Baisingen Friedhof 154.jpg (62551 Byte)  Segnende Hände der Kohanim auf einem Grabstein in Baisingen


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Bürgel (Stadt Offenbach)
Jüdische Geschichte / Synagoge

Übersicht:

bulletZur Geschichte der jüdischen Gemeinde  
bulletBerichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde   
Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer 
Aus dem jüdischen Gemeindeleben   
Berichte zu einzelnen Personen aus der Gemeinde 
Kennkarte aus der NS-Zeit     
bulletZur Geschichte der Synagoge   
bulletFotos / Darstellungen           
bulletLinks und Literatur   

     

Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english version)    
         
In Bürgel bestand eine zeitweise große jüdische Gemeinde bis 1938/40. Ihre Entstehung geht in die Zeit des 17. Jahrhunderts zurück. Erstmals werden Ende des 16. Jahrhunderts Juden am Ort genannt: in Bonn und Friedberg wird ein Rabbi Moses von Bürgel (R. Mose ben Jisai Josef Bürgel) genannt, der 1575 in Bürgel geboren sein soll und nach 20-jährigem Wirken in Friedberg am 5. Oktober 1643 gestorben ist. 1603 wird die Bürgeler jüdische Gemeinde in einer Liste der damals erhobenen "Türkensteuer" erstmals erwähnt.  
  
Nach dem Dreißigjährigen Krieg nahm die Zahl der jüdischen Familien am Ort zu (Mitte des 17. Jahrhunderts 10 Familien). 
    
Mitte des 18. Jahrhunderts gab es etwa 25 jüdische Familien am Ort.  
  
Zur jüdischen Gemeinde in Bürgel gehörten (nach den Statuten der jüdischen Gemeinde Bürgel von 1821) auch die in Mühlheim am Main und Dietesheim lebenden jüdischen Familien. 1887 bildeten diese eine eigene Gemeinde (Sitz in Mühlheim).   
   
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner wie folgt: um 1800 etwa 40 jüdische Familien, 1828 233 jüdische Einwohner (26,7 % von insgesamt 871 Einwohnern), 1861 304 (21,0 % von 1.446), 1880 211 (7,8 % von 2.686), 1890 190 (5,8 % von 3.271), 1905 149. Die jüdischen Familienvorsteher waren als Vieh- und Warenhändler sowie als Metzger tätig. Es gab jedoch auch jüdische Handwerker (Schreiner, Schuster, Schneider, Schlosser, Portefeuiller). Bis nach dem Ersten Weltkrieg gab es am Ort das einer jüdischen Familie gehörende Café Schlesinger "am Maingarten" (Ecke Schifferstraße/Mainstraße; Gebäude steht nicht mehr; eine Spezialität war das sog. "Judenplätzchen", ein Gebäck mit Mohn in Untertassengröße; letzter Inhaber war der Schwiegersohn Schlesingers, Reinwald).   

An Einrichtungen bestanden eine Synagoge (s.u.), eine jüdische Schule, ein rituelles Bad (1781 genannt) und ein Friedhof. Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war ein Lehrer angestellt, der zugleich als Vorsänger und Schochet tätig war. Von mindestens 1835 bis zu seinem Tod 1854 war als Lehrer in Bürgel Elias Birkenstein tätig (zuvor Lehrer in Battenberg und Battenfeld; gest. 5. Januar 1854 in Bürgel). In den Jahren vor 1895 war ein Lehrer Feuchtwanger am Ort. Letzter Lehrer der Gemeinde war von 1895 bis 1923 Abraham Weinberg (siehe Bericht unten). Die Gemeinde gehörte zum Rabbinat Offenbach am Main. 
 
Unter den jüdischen Vereinen der Gemeinde ist neben den Wohltätigkeitsvereinen vor allem der jüdische Gesangverein Concordia zu nennen. Er wurde 1866 zunächst als Synagogenchorverein gegründet, um "den Gottesdienst in der Synagoge zu eben". Später nahm der Chor mit weltlichem Gesang auch an Sängerfesten teil (Fahnenweihe 1868). Der Chorleiter war erst der Musiker Lerch, danach (bis 1895) der jüdische Lehrer Feuchtwanger, zuletzt Simon Mayer aus Offenbach.    
  
