Baisingen Friedhof 154.jpg (62551 Byte)  Segnende Hände der Kohanim auf einem Grabstein in Baisingen


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Nordheim vor der Rhön (VG Fladungen, Landkreis Rhön-Grabfeld) 
mit Sondheim vor der Rhön (VG Ostheim vor der Rhön, Landkreis Rhön-Grabfeld)
Jüdische Geschichte / Synagoge / Jüdische Schule 
 (erstellt unter Mitarbeit von Elisabeth Böhrer)  

Übersicht:

bulletZur Geschichte der jüdischen Gemeinde  
bulletBerichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde   
Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer  
Aus dem jüdischen Gemeindeleben   
Berichte zu einzelnen Personen aus der Gemeinde   
Anzeigen jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen    
bulletZur Geschichte der Synagoge   
bulletFotos / Darstellungen 
bulletErinnerungsarbeit vor Ort - einzelne Berichte    
bulletLinks und Literatur   

      

Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english version
      
In Nordheim bestand eine jüdische Gemeinde bis 1942. Ihre Entstehung geht mindestens in die Zeit des 17. Jahrhunderts zurück. Nach den Recherchen von Elisabeth Böhrer waren in Nordheim nach einem Dokument im Staatsarchiv Würzburg vom 6. Mai 1699 bereits Juden des Bischofs und des Adelsgeschlechts derer von Thann ansässig. Nach einer Urkunde von 1736 erhielt der damalige Gutsherr jährlich 4 Gulden für die Beisetzung der Toten aus Nordheim in Neustädtles
  

Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner wie folgt: 1810/11 70 jüdische Einwohner (9,5 % von insgesamt 734), 1837 80 (9,1 % von 875), 1867 54 /7,3 % von 739), 1890 86 (10,6 % von 812), 1900 59 (7,3 % von 807), 1910 47 (5,4 % von 867).  
  
Bei der Erstellung der Matrikellisten 1817 werden in Nordheim auf insgesamt 14 Matrikelstellen die folgenden jüdischen Familienvorstände genannt (mit neuem Familiennamen und Erwerbszweig): Witwe von Joseph Abraham Wittenberg (Pelzhandel), Koppel Salomon Stein (Viehhandel), David Joseph Hecht (Pelzhandel), Salomon Koppel Stein (Vieh- und etwas Spezereihandel), Witwe von Israel Maier Frank (ohne Erwerb), Israel Loeser Baum (Schlachten), Menke Loeser Baum (Mäkler), Chye, Witwe von Haim Rosenberg (Lumpenhandel), Witwe von Joseph Elias Siegel (ohne Erwerb), Elias Joseph Siegel (Schnitt- und Spezereihandel), Joseph Salomon Hallstein (Viehhandel, Spezereihandel), Maier Haium Hess (Kleinviehhandel), Simon Hirsch (Lichterhandel), Sameier Stein (Feldbau, seit 1821, übernimmt die Stelle des im Mai 1820 verstorbenen Meier Haim Hess), Samuel Wittenberg (Pelz- und Rauchhandel, seit 1822, übernimmt die Stelle seiner inzwischen verstorbenen Mutter, der Witwe von Joseph Abraham Wittenberg), Judas Baum (Metzger, seit 1825).       
    
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde eine Synagoge (s.u.), eine Religionsschule (gemeinsam mit dem benachbarten Oberelsbach) sowie ein rituelles Bad. Die Toten der jüdischen Gemeinde wurden auf dem Bezirksfriedhof in Neustädtles, teilweise auch in Kleinbardorf beigesetzt. Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war - gemeinsam mit Oberelsbach - ein Religionslehrer angestellt, der zugleich als Vorbeter und Schächter tätig war (vgl. Ausschreibungen der Stelle unten). Zwischen 1886 und 1893 wird Lehrer Fulder genannt. Die jüdische Gemeinde gehörte von 1840 bis 1892/93 zum Rabbinatsbezirk Gersfeld, danach zum Distriktsrabbinat Bad Kissingen
     
In den Kriegen 1866 und 1870/71 nahmen auch jüdische Männer aus der Gemeinde teil (drei Brüder aus der Familie Schuster). 
   
Im Ersten Weltkrieg fielen aus der jüdischen Gemeinde Hermann Sachs (geb. 30.8.1887, gef. 16.6.1915), Gustav Rosenthal (geb. 28.3.1886 in Nordheim, gef. 10.11.1916) und Vizefeldwebel Justus Baum (geb. 27.1.1880 in Nordheim, gef. 14.4.1918). Ihre Namen stehen auf dem Kriegerdenkmal für die Gefallenen der Weltkriege in der Ortsmitte am Marktplatz zwischen dem Rathaus und dem Flüsschen Streu. Außerdem ist der zur jüdischen Gemeinde Nordheim gehörende Julius Schloß aus Sondheim v.d. Rhön gefallen (geb. 22.9.1893 in Sondheim, gef. 24.7.1916). Sein Name steht - nach Auskunft von Elisabeth Böhrer - auf dem Gefallenendenkmal im kommunalen Friedhof in Sondheim.    
   
Um 1924 gehörten der jüdischen Gemeinde noch 32 Personen an (3,5 % von insgesamt 919 Einwohnern). Zum Synagogenvorstand gehörten damals H. Goldmann, Louis Freimark und Julius Adler. Den Religionsunterricht der sechs schulpflichtigen jüdischen Kinder hielt Lehrer Viktor Gottlieb aus Mellrichstadt. Er wurde den Nordheimer Kindern gemeinsam mit den Kindern der Nachbargemeinden Willmars und Oberelsbach erteilt.
  
1933
wurden noch 25 jüdische Einwohner gezählt (2,6 % von insgesamt 968 Einwohnern). Bis Mai 1937 ging die Zahl auf Grund der zunehmenden Repressalien und der Folgen des wirtschaftlichen Boykotts durch Auswanderung oder Abwanderung in andere Ort auf 11 Personen zurück. Beim Novemberpogrom 1938 wurde nicht nur die Synagoge, sondern auch die Häuser und Geschäfte fast aller letzten jüdische Einwohner zerstört. Ein von einem jüdischen Ehepaar bewohntes Haus war bereits in nichtjüdischem Besitz; der neue Besitzer sorgte dafür, dass niemand in das Haus kam, wodurch dem Ehepaar nichts geschah. An den Folgen des Pogroms starb am 10. November 1938 Karl Schuster. Insgesamt konnten 1934 bis 1940 12 jüdische Einwohner emigrieren, zwei weitere (nicht eingerechnet Karl Schuster) starben. Die letzten fünf wurden 1942 nach Izbica = Krasniczyn bei Lublin (im von Deutschen besetzten Polen) beziehungsweise in das Ghetto Theresienstadt deportiert. Auch deportiert wurde von Nordheim aus Siegfried Schild aus Willmars, der nach geleisteter Zwangsarbeit in einem Forsteinsatzlager bei Frankfurt/Oder in Nordheim die letzten Monate wohnen musste. 
    
Von den in Nordheim geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Jette (Jettchen) Adler geb. Schön (1877), Jette (Jetti) Kann geb. Baum (1871), Betty Katzenstein geb. Stein (1869), Pauline Kowalski geb. Baum (1873), Sabina Levenbach geb. Baum (1876), Emma Oppenheimer geb. Oppenheimer (1886), Heinrich Rosenblatt (1878), Alexander (Alex) Schuster (1886), Karl Schuster (1883), Max Schuster (1876), Siegbert Gerhard Schuster (1925), Hedwig Spier geb. Rosenblatt (1876), Rosalie Steinmann geb. Schön (1891), Thekla Voß geb. Hecht (1887).  
     
Aus Sondheim ist umgekommen: Rosa Schloß (1891).   
  
Hinweis: für Pauline Sanders geb. Schuster (geb. 1875 in Nordheim als Tochter von Samuel Schuster und Amalia geb. Gaßenheimer; emigrierte 1941 in die USA, wo sie 1971 in Paramus NJ starb) wurde im November 2014 ein Stolperstein in Nettetal verlegt (Neustraße 18); vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_in_Nettetal.      
      
