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zu den Synagogen in
Baden-Württemberg
Heidenheim an
der Brenz (Kreisstadt)
Jüdische Geschichte
Übersicht:
Hinweis: zur jüdischen Geschichte im mittelfränkischen
Heidenheim (Markt Heidenheim, Kreis Weißenburg-Gunzenhausen) siehe
weitere Seite
Zur jüdischen
Geschichte in Heidenheim
In Heidenheim gab es vermutlich zu keiner Zeit eine jüdische
Gemeinde.
Im Mittelalter könnte es in der Zeit vor den Pestpogromen Mitte des 14.
Jahrhunderts eine jüdische Gemeinde gegeben haben. Allerdings ist der einzige
Hinweis hierzu, dass ein Pentateuch von einem Jehuda ben Eleasar für einen
Baruch ben Eljakim ha-Lewi von Heidenheim geschrieben und am 3. Kislew 5102 (13.
November 1341) beendet wurde.
Im 17. Jahrhundert spielten Juden im Wirtschaftsleben Heidenheims nach
Quellen aus der Zeit nach dem Dreißigjährigen Krieg zeitweise eine große Rolle.
Es wird sich jedoch um auswärtige Juden gehandelt haben (u.a. Neresheim).
Im 18. Jahrhundert wird am 16. Mai 1776 in Heidenheim von der Taufe des
Juden David Laupheimer von Ichenhausen berichtet. Er nannte sich nach der Taufe
Johann Carl Christian und war nach seiner Taufe in einer Heidenheimer Brauerei
tätig.
Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts ließen sich jüdische Personen in Heidenheim
nieder, nachdem bereits um 1800 einige jüdische Facharbeiter aus Frankreich in
die Fabrik Meebold gekommen waren.
Die Zahl der jüdischen Einwohner entwickelte sich wie
folgt: 1867/71 je 1 jüdischer Einwohner, 1875 3, 1880 4, 1885 3, 1890 1, 1895 3,
1900 6, 1905 9, 1910 19, 1925 27, 1933 24 jüdische Einwohner.
Die jüdischen Einwohner Heidenheims gehörten der Synagogengemeinde in
Ulm an.
In der Schmelzofenvorstadt bestand bis 1967 die Württembergische
Cattunmanufaktur Heidenheim AG. Mitbegründer und Hauptaktionär war seit 1871
Kommerzienrat Hermann Rothschild (Stuttgart). In der Firma waren auch jüdische
Prokuristen beschäftigt. Nach 1900 gab es keine jüdische Beteiligung mehr an der
Firma.
An ehemaligen, bis nach 1933 bestehenden jüdischen Gewerbebetrieben sind
bekannt: Modewaren Fa. Frank & Klau (Eugen-Jaekle-Platz, Karlstr. 2; frühere
Gastwirtschaft "Drei Hasen"),
Optikergeschäft Hugo Jontofsohn (Wilhelmstr. 23), Textilwarengeschäft Arthur
Metzger (Hauptstr. 36), Fa. Storch & Cie., Inh. Siegmund Storch und Hermann Weil
(Hauptstr. 48, später Wilhelmstr. 1), Vieh- und Pferdehandlung Liebmann
Vollweiler (Wilhelmstr. 11), Farbenhandlung E. Weinberger, Inh. Leo Feldmann (Hauptstr.
61), Kaufhaus Wohlwert (Christianstr. 2).
Seit 1933 kam es auch in Heidenheim zu nationalsozialistischen (Boykott-)Maßnahmen
gegen die jüdischen Gewerbebetriebe. Durch die zunehmende Entrechtung und
Beschränkung der beruflichen und geschäftlichen Möglichkeiten sind die ersten
jüdischen Familien alsbald aus Heidenheim verzogen bzw. sind emigriert.
Von den in Heidenheim geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Hans Jontofsohn (1911),
Hugo Jontofsohn (1873), Rosalia Jontofsohn geb. Isaac (1887), Sophie Klau geb.
Frankenthaler (1888), Arthur Metzger (1887), Jenny Metzger geb. Ehrlich (1895),
Wilhelm Josef Metzger (1922).
Nach 1945 bestand in Heidenheim ein großes Lager für jüdische Displaced
Persons. Ein erstes Lager im April 1946 wurde in der ehemaligen
SS-Polizeischule eingerichtet ("Jewish Home"). Ein weiteres Lager entstand im
August 1947 in der Voith Siedlung. Im Lager gab es einen Kindergarten, eine
Volksschule und eine Berufsschule, dazu Talmud Tora Schule und eine koschere
Küche. An Vereinen wurde der Sport-/Fußballverein Makabi Heidenheim gegründet.
Im Lager lebten im Mai 1946 535, im September 2.465, im August 1947 2.424
Personen. Im Oktober 1948 waren es 2.090 Personen. Nach Gründung des Staates
Israel erfolgte ein rascher Wegzug der Displaced Personens. Im August 1949 wurde
das Lager geschlossen. Weitere Informationen unter
https://www.after-the-shoah.org/heidenheim-juedisches-dp-lager-jewish-dp-camp/
(mit Fotos).
Seit den 1990er-Jahren zogen in Heidenheim jüdische Personen/Familien zu,
die aus den früheren GUS-Staaten stammten. 2004 waren es etwa 50 Personen in
Heidenheim, die von der jüdischen Gemeinde in Ulm bzw. der Israelitischen
Religionsgemeinschaft in Stuttgart betreut wurden (als Filiale der IRGW).