1899 bildeten den Gemeindevorstand (bereits seit 17 Jahren): Josef Hess, Emanuel Grünebaum und Benjamin Wolf.   
   
Im Ersten Weltkrieg fielen aus der jüdischen Gemeinde (von insgesamt 29 jüdischen Kriegsteilnehmern) Hugo Grünebaum (geb. 24.10.1896 in Bürgel, gef. 5.8.1916), Isidor Metzger (geb. 10.8.1896 in Schönstadt, gef. 22.4.1915), Adolf Reiß (geb. 18.2.1890 in Bürgel, gef. 10.5.1918), Bernhard Reiß (geb. 16.3.1884 in Bürgel, gef. 1.11.1915), Theodor Rosenberg (geb. 11.7.1889 in Bürgel, gef. 22.8.1914), Norbert Grünebaum (geb. 23.7.1895 in Bürgel, gef. 21.3.1916) und Theodor Reiß (geb. 24.4.1892 in Bürgel, gef. 25.9.1918). Zwölf der jüdischen Kriegsteilnehmer wurden ausgezeichnet (zwei mit Eisernen Kreuzen I. Klasse). 1920 fand eine Erinnerungsfeier für die Gefallenen der Gemeinde mit einer Rede des Offenbacher Rabbiners Dr. Max Dienemann statt.           
    
Um 1924, als zur Gemeinde 83 Personen gehörten, waren die Gemeindevorsteher Julius Katz, Emil Grünebaum, Julius Wolf, Max Grünebaum. Damals gab es vier schulpflichtige jüdische Kinder am Ort, die ihren Religionsunterricht in Offenbach durch die dortigen Lehrer Strauß und Kaufmann erhielten.    
   
1933 lebten noch etwa 60 jüdische Personen in Bürgel (in etwa 15 Familien). In den folgenden Jahren ist ein Teil der jüdischen Gemeindeglieder auf Grund der Folgen des wirtschaftlichen Boykotts, der zunehmenden Entrechtung und der Repressalien weggezogen beziehungsweise ausgewandert. Nach den Ereignissen beim Novemberpogrom 1938 haben weitere jüdische Personen den Ort verlassen. 1939 wurden noch 27 jüdische Einwohner gezählt. Von den letzten jüdischen Einwohnern wurden 1942 wurden drei jüdische Bewohner in das Ghetto Theresienstadt deportiert, neun weitere Personen in die Vernichtungslager nach Polen.   
     
Von den in Bürgel geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit unter anderen umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): William Ehrlich (1872), Else Grünebaum (1890), Helene Grünebaum (1890), Moritz Haas (1862), Lina Hecht geb. Herrscher (1861), Julius Horn (1881), Lina Katz geb. Frankfurter (1895), Moritz Katz (1879), Sophie Marx geb. Wartenberg (1871), Rosa Rosental (1878), Auguste Sänger geb. Grünebaum (1886), Klara Seel geb. Wolf (1867), Hedwig Stern (1887), Mathilde Stern (1892), Lehrer Abraham Weinberg (1863).    
Hinweis: Weitere aus Bürgel stammende jüdische Personen werden in den Listen unter "Offenbach" genannt, da seit 1908 Bürgel als Stadtteil zu Offenbach gehört.
  
An weitere ermordete jüdische Personen erinnern seit Februar 2009 einige "Stolpersteine" in Bürgel: vor dem Haus Offenbacher Straße 7: für das Ehepaar Salomon und Lilli Reiss mit den vier Töchtern Selma, Bertha, Irene und Gertrude. Alle sechs wurden deportiert in ermordet; vor dem Haus Sternstraße 12: für Jenny Steigerwald und die drei Kinder Minna, Max und Julius, die alle vier ermordet wurden. 
Zu den "Stolpersteinen" in Bürgel siehe u.a. Seite beim "Verein Pro Bürgel".                 
    
