Aber auch Josef Schuster will erst einmal die schriftliche Urteilsbegründung in Händen halten und dann entscheiden, ob man in die Revision des Urteils gehen sollte."   
    
November 2010: Berufung angestrebt   
Artikel in der "Main-Post" vom 19. November 2010 (Artikel): "WILLMARS/WÜRZBURG
'Schändung kann nicht rechtens sein'.
Schweinemaststall-Bau nahe Jüdischem Friedhof (geo) Die 4. Kammer des Verwaltungsgerichts Würzburg hatte mit Urteil vom 19. Oktober über fünf Klagen gegen einen positiven Bauvorbescheid durch das Landratsamt Rhön-Grabfeld entschieden (wir berichteten). Gegenstand der Verfahren waren im Wesentlichen die zu erwartenden starken Geruchsbelästigungen, die die Wohnbebauung und den Jüdischen Friedhof in Willmars, einen der größten im Lande, treffen werden.
Das Gericht hat nun, fast einen Monat später, die 105-seitige Urteilsbegründung dazu geliefert. Die Kanzlei Baumann Rechtsanwälte aus Würzburg, die sämtliche Kläger in diesem Verfahren vertreten hat, nimmt in einer Presseerklärung dazu Stellung. In seiner Urteilsbegründung erkenne das Gericht die besondere Schutzbedürftigkeit des Friedhofes als Stätte jüdischer Religionsausübung zwar an. Allerdings müsse in Kauf genommen werden, dass auf dem Friedhof gelegentlich Gerüche aus der Tierhaltung ankommen werden. Dies gelte auch, wenn es den Juden dann aus religiösen Gründen verboten sein sollte, im Friedhof zu beten.
Gerichtlich gebilligt. Rechtsanwalt Wolfgang Baumann hält die Ausführungen in der Urteilsbegründung für wenig überzeugend. Seines Erachtens nach verstößt das Urteil gegen die im Grundgesetz verfassungsrechtlich abgesicherte Religionsausübungsfreiheit. In den Augen der Israelitischen Kultusgemeinden sei das Heranrücken einer Massentierhaltung mit Schweinen eine Schändung des jüdischen Friedhofs in Willmars, die jetzt auch noch gerichtlich gebilligt worden ist. Baumann wörtlich: 'Was hilft es, wenn das Gericht die besondere Schutzwürdigkeit eines jüdischen Friedhofs anerkennt, daraus aber keine Konsequenzen für den tatsächlichen Schutz dieser Religionsstätte ableitet?'
Mit Lippenbekenntnissen zur besonderen Schutzwürdigkeit jüdischer Religionsausübung werde die Religionsfreiheit in Deutschland gekippt, heißt es in der Mitteilung weiter. Die Verletzung religiöser Gefühle werde im Urteil einfach in Kauf genommen, 'obgleich dem Landwirt andere Standorte von den Gemeinden angeboten worden sind'.
Dieses Urteil sei eine Präzedenzentscheidung zum Konflikt zwischen der Religionsausübung auf jüdischen Friedhöfen und heranrückenden Mastschweinemassentieranlagen, machte der Anwalt deutlich, 'dieses Judikat darf auf gar keinen Fall Leitcharakter bekommen!'
Bis Mitte Dezember wird von den Klägern zu entscheiden sein, so das Anwaltsschreiben, ob die Berufungszulassung zum Bayerischen Verwaltungsgerichtshof in München beantragt werden soll."   
    
Artikel in bild.de (Ausgabe München) vom 23. November 2010 (Artikel): 
"Schweinemast nahe jüdischem Friedhof: Berufung angestrebt. 
Würzburg/Nordheim v. d. Rhön
(dpa/lby) - Ein geplanter Schweinemastbetrieb in der Nähe eines jüdischen Friedhofs in Nordheim vor der Rhön beschäftigt weiter die Juristen. Wie der Präsident des Landesverbandes der Israelitischen Kultusgemeinden in Bayern, Josef Schuster, am Dienstag in Würzburg sagte, soll nun der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) in München eingeschaltet werden. Der Verband will die sogenannte Berufungszulassung beantragen und verhindern, dass der Mastbetrieb errichtet wird. Das Verwaltungsgericht Würzburg hatte im Oktober entschieden, dass der für 1000 Tiere geplante Betrieb gebaut werden darf." 
  
