Baisingen Friedhof 154.jpg (62551 Byte)  Segnende Hände der Kohanim auf einem Grabstein in Baisingen


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Tholey (Kreis St. Wendel)
Jüdische Geschichte / Synagoge

Übersicht:

Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde  
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde   
Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer und der Schule  
Berichte aus dem jüdischen Gemeinde- und Vereinsleben  
Berichte zu einzelnen Personen aus der jüdischen Gemeinde   
Anzeigen jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen    
Zur Geschichte der Synagoge   
Fotos / Darstellungen   
Links und Literatur   

    

Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english version)   
    
In Tholey konnten sich Juden seit der 1. Hälfte des 17. Jahrhunderts niederlassen. Von einer ersten jüdischen Familie am Ort wird aus dem Jahr 1729 berichtet (Josef und Sara Isaak mit Sohn Josef). 1749 kam die Familie Josef Can in die Stadt. Er war wie Josef Isaak von Beruf Metzger. 1787 konnten sich zehn jüdische Händlerfamilien aus der Pfalz ansiedeln. 1790 wurden 41 jüdische Einwohner gezählt (etwa 7 % von insgesamt etwa 600 Einwohnern). 
 
In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts nahm die Zahl der Juden am Ort weiter zu: 1843 waren von den 952 Einwohnern Tholeys 88 jüdischen Glaubens (fast 10 % der Gesamtbevölkerung, 15 Familien). Zwanzig Jahre später umfasste die jüdische Gemeinde in Tholey bis zu 30 Familien. Noch in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts ging die Zahl der jüdischen Gemeindeglieder durch Aus- und Abwanderung zurück (1895 noch 91 jüdische Einwohner). Ursache der Auswanderung war u.a. die Einführung des Freihandels 1872, was zu einem Verfall der Preise landwirtschaftlicher Produkte führte. 1893 wurde eine jüdische Gemeinde mit Korporationsrechten gebildet. 
 
An Einrichtungen der jüdischen Gemeinde bestanden außer der Synagoge mit Mikwe eine jüdische Schule. Dies war spätestens seit 1841 als Privatschule eingerichtet, in der ein Elementarlehrer unterrichtete (vgl. unten Meldung von 1841. Auch 1856 erfolgte eine Ausschreibung der Lehrerstelle für einen Elementar- und Religionslehrer. Offiziell fand die Schule als "öffentliche Elementarschule" jedoch erst 1876 Anerkennung. Auch ein Friedhof war vorhanden. 1886 konnte ein eigenes Schulgebäude mit Lehrerwohnung eröffnet werden (Trierer Straße 32). Unter den ersten Lehrern waren Lehrer German Sender (1875/1882/1890 genannt, vgl. Bericht unten; gest. 1895 in Tholey und auf dem jüdischen Friedhof beigesetzt) und Emanuel Alexander aus Illingen. Sein Nachfolger war von 1901 bis 1916 der Rabbiner und Lehrer Willy Jonas. Die Elementarschule bestand bis 1916 (danach noch Religionsschule); das Schulgebäude wurde 1936 verkauft. 
 
Im Ersten Weltkrieg ist aus der jüdischen Gemeinde Tholey gefallen: Albert Kahn (geb. 24.9.1881 in Tholey, gef. 21.6.1918). Außerdem ist der Sohn des Lehrers German Sender - Gottfried Sender - gefallen (geb. 1882 in Tholey, gef. 13.6.1915; siehe unten: Bericht und das Buch über ihn). An ihn erinnert im jüdischen Friedhof Tholey eine Inschrift auf dem Grabstein für seinen Vater: "In memoriam Gottfried Sender - Seminarlehrer - 1882-1915".     
 
1925 gehörten zur jüdischen Gemeinde noch 50 Personen, d.h. 3,7 % von insgesamt ca. 1.360 Einwohnern. Damals war Vorsteher der jüdischen Gemeinde Manuel Joseph. Vorbeter und Lehrer war Salomon Haber. Er unterrichtete in Religion die damals sechs schulpflichtigen jüdischen Kinder. 1932 war Vorsteher Jakob Lion. Lehrer Haber unterrichtete nur noch drei Kinder. 

Nach der Angliederung des Saargebietes an das Deutsche Reich 1935 wurden noch 41 jüdische Einwohner in Tholey gezählt, doch wanderten  wenig später die meisten von Ihnen aus.   
  