    
    
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde 
   
Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer 
Über Lehrer Abraham Weinberg (Lehrer in Bürgel von 1895 bis 1923)   

Angaben nach Arnsberg s. Lit. S. 98-99: Abraham Weinberg ist 1863 in Allendorf a.d. Lumda geboren. Er war von 1895 bis 1923 Lehrer in Bürgel. Er unterrichtete auch an der Bürgeler Volksschule. Nach seiner Pensionierung 1923 verzog er nach Offenbach, von wo er mit seiner Frau 1942 deportiert wurde. Abraham Weinberg ist in Theresienstadt umgekommen. Seine Frau hat überlebt und wanderte nach 1945 in die USA aus, wo sie 1955 gestorben ist.    
Hinweis: Sohn von Abraham Weinberg war Dr. Manfred Weinberg. An ihn erinnert ein "Stolperstein" am Stadion Bieberer Berg (Bieberer Straße 282, vor dem Fanshop) - Gedenkseite zu Dr. Manfred Weinberg bei offenbach.de    

       
  
Aus dem jüdischen Gemeindeleben 
 
Überschwemmung in Bürgel mit drei Toten aus der Familie Grünebaum (1882)

Buergel Israelit 13121882.jpg (53171 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 13. Dezember 1882: "In Bürgel bei Offenbach am Main, wo die Überschwemmung fürchterlich gewütet hat, sind viele Häuser eingestürzt. Auch Verlust von Menschenleben ist zu beklagen. Die zwei Kinder und das Dienstmädchen des Schlächters Grünebaum wurden von dem zusammenstürzenden Gebälke getötet. Die Leichen wurden von den Fluten fortgerissen und erst später wieder aufgefunden. Die Beerdigung fand unter allgemeiner Teilnahme statt."   

 
Die Mühlheimer jüdischen Einwohner bilden eine von Bürgel unabhängige Gemeinde (1887)

Buergel Israelit 28121887.jpg (59832 Byte)Artikel in der Zeitschrift  "Der Israelit" vom 28. Dezember 1887: "Mühlheim, 19. Dezember (1887): Die hiesigen israelitischen Einwohner, die von jeher eine Filialgemeinde zu Bürgel bildeten, haben, da dieselben eben zahlreich genug sind, sich von Bürgel getrennt und eine eigene Gemeinde gebildet. Von der Regierung haben sie die Genehmigung hierzu erhalten, und wurden in Folge dessen die Herren: M. Rollmann, Fried und R. Stiefel als Vorsteher gewählt und als solche vom Großherzoglichen Kreisamt Offenbach verpflichtet..

 
100jähriges Bestehen der Synagoge in Bürgel (1924) 
Hinweis: es wurde nicht das 100-jährige Bestehen der Gemeinde gefeiert, sondern das 100-jährige Bestehen der Synagoge. 

Weiskirchen Israelit 01051924.jpg (62270 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 1. Mai 1924: "Bürgel bei Offenbach, 14. April. Die Gemeinde Bürgel am Main wird im Laufe dieses Sommers noch auf ihr 100jähriges Bestehen zurückblicken. Die Gemeinde wird diesen Tag festlich begehen. Im Kreise Offenbach befindlichen sich noch einige israelitische Gemeinden die überhaupt schon lange bestehen. Die kleine Gemeinde in Heusenstamm wurde gleich nach dem 30jährigen Krieg gegründet, wie das Memorbuch ausweist. Eine alte Gemeinde ist auch Weiskirchen und ferner Dietzenbach. Auch in dem Rodgaugebiete befinden sich noch einige kleine Gemeinden, die sich zum Teil zum orthodoxen Standpunkte bekennen."   