      
      
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde          
   
Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer  
Ausschreibungen der Religionslehrerstelle 1893 / 1895 / 1907 / 1908  

Die Religionslehrerstelle in Nordheim wurde gemeinsam mit Oberelsbach besetzt. Der Lehrer wohnte in Nordheim.  
Nordheim vdRhoen Israelit 09011893.jpg (46407 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 9. Januar 1893: "Lehrer-Vakanz"
Die Religionslehrerstelle Nordheim-Oberelsbach, verbunden mit Vorsänger- und Schächterfunktion in erstgenannter Gemeinde, mit einem fassionsmäßigen Einkommen von 967,57 Mark soll wieder besetzt werden. 
Seminaristisch gebildete Kandidaten wollen sich baldigst unter Beifügung ihrer Zeugnisse und Angabe ihres Lebenslaufes an den Unterzeichneten wenden. 
Nordheim v. Rh., 4. Januar 1893. Abraham Schön, Kultusvorstand".
  
Nordheim vdRhoen Israelit 07031895.jpg (51008 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 7. März 1895: "Durch Berufung unseres Lehrers auf eine staatliche Schulstelle ist die Religionsschulstelle Nordheim-Oberelsbach, verbunden mit Vorsänger- und Schächterdienst in erstgenannter Gemeinde vakant. Das fassionsmäßige Einkommen beträgt 967 Mark 57 Pfennig. Nur seminaristisch gebildete Bewerber wollen ihre Zeugnisse baldigst an Unterfertigten einsenden.
Nordheim v. Rhön, 5. März 1895. 
Abraham Schön, Kultusvorstand".
  
Nordheim vdRhoen Israelit 14031907.jpg (43689 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 14. März 1907: "Die Religionslehrerstelle 
mit Vorbeter- und Schächterfunktion Nordheim-Oberelsbach mit dem Sitze in Nordheim Rhön, ist sofort zu besetzen. Fixer Gehalt Mark 1100, nebst erheblichen Nebeneinkünften. Seminaristisch gebildete Bewerber wollen sich an den Unterzeichneten wenden. 
Nordheim Rhön, den 20. Februar 1907. 
Jakob Baum". 
  
Nordheim vdRhoen Israelit 06081908.jpg (46609 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 6. August 1908: "Die Religionslehrer, Vorbeter- und Schochetstelle 
in Nordheim (Rhön), Oberelsbach mit dem Sitze Nordheim fassionsmäßiger Gehalt Mark 1100 und erheblicher Nebenverdienste ist alsbald zu besetzen. Meldungen nebst Zeugnisabschriften an 
Jacob Baum, 
Nordheim, Rhön
". 
 
Ausschreibungen im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 24. Juli 1908: "Aus der Lehrerwelt. 
Frankfurt am Main. Vakanzen.
- Lambsheim in der Pfalz (4300 Einwohner, 19 jüdische Familien), Lehrer, Vorbeter und Schächter per sofort oder später, 700 Mark, freie Wohnung, 800 bis 1000 Mark Nebenverdienst. - Trabelsdorf bei Bamberg (500 Einwohner, 15 jüdische Familien), Lehrer, Vorbeter und Schächter per bald, 700 Mark, freie Wohnung und Heizung, 3-400 Mark Nebenverdienst. - Eberbach in Baden, Hilfsvorbeter für die hohen Feiertage, - Braunfels an der Lahn (1500 Einwohner), 1300 Mark Gehalt. - Hechingen in Hohenzollern (4400 Einwohner, 82 jüdische Familien), Lehrer und Vorbeter, 1400 Mark Anfangsgehalt (2400 Mark Höchstgehalt), freie Wohnung, 1000 Mark Nebeneinkommen. - Nordheim a.d. Rhön (1200 Einwohner, 15 jüdische Familien), 1100 Mark Gehalt."     

     
    
Aus dem jüdischen Gemeindeleben    
Über die Kriegsteilnehmer am Krieg 1866 und 1870/71    

Gochsheim Israelit 03121896.jpg (77507 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 3. Dezember 1896: "Gochsheim. Als Gegenstück zur der kürzlich in diesen Blättern erwähnten Dörnigheimer Affäre – der dortige Pfarrer wollte die Aufstellung einer Gedächtnistafel in der Kirche nicht zugeben, weil auf derselben auch jüdische Veteranen der deutsch-französischen Krieger 1870/71 verzeichnet waren – möge folgende Tatsache aus unserem, ehemals reichsfreien Dorfe an dieser Stelle registriert werden. Auch die hiesige Gemeindeverwaltung errichtete zu Ehren ihrer Veteranen ein prachtvolles Denkmal in Form eines Obelisken mit dem Reichsadler gekrönt. Unter den Namen der auf dem Sockel verzeichneten Krieger figuriert auch ein Jude, der Metzgermeister Nathan Heldmann. Derselbe erhält sogar als Kriegsinvalide eine entsprechende Pension ausgezahlt. 
Zur Ergänzung der im verflossenen Jahre erschienenen Krieger- und Veteranenliste sei noch erwähnt, dass die drei Gebrüder Schuster von Nordheim v. Rhön im Kriegsjahre unter den Waffen standen und zwei derselben die Kämpfe in Frankreich mitmachten; der älteste Bruder ist übrigens schon Kriegsveteran aus dem Jahre 1866.   A."

   
    
Berichte zu einzelnen Personen aus der Gemeinde  
Zum Tod von Rabbi Schmajo Stein und Natan Hirsch, dem Sohn von Naphtali Hirsch (1872)  
Anmerkung: Natan Hirsch (geb. 4. Februar 1848) war Sohn von Naphtali Hirsch aus dessen zweiter Ehe. Bereits in der ersten Ehe gab es einen Sohn mit dem Namen Natan. Dieser wurde am 13. Januar 1843 geboren und starb bereits mit einem Jahr (Hinweis von E. Böhrer).  

Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 10. April 1872: "Nekrolog
Es sind kaum 30 Tage, dass Rabbi Schmajo Stein aus Nordheim v.d. Rhön, ein gelehrter und geachteter Mann, im Alter von 76 Jahren starb; als der liebe Gott ein noch größeres Opfer von dort gefordert, den einzigen Sohn des Naphtali Hirsch, 24 Jahre alt, einziger Sprosse seiner Mutter, fromm, brav und solid, von Jedermann geachtet und geehrt. Der Schmerz der alten Eltern ist groß, unvergesslich. Ersterer verstarb am Montag, dem 17. Adar Rischon (= 26. Februar 1872). Letzterer am Heiligen Schabbat, 13. Adar Scheni (= 23. März 1872).    M.B. in O."  

    
Spendenaufruf für eine in Not geratene jüdische Familie (1885)    