April 2011: Im Juli 2011 steht ein Ortstermin der zuständigen Richter des VGH an 
Pressemitteilung, übernommen aus der "Süddeutschen Zeitung" vom 21. April 2011 (Artikel): "Ortstermin des VGH am jüdischen Friedhof  
München/Willmars -
Im Streit um eine geplante Schweine-Mastanlage nahe einem jüdischen Friedhof im unterfränkischen Willmars (Kreis Rhön-Grabfeld) wollen sich die zuständigen Richter des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (VGH) am 11. Juli bei einem Ortstermin selbst ein Bild von dem Problem machen. Ein Landwirt plant knapp 150 Meter vom Friedhof entfernt den Bau einer Mastanlage für rund 1000 Schweine. Das Verwaltungsgericht Würzburg hatte im Oktober 2010 eine Klage des Landesverbandes der Israelitischen Kultusgemeinden in Bayern gegen die Baupläne abgelehnt. Der Landesverband sieht durch den Bau einer Schweine-Mastanlage die Religionsfreiheit bedroht. Für Juden seien Schweine nun einmal unreine Tiere. Die zu erwartende Geruchsbelästigung durch den Stall wäre für gläubige Juden nicht hinnehmbar: 'Bei Schweinegestank können sie nicht beten', betont der Anwalt des Landesverbandes, Kyrill-Alexander Schwarz. KNA."  
   
Juli 2011: Eine Lösung ist in Sicht   
Artikel von Georg Stock in der "Main-Post" vom 11. Juli 2011 (Artikel): "WILLMARS. Rinder statt Schweine 
Überraschende Wende im Rechtsstreit um Stall am jüdischen Friedhof in Willmars  