     
Übersicht über das Inventar des Archivs der jüdischen Gemeinde Anfang des 20. Jahrhunderts (1909)   

Buergel Mitteilungen Gesamtarchiv 1909 66.jpg (95254 Byte) Buergel Mitteilungen Gesamtarchiv 1909 67.jpg (115482 Byte) Buergel Mitteilungen Gesamtarchiv 1909 68.jpg (122364 Byte) Buergel Mitteilungen Gesamtarchiv 1909 69.jpg (56635 Byte)
Die obige Zusammenstellung "Akten-Inventar der israelitischen Religionsgemeinde Bürgel am Main" wurde veröffentlicht in den "Mitteilungen des Gesamtarchivs der deutschen Juden", Jahrgang 1909 S. 66-69. 
Zum Lesen bitte die Textabbildungen anklicken.

     
     
Berichte zu einzelnen Personen aus der Gemeinde   
Über die Familie des Operettenkomponisten Jacques Offenbach  

Nach den Angaben bei Arnsberg S. 99: Aus Bürgel stammte der Kantor Isaac Eberst (auch Juda Eberscht genannt; Vorfahren aus der Rhön oder aus Eberstadt), der hier 1779 geboren ist. Er heiratete ein Mädchen aus der Bürgeler jüdischen Familie Schlesinger. Eberscht nahm später den Namen Offenbach an; sein Sohn Jacques Offenbach wurde 1819 in Köln geboren; er war der Vetter der damaligen Inhaber des Café Schlesinger (ehemals Ecke Schifferstraße/Mainstraße)  

    
Siegmund Grünebaum wird in den Gemeinderat gewählt (1890)  

Buergel Israelit 18091890.jpg (69090 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 18. September 1890: "Bürgel (Großherzogtum Hessen), 10. September (1890). Dass trotz dem Versuche, den Antisemitismus durch Hetzblätter hier einzuführen, dies nicht gelingen wird, beweist das Resultat der gestrigen hier stattgehabten Ergänzungswahl des Gemeinderats. Unser Glaubensgenosse Herr Siegmund Grünebaum, Metzger, wurde mit großer Majorität gewählt. Derselbe erhielt von den vier Gewählten die meisten, nämlich 223 Stimmen. Es ist dies umso mehr anzuerkennen, da hier nur 30 stimmberechtigte Israeliten wohnen, die übrigen Wähler sind katholisch und protestantisch. Gustav Katz."  

    
Zum Tod von Gabriel Rosenberg (1891)    

Buergel Israelit 06071891.jpg (22845 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 6. Juli 1891: "Bürgel, 24. Juni (1891). Dieser Tage starb hier im Alter von 94 Jahren Herr Gabriel Rosenberg. Er war der älteste Mann in unserer Gemeinde und noch bis vor einigen Monaten so rüstig, dass er täglich nach Frankfurt ging und sein Trödlergeschäft versah."   

         
          

Kennkarte aus der NS-Zeit            
               
Am 23. Juli 1938 wurde durch den Reichsminister des Innern für bestimmte Gruppen von Staatsangehörigen des Deutschen Reiches die Kennkartenpflicht eingeführt. Die Kennkarten jüdischer Personen waren mit einem großen Buchstaben "J" gekennzeichnet. Wer als "jüdisch" galt, hatte das Reichsgesetzblatt vom 14. November 1935 ("Erste Verordnung zum Reichsbürgergesetz") bestimmt. 
Hinweis: für die nachfolgenden Kennkarten ist die Quelle: Zentralarchiv zur Erforschung der Geschichte der Juden in Deutschland: Bestände: Personenstandsregister: Archivaliensammlung Frankfurt: Abteilung IV: Kennkarten, Mainz 1939" http://www.uni-heidelberg.de/institute/sonst/aj/STANDREG/FFM1/117-152.htm. Anfragen bitte gegebenenfalls an zentralarchiv@uni-hd.de       
 
 Kennkarte des in Bürgel 
geborenen Alfred Rosenberg
 
 Buergel KK MZ Rosenberg Alfred.jpg (104230 Byte)    
   Kennkarte (Offenbach am Main) für Alfred Rosenberg (geb. 12. Juni 1864 in Bürgel), 
war erblindet; lebte seit 4. April 1939 in Mainz; am 19. September 1942 laut Kennkarteneintrag
 verzogen: "unbekannt wohin". Nach dem Gedenkbuch des Bundesarchivs ist Alfred Rosenberg am 12 Juni 1863 
in Offenbach geboren; er wurde am 27. September 1942 in das Ghetto Theresienstadt deportiert, wo er 
am 10. Februar 1943 umgekommen ist.   
   