Nordheim vd Rhoen Israelit 23071885.jpg (170584 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 23. Juli 1885: "Barmherzige Glaubensgenossen! Es ist kein gewöhnlicher Fall, der uns veranlasst uns in dieser Form an die Wohltätigen in Israel und an alle wahren Menschenfreunde mit der bescheidenen Bitte zu wenden, uns in der Linderung von Not und Elend hochherzig unterstützen zu wollen. Ein hier wohnhafter, fleißiger und redlicher Familienvater ist seit mehreren Jahren in Folge wiederholter Krankheits- und Unglücksfälle trotz angestrengter Bemühungen nicht im Stande gewesen, die sechs Seelen, seine Frau und fünf unmündige Kinder, die von ihm anhängig sind, selbst nach dem bescheidensten Maßstabe zu ernähren. 
Unsere Gemeinde ist klein und selbst unter den wenigen Mitgliedern gibt es nur wenige, die als bemittelt gelten könnten, aber trotzdem haben wir bisher aus eigenen Mitteln nach unseren Kräften und über unsere Kräfte hinaus zur Unterstützung und Erhaltung dieser unglücklichen Familie beigetragen. 
Wäre keine Veränderung eingetreten, so hätten wir gerne nach wie vor uns dieser Aufgabe unterzogen und hätten uns auch jetzt nicht gestattet, das sonst auch mit Wohltätigkeitsangelegenheiten aller Art so sehr in Anspruch genommene Publikum zu belästigen. Aber leider ist es nun so weit gekommen, dass die letzten Besitztümer dieser Unglücklichen, ihr Wohnhaus und ihr bisschen Feld verkauft werden sollen. Dieses zu verhüten, ist uns allein unmöglich. Die Kosten, welche die Rettung der Ärmsten vor Obdachlosigkeit und Jammer erfordert, sind für unsere kleine unbemittelte Gemeinde unerschwinglich. Deshalb und deshalb allein wenden wir uns an die Wohltätigen und Barmherzigen in Israel, und rufen Euch zu: 'übet doch diese große Mizwa (Gebot), seid uns behilflich, diese unglücklichen Menschen vor entsetzlichem Elend zu bewahren. 
Erinnert euch: 'wer eine Seele in Israel vor dem Untergange rettet, ist, als ob er eine ganze Welt gerettet,' und der Segen nicht bloß der Unglücklichen, die Ihr rettet, sondern auch unser Aller wird Eure Belohnung sein. - Beiträge nimmt gern entgegen der unterzeichnete Vorstand. Abraham Schön. Vorstand der israelitischen Kultusgemeinde Nordheim a.d. Rhön. 
Vorstehend Angabe beruht nach ihrem ganzen Inhalte auf voller Wahrheit und so kann ich nicht umhin, diese auf Verlangen allen Glaubensbrüdern und Schwestern aufs Wärmste zu empfehlen.
Gersfeld, im Juli 5645 (1885)  Wormser, Distrikts-Rabbiner. 
Auch wir sind gern bereit, Gaben entgegenzunehmen und weiterzubefördern. Die Expedition des 'Israelit'.   
 
Nordheim AZJ 28071885.jpg (170658 Byte) Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 28. Juli 1885: "Barmherzige Glaubensgenossen!! ..."  
Derselbe Spendenaufruf erschien auch in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"-  

        
Prozess gegen den Kaufmann Ernst August Völker von Kaltennordheim nach einem Viehhandel mit Viehhändler Schuster in Nordheim (1892)   

Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 29. April 1892: "Eisenach, 14. April (1892). In der gestrigen Sitzung der Strafkammer des hiesigen Landgerichts wurde gegen den Kaufmann Ernst August Völker von Kaltennordheim wegen Verleitung zum Meineid verhandelt. Angeklagter hat wegen eines Viehhandels mit dem Viehhändler Schuster in Nordheim vor der Rhön einen Prozess vor dem Gerichte zu Schweinfurt. Der Maurer Greifzu in Mittelsdorf, der von dem Handel wusste, sollte in dieser Sache als Zeuge vernommen werden. Vor dem Termin ließ nun Völker den Greifzu in seinen Laden kommen, um ihn gewissermaßen zu instruieren, was er aussagen sollte, damit er, der Völker, den Prozess gewinne. Völker fragte zuerst den Greifzu, was er aussagen wolle. Als dieser sich darüber äußerte, sagte Völker: 'Das darfst Du nicht sagen, Du musst so und so sagen'. Da erwiderte Greifzu: 'Das kann ich nicht sagen, ich muss schwören: und da sage ich eben einfach die Wahrheit.' Darauf entgegnete Völker: 'Ach was, Wahrheit, komme mir nicht immer mit Deiner Wahrheit, Juden gegenüber braucht man's nicht genau zu nehmen.' Greifzu ließ sich indessen nicht beirren, sagte in Schweinfurt vor dem dortigen Zivilgericht die Wahrheit und - Völker verlor den Prozess. Da sein Verhalten bekannt wurde, stand er nun gestern wegen Verleitung zum Meineide vor der Strafkammer hiesigen Landgerichts. Die großherzogliche Staatsanwaltschaft hielt die Klage in vollem Umfange aufrecht und beantragte eine Zuchthausstrafe von 1 Jahr 6 Monaten und Verlust der Ehrenrechte auf 3 Jahre. Der Gerichtshof erkannte auf ein Jahr Zuchthaus und schloss sich in letzterem Punkte der Staatsanwaltschaft an."                 

  
Über den langjährigen Kultusvorstand Abraham Schön (1897)     

Nordheim vd Rhoen Israelit 14011897.jpg (72460 Byte) Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 14. Januar 1897: "Nordheim v. Rhön. Über 25 Jahre wirkte Herr Abraham Schön in hiesiger Gemeinde als Kultusvorstand. Derselbe leitete die Angelegenheiten der Gemeinde mit größter Umsicht und erwarb sich durch seine pflichttreue Rechtlichkeit und seine Gewissenhaftigkeit volles Vertrauen bei der Gemeinde. Als Beweis sei dafür, dass derselbe bei der im Dezember stattgefundenen Vorstandswahl wieder einstimmig gewählt wurde. Derselbe lebte aber die Wiederwahl ab und es wurde infolgedessen Herr Seckel Schuster als dessen Nachfolger bestimmt. Möge es auch diesem vergönnt sein, recht segensreich für seine Gemeinde zu wirken!
Noch möge erwähnt werden, dass Herr Abraham Schön auch schon eine Reihe von Jahren ehrenamtlich als Mohel (Beschneider) fungiert und als solcher schon im Jahre 1888 sein 25jähriges Jubiläum gefeiert hat. Zahlreich sind daher die Verdienste, die Herr Schön sich als Kultusvorstand und Mohel angeeignet hat. Es sei ihm daher öffentliche Anerkennung ausgesprochen und möge ihm idealer Lohn beschieden sein!"

   
Zum 60. Geburtstag des aus Nordheim stammenden Rabbiner Dr. Salomon Stein (geb. 1866, 1890-1934 Rabbiner in Schweinfurt, gest. 1938)  

Nordheim vdRhoen Bayr GZ 02041926.jpg (95856 Byte)Artikel in der "Bayerischen Israelitischen Gemeindezeit" vom 2. April 1926: "60. Geburtstag von Rabbiner Dr. Stein. 
Rabbiner Dr. Stein, Schweinfurt, dessen Feder wir wieder einmal einen in dieser Nummer veröffentlichen Aufsatz verdanken, hat am 27. März seinen 60. Geburtstag begangen. 
Aus Nordheim v.d. Röhn stammend hat Dr. Stein seine rabbinischen und akademischen Studien am Hildesheimer Rabbinerseminar und an den Universitäten Berlin und Würzburg durchgemacht. In jungen Jahren schon wurde er seines ehemaligen Lehrers, des Distriktsrabbiners Dr. Lebrecht, Schweinfurt, Nachfolger, erst als Verweser, dann als der Rabbiner von Schweinfurt, als welcher er nun schon seit 35 Jahren segensreich wirkt. 
Seine Tätigkeit an dieser Stelle zu schildern erübrigt sich, zu bekannt sind seiner Verdienste um das religiöse Leben nicht nur in seiner Gemeinde. Über ihre Grenzen hinaus reicht seine Arbeit und als 2. Vorsitzender der bayerischen Rabbinerkonferenz, als Mitglied des Rates bayerischer israelitischer Gemeinden, als Vorsitzender des Verbandes bayerischer gesetzestreuer israelitischer Gemeinden wird er nicht müde, in Wort und Schrift zu wirken. Seiner von wahrhafter Religiosität erfüllten vornehmen Natur, seiner warm und menschlich fühlenden Persönlichkeit wird in allen Lagern des deutschen Judentums Vertrauen und Verehrung entgegengebracht, und so ist es denn auch oft sein Amt, Gegensätze auszugleichen und das kostbare Gut des Friedens zu erhalten. 
Dem verehrten Jubilar seien auch an dieser Stelle herzliche Glückwünsche dargebracht."

   
Stiftung des Herrn Hirschhaus aus New York, ehemaliger Vorstand der Gemeinde Nordheim (1898) 

Nordheim vdRhoen Israelit 18041898.jpg (27446 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 18. April 1898: "Nordheim v. Rhön. Herr Hirschhaus, New York, seinerzeit Vorstand der hiesigen Gemeinde, übergab der Gemeindeverwaltung ein Legat mit der Bestimmung, es möge an seinem Jahrzeitstage dafür Kaddisch gesagt werden. Die Gemeinde besitzt zwei weitere Stiftungen. Herr Rabbiner Dr. Stein, Schweinfurt, ließ eine Gedenktafel anfertigen, auf welcher die Namen der edlen Stifter verzeichnet sind."