Zeitweise war die Heidenheimer Gruppe sehr aktiv. Von der Stadt wurde um 2000
ein Versammlungsraum im Meeboldhaus zur Verfügung gestellt, der sporadisch
genützt wurde. Später wurden andere Räumlichkeiten genutzt. Auch in der
Öffentlichkeit war die Gruppe zeitweise präsent. So wurden 2003 das
Laubhüttenfest im Oktober und das Chanukka-Fest im Dezember in der
Georges-Levillain-Anlage beim Bahnhof gefeiert. In den folgenden Jahren ging die
Zahl der in Heidenheim lebenden jüdischen Personen wieder zurück, doch besteht
bis zur Gegenwart (2024) eine kleinere Gruppe jüdischer Personen, die von der
IRGW bzw. der Ulmer Gemeinde betreut wird.
Berichte
zur jüdischen Geschichte in Heidenheim
Die Firma Ch. Biedenbach in Heidenheim möchte Juden
boykottieren (1924)
Artikel in der "CV-Zeitung" (Zeitschrift des
"Central-Vereins") vom 21. Februar 1924: "Nach Offenbach.
Die Firma Ch. Biedenbach, Heidenheim a.d. Brenz, hat dem Vertreter
einer jüdischen Firma telefonisch erklärt, dass sie von Juden nichts
kaufe. Dieses Verhalten der Firma Biedenbach scheint uns eine
merkwürdige Nebenerscheinung der Stabilisierung zu sein. Während der
Inflation, als es keine Waren gab, hat sie sehr gern jüdische Lieferanten
mit Aufträgen bedacht. Herr Biedenbach hat sich, als er seine Erklärung
abgab, sicher außerordentlich deutschvölkisch
gefühlt." |
Verlobungsanzeige von Erna
Lichtstern und Hans Vollweiler (1936)
Anzeige
in der "Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom 15.
Oktober 1936:
"Statt Karten Erna Lichtstern - Hans Vollweiler.
Verlobte.
München, Lessingstraße 4 -
Heidenheim/Brenz. Oktober 1936". |
Weitere Dokumente
Geschäftspostkarte
von Hugo Jontofsohn,
Optische Goldwarenfabrik (1927)
(aus der Sammlung von Peter
Karl Müller,
Kirchheim/Ries) |
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Die Geschäfts-Postkarte von der
Firma Hugo Jontofsohn, Optische Goldwarenfabrik – Schwäbisch Gmünd wurde am
14. Dezember 1927 nach Freudenstadt versandt.
Hugo Jontofsohn wurde 1873 in Löbau geboren. Ab 1905 wohnte er in Schwäbisch
Gmünd. Von Beruf Optiker betrieb er in Schwäbisch Gmünd eine Fabrik für
optische Goldwaren (1905-1929). Nach dem Konkurs des Geschäfts ließ er sich
in Heidenheim an der Brenz nieder. Dort betrieb er mit seinem älteren Sohn
Hans ein Optikergeschäft. Der jüngere Sohn Fritz, 1920 in
Schwäbisch Gmünd
geboren, besuchte ab 1931 das Heidenheimer Realgymnasium und nach Trennung
der Eltern 1933 die
Wilhelmspflege Esslingen von 1933-1935. Er wurde von November 1938 –
März 1939 in Dachau inhaftiert und dort schwer misshandelt. Nachdem Tod
seiner Mutter emigrierte Fritz Jontofsohn nach England. Hans Jontofsohn,
geboren 1911 und seit 1929 in Heidenheim an der Brenz wurde am 1. Dezember 1941
von Stuttgart aus nach Riga deportiert und dort ermordet. Die Eltern Hugo
und Rosalie Jontofsohn waren mit dabei im Transport von Stuttgart nach
Theresienstadt am 22. August 1942. Am 29. September wurden sie im
Vernichtungslager Treblinka ermordet.
Quellen: Ernst Lämmle – Die Gmünder Juden – Wege und Schicksale 1861 –
1945.
Ortrud Seidel – Mut zur Erinnerung – Geschichte der Gmünder Juden.
https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_im_Landkreis_Heidenheim.
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Fotos
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Boykott
jüdischer Geschäfte 1933
(Quelle: Stadtarchiv Heidenheim) |
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Boykott des Schuhhauses
Storch & Comp.
in der Wilhelmstraße 1; Inhaber Sigmund Storch
starb Anfang 1938 in Heidenheim |
Boykott des
Modewarengeschäftes Frank & Klau
in der Karlstraße 2
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Stolpersteine in
Heidenheim
(Quelle: Wikimedia Commons) |
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Für Familie Metzger
Hauptstraße 36 |
Für Familie Jontofsohn
Am Jagdschlössle 31 |
Für Louis und Sofie Klau
Karlstraße 2 |
Erinnerungsarbeit vor
Ort - einzelne Berichte
Hinweis: In der Nähe des Rathauses erinnert seit 1985 eine Gedenktafel mit
dem Text: "Die Stadt Heidenheim gedenkt ihrer Bürger, die unter der
nationalsozialistischen Gewaltherrschaft 1933-1945 ihr Leben lassen mussten."
2006 wurden die ersten sog. "Stolpersteine" in Heidenheim verlegt, 2013 und 2024
folgten weitere:
März 2024:
In Heidenheim werden weitere
Stolpersteine verlegt, darunter zwei für das jüdische Ehepaar Vollweiler
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Aus einem Bericht von Michael Brendel in der
"Heidenheimer Zeitung" vom März