      
      
   
  
Zur Geschichte der Synagoge       
      
Zunächst war ein Betraum vorhanden, der sich in einer Stube im Torturm (Falltor) der Ortsbefestigung befand.  
      
1824 wurde eine Synagoge an der heutigen Bürgerstraße (damals Zugang von der Borngasse, seit 1908 Schifferstraße) erbaut und eingeweiht. 1856 wurde das Gebäude renoviert. Auch nach der Eingemeindung Bürgels nach Offenbach fanden in der Bürgeler Synagoge Gottesdienste statt. Im Sommer 1924 konnte das 100-jährige Bestehen der Synagoge gefeiert werden. Die Synagoge hatte zuletzt 66 Plätze für Männer und 38 für Frauen. 
    
100-jähriges Bestehen der Synagoge (1924)       

Artikel in der "CV-Zeitung" vom 21. August 1924: "Anlässlich der Feier des hundertjährigen Bestehens der Synagoge in Bürgel, einem Stadtteil der Stadt Offenbach, hielten nach der Festpredigt des Bezirksrabbiners Dr. Dienemann aus Offenbach in der Synagoge Vertreter der Stadt, der Schulbehörde, der Vorsteher der Gemeinde Offenbach, der katholische und der evangelische Ortsgeistliche warmempfundene Ansprachen, die das harmonische Verhältnis priesen, das stets dort zwischen Juden und Christen herrschte."   

    
Beim Novemberpogrom 1938 wurde die Inneneinrichtung der Synagoge zerstört. Das Gebäude wurde im Jahr 1939 zwangsweise verkauft. Den Kaufvertrag unterzeichneten der Kaufmann Leo Grünebaum und der Metzgermeister Salomon Reiß. 1943 wurde das Synagogengebäude durch eine Luftmine schwer beschädigt. Nach 1945 wurde das Gebäude zu einem privaten Wohnhaus umgebaut. 
   
Die "Truman-Menora": Ursprünglich aus der Synagoge der Gemeinde stammt eine 1767 von dem damals in Bürgel lebenden jüdischen Ehepaar Leiser Wimpfe und Breinle Wimpfe der Gemeinde gestiftete Menora (siebenarmiger Leuchter). Sie ist aus Kupfer hergestellt und sehr kunstvoll gearbeitet. 1913 wurde sie von Dr. Siegfried Guggenheim (Offenbach, später Flushing, New York) erworben und in Amerika dem Jewish Museum in New York zur Verfügung gestellt. Dort erwarb sie David Ben Gurion, als er anlässlich seines Staatsbesuches in den USA ein geeignetes Geschenk für Präsident Truman suchte und ihm die Menorah am 8. Mai 1951 überreichte.     
    
    
Adresse/Standort der Synagoge        Bürgerstraße 15  
(Hinweis: der Zugang zur Synagoge war früher von der Borngasse aus, die seit 1908 Schifferstraße heißt; genauer war der Zugang über einen schmalen Weg über das heutige Grundstück Schifferstraße 14; auf Grund des Zugangs war der Synagoge früher möglicherweise die Adresse Schifferstraße 12 zugeordnet. Die Bürgerstraße war die ehemalige Klickergasse, später Löwengasse)    
    
    
Fotos
(Quelle: sw-Fotos um 1970 aus Arnsberg Bilder s. Lit.  S. 30, sw-Foto April 1987 aus Altaras s. Lit. 1988 S. 366; die beiden Farbfotos von 2003 aus einer Seite der Website der Max Dienemann / Salomon Formstecher Gesellschaft e.V.