    
Gerichtsverhandlung gegen Aron Baum in Nordheim in antisemitischem Kontext (1902)  
Antisemiten vor Ort und ein in gleicher Weise antisemitisch eingestelltes Schwurgericht verschwören sich in skandalöser Weise gegen Metzgermeister Aron Baum.      

Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 9. Oktober 1902: "Würzburg, 2. Oktober (1902). Zwei Tage lang wurde am Schwurgericht gegen den verheirateten Metzgermeister Aron Baum in Nordheim (Rhön) wegen Meineids verhandelt. Im August vorigen Jahres hatte der Bäckermeister Johann Schmitt in Nordheim wegen eines Viehkaufes Differenzen mit Baum. Kurz darauf fand der sog. Fleischbesudelungsprozess in Würzburg statt, den Memminger in einer Hetzbroschüre, betitelt 'Jüdische Schweinereien', zur antisemitischen Agitation verwertete. Schmitt las eine solche Broschüre, und da fiel es ihm nun auf einem ein, dass auch er im Jahre 1896 gesehen habe, wie Baum in seinem Schlachthause das Hinterteil eines geschlachteten Tieres verunreinigt habe. Er erzählte dies im Wirtshaus und in Dörfern der Umgegend von Nordheim, die Kunden Baum's blieben in Folge dessen aus. Durch solche Verdächtigungen aufgebracht, stellte Baum den Schmitt zur Rede, es kam zu gegenseitigen Schimpfereien, und nun lief Schmitt zur Gendarmerie, um seine angeblichen Wahrnehmungen anzugeben. Zwei Bekannte beider Parteien erschienen darauf bei Schmitt und machten ihm Vorhalt. Jetzt erklärte dieser, seine Angaben seien nicht wahr und nur aus Zorn gegen Baum erhoben worden. Er unterschrieb einen Widerruf, der dreimal in einer Zeitung veröffentlicht und auch der Gendarmerie mitgeteilt wurde. Aber am gleichen Tage wiederholte Schmitt seine Angaben wieder im Wirtshause. Nun stellte Baum Klage. An der Strafkammer erzählte Schmitt, er sei im April 1896 eines Abends zwischen 10 und 11 Uhr in das   
Nordheim Israelit 09101902a.jpg (293384 Byte) Haus Baum's gegangen, um von diesem eine Auskunft zu erlangen. Bei dieser Gelegenheit habe er über die Pforte /Türe) des Schlachthauses hinweg gesehen, wie Baum ein geschlachtetes Tier, das durch zwei Hölzer gehalten auf dem Boden lag, am Hinterteil verunreinigt habe. Baum dagegen beschwor, in seinem Schlachthaus nie uriniert zu haben und auch keine Hölzer zum Schlachten verwendet zu haben. Schmitt wurde wegen falscher Anschuldigung zu sechs Monaten Gefängnis verurteilt. Außerdem ist eine Zivilklage auf 2.000 Mark Ersatz wegen Geschäftsschädigung anhängig. Nun sammelte Schmitt weiteres Material und veranlasste die Einleitung der Meineidsuntersuchung gegen Baum, der auch Folge gegeben wurde. Auffällig ist dabei, dass Schmitt, obwohl er die Schweinereien im Schlachthaus gesehen haben will, nach wie vor bis zum Jahre 1901 sein Fleisch von Baum bezog. Trotz der langen inzwischen verstrichenen Zeit ist dieser Hauptzeuge in der gestrigen Verhandlung noch deutlicher gewesen wie das erste Mal. Jetzt will er sogar genau gesehen haben, dass das Tier durch zwei Scheithölzer gestützt war. Weiter sagt er, er sei am kritischen Abend in das Schlachthaus eingetreten und habe Baum beim Urinieren überrascht. Der Vergleich oder Widerruf im vorigen Jahre sei ihm abgepresst worden, als er betrunken gewesen sei. Hier gab sich die Verteidigung alle Mühe, die Widersprüche in den Aussagen des Zeugen aufzuklären, allein der Vorsitzende machte ihr den Vorwurf, sie wolle den Zeugen nur verwirren. Da der Zeuge auch erklärt hatte, er habe 'keine Feindschaft' gegen Baum, fragte ihn die Verteidigung, wie es denn komme, dass er sein Kind gelehrt habe, den Baum zu markieren. Darauf erklärte der Vorsitzende: 'Es werden oft Juden nachgeäfft, das kann auch im Humor geschehen sein!' Von seiner Beobachtung will der klassische Zeuge einiger Ortsnachbarn erzählt haben, aber diese bekunden, dass das nicht wahr sei. Außer Schmitt traten noch vier andere Zeugen auf, die bei anderen Gelegenheiten Baum beim Urinieren im Schlachthause beobachtet haben wollen. Darunter ist ein Schuhmacher Benkert, der wegen eines Hausfriedensbruches bei Baum 14 Tage Haft erhalten hatte. Auch dieser hatte über den Vorfall geschwiegen, angeblich weil 'er sich nicht mit Juden behängen wollte, die sich doch überall herauslügen'. Mehrere Zeugen deponieren dann wegen der Hölzer im Schlachthaus. Einige wollten Scheithölzer, andere sog. Schrotleitern gesehen haben. Dies bestreiten aber der Fleischbeschauer von Nordheim, ein Fleischergeselle, der Lehrer und Schächter Fulder, der (von 1886-93) in Nordheim wirkte, ebenso ein Geschäftsmann, der manchmal beim Schlachten mithalf. Bemerkenswert ist, dass die Beobachtungen der Ersteren aus 12-18 Jahre zurückliegen. Heute Nachmittag fällten die Geschworenen ihren Wahrspruch, der auf schuldig unter Ausschluss mildernder Umstände lautete. Das Gericht erkannte auf 1 1/2 Jahre Zuchthaus und 5 Jahre Ehrverlust.   
Dies Urteil gibt der ganzen vorurteilsfrei urteilenden Bevölkerung, auch der nichtjüdischen, zu denken. Zugegeben, Aron Baum hätte tatsächlich im Schlachthause uriniert, aber er sei nach Art logisch undurchbildeter Leute, gewissermaßen zur Bekräftigung, dass er auf das Fleisch nicht uriniert habe, in das Extrem verfallen und habe behauptet, er habe überhaupt niemals im Schlachthaus seine Notdurft verrichtet, so wäre es doch Pflicht der urteilenden Richter gewesen, diese Umstände psychologisch zu analysieren, diese zwei Fakten auseinander zu halten und auf das geistige Niveau und die Denkart derartiger Leute Rücksicht zu nehmen. Wenn man aber die Qualität der Zeugen, den Hauptbelastungszeugen Zechbruder Schmitt etc. und ihre Beziehungen zu Baum betrachtet, so wird man auch kaum diese Belastung Baum's aufrecht erhalten können, vorausgesetzt, dass der obige Zeitungsbericht sachlich gehalten. Hoffentlich wird das Urteil einer nochmaligen Revision unterzogen werden."    