Von den in Tholey geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945", ergänzt durch Angaben bei Landau s. Lit.): Brünette Aach geb. Sender (1887), Eva Abraham geb. Bähr (1876), Albert Bähr (1882), Julius Bähr (1874), Emma Bermann geb. Loeb (1864), Frederike Bermann geb. Markus (1913), Julius Bermann (1900), Manfred Bermann (1935), Melinka Friedemann geb. Jakob (1887), Rosa Götz geb. Hirsch (1891), Adolf Hanau (1872), Bertha Herrmann geb. Großbauch (1873 oder 1878), Erna Herrmann (1882), Bertha Isaak geb. Katz (1870), Emma Isaak (1866), Fanny Isaak (1858), Josef Isaak (1883), Martha Isaak (1884), Moses Isaak (1860), Rosalie Jontofsohn geb. Isaak (1887), Moses Joseph (1860), Emilie Kahn geb. Katz (1886), Jeanne Kahn (1890), Veronika Katz geb. Isaak (1898), Irma Kayem (1900), Elise Kronenberger geb. Isaak (1892), Klara Leib geb. Lion (1875), Rosa Littfack geb. Loeb (1872), Emil Loeb (1900), Helene Schu geb. Isaak (1898), Martha Stern geb. Isaak (1884), Frieda Ullmann geb. Herrmann (1894), Jenny Voss geb. Isaak (1876), Johanna Weil geb. Jakob (1884).   
    
    
    
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde 
 
Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer und der Schule
Ausschreibung der Stelle des Religionslehrers / Vorbeters / Schochet 1856   

Tholey AZJ 11021856.jpg (61717 Byte)Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 11. Februar 1856: "Ein geprüfter Lehrer, der den Elementar- und Religionsunterricht zu erteilen und die Kantorstelle zu versehen hat, findet hier sofort eine Stelle mit einem jährlichen Gehalte von 150 Thalern. Nebeneinkünfte ungefähr 30 Thaler. Bewerber wollen ihre Zeugnisse franco an den Unterzeichneten senden. 
Tholey
, Regierungsbezirk Trier, den 20. Januar 1856. Der Vorstand Jacob Baehr."

  
Meldung zur jüdischen Elementarschule (1841)  

Tholey IsrAnnalen 26031841.jpg (11447 Byte)Mitteilung in den "Israelitischen Annalen" vom 26. März 1841: "Auch in Tolei, wo 15 Familien wohnen, ist ein Lehrer des Elementarfaches tätig."  

  
Prüfungen der israelitischen Schule in Tholey (1882)   

Tholey AZJ 14111882.jpg (175977 Byte)Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 14. November 1882: "Tholey (Regierungsbezirk Trier), 2. November (1882). Am Dienstag, den 31. vorigen Monats inspizierte der Herr Regierungs-Präsident Nasse von Trier, in Begleitung des Königlichen Landrats Herrn Freiherr von Richthofen, des Königlichen Kreisschulinspektors Herrn Dr. Tyßka (beide von Ottweiler) und des hiesigen Bürgermeisters Herrn Clemens, die einklassige israelitische Schule dahier. Nachdem der Herr Präsident selbst die Schüler in vier verschiedenen Elementarfächern geprüft, sprach er sich sehr anerkennend über deren Leistungen, sowie über die Ordnung und Reinlichkeit der Schule aus und ermunterte sodann die Schulkinder, 33 an der Zahl, ihrem Lehrer durch Fleiß und gute Führung stets Freude zu machen. - Mit dem Herrn Präsidenten über die nicht beneidenswerten allgemeinen Anstellungsverhältnisse der jüdischen Lehrer des Bezirks zu sprechen, war Einsender dieses - in Anwesenheit der Schuljugend - nicht möglich. Es muss dies - wie folgt - auf dem schriftlichen Wege geschehen. Nach gemeinsamer Vorbesprechung gelegentlich der großen amtlichen Seminarkonferenz zu Ottweiler am 28. August dieses Jahres nämlich sammeln die israelitischen Lehrer Nußbaum - Trier, Scheuer - Saarwellingen und Sender - Tholey augenblicklich umfassend statistisches Material aller israelitischen Schulstellen des Regierungsbezirkes Trier, um auf Grund desselben in einer Kollektiv-Eingabe die Emanzipierung der Schulen respektive deren Lehrer von Königlicher Regierung demnächst zu erbitten. Zu diesem Zwecke findet nächste Weihnachten zu Trier eine Versammlung aller jüdischen Lehrer des Bezirks statt und werden hoffentlich alle betreffenden Kollegen - in ihrem eigenen Interesse - gemäß Einladungskarte pünktlich erscheinen. 
Möge es uns vergönnt sein, bald einen guten Erfolg berichten zu können: Ihr lieben Herrn Kollegen im weiteren Vaterlande, geht hin und tut desgleichen! Lasset der Regierung in dieser hochwichtigen Angelegenheit keine Ruhe; unser gerechtes Streben wird endlich mit unserer völligen Gleichstellung belohnt werden. Dies gebe Gott!  G. Sender."

