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Griedel (Stadt
Butzbach, Wetteraukreis)
Jüdische Geschichte / Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english
version)
In Griedel bestand eine jüdische
Gemeinde bis 1938. Ihre Entstehung geht in die Zeit des 17./18. Jahrhunderts zurück.
Jedoch lebten bereits im 16. Jahrhundert Juden am Ort (1540er-Jahre Familie des
Josef aus Allendorf an der Lumda in Griedel,
1596 jüdische Einwohner genannt). Nach dem Dreißigjährigen Krieg ließ sich
eine jüdische Familie in Friedberg nieder, die sich nach ihrem Herkunftsort
Grödel (Dialekt = Griedel) nannte. einer Linie der Grödels entstammten
die später in Österreich-Ungarn geadelten Holzhändler und Großgrundbesitzer
(in Ungarn und Rumänien), einer anderen (Eisenhändler Grödel) die Badeärzte
Grödel in Bad Nauheim.
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner wie
folgt: 1828 37 jüdische Einwohner, 1861 70 (8,3 % von insgesamt 843
Einwohnern), 1880 61 (7,4 % von 826), 1900 37 (4,5 % von 825), 1910 39 (4,6 %
von 852).
An Einrichtungen bestanden eine Synagoge (s.u.), eine jüdische Schule
(Religionsschule), ein rituelles Bad (im Hof des Anwesens Brudergasse 15, siehe
Fotos unten) und ein Friedhof. Zur Besorgung religiöser
Aufgaben der Gemeinde war im 19. Jahrhundert vermutlich zeitweise ein jüdischer
Lehrer angestellt. Als die Zahl der jüdischen Gemeindeglieder zurückging, wurde der Unterricht durch
einen auswärtigen Lehrer erteilt,
der Vorbeterdienst ehrenamtlich durch Gemeindeglieder. 1894 besuchten die
jüdischen Kinder den Religionsunterricht in
Nieder-Weisel (Statistisches Jahrbuch des Deutsch-Israelitischen
Gemeindebundes 1894 S. 77). 1901 erteilte den Religionsunterricht für die
damals sechs jüdischen Kinder in Griedel Lehrer E. Spier aus
Butzbach (Statistisches Jahrbuch des
Deutsch-Israelitischen Gemeindebundes 1901 S. 126).
1901, als zur Gemeinde noch 40 Personen (in neun Haushaltungen; 1897 36 Personen
in acht Haushaltungen) gehörten, waren die Gemeindevorsteher L. Krämer (bereits
1897 als Gemeindevorsteher genannt), B. Bär und M. Bendheim.
Die Gemeinde gehörte zum
orthodoxen (Angabe von 1924) oder zum liberalen (Angabe von 1932) Provinzialrabbinat Oberhessen mit Sitz in Gießen.
Im Ersten Weltkrieg waren neun jüdische Männer Frontsoldaten; von
ihnen ist keiner gefallen. Jedoch fiel der aus Griedel stammende Sally Bär (geb.
10.9.1886 in Griedel, vor 1914 in Bad Nauheim wohnhaft, gef.
28.8.1914). Musketier Meier Bär, Sohn des Viehhändlers Adolf Bär, eingesetzt im
Reserve-Infanterieregiment 119, wurde mit dem Eisernen Kreuz II ausgezeichnet.
David Stern, Sohn des Hermann Stern, wurde mit der Hessischen
Tapferkeitsmedaille und dem Eisernen Kreuz II ausgezeichnet.
Um 1924, als zur Gemeinde 29 Personen gehörten (3,1 % von insgesamt 937
Einwohnern), waren die Gemeindevorsteher Adolf Baer, Hirsch Baer und Hermann
Bendheimer. Als ehrenamtlicher Vorbeter war Adolf Baer tätig. Damals gab es nur
ein schulpflichtiges jüdisches Kind in der Gemeinde, das den
Religionsunterricht durch Lehrer Moritz Fuld aus Butzbach
erhielt. 1932 waren die Gemeindevorsteher Louis Heß (1. Vors.), Hirsch Bär (2.
Vors.) und Herrmann Bendheim (3. Vors.). Weiterhin war zuständiger Lehrer Moritz Fuld aus Butzbach.
Im Schuljahr 1931/32 hatte er zwei Kinder in Griedel zu unterrichten.
Um 1920 war Adolf Bär für etwa fünf Jahre in der Gemeindeversammlung. Um
1930 waren die jüdischen Haushaltsvorstände als Metzger, Kaufleute und
Viehhändler tätig, die in einfachen Verhältnissen lebten.