     
Zum Tod von Karoline Stein, der Mutter von Rabbiner Dr. Stein (1903)   
      

Schweinfurt Israelit 29101903.jpg (129581 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 29. Oktober 1903: "Nordheim v.d. Rhön. Am 1. Cheschwan hauchte die Mutter des Herrn Rabbiners Dr. Stein – Schweinfurt, Frau Karoline Stein, in der letzten Zeit in Schweinfurt wohnhaft, nach langem schweren Leiden, im Alter von 68 ½ Jahren, ihre Seele aus. Mit ihr ist eine der edelsten Frauen, ein Biederweib in des Wortes wahrster Bedeutung, dahin gezogen. Die selig Entschlafene war ein Muster unter den Frauen. (hebräisch und deutsch:) von den Frauen im Zelte gesegnet. Ihr Haus war ein Tempel, getragen von der Weihe religiöser Gesinnung. Was die Selige gewesen, ihre wahre Frömmigkeit, ihre Herzensgüte, ihre edle Bescheidenheit, lässt sich kaum in Worten ausdrücken. Als ein wahres Vorbild kann uns diese dahingeschiedene treue Mitschwester in Gemilus Chesed (Wohltätigkeit) voranleuchten. Mit Freuden unterstützte sie die Armen und Dürftigen, und zwar im Geheimen; bei ihr hieß es: wer hungrig ist, komme und esse mit.    
Eine noch weitere schöne Perle verherrlicht das musterhafte Leben der Frau K. Stein. In vereinter Kraft mit ihrem schon vor neun Jahren zu letzten Ruhe vorausgegangenen, gottesfürchtigen Gatten erzog sie ihre Kinder mit klugem Geschick und wirklichem Herzens- und Geistesadel zu echten Jehudim und zu tüchtigen, braven Menschen. Allgemeiner Beliebtheit erfreute sich die treue Verblichene, der Krone des guten Namens; ihr Andenken wird darum in uns fortleben als eine wahrhaft Fromme und Redliche.   
Möge diese teure, verblichene Mitschwester für ihre Hinterbliebenen und für uns alle eine Fürsprecherin sein vor dem Throne des richtenden Königs."
 

  
Über Emma Schuster geb. Oppenheimer (1868-1942) und die Ereignisse beim Novemberpogrom 1938 in Nordheim     

Zu Ihrer Lebensgeschichte eine Zusammenfassung von Elisabeth Böhrer: "Emma Schuster war eine geborene Oppenheimer aus Großheubach. Sie wohnte mit ihrem Mann Karl Schuster in Nordheim, Haus Nr. 110, der Viehhändler war. Dieser betrieb das Geschäft gemeinsam mit seinem Bruder Alex. Dort wurden auch die Töchter Erna (*1911) und Hilde Schuster (*1919) geboren. Am 10. November 1938, nach 2 Uhr morgens, kamen Ostheimer SA-Männer nach Nordheim. Sie warfen durch das Fenster im Erdgeschoss eine Wagendeichsel. Der in diesem Zimmer neben dem Fenster im Bett gelegene Karl Schuster war u. a. wegen eines Kriegsleidens schon längere Zeit krank. Aufgrund dessen verstarb ihr Mann um 3.30 Uhr an einem Gehirn- bzw. Herzschlag. Ihre Wohnung wurde demoliert und die Einrichtung stark beschädigt. Die jüdische Bevölkerung war in dieser Nacht während der vorgenommenen Gewalttätigkeiten geflüchtet und hatte sich versteckt. Es soll in der Ortschaft damals ein derartiger Lärm und eine Aufregung geherrscht haben, dass die gegenüber von Karl Schuster wohnhafte Landwirtsfrau Mathilde G. einen Nervenschock bekam. Von Nordheimer Bürgern, auch von der SA, soll sich niemand an den Ausschreitungen beteiligt haben. Es gibt aber auch gegenteilige Meinungen. Gemeinsam mit ihrem Schwager Alexander, dem Neffen Gerhard Schuster und Siegfried Schild kam Emma Schuster am 24. April 1942 nach Würzburg in den Platz’schen Garten. Hier wurden ihr bei der Durchsuchung 2 Esslöffel abgenommen. Am nächsten Tag wurden sie nach Krasnystaw deportiert und dort im Raum Lublin ermordet. Den Töchtern Erna und Hilde Schuster gelang im September 1934 die Ausreise in die USA."  

    
Hinweis auf jüdische Ehrenbürger und Ehrenmitglieder bei der Freiwilligen Feuerwehr in Nordheim    

Ehrenbürger der Gemeinde Nordheim wurde Kommerzienrat Direktor Adolf Stein (1864-1932), ein Bruder des Schweinfurter Rabbiners Dr. Salomon Stein. Adolf Stein war gemeinsam mit Georg Leimbach 1898 Gründer des Basaltwerkes am Rotenberg in Nordheim (Produktion vor allem von Basaltschotter für den Eisenbahnverkehr; die Firma war im Bereich des heutigen Holzwerkes BM Massivholz GmbH, die u.a. das originale Firmengebäude wieder als Bürogebäude benutzt). Adolf Stein war verheiratet mit Henriette geb. Isaak, die beiden hatten zusammen sieben Kinder. 1903 zog die Familie nach Schweinfurt (damalige Schultesstraße 54, später Ernst-Sachs-Str. 24. "Steinsche Villa" genannt, teilweise kriegszerstört, später abgebrochen)
Seit 1926 war Adolf Stein alleiniger Generaldirektor der Firma. Nach seinem Tod übernahmen seine Söhne Jakob und Fritz Stein die Geschäftsleitung. Die Firma beschäftigte in verschiedenen Werken etwa 600 Arbeitskräfte. In der NS-Zeit traf der Boykott die Firma. Seit 1934 erhielt die Firma keine öffentlichen Aufträge mehr. 1936 wurden Jakob und Fritz Stein wegen angeblicher Devisenverschiebung verhaftet. Darauf mussten sie alle Betriebe ihrer Firma aufgeben. Jakob Stein (1896-1963) konnte in die USA emigrieren; Fritz Stein (1899-1956) überlebte nach der Emigration in Amsterdam. 
   
Nach Adolf Steins Tod am 21. September 1932 war in einem Nachruf auf ihn zu lesen: "Herr Kommerzienrat Adolf Stein hat sich um die wirtschaftliche Hebung Nordheims außerordentlich große Verdienste erworben.
Er war ein großer Wohltäter der Armen und hatte für jede gute Sache stets eine offene Hand. In dankbarer Anerkennung seiner großen Verdienste um seine Heimatgemeinde wurde er am 19. Nov. 1925 zum Ehrenbürger der Gemeinde ernannt. Ganz Nordheim trauert um ihn und wird ihn nie vergessen.
Er ruhe in Frieden.
Der Gemeinderat Nordheim v. Rhön:
(Muss "v. d." Rhön heißen). Schloth, 1. Bürgermeister."  
Vgl. Presseartikel in der "Main-Post" vom 21. Oktober 2016: "Nordheim. Sieben Stolpersteine für Nordheim..."  
Anmerkung zu diesem Presseartikel: Leslie Samuel ist nicht der Enkel von Adolf Stein! Die Verlegung von "Stolpersteinen" ist geplant.
Wikipedia-Artikel über die Firma Leimbach & Co. GmbH (ab 1926 Basaltstein GmbH): https://de.wikipedia.org/wiki/Leimbach_&_Co.  
Laut dem Protokollbuch der Freiwilligen Feuerwehr Nordheim v. d. Rhön wurde der oben genannte Direktor Adolf Stein 1925 zum Ehrenmitglied ernannt. 
Im Jahre 1928 wurde das Gründungsmitglied (1875 war Gründung) Jacob Baum ebenfalls Ehrenmitglied (er starb 1930). Hinweis: Jacob Baum dürfte identisch sein mit dem in den Anzeigen von 1907 und 1908 oben (Ausschreibungen der Lehrerstelle) genannten Jakob Baum.  
Auch Bernhard Schuster war Ehrenmitglied, er starb 1932 in Nordheim mit über 86 Jahren. Das Jahr der Verleihung konnte nicht festgestellt werden. 