  
   
Berichte aus dem jüdischen Gemeinde- und Vereinsleben   

Feier von Simchat Tora in der Gemeinde (1890)           

Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 16. Oktober 1890: "Tholey, 8. Oktober (1890). Das war gestern, am Tage der Gesetzesfreude, für unsere kleinen und großen Knaben eine Seelenlust! Sie wurden, obschon sie zum Teil noch nicht konfirmiert, wie alljährlich am Schlusse der Vorlesung von und mit mir zur Tora aufgerufen, um an der heiligen Bundesrolle Israel's Gott, den Einig-Einzigen, öffentlich und feierlich zu bekennen. Es ist dieser altherkömmliche synagogale Gebrauch, sofern er in würdiger Weise erfolgt, eine hochreligiöse Handlung und, wenn ich so sagen darf, vom pädagogischen Standpunkte aus ein wahrhaft praktischer und nachwirkender Religionsunterricht, dessen Beibehaltung und regelmäßige Handhabung ich jedem Jugendlehrer und religiösen Führer nur anraten, ja von Herzen empfehlen kann. Mit dieser jungen Schar laut und deutlich die Vor- und Nachbenediktionen (die ihnen natürlich rechtzeitig erklärt werden müssen) an der heiligen Tora zu sprechen, wozu die versammelten Väter und Mütter, Groß und Klein, ihr Baruch schemo (Gelobt sei Gottes Name!) und Amen sagen, ist für alle Beteiligten eine Freude und eine Ehre zugleich. Nach Verlesung der Schriftstelle, und nachdem ich ihnen den herkömmlichen Segen (Mischeberach) erteilt, sing 'Alles, was Odem hat' den erhebenden Choral (bekannt unter dem Namen 'Hagbaha' von Dr. M.M. Haarbleicher nach Melodie Nr. 18 in Dr. Ludwig Philippson's Israelitischem Gesangbuch): 'Dies ist die Tora, dies das Wort, das Gott uns hat gegeben, dass wir's bewahren fort und fort, und tragen durch das Leben.' Alsdann begeben sich alle Knaben hocherfreut wieder an ihre Sitze an beiden Seiten des Altars. Nach Beendigung des Gottesdienstes segnen auch die Väter und Müller ihre Stammhalter und erfreuen sie noch mit dem, was der Herbst Köstliches bietet. Ich bin überzeugt, diese Jugendeindrücke verfliegen nicht leicht! Viele 'unter uns' aber sind - und das ist bedenklich - gegen alles Althergebrachte. Leider äfft man mitunter lieber die Bräuche Andersgläubiger nach, die dem Judentum fremd und mit demselben in keinen Einklang zu bringen sind, und daher mehr schaden, als nützen. Wer aber Lust und Liebe 'an dem Erbe der Versammlung Jakobs', wer wahre Anhänglichkeit an unsere altehrwürdige Religion und ihre tiefen ethischen Gebräuche hat, der suche in unserer modesüchtigen Zeit - gleichwie es unsere hochgebildeten und hochangesehenen Glaubensbrüder in England noch tun, die alten Bräuche zu schützen und, wenn auch geistig, zu durchdringen. Dann können uns - dessen bin ich sicher - alle unsere Feinde nichts anhaben. Lasset uns festhalten an der ererbten Gottesfahne, dann werden wir stark sein! German Sender, Lehrer und Kantor."            

  
  
Berichte zu einzelnen Personen aus der jüdischen Gemeinde
 
Über Gottfried Sender, den im Ersten Weltkrieg gefallenen Sohn von Lehrer German Sender, ist ein Buch erschienen und wird in jüdischen Gemeinden Deutschlands referiert (1931)   
Anmerkung: Das von Meier Spanier herausgegebene Buch "Leutnant Sender. Blätter der Erinnerung für seine Freunde. Aus seinen Feldpostbriefen zusammengestellt" erschien in 3. Auflage Hamburg 1916. Es ist online einsehbar über das Internet Archiv der Calfornia Digital Library  https://archive.org/details/leutnantsenderbl00send sowie über die Digitalisierten Sammlungen der Staatsbibliothek Berlin http://digital.staatsbibliothek-berlin.de/werkansicht/?PPN=PPN734550693. Gottfried Sender ist am 18. März 1882 in Tholey als Sohn des Lehrers German Sender und seiner Frau Pauline geb. Wolf geboren. Er war vor Kriegsbeginn Lehrer der Lehrerbildungsanstalt in Berlin.      

Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und Waldeck" vom 20. März 1931: Borken. In der hiesigen Ortsgruppe des Reichsbundes Jüdischer Frontsoldaten am 14. März sprach Lehrer Katz über 'Leutnant Sender'. Sender, Rheinländer von Geburt, Schüler des Münster'schen Lehrerseminars, und Hörer der dortigen Universität, zog als Lehrer der Lehrerbildungsanstalt in Berlin in den Krieg. In seiner Heldenlaufbahn, die er schon im Juni 1915 mit dem Heldentode beendigte, rückte er schnell vom Gefreiten zum Leutnant und Offizierstellvertreter, geschmückt mit dem Eisernen Kreuz I. Klasse und dem Eisernen Kreuz II. Klasse, empor. An Hand der von Dr. Spanier - Berlin herausgegebenen Feldpostbriefe Senders weckte der Vortragende alte Kriegserinnerungen bei den Kriegsteilnehmern, und auch die zahlreich anwesenden Damen durchlebten im Geiste die sorgenvollen Stunden eines Frontsoldaten. Der Vortrag bewies, dass nicht nur recht wertvolles Blut der jüdischen Gemeinschaft geflossen, sondern auch, dass die Juden ihre Pflicht voll und ganz im Weltkrieg erfüllt haben."            
Gottfried Sender 
(geb. 1882 in Tholey, gefallen 1915) 
stand im Mitteilpunkt des
 Vortrages von Lehrer Katz in Borken.  
Tholey Lit Leutnant Sender 011.jpg (31589 Byte) Tholey Lit Leutnant Sender 010.jpg (24401 Byte)   

   
Erinnerung an Walter Sender (1885-1961)    
Anmerkung: in der Umgebung von St. Wendel gibt es mehrere "Orte gegen das Vergessen", die an die Geschichte jüdischer Personen im St. Wendeler Land erinnern sollen. Die Plätze tragen die Namen von Personen, die Opfer der Verfolgung geworden sind. Der Platz vor dem jüdischen Friedhof in Tholey ist nach Walter Sender benannt.     

Eine Gedenktafel am jüdischen Friedhof erinnert an Walter Sender   
Tholey Walter-Sender-Platz Tafel 01.jpg (230257 Byte)Aus der Inschrift der Gedenktafel: "Walter-Sender-Platz. Der am 10. Mai 1885 in Tholey geborene Walter Sender arbeitete nach dem Ende des 1. Weltkrieges als Rechtsanwalt und begann seine politische Tätigkeit als Sozialdemokrat. Bereits 1925 warnte er vor dem Nationalsozialismus. Nach der Saarabstimmung am 13. Januar 1935 flüchtete er mit seiner Frau und den beiden Kindern nach Frankreich. Bis zum Kriegsausbruch konnte er in Paris arbeiten. Nach dem Einmarsch der deutschen Truppen versteckte er sich in den Bergen Südfrankreichs. Nur so konnte er als Jude der Verfolgung durch deutsche und französische Faschisten entgehen. Dr. Walter Sender ließ nach 1945 einen Gedenkstein für die Ermordeten der Synagogengemeinde Tholey errichten. Er starb am 29. August 1961 in Luzern." 
(Foto der Gedenktafel von Stefan Haas)      

   
   
   
Anzeigen jüdischer Gewerbebetriebe und Einzelpersonen    
Anzeige von Simon Baehr (1890)    

Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 22. Mai 1890: "Tüchtiger Bäckergeselle sucht Stellung. Offerten an 
Simon Baehr, Tholey."   

      
      
      
Zur Geschichte der Synagoge 
             
   
Im 18. Jahrhundert besuchten die jüdischen Einwohner von Tholey die Gottesdienste in Saarwellingen, das gleichfalls unter lothringischer Verwaltung stand. 1837/38 hatte sich in Tholey eine eigene Gemeinde mit einem Betsaal (in örtlichen Akten "Judenkirche", im Texte zur Einweihung "alte Synagoge" genannt) gebildet. 
 