1933 lebten noch 28 jüdische Personen in Griedel (in sechs Familien;
3,0 % von insgesamt 933 Einwohnern). In
den folgenden Jahren sind alle von ihnen auf Grund der Folgen des wirtschaftlichen Boykotts,
der zunehmenden Entrechtung und der
Repressalien weggezogen beziehungsweise ausgewandert. Der letzte jüdische
Gemeindevorsteher war nach 1933 Louis Stern. Beim Novemberpogrom 1938
wurde die Synagoge durch SA-Leute angezündet (s.u.). 1939 lebten noch acht
jüdische Personen am Ort. Bis Mai 1940 hatten alle jüdischen Einwohner Griedel
verlassen.
Von den in Griedel geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Karoline Bär geb.
Löwenberg (1873), Margot Bär (1920), Frieda Heß geb. Krämer (1873), Gertrud
Isenberg geb. Bär (1912), Blanka Kugelmann geb. Bär (1896), Marion (Malwine)
Kugelmann (1927), Alexine Erika Laubinger (1931), Minni Levy geb. Bendheim
(1903), Karoline Mannheim geb. Bendheim (1902), Bertha Nußbaum geb. Bär
(1878), Hedwig Oppenheimer geb. Bär (1902), Ernst David Stern (1920), Marta
Stern geb. Bär (1894), Paula Stern geb. Simon (1884).
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus dem jüdischen Gemeindeleben
Spendenaufruf für eine arme Witwe und ihre Kinder
(1877)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 3. Oktober 1877:
"Bitte!
Gestern wurden die irdischen Überreste des 28 Jahre alten Lazarus
Maier zu Griedel dem Schoße der Erde übergeben. Es weinen um den
Verstorbenen Gattin und zwei unmündige Kindlein, die in den dürftigsten Verhältnissen
bang und ahnungsschwer der Zukunft entgegensehen.
Ich erachte es als Pflicht, mich an wohltätige Glaubensgenossen mit der
Bitte zu wenden, durch Zuführung milder Spenden der Not der
Unglücklichen zu steuern. Zur Entgegennahme von Gaben erklären sich der
Vorstand der israelitischen Gemeinde zu Griedel, Herr David Bär,
sowie der Unterzeichnete gerne bereit. Quittung wird in diesem
geschätzten Blatte erfolgen.
Bad Nauheim, den 20. September 1877. J. Spiro,
Lehrer". |
Kurzer Hinweis auf die jüdische Gemeinde
(1936)
Aus dem "Frankfurter Israelitischen Gemeindeblatt" vom Oktober
1936 S. 28 - zwischen den Gemeindebeschreibungen zu
Butzbach und
Münzenberg: "Wir folgen vom Bahnhof (sc. Butzbach) aus dem blauen
Strich nach Osten, nach Griedel - nur noch kleine Judensiedlung, schon
1596 genannt, mit stattlicher alter Synagoge - und sind nach 2 1/2 Stunden
schönen Wegs in Münzenberg." |
Zur Geschichte der Synagoge
Zunächst war ein Betraum oder eine erste Synagoge
vorhanden.
Mitte des 19. Jahrhunderts wurde eine (neue) Synagoge geplant, da die Zahl der
jüdischen Einwohner zugenommen hatte. Nach 1860 wurde mit dem Bau begonnen. Im Februar
1866 konnte die Synagoge in Anwesenheit von Rabbiner Levi aus Gießen
feierlich eingeweiht werden. Die Baukosten betrugen etwa 2.300 Gulden, die
teilweise durch Spenden (etwa 1.000 Gulden), teilweise durch die Aufnahme von Krediten
aufgebracht wurden. Bei der Synagoge handelte es sich um einen für den Ort
recht stattlichen Bau. Der verputzte Massivbau hatte zwei in einer Richtung
laufende Satteldächer, giebelseitig zum Kleinebach verlaufend. An der
Längsseite hatte es zwei hohe Rundbogenfenster, über dem Giebel befanden sich
steinerne Gebotstafeln.
Beim Novemberpogrom 1938 wurde die Synagoge durch SA-Leute in Brand gesteckt.
Die Inneneinrichtung und der Dachstuhl dadurch wurden zerstört. Das Gebäude
ist später eingestürzt (nach einer anderen Version bestand zumindest die
Gefahr des Einsturzes) und wurde in den 1950er-Jahren abgetragen. Auf dem Grundstück der
Synagoge wurde 1965 ein neues Feuerwehrhaus erstellt.