   
Hinweise auf die Lehrer Dr. Emanuel Hecht und Simon Hecht  
Aus Nordheim stammte der bekannte Lehrer Dr. Emanuel Hecht (geb. 1821 in Nordheim; studierte am Israelitischen Lehrerseminar in Würzburg, 1841 Vorbereitungslehrer am Ende seines Studiums in Schmalnau), der sich mit diversen Publikationen für die jüdische Schule einen Namen machte und zuletzt in Hoppstädten Lehrer war, wo er 1862 früh verstorben ist. Zu Emanuel Hecht siehe Wikipedia-Artikel: https://en.wikipedia.org/wiki/Emanuel_Hecht.
Sein Bruder Simon Hecht ist am 9. März 1825 in Nordheim geboren [1825 lt. Geburtseintrag nach Angaben von E. Böhrer; auf Grabstein 1828]), studierte am Israelitischen Lehrerseminar in Würzburg und war Lehrer in Sulzdorf an der Lederhecke, Weimarschmieden, Kraisdorf, 1852-53 Ritzebüttel (Cuxhaven), 1856 Jever und 1857-60 Münchweiler. Nach dem Tod seines Bruder Emanuel 1862 ist Simon Hecht nach Amerika ausgewandert und war in Evansville, Indiana als "Reverend" und "Rabbi" der jüdischen Gemeinde Bnai Israel tätig (Foto der 1866 eingeweihten Synagoge http://www.evansvilleago.org/organs/evv_bnai_Israel.htm). Eine seiner ersten Amtshandlungen in der Synagoge Bnai Israel war eine Hochzeit am 18. Oktober 1866 (Quelle S.8). 1868 erschien in Evansville von Salomon Herxheimer und Simon Hecht: "Der israelitische Confirmand oder: Glaubens- und Pflichtenlehre für den Schul- und Privatgebrauch in Reformgemeinden". Zahlreiche weitere Publikationen folgten, u.a. in der Zeitschrift "Die Deborah". 1878 erschien die Sammlung von "Jewish Hymns for Sabbath Schools and Families".  
Über Simon Hecht vgl. u.a. Judah M. Cohen: Jewish Religious Music in Nineteenth-century America. Buch erschien Indiana University Press 2019  https://www.amazon.com/Jewish-Religious-Music-Nineteenth-Century-America/dp/0253040213. Vgl. in diesem Buch u.a. die Anmerkungen auf der verlinkten Seite zu Beiträgen von Simon Hecht.
Simon Hecht starb am 17. März 1908 und wurde im Rose Hill Cemetery in Evansville beigesetzt: Grab siehe https://de.findagrave.com/memorial/11252550/simon-hecht
.       
   
    
Anzeigen jüdischer Gewerbebetriebe oder Privatpersonen 
Danksagung nach der Trauerfeier für die aus Nordheim stammende und in Pfungstadt verheiratete Klara Katzenstein geb. Stein (1893)  

Pfungstadt Israelit 25051893.jpg (57205 Byte)Anzeige in der Zeitschrift 'Der Israelit' vom 25. Mai 1893: "Danksagung
Für die vielen Beweise herzlicher Teilnahme und inniger Liebe während der Krankheit und beim Tode unserer teueren, unvergesslichen Gattin, Tochter und Schwester – seligen Andenkens -, 
Frau Klara Katzenstein geb. Stein, 
sagen wir allen lieben Freunden aus Nah und Fern, insbesondere auch den wohllöblichen Mitgliedern der israelitischen Kultusgemeinde Würzburg und der verehrlichen, aufopferungsbereiten Familie Oster, den Verwaltern des israelitischen Spitals daselbst, tief gefühltesten Dank.
Nathan Katzenstein, Pfungstadt. Familie Stein, Nordheim v.d. Rhön."

       
Anzeige des Imkers L. Hartmann in Sondheim (1930)  
Anmerkung: es handelt sich nach Angaben von E. Böhrer um eine Anzeige einer nichtjüdischen Familie (L. = Leopold Hartmann)   

Anzeige in der "CV-Zeitung" (Zeitschrift des "Central-Vereins") vom 22. August 1930: "Mehr Honig essen sagen die Ärzte! Seit Jahrzehnten liefere ich an Tausende Familien meinen gar allerfeinsten deutschen Bienenhonig aus dem Rhöngebirge, Thüringen und Franken. 5 Pfd. Mark 8.-, 10 Pfd. Mark 14,50 in Posteimer frei Haus inklusive Verpackung per Nachnahme. Imker L. Hartmann, Sondheim (Rhöngebirge)."   

    
   
 
Sonstiges        
Erinnerungen an die Auswanderungen im 19. Jahrhundert: 
Grabstein in New York für Nathan Middle aus Unsleben (1820-1900) und Mathilda Middle aus Nordheim (1830-1894)  
   
Anmerkung: das Grab befindet sich in einem jüdischen Friedhof in NY-Brooklyn. Nach Angaben von Elisabeth Böhrer (auf Grund von Recherchen im Staatsarchiv Würzburg) ist Nathan Middle als Nathan Mittel am 25. April 1820 in Unsleben geboren als Sohn des Viehhändlers Simon Mittel und seiner Frau Reitz geb. Zucker; seine Frau Mathilda bzw. Madel geb. Hecht ist geboren am 14. November 1830 in Nordheim v.d. Rhön als Tochter des Schächters David Hecht und seiner Frau Rebecca geb. Stein) .      

Unsleben New York Salem 1673.jpg (102813 Byte)   Unsleben New York Salem 1673a.jpg (125806 Byte)   Grabstein "in Memory of our Dear Father 
Nathan Middle
  
Born in Unsleben Bavaria  April 25th 1820  
Died July11th 1900" und 
"In Memory of my Beloved Wife and our Dear Mother 
Mathilda Middle
  
Born in Nordheim Bavaria  Nov. 14th 1830 
Died Febr. 6th 1894". 

    
    

    

Zur Geschichte der Synagoge       
   
Bis Mitte des 19. Jahrhunderts war ein Betsaal im Turm des 1578 von den Freiherren von der Thann erbauten "Gelben Schlosses" (daher auch "Judentempel" genannt) eingerichtet. Dieses Schloss war 1803 von der Freiherrenfamilie verkauft worden und in Privatbesitz gekommen. 

1852
wurde eine Synagoge in der Judengasse erbaut, in der bis um 1935 Gottesdienste abgehalten wurden. Durch den Rückgang der Gemeindeglieder konnte seitdem kein Minjan mehr gebildet werden. 
  
Aus der Geschichte der Synagoge: Feibel Fuld schenkt der Synagoge ein Tass (Toraschild)        

Nordheim vdRhoen Israelit 11101882.jpg (37670 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 11. Oktober 1882: "Nordheim vor der Rhön. Ein für unsre Gemeinde erfreulicher und erhebenden Vorgang fand am ersten Tage von Rosch Haschana (Jüdischer Neujahrstag) in dieser hiesigen Synagoge statt. Herr Feibel Fuld, ein 76-jähriger Greis, überreichte dem Kultusvorstande ein gleich schön, wie wertvolles, silbernes Tass, die heilige Tora damit zu schmücken. Dies Geschen rief allgemeine Freude hervor"

Am 3. Oktober 1938 wurde die Synagoge erstmals verwüstet: Ortsbewohner drangen in die Synagoge ein, zertrümmerten Fenster und Mobiliar und zerrissen Toraschrein-Vorhänge und Gebetbücher. Ein zweites Mal wurde die Synagoge in der Pogromnacht im November 1938 verwüstet. SA-Leute waren aus dem benachbarten Ostheim v.d. Rhön gekommen und drangen mit örtlichen SA-Leuten sowie Einwohnern von Ostheim und Nordheim in die Synagoge und in die jüdischen Häuser ein. Fenster, Möbel und Hausrat wurde zerstört, in der Synagoge gleichfalls die Ritualien. Anschließend zog man weiter, um das Werk der Zerstörung in Oberelsbach fortzusetzen. 
Das Synagogengebäude blieb erhalten und wurde zu einem Wohnhaus umgebaut. 
   