Um 1860 bestand der Wunsch zum Bau einer Synagoge. 1863 wurde eine Kollekte zur Sammlung von Geldern genehmigt, die vor allem in den jüdischen Gemeinden des Rheinlandes durchgeführt wurde. Noch im selben Jahr konnte der Bau des Synagoge verwirklicht und die Synagoge am 4. Dezember 1863 durch Bezirksrabbiner Kahn aus Trier eingeweiht werden, worüber in der jüdischen Presse mehrere Artikel erschienen:
  
Bericht zur Synagogeneinweihung in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
:   

Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 19. Januar 1864: "Trier, im Dezember (1863). In unserem Regierungsbezirk wurde am 4. dieses Monats eine neue Synagoge in Tholey und am Sabbat-Chanukka eine Torarolle in Merzig, welche der dortige Gesangverein gewidmet, feierlichst eingeweiht. Beide gottesdienstliche Festlichkeiten machten auf alle Anwesende, unter denen auch die Spitzen der Behörden, tiefen Eindruck und wurden durch gediegene Predigten des Oberrabbiners Kahn gehoben und verherrlicht". 

Ausführlicher Bericht zur Synagogeneinweihung in der Zeitschrift "Ben Chananja"  

Tholey Ben Chananja 03011864.jpg (194505 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Ben Chananja" vom 3. Januar 1864: "Tholey, 9. Dezember (1864). Am 4. laufenden Monats fand in erhebendster Weise die feierliche Einweihung der neu erbauten Synagoge hierselbst statt. Da die Hauptmomente der Feier auch in weiteren Kreisen Verbreitung verdienen, so mögen dieselben nachstehend mitgeteilt werden. Die Feier begann, vom herrlichsten Wetter begünstigt, um halb 1 Uhr mit einem Festzuge aus der alten nach der neuen Synagoge. Unter Anwesenheit des Landrats Herrn von Schlechtendal, des Bürgermeisters Herrn Merten, der Honoratioren und Bürger des hiesigen Ortes, sowie der in großer Anzahl eingetroffenen fremden Glaubensgenossen entwickelte sich das Fest auf die schönste Weise. Durch die dicht mit Zuschauern gefüllten Straßen, an den mit Fahnen geschmückten Häusern entlang, bewegte sich der Zug unter den Klängen der Musik in bester Ordnung nach dem schön gelegenen neuen Gotteshause. Hier angelangt, überreichte der Herr Oberrabbiner, nachdem von einem Mädchen ein passendes Gedicht vorgetragen worden, den Schlüssel zur neuen Synagoge dem Herrn Landrat mit einer kleinen Ansprache, worauf letzterer einige herzliche Worte erwiderte und die Pforten des Gotteshauses erschloss. Den Glanzpunkt der Feier bildete ohnstreitig die von dem würdigen Herrn Oberrabbiner Kahn aus Trier gehaltene gediegene und gehaltvolle Festrede, welche die zahlreiche Versammlung mit großer Aufmerksamkeit entgegen nahm. Der Redner behandelte das Thema über die wesentliche Bestimmung Israels und den Einfluss, den der israelitische Gottesdienst auf die Erfüllung dieser Mission ausgeübt hat, und legte dabei den Text 1. Buch Mose Kap. 32, Vers 22 und folgende (Kampf des Engels mit Jakob) zugrunde. Er schilderte die Aufgabe Israels als Gotteskämpfer 1) für den Glauben an den einzigen Gott, 2) für Recht und Gerechtigkeit, Humanität und Menschenliebe, und 3) gegen alle Anfeindungen von Außen. Aus der an innerem Gehalte so reichen Rede ist hauptsächlich hervorzuheben der Gedanke, der in dem dritten Teile derselben durchgeführt wurde, dass nämlich, nachdem den Juden bereits die Morgenröte einer besseren Zeit angebrochen war, sie noch immer Hemmnisse, falsche Beschuldigungen und Anfechtungen aller Art zu erleiden hatten, welche sie mit den Waffen des Geistes indessen so siegreich bekämpften, dass ihre Feinde, gleich Jakobs Gegner in der Bibel, ihre Bewunderer geworden sind und es aufgaben, den Bestrebungen zugunsten der Juden entgegen zu treten, sodass auch ihnen, gleich Jakob, die Sonne der Gleichberechtigung aufgegangen ist. Zur gehobenen Stimmung trug nicht wenig ein hübscher Chorgesang bei, und verließen gewiss alle die heiligen Räume mit innigster Befriedigung. Der Verlauf des Festes am anderen Tage entsprach denn auch in allen Stücken der Hauptfeier, und glaubt Referent annehmen zu dürfen, dass dasselbe noch lange in den Herzen aller Anwesenden eine wohltuende Erinnerung bleiben wird."   