Der gordische Knoten scheint durchschlagen. Im schlagzeilenträchtigen Rechtsstreit um einen Schweinemaststall in der Nähe eines jüdischen Friedhofs im unterfränkischen Willmars ist entgegen der Redewendung vom 'dicken Ende' überraschend und auch unerwartet das Signal für ein friedliches Ende gekommen. Aus dem Mastbetrieb, der ursprünglich für 1500 Schweine, später reduziert auf 1000 Tiere ausgelegt war, könnte nun ein Betrieb mit Rinderhaltung entstehen. Mit dem Wechsel der Tierart – Rind statt Schwein, das bei Juden als unrein gilt – wäre der Weg frei für eine gütliche Einigung. Und der Aussicht, dass jahrelanger Zank und Streit mit gegenseitigen Anfeindungen in dem kleinen Dorf der Vergangenheit angehören. 
Zum Abschluss eines einhalbstündigen Ortstermins, der die Richter des 9. Senats des Bayerischen Verwaltungsgerichtsgerichtshofs von München aus am Montag in den Rhön-Grabfeldkreis geführt hatte, ließ Rechtsanwalt Manfred Mohr die Katze aus dem Sack: 'Wir wollen es nicht auf Spitz auf Knopf ankommen lassen und bieten eine Einigung an. In der Form, dass die Tierart gewechselt wird', brachte er seitens der Landwirtsfamilie als Überlegung ins Spiel. Die damit nach den Worten ihres Anwalts 'Mut besitzt' – und einer weiteren Verlängerung des Rechtsstreits einfach überdrüssig war. Er und seine Mandanten hätten keine Lust, bis zum Letzten zu streiten, sprich bis zu einer möglichen Revision vor dem Bundesverwaltungsgericht Leipzig zu gehen, ließ Rechtsanwalt Mohr wissen.
'Ihre Überlegungen höre ich mit Freude', entgegnete Josef Schuster, Präsident des Landesverbands der der Israelitischen Kultusgemeinden in Bayern und Vizepräsident des Zentralrats der Juden. Der Bau des Schweinemaststalls in Sichtweite des denkmalgeschützten Friedhofs wäre laut Schuster als Affront zu werten gewesen und einer Schändung des jüdischen Friedhofs gleichgekommen. Mit der Rinderhaltung gibt es von Seiten der Israelitischen Kultusgemeinden 'kein Problem', so Kyrill-Alexander Schwarz als Anwalt des Landesverbands. Er begrüßte den Vorschlag, um den lange schwelenden Konflikt zu entschärfen. 'Das wäre ein schöner Weg für eine gütliche Einigung', so der Professor für öffentliches Recht an der Universität Würzburg.
'Es gibt wichtigere Dinge als der Prozess – nämlich die Befriedung.'  Manfred Mohr, Rechtsanwalt der Landwirtsfamilie
Die überraschende Wende hatte der Vorsitzende Richter des 9. Senats des Verwaltungsgerichtshofs, Alexander Pappenheim, durch seine gründliche und intensive Besichtigung vor Ort – die Standpunkte beider Seiten einbeziehend – vorbereitet, ohne auf dieses Ergebnis zunächst hoffen zu können. Umso erfreuter zeigte er sich am Ende. 'Das höre ich gerne.' Waren zu Beginn des Ortstermins die Fronten zwischen den Parteien noch verhärtet, so haben die Annäherungen abseits der Besichtigungslinien offensichtlich die starren Haltungen aufgeweicht. Rechtsanwalt Mohr nannte es 'das Gewispere zwischen den Parteien'.
Hatte der Vorsitzende Richter die mündliche Verhandlung in München für den 12. September angesetzt, könnte der Einigungsweg nun wesentlich kürzer werden. Der Einigungsvorschlag könnte mit den entsprechenden Modifikationen im Vorbescheid mit Blick auf die Rinderhaltung in Kürze dem Gericht vorliegen. Auch ohne mündliche Verhandlung wäre dann vom 9. Senat der Beschluss zu fassen, der eine leidige Streitsache aus der Welt schafft. Wie sagte doch Manfred Mohr: 'Es gibt wichtigere Dinge als der eigentliche Prozess – nämlich die Befriedung.' Und alle nickten gefällig bei diesem 'Wort zum Montag'."  
   
Juli 2014: Elisabeth Böhrer führt über den Friedhof    
Artikel von Steffen Standke in der "Main-Post" vom vom 1. August 2014: "NEUSTÄDTLES. Letzte Spuren jüdischen Lebens. Der Erhalt der israelitischen Friedhöfe in Rhön-Grabfeld ist schwierig – Freistaat zahlt für die Pflege
Die Nazis haben die jüdischen Gemeinden in Rhön-Grabfeld ausgelöscht, ihre Mitglieder ermordet oder vertrieben. Doch alle Spuren verwischen konnten sie nicht. Die Friedhöfe existieren noch. Ruhestätten der Toten als letzte Zeichen jüdischen Lebens. Jetzt, sieben Jahrzehnte nach dem Dritten Reich, drängt sich immer stärker die Frage auf, wie sie erhalten werden können.
Der jüdische Friedhof von Neustädtles gleicht vielen in der Region. Er liegt abseits der Straße nach Willmars, hinter einem Maisfeld. Imposant die Reihen eng gesetzter, hoher Grabsteine. Hohe, schlanke Bäume sind über Jahrzehnte zwischen den Grabstellen herangewachsen. Ihre Wurzeln drückten manchen Grabstein aus seiner ursprünglichen Position, so dass er droht, umzufallen. Etliche Steine sind so verwittert, dass die hebräischen Buchstaben darauf selbst für Kenner nicht mehr lesbar sind. Die Zeit nagt am jüdischen Erbe, lässt die Natur es überwuchern. Es droht, vergessen zu werden.
Das ist, was Elisabeth Böhrer Sorgen bereitet. Die Sondheimerin kümmert sich, neben anderen, um die jüdischen Friedhöfe in der Region. Und sie forscht seit Jahren nach den Menschen, die dort begraben liegen. 'Weil ich es so furchtbar finde, was mit der jüdischen Bevölkerung gemacht wurde.'..."  
Link zum Artikel   