Das Gebäude der ehemaligen Synagoge nach 1945  

Buergel Synagoge 190.jpg (49122 Byte) Buergel Synagoge 191.jpg (74263 Byte) Buergel Synagoge 180.jpg (32175 Byte)
Erhaltenes Rundbogenfenster der 
ehemaligen Synagoge (um 1970)  
Das Gebäude der ehemaligen Synagoge 
(April 1987)  
Das Gebäude der ehemaligen Synagoge 
(links; Foto von 2003)  
         
   
  Quelle: wikimedia commons, Artikel https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Kulturdenkmäler_in_Offenbach-Bürgel    
     

Rekonstruktionen der ehemaligen Synagoge (erstellt von Dominik Mangelmann) 

 
Buergel Synagoge R010.jpg (74211 Byte) Buergel Synagoge R011.jpg (82873 Byte) Buergel Synagoge R012.jpg (74193 Byte)
Blick von Südwesten, 
d.h. von der Bürgerstraße 
Blick von Südosten; der Bereich rechts
 zwischen dem Haus im Hintergrund 
und der  Mauer war der alte  Zugang von 
der Borngasse (heute Schifferstraße)
Grundriss der Synagoge; die Bürgerstraße 
ist unten auf dem Plan eingetragen  
     
     

Standort des ehemaligen Café Schlesinger "am Maingarten" - Ecke Schifferstraße 

   
Buergel Ort 190.jpg (61533 Byte) Buergel Ort 180.jpg (28991 Byte)  
Das Café, in dem auch der Komponist Jacques Offenbach - ein Vetter des damaligen Inhabers verkehrte, bestand bis nach dem Ersten Weltkrieg. Das Foto rechts zeigt das Grundstück nach der Neubebauung mit einem Wohnhaus.   
     
     
Die "Truman Menorah"     
Buergel Synagoge 192.jpg (60381 Byte) Buergel Synagoge 193.jpg (62099 Byte) Buergel Synagoge 194.jpg (24521 Byte)
1767 wurde die Menora durch das Ehepaar Leiser Wimpfe der Gemeinde Bürgel
 beziehungsweise für die Synagoge gestiftet. Seit 1913 war sie im Besitz von 
Dr. Siegfried Guggenheim (Offenbach), der die Menorah später dem Jewish Museum 
in New York zur Verfügung stellte. Anlässlich eines Besuches von David Ben Gurion 
in den USA erwarb dieser die Menorah, um sie am 8. Mai 1951 dem amerikanischen
 Präsidenten Harry S. Truman zum Geschenk zu machen (Foto rechts zeigt von links: 
Harry S. Truman, David Ben Gurion, Abba Eban). 
Fotos der Menora und der Übergabe aus einer Seite der trumanlibrary.org  
Weitere Seite
  Foto der Menora mit Möglichkeit der Vergrößerung zur Ansicht von Details 
Oben: Präsident George W. Bush bei 
einem Empfang zum Chanukka-Fest im
 Dezember 2008, bei dem die Menora 
aus Bürgel präsentiert und die erste Kerze
 durch Prof. Yariv Ben-Eliezer, einen 
Enkel von David Ben Gurion entzündet wurde.
Bericht und Foto in ynetnews.com  
Film mit der Präsidentenrede  
  
      

    
   