   
 
Adressen/Standorte der Synagogen und der Schule

bulletAlte Synagoge ("Judentempel") im Hinterhof des Anwesens Alexander-Hösl-Straße 20 (durch einen Torbogen erreichbar; Hinweistafel vorhanden) 
bulletNeue Synagoge in der Judengasse 4 (eine Hinweistafel ist nicht angebracht)  
bulletIsraelitische Schule in der Unteren Torgasse 7 mit Inschrift über dem Eingang "18 ISRAELITISCHE SCHULE 93" (eine Hinweistafel ist nicht angebracht) 

     
     
     
Fotos
(Fotos Hahn, Aufnahmedatum 11.8.2005) 

Die alte Synagoge Nordheim Synagoge 103.jpg (58311 Byte) Nordheim Synagoge 102.jpg (63568 Byte)
   Das "Gelbe Schloss" der Herren von der Thann, in dem sich bis Mitte des 
19. Jahrhunderts der Betsaal befand (daher "Judentempel" genannt)
   
Nordheim Synagoge 100.jpg (57026 Byte) Nordheim Synagoge 101.jpg (84596 Byte) Nordheim Synagoge 104.jpg (60283 Byte)
Ansicht des "Gelben Schlosses" von Süden   Die Hinweistafel
     
Blick in die Judengasse mit der 
neuen Synagoge (bis 1938)
Nordheim Synagoge 113.jpg (16153 Byte) Nordheim Synagoge 112.jpg (46373 Byte)
   Straßenschild  
"Judengasse"
Blick in die Judengasse mit dem
 Synagogengebäude
     
Die (neue) Synagoge 
(bis 1938)
Nordheim Synagoge 110.jpg (47260 Byte) Nordheim Synagoge 111.jpg (38892 Byte)
   Das Gebäude der ehemaligen Synagoge in der Judengasse 4
   
Das Gebäude der ehemaligen
 israelitischen Schule
Nordheim Schule 102.jpg (46517 Byte) Nordheim Schule 101.jpg (70358 Byte)
  Das Gebäude der ehemaligen Israelitischen Schule
   
   Nordheim Schule 103.jpg (61027 Byte) Nordheim Schule 100.jpg (37673 Byte)
   Über dem Eingang befindet sich die
 Inschrift 
"18 ISRAELITISCHE SCHULE 93" 
Spur der 
früheren Mesusa
  
      
Denkmal für die Gefallenen des 
Ersten Weltkrieges am Marktplatz
Nordheim Schule 104.jpg (77846 Byte)    
      Oben erkennbar der Name von 
Gustav Rosenthal; auch die Namen 
von Hermann Sachs und Justus Baum 
stehen auf dem Denkmal
    
     
 Gedenktafel an einer Mauer 
gegenüber des Rathauses
(Foto: Elisabeth Böhrer, aufgenommen 
im Sommer 2009) 
Nordheim Gedenktafel 150.jpg (35014 Byte)  
  Text: "In Nordheim v.d. Rhön bestand bis
 1942 eine jüdische Kultusgemeinde. 
Zur Erinnerung und Mahnung" 
 

   
    
Erinnerungsarbeit vor Ort - einzelne Berichte                                                                         

Oktober 2016: Geplante Verlegung von "Stolpersteinen" in Nordheim  
Artikel in der "Main-Post" vom 21. Oktober 2016: "NORDHEIM. Sieben Stolpersteine für Nordheim
'Stolpersteine' heißt ein Projekt des Künstlers Gunter Demnig aus Köln, das im Jahr 1992 begann. Mit kleinen, im Boden verlegten Gedenktafeln soll an das Schicksal der Menschen erinnert werden, die in der Zeit des Nationalsozialismus schikaniert und ermordet wurden. Dieses Projekt war am Donnerstagabend Thema der jüngsten Gemeinderatssitzung in Nordheim: Ein Nachfahre der aus dem Ort deportierten Familie Schuster möchte solch einen Gedenkstein installieren, wo einst das Haus der Familie stand. Zu diesem Thema war Elisabeth Böhrer aus Sondheim/Rhön zur Sitzung eingeladen worden, so Bürgermeister Thomas Fischer. Sie befasst sich mit der Geschichte der Juden im Landkreis und hat auch den jüdischen Friedhof in Schweinfurt dokumentiert. Unter anderem ruht dort der Nordheimer Bürger Adolf Stein, ein Bruder des Rabbiners Salomon Stein. Adolf Stein, 1864 geboren, war 1898 Gründer des Basaltwerkes am Rotenberg in Nordheim, wo heute das Holzwerk steht. Adolf Stein wurde 1925 das Ehrenbürgerrecht der Gemeinde Nordheim verliehen. Die Familie Stein hatte damals viele Arbeitsplätze in Nordheim geschaffen. Man heiratete untereinander, und so ist auch die Familie Schuster – eine Generation weiter – mit involviert, hieß es in der Sitzung. Adolf Steins Enkel Leslie Samuel – sein Vater stammt aus Bad Königshofen – ist der Nachfahre, der die Stolpersteine beantragt hat, informierte Elisabeth Böhrer. Künstler Demnig verlegt die Stolpersteine für alle Opfer des Nationalsozialismus. In Ostheim war dies relativ einfach, weil es nur zwei Personen gab, für die im Jahr 2003 die Steine gelegt wurden. Im Falle Schuster hieße das, dass Steine für sieben Familienmitglieder aus zwei Familien verlegt werden müssten. In der Von-der-Tann-Straße 27, wo heute ein neu gebautes Anwesen steht, wohnte eine Familie, in einem danebenliegenden Haus, das abgerissen wurde, eine weitere. Beide Häuser waren durch einen gemeinsamen Hof verbunden. Die Steine – jeweils ein Betonwürfel mit Messingoberfläche – sollen auf öffentlichem Grund vor dem ehemaligen Haus verlegt werden. Dabei hätte Elisabeth Böhrer gern den heutigen Hauseigentümer miteingebunden. 20 Mitbürger jüdischen Glaubens lebten zu Beginn 1933 noch in Nordheim. Davon starben zwei, sechs wurden Opfer des Holocaust und zwölf Personen hatten die Möglichkeit, zu emigrieren. Für die Mitglieder des Gemeinderats war es keine Frage, für das Verlegen von Stolpersteinen zum Gedenken an die Familie Schuster zu stimmen. Als Standort ist der freie Platz vor dem Anwesen 'Von-der-Tann-Straße 27' in Nordheim vorgesehen. Der Standort muss aber noch genau festgelegt werden. Die Kosten trägt die Familie Leslie Samuel."
Link zum Artikel  
 
Oktober 2017: In Nordheim werden sieben "Stolpersteine" verlegt  

Am 18. Oktober 2017 wurden beim Anwesen Von-der-Thann-Straße 27 sieben "Stolpersteine" verlegt zur Erinnerung an die beiden Nordheimer Familien Schuster, die bis zur NS-Zeit in Nordheim gelebt hatten. Die Verlegung war vom Nordheimer Gemeinderat am 20. Oktober 2016 beschlossen worden. Anwesend waren Leslie Samuel, Nachkomme der jüdischen Familie Schuster aus Nordheim, und seine Frau Ruth. In ihrem Vortrag berichtete Elisabeth Böhrer, wie es den Angehörigen der Familien Schuster in der NS-Zeit und vor allem von der Pogromnacht im November 1938 bis 1942 ergangen war. Die Häuser der Schuster-Familien waren durch SA-Leute demoliert worden, später mussten die Häuser zwangsweise verkauft werden. Leslie Samuel sprach für die Nachkommen und Angehörigen der Familie. Leslie Samuel ist als Sohn von Erna Samuel geb. Schuster und Siegfried Samuel 1946 in Ohio geboren.          

                        Nordheim Stolpersteine 1810201701.jpg (158631 Byte)  Nordheim Stolpersteine 1810201702.jpg (202194 Byte)       Nordheim Stolpersteine 1810201703.jpg (194383 Byte)  Nordheim Stolpersteine 1810201704.jpg (145860 Byte)
  Nach der Verlegung von links: Bürgermeister
 Thomas Fischer, Elisabeth Böhrer, Ruth Samuel, 
Gunter Demnig und Leslie Samuel 
(Bildrechte für alle Fotos: Elisabeth Böhrer)    
Die "Stolpersteine" für Alexander Schuster 
(1886, ermordet), Ida Schuster geb. Samuel 
(1894-1940),
 Siegbert Gerhard Schuster (1925, ermordet)   
 Die "Stolpersteine" für Karl Schuster (1883, starb aufgrund
 der Ereignisse beim Novemberpogrom 1938),  Emma Schuster 
geb. Oppenheimer (1886, ermordet), Erna Schuster (1911, 
1934 emigriert), Hilde Schuster (1919, emigriert) 
 Die sieben "Stolpersteine" nach der Verlegung
 mit weißen Rosen; die rechten Steine sind für
 die Familie deswegen gedreht, damit sie in
 Richtung des ehemaligen Hauses zeigen   
       
  Nordheim Stolpersteine 1810201705.jpg (142952 Byte)    
 Ansprache von Leslie Samuel, 1946 in Ohio geborener Sohn von Erna Schuster aus Nordheim, die 1938 in New York Siegfried Samuel aus Königshofen im Grabfeld geheiratet hatte. Leslie Samuel war nach dem Studium in Washington als Lehrer tätig, bis er eine Restaurantkette gründete und 45 Jahre leitete.        
     