Am 22. Oktober 1992 wurde an der Südseite des Feuerwehrgerätehauses
eine Gedenktafel angebracht. Der Text lautet: "Hier stand die
Synagoge der Jüdischen Gemeinde Griedel, erbaut 1865 und zerstört am 10.
November 1938 - unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft. Diese Tafel
soll uns an unsere verfolgten jüdischen Mitbürger erinnern und uns zur
Menschlichkeit ermahnen".
Adresse/Standort der Synagoge: Am
Angerberg; Bruderstraße
bzw. Kleinbachstraße 8 (Eckhaus beziehungsweise Vorder- und Rückseite)
Fotos
(Quelle: sw-Foto dritte Foto-Zeile aus Altaras s. Lit. 1988 S. 187
[Quelle: Werner Wagner]; Fotos der Mikwe ebd. S. 12)
Historische
Ansichtskarte mit der Synagoge
(Quelle: Sammlung Hahn) |
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Die Synagoge in
Griebel ("Kleinebach mit Synagoge") auf der Historischen
Ansichtskarte;
auf der Karte findet sich eine Unterschrift von Sophie
Stern |
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Das
zerstörte Synagogengebäude nach 1945
(Quelle: Stadtarchiv Butzbach) |
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Blick auf
das Synagogengebäude 1949/50 |
Das
Synagogengebäude 1953 |
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Blick auf das
Grundstück der
ehemaligen Synagoge im November 1984 |
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Dieselbe Blickrichtung wie
auf dem
historischen Foto (Ausschnittvergrößerung)
oben; das Haus links ist
noch dasselbe Gebäude |
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Die Gedenktafel
für die Synagoge
am Feuerwehrhaus
(Quelle: Stadtarchiv Butzbach) |
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Text
der Tafel: "Hier stand die Synagoge der Jüdischen Gemeinde Griedel, erbaut
1865, zerstört am 10. November 1938 unter der Nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft. Diese Tafel soll uns an unsere verfolgten jüdischen
Mitbürger erinnern und uns zur Menschlichkeit ermahnen." |
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Die
1984 "entdeckte" Mikwe im Hof des Anwesens Brudergasse 15 |
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Blick
auf das Badehaus mit dem Abgang zu dem gewölbten Keller aus
Bruchsteinwerk,
in dem vermutliche Ende des 19. Jahrhunderts das Bad
eingerichtet wurde;
es blieb bis etwa 1920 in Benutzung. |
Im Gewölbekeller
des Badehauses: rechts
das Tauchbecken; in der Wandnische
(Bildmitte oben)
wurde wahrscheinlich
eine Lampe abgestellt. |
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Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Paul Arnsberg: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang -
Untergang - Neubeginn. 1971. Bd. I S. 278-279. |
| Zur Geschichte der Griedeler Judengemeinde. In: 25 Jahre
Musikverein Griedel. 1982. |
| Werner Wagner: Unbekanntes Judenbad in Griedel
entdeckt. In: Butzbacher Geschichtsblätter. Nr. 13. 1984 S.
58-59. |
| ders.: Zur Geschichte der Griedeler Juden. In: Butzbacher
Geschichtsblätter Nr. 47. 1988 S. 197-200. |
| ders.: Schutzbrief für den Griedeler Juden Meyer. In:
Butzbacher Geschichtsblätter Nr. 71. 1991 S. 90-91. |
| ders.: Griedeler Synagoge. In: Butzbacher
Geschichtsblätter Nr. 80. 1992 S. 125-128. |
| ders.: Die Familie Groedel aus Griedel. In: Butzbacher
Geschichtsblätter Nr. 107. 1995. S. 35-36. |
| Thea Altaras: Synagogen in Hessen. Was geschah seit
1945? 1988 S. 12 (Mikwe). 187-188. |
| dies.: Das jüdische Rituelle Tauchbad und: Synagogen in
Hessen. Was geschah seit 1945 Teil II. 1994. S. 152-153. |
| dies.: Neubearbeitung der beiden Bände. 2007. S.
212-213. |
| Studienkreis Deutscher Widerstand (Hg.):
Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der
Verfolgung 1933-1945. Hessen I Regierungsbezirk Darmstadt. 1995 S.
317. |
| Pinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish
Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany Volume
III: Hesse - Hesse-Nassau - Frankfurt. Hg. von Yad Vashem 1992
(hebräisch) S. 144-145. |
Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Griedel
Hesse. First mentioned in 1596, the community numbered 70 (8 % of the total) in
1861, dwindling to 28 in 1933. Local support for the Nazis grew and most of the
Jews left before Kristallnacht (9-10 November 1938), when their synagogue
was destroyed. By May 1940 none remained.
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