 
Erinnerungsarbeit vor Ort - einzelne Berichte       

August 2015: Schwierigkeiten bei der Anbringung einer Gedenktafel am Haus der ehemaligen Synagoge       
Artikel von Martin Kuhn in der "Offenbach Post" vom 6. August 2015: "Unsägliche Geschichte. Hinweis soll an ehemalige Bürgeler Synagoge erinnern
Bürgel
- Den politischen Akteuren selbst ist das jeweilige Unverständnis der Gegenseite unerklärlich. Alle anderen werten die Diskussion wohl als übliches politisches Gezänk. Wenn überhaupt. Also nichts Dramatisches.
Und die Sache selbst – in diesem Fall die ehemalige Bürgeler Synagoge – ist dem größten Teil der Bürger bestenfalls unbekannt. Um was geht’s? Ziel ist die Bewahrung eines kleinen Teils der Ortsgeschichte, ein Hinweis auf die ehemalige Synagoge in Bürgel, die im alten Ortskern steht, aber als Gotteshaus nicht mehr ohne weiteres zu erkennen ist. Die Frage, wie das zu ändern wäre, ist Grundlage eines längeren politischen Disputs in der jüngsten Parlamentssitzung. Das Ergebnis überrascht niemanden: Die Koalition setzt sich durch, die Opposition bleibt zerknirscht zurück. Was vor der Sommerpause mehrheitlich auf den Weg gebracht ist, hat zunächst wenig Tiefgang: 'Der Magistrat wird beauftragt, zu prüfen und zu berichten, ob und in welcher Form (beispielsweise eine Gedenkplatte am Haus, im Boden vor dem Haus oder eine Stele in unmittelbarer Nähe des Hauses) am Ort der ehemaligen Bürgeler Synagoge ein Hinweis zu deren Gedenken angebracht werden kann. Der Eigentümer des Hauses ist in die Prüfung einzubeziehen.' Alles andere wird leicht unübersichtlich. Fakt ist, dass der Verein Pro Bürgel, bei dem bekanntlich CDU-Stadtverordneter Michael Maier den Vorsitz führt, schon 2006 mit der jüdischen Gemeinde einen entsprechenden Text formuliert hat. Falls einmal eine Sanierung ansteht, wollte man den Besitzer bitten, 'dies anbringen zu dürfen'. Die Union sieht diesen behutsamen Weg durch den Beschluss konterkariert. Mehr noch: Stadtverordneter Dominik Mangelmann fürchtet, dass der Bauherr aufgrund von Konflikte mit der Bauaufsicht 'nicht bereit ist, der Stadt ohne ein Entgegenkommen, welcher Form auch immer, einen Gefallen zu tun'.
Hintergrund für seine Vermutung: Bei einer (Teil-)Sanierung habe es für den heutigen Eigentümer 'keine wirkliche Betreuung' seitens der Verwaltung gegeben. Für den Bau-Ingenieur ein Unding, da er die ehemalige Synagoge von der Originalsubstanz als 'wohl eine der am besten erhaltenen in der weiteren Umgebung' einschätzt. Um ihn wieder ins Boot zu holen, wollte die CDU eine öffentliche Teilförderung für die Außensanierung des zweigeschossigen Hauses erreichen – vergebens. In der Offenbacher Denkmalmal-Topografie ist die Geschichte hinterlegt: '1824 wurde die Bürgeler Synagoge mit 66 Männer- und 38 Frauenplätzen errichtet. 1856 Renovierung. Zerstörung der Inneneinrichtung in der Pogromnacht 1938. Das Gebäude wurde an einen Lederwarenfabrikanten verkauft und als Lagerraum genutzt (...) 1943 Kriegsschäden am Gebäude und nach 1945 Umbau zu einem Wohnhaus.' Äußerliche Besonderheit: Reste der einstigen Fenstereinteilung mit rundbogigen Gewänden an der Westseite. Was Mangelmann besonders aufbringt: Als das Haus jahrelang zum Verkauf stand, habe die Stadt nicht reagiert.
Die ganze Kritik kann SPD-Parlamentarier Bruno Persichilli nicht nachvollziehen: 'Unser Antrag ist völlig offen formuliert und lässt verschiedenste Möglichkeiten zu: Plakette, Stolperstein, Stele...' Der Antrag sei notwendig, da in der Sache selbst seit Längerem nichts mehr passiert sei, nachdem ein erster Antrag von 2014 noch zurückgestellt worden war: 'Und 77 Jahre nach der der Schändung der Synagogen durch die nationalsozialistische Gewaltherrschaft wird es wirklich Zeit, auf die Bedeutung der jüdischen Gemeinde in Bürgel hinzuweisen.' Das Angebot, mit einem Arbeitskreis der Koalition einen interfraktionellen Antrag zu ermöglichen, sei von der CDU nie beantwortet worden. 'Auch die Offerte, den CDU-Antrag als Ergänzungsantrag mitzunehmen, wurde abgelehnt', so Persichilli. Ihm ist unklar, welche Motive die Union bewogen haben, 'auf einem eigenen Antrag zu bestehen'."  
Link zum Artikel   