Artikel von Fred Rautenberg in der "Main-Post" vom 20. Oktober 2017: "Nordheim. Stolpersteine für Familie Schuster. 
'Gegenteil von Liebe ist nicht Hass, sondern Gleichgültigkeit.' Damit traf Leslie Samuel, der Gast aus den USA, mit größter Präzision das, worum es am Mittwoch in Nordheim ging. Dort waren in einer Feier sieben sogenannte Stolpersteine in den Gehsteig beim Anwesen Von-der-Thann-Straße 27 eingelassen worden – gegen Gleichgültigkeit und zur Erinnerung an die beiden Nordheimer Familien Schuster, deutsche Mitbürger jüdischen Glaubens. Sie hatten einst hier gewohnt, bis sie, von den Nazis verfolgt, flohen beziehungsweise in einem Vernichtungslager umgebracht wurden. 
Der Nordheimer Gemeinderat hatte am 20. Oktober 2016 den Beschluss zum Verlegen der Stolpersteine gefasst, blickte Bürgermeister Thomas Fischer zurück. Den Auftrag hatte Gunter Demnig aus Frechen in Nordrhein-Westfalen erhalten – der Künstler, der die Idee zu den Stolpersteinen entwickelt und verbreitet hatte. Während Demnig mit Kelle und Mörtel bei der Arbeit war, begrüßte Fischer zahlreiche Bürger, Pfarrvikar Paul Reder und dessen evangelischen Kollegen Pfarrer Oliver Englert sowie Elisabeth Böhrer, die sich wesentlich darum bemüht hatte, dass das Setzen der Gedenksteine zustande kam. Ein besonderer Willkommensgruß galt Ruth und Leslie Samuel, Nachkommen der jüdischen Familie Schuster aus Nordheim. Die Samuels hatten zudem zwei Freunde aus Amerika mitgebracht. 
Die Schrecken der Pogromnacht Im Mittelpunkt der Gedenkfeier stand der Beitrag von Elisabeth Böhrer. Sie hatte recherchiert, wie es den Angehörigen der verschwägerten Familien Schuster – Karl und Emma Schuster mit ihren Töchtern Erna und Hilde sowie Alexander (Bruder von Karl) und Ida Schuster mit ihrem Sohn Gerhard – von der Pogromnacht am 10. November 1938 bis 1942 ergangen war. Dabei wurde deutlich, dass die Juden früher gut in Nordheim integriert waren. Die Männer hatten ihren Militärdienst absolviert und waren in den Ersten Weltkrieg gezogen, wo Karl Schuster 1914 ein Bein verlor, aber auch mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnet wurde. Doch in der Pogromnacht wurden die Demütigungen für die Familien unerträglich. Die zwei Häuser der Schuster-Familien wurden durch SA-Leute, die nicht aus Nordheim kamen, demoliert. Karl Schuster, der nicht fliehen konnte, starb dabei. Wenige Tage später wurde das geringe Vermögen der Juden beschlagnahmt und ihnen der letzte Besitz genommen. Ihre Häuser mussten sie zwangsweise verkaufen. Am 24. April 1942 traten Emma, Alexander und Gerhard Schuster ihre Reise in den Tod über Mellrichstadt und Würzburg bis nach Lublin in Polen an. Das Jahr 1942 haben sie wahrscheinlich nicht überlebt. Ida Schuster war schon im Jahr 1940 gestorben, Erna und Hilde Schuster waren mit Hilfe eines in den USA lebenden Onkels 1934 vor den Nazis geflohen. Diese erschütternden Informationen ergänzte Hermann Spiegel mit Erinnerungen dreier Zeitzeugen, die beobachtet hatten, in welcher Angst Nordheims Juden in diesen Jahren leben mussten. 
Freude über die Gastfreundschaft Nicht weniger ergreifend war die Rede, die Leslie Samuel danach in deutscher Sprache hielt. Der Sohn von Erna Samuel, geborene Schuster, und Siegfried Samuel aus Königshofen im Grabfeld wurde 1946 in Ohio geboren. In New York hatten seine Eltern 1938 geheiratet. In Jefferson hatte Leslie die Schule besucht, hatte dort studiert, in Washington als Lehrer gearbeitet, bis er eine Restaurantkette gründete und 45 Jahre leitete. Er fühle sich in Nordheim zuhause, sagte er, durch die vielen herzlichen Begegnungen mit den Bürgern. Er erzählte, dass es den beiden Töchtern von Emma Schuster nicht gelungen war, ihre Mutter in die USA zu holen. Leslie Samuel erkannte an, dass 'nach dem Zweiten Weltkrieg ein anderes Deutschland geboren' worden war, das den Juden und dem Staat Israel vielfach geholfen habe. Er dankte dem Künstler Gunter Demnig und auch dem Hausnachbarn Anton Heurung für das Anbringen der Stolpersteine bei dessen Anwesen; und er dankte für die Gastfreundschaft und Toleranz, die seine Frau und er erfahren hatten. Das letzte Wort ergriff Pfarrvikar Reder. Zur Erinnerungskultur gehöre, die Unmenschlichkeiten der Nazizeit nicht zu vergessen, aber sich auch an Beispiele großer Mitmenschlichkeit zu erinnern, der es immer die Oberhand zu verschaffen gelte. Die sieben Gedenksteine gäben dazu den Anstoß. Elisabeth Böhrer umrahmte dann symbolträchtig diese golden glänzenden Denkmale mit sieben weißen Rosen und teilte abschießend mit, dass fünf der Steine von Bürgern aus Nordheim finanziert worden waren."  
Link zum Artikel     

    
     

Links und Literatur 

Links:  

bulletWebsite zur Gemeinde Nordheim v.d. Rhön     
bulletDie Namen der Gefallenen des Ersten Weltkrieges auf der Liste des Hauses der Bayerischen Geschichte zu Nordheim v.d.R.    

Literatur:  

bulletBaruch Z. Ophir/Falk Wiesemann: Die jüdischen Gemeinden in Bayern 1918-1945. Geschichte und Zerstörung. 1979 S. 372-373.  
bulletIsrael Schwierz:  Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens in Bayern. Eine Dokumentation der Bayerischen Landeszentrale für politische Bildungsarbeit. A 85. 1988 S. 111.
bulletPinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany - Bavaria. Hg. von Yad Vashem 1972 (hebräisch) S. 528-529.
bulletDirk Rosenstock: Die unterfränkischen Judenmatrikeln von 1817. Eine namenkundliche und sozialgeschichtliche Quelle. Reihe: Veröffentlichungen des Stadtarchivs Würzburg Band 13. Würzburg 2008. S. 116.  
bulletElisabeth Böhrer: Zur jüdischen Geschichte in Nordheim v.d. Rhön. Unveröffentlichte Recherchen. 2015/17.   

    
      


 

Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the Holocaust". 
First published in 2001 by NEW YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad Vashem Jerusalem, Israel.   
      
Nordheim v.d. Rhoen  Lower Franconia. Jews settled around the turn of the 19th century. A new synagogue was erected in 1852. In 1890 the Jewish population was 86 (total 812) and in 1933 it was 25, soon reduced to penury under the Nazi economic boycott. The synagogue was vandalized on 2nd October 1938 and again on Kristallnacht (9-10 November 1938) along with Jewish homes and stores. Twelve Jews emigrated in 1934-40; the last six werde deported to Izbica in the Lublin district (Poland) and to the Theresienstadt ghetto in 1942.  
    
      

                   
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Stand: 17. April 2020