   
      

Links und Literatur

Links:  

bulletWebsite der Gemeinde Nordheim vor der Rhön 
bulletSeite zur Synagoge in Willmars (interner Link)     
bulletSeite zur Geschichte von Neustädtles bei www.rhoen-saale.net  

Literatur:  

bulletIsrael Schwierz: Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens in Bayern. 1988 S. 94-95. 
bulletRhoen-Grabfeld Friedhoefe Lit.jpg (404509 Byte)Reinhold Albert: Jüdische Friedhöfe im Landkreis Rhön-Grabfeld. Schriftenreihe der Kulturagentur des Landkreises Rhön-Grabfeld Heft 1. 2015.  
Buchvorstellung von Israel Schwierz bei haGalil.com  
bullet Gerhild Elisabeth Birmann-Dähne: Jüdische Friedhöfe in der Rhön. Haus des ewigen Lebens. 132 S. 166 Abb. ISBN 978-3-7319-0828-9. 19,95 €. Imhof-Verlag. Fulda 2018.
Information auf Verlagsseite mit Bestellmöglichkeit. https://www.imhof-verlag.de/juedische-friedhoefe-in-der-rhoen.html 
Das Buch ist ein Führer zu den interessantesten jüdischen Friedhöfen in der Rhön, dokumentiert durch Bild und Text. Ausführlich behandelt sind die Friedhöfe in Altengronau (Hessen), Aschenhausen (Thüringen), Barchfeld an der Werra (Thüringen), Bauerbach (Thüringen), Berkach (Thüringen), Burghaun (Hessen), Dreißigacker (Thüringen), Gehaus (Thüringen), Geisa (Thüringen), Kleinbardorf (Bayern), Marisfeld (Thüringen), Mellrichstadt (Bayern), Neustädtles (Bayern), Pfaffenhausen (Bayern), Schmalkalden (Thüringen), Schwarza (Thüringen), Stadtlengsfeld (Thüringen), Suhl-Heinrichs (Thüringen), Tann (Hessen), Unsleben (Bayern), Vacha (Thüringen), Weimarschmieden (Bayern) und Weyhers (Hessen).
Presseartikel zur Buchvorstellung: Artikel in der "Fuldaer Zeitung" vom 3. November 2018 zu einer Ausstellung mit Fotos von jüdischen Friedhöfen in der Rhön; Artikel zur Vorstellung des Buches in "Fulda Aktuell" vom 29. Dezember 2018; Artikel zur Buchvorstellung in der Zeitschrift "Marktkorb" vom 2. Januar 2019.         
bullet Gerhard Schätzlein/Brigitte Faulhaber/Walter Jahn/Renate Schlauderna: Der Sulzgau. Eine unbekannte, wunderschöne Landschaft der Rhön. Band 1 und Band 2.  Erschien 2019 in der Bruckerei Mack in Mellrichstadt. 800 S.   38 €.
Es handelt sich um eine umfangreiche Chronik für Brüchs, Filke, Neustädtles, Sands, Völkershausen, Weimarschmieden und Willmars. Darin ist unter Mitarbeit von Elisabeth Böhrer das jüdische Leben im Sulzgau und die jüdischen Friedhöfe in eigenen Kapiteln dargestellt.
Dazu Artikel in der "Main-Post" vom 29. Januar 2019: "'Der Sulzgau': Heimatkunde der besonderen Art..."  sowie in der "Main-Post" vom 20. Februar 2019: "Chronik 'Der Sulzgau': Geschichte, Geschichten und Bilder".   

    
     

                   
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Stand: 15. Oktober 2013