    
  
  

     
Links und Literatur

Links:    

bulletWebsite der Stadt Offenbach am Main      
bulletWebsite des Vereins "Pro Bürgel"   mit Seite zur Geschichte des Ortes 
bulletWebsite des Max Dienemann / Salomon-Formstecher Gesellschaft e.V. Offenbach   
bulletBericht über einen Historischen Stadtrundgang unter Leitung des (ehem.) Stadtarchivars Hans-Georg Ruppel (mit den obigen Fotos)  

Quellen

Hinweis auf online einsehbare Familienregister der jüdischen Gemeinde Bürgel  
In der Website des Hessischen Hauptstaatsarchivs (innerhalb Arcinsys Hessen) sind die erhaltenen Familienregister aus hessischen jüdischen Gemeinden einsehbar: 
Link zur Übersicht (nach Ortsalphabet) https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/llist?nodeid=g186590&page=1&reload=true&sorting=41              
Zu Bürgel sind vorhanden (auf der jeweiligen Unterseite zur Einsichtnahme weiter über "Digitalisate anzeigen"):    
HHStAW 365,102   Trauregister der Juden von Bürgel  1835 - 1875    https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/detailAction?detailid=v5494581     
HHStAW 365,103   Sterberegister der Juden von Bürgel   1835 - 1875   https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/detailAction?detailid=v1510946    
HHStAW 365,101   Geburtsregister der Juden von Bürgel  1835 - 1875   https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/detailAction?detailid=v2379126                 
HHStAW 365,104   Beerdigungen von Juden auf dem neuen jüdischen Friedhof in Bürgel  1840 - 1874, enthält Listen mit den Namen der Teilnehmer an der jeweiligen Beerdigung (zum Teil auf Hebräisch) 
 https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/detailAction?detailid=v2573913     

Literatur:  

bulletPaul Arnsberg: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang - Untergang - Neubeginn. 1971. Bd. I S. 98-101. 
bulletders.: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Bilder - Dokumente. S. 30.  
bulletThea Altaras: Synagogen in Hessen. Was geschah seit 1945? 1988 S. 176.  
bulletdies.: Das jüdische Rituelle Tauchbad und: Synagogen in Hessen. Was geschah seit 1945 Teil II. 1994. S. 144 (keine weiteren Informationen). 
bulletdies.: Neubearbeitung der beiden Bände. 2007² S. 366.   
bulletStudienkreis Deutscher Widerstand (Hg.): Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der Verfolgung 1933-1945. Hessen I Regierungsbezirk Darmstadt. 1995 S. 265.   
bulletPinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany Volume III: Hesse -  Hesse-Nassau - Frankfurt. Hg. von Yad Vashem 1992 (hebräisch) S. 106-107.
bulletZu dem oben genannten Rabbi Moses von Bürgel (R. Mose ben Jisai Josef Bürgel), der 1575 in Bürgel geboren sein soll und nach 20-jährigem Wirken in Friedberg am 5. Oktober 1643 gestorben ist,
siehe Marion Davies: The Bier Family from Deutz - A History. 2023. Online eingestellt (230 S.) Section 8 S. 37-41.       

   
    


 

Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the Holocaust". 
First published in 2001 by NEW YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad Vashem Jerusalem, Israel.

Buergel  Hesse. Numbering 233 (26,7 % of the total) in 1828, the community grew to 304 (21 %) in 1861. Isaac Eberst, father of the composer Jacques Offenbach, once served there as cantor (hazzan). Around 1860, the synagogue adopted a Reform style of worship (with organ and choir). On Kristallnacht (9-10 November 1938), Nazis destroyed the synagogue's interior and by 1939 most of the remaining 60 Jews had left. In 1952, a bronze menorah donated to the synagogue in 1767 was given to U.S. President Harry S. Truman by Israel's Prime Minister David Ben-Gurion.  
    
      

                   
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Stand: 30. Juni 2020