Die Synagoge in Tholey war gottesdienstliches Zentrum der jüdischen Gemeinde in Tholey bis in die 1930er-Jahre. Auf Grund der nach 1935 verstärkten Abwanderung eines großen Teiles der Gemeindeglieder wurde die Synagoge 1937 geschlossen und für 3.800 Goldmark verkauft. Der neue Besitzer wollte auf dem Synagogengrundstück ein Wohnhaus erbauen und begann mit dem Abbruch der Synagoge. Doch konnte der Plan nicht ausgeführt werden, sodass 1939 die politische Gemeinde das Ruinengrundstück für 7.300 Reichsmark erwarb. 
Vgl. die Zusammenstellung zum Verkauf der Synagoge Tholey von Roland Geiger: http://www.hfrg.de/index.php?id=671    

1948 beschloss der Gemeinderat Tholeys, die immer noch stehende Synagogenruine an zwei nach Tholey zurückgekehrte frühere jüdische Gemeindeglieder zu verkaufen. Diese verkauften ihrerseits am 9. Oktober 1950 das Ruinengrundstück an Privatleute, die schließlich in den folgenden Jahren auf den Grundmauern der Synagoge ein Wohnhaus errichteten.  
    
    
Adresse/Standort der Synagoge: abgerückt von der Trierer Straße im Bereich Trierer Straße 49 (früher Hauptstraße). 
    
    
Fotos 

Historische Fotos sind nicht bekannt. Hinweise bitte an den Webmaster von "Alemannia Judaica", 
Adresse siehe Eingangsseite
     
     

      
       

Links und Literatur

Links:  

Website der Gemeinde Tholey   
Infoseite zur Geschichte von Juden im Kreis St. Wendel (Seite des Kaufmännischen Berufsbildungszentrums St. Wendel)   
Ausführliche Infoseiten zu Juden im Kreis Birkenfeld und darüber hinaus (auch Kreis St. Wendel berücksichtigt)   
Informationen zum jüdischen Friedhof Tholey (interner Link)     
Website der Synagogengemeinde Saar  

Literatur:  

Bodo Bost: Die Juden in Tholey. In: Michael Landau (Hrsg.): Damit es nicht vergessen wird. Beiträge zur Geschichte der Synagogengemeinden des Kreises St. Wendel. 1988 S. 65-83.  
Eva Tigmann: "Was geschah am 9. November 1938?" - Eine Dokumentation über die Verbrechen an der jüdischen Bevölkerung im Saarland im November 1938. Eine Veröffentlichung des Adolf-Bender-Zentrums St. Wendel. 1998. S. 41-45.  
Landesamt für Denkmalpflege Rheinland-Pfalz/Staatliches Konservatoramt des Saarlandes/ Synagogue Memorial Jerusalem (Hg.): "...und dies ist die Pforte des Himmels". Synagogen in Rheinland-Pfalz und dem Saarland. Mainz 2005. S. 463-464 (mit weiteren Literaturangaben). 
Edgar Schwer: Den jüdischen Gefallenen des Saarlandes 1914-1918 zum Gedenken. In: Saarländische Familienkunde Band 12/4. Jahrgang XLVIII 2015 S. 559-600. Online zugänglich: eingestellt als pdf-Datei.    

    
     


 

Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the Holocaust". 
First published in 2001 by NEW YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad Vashem Jerusalem, Israel.

Tholey, Saar. A Jewish butcher is mentioned in 1729. A hundred years later, the Jewish population was 23, growing to 91 (total 1,173) by 1895. By the Nazi era, the Jewish population dropped to 41. The community maintained a synagogue from 1864, a cemetery (probably from the 18th century) and an elementary school which operated from 1874 to 1916. Most Jews left under the Nazis. The last four were deported to the Gurs concentration camp on 22 October 1940. The synagogue and school building were sold in 1927. 
        
          

                   
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Copyright © 2003 Alemannia Judaica - Arbeitsgemeinschaft für die Erforschung der Geschichte der Juden im süddeutschen und angrenzenden Raum
Stand: 18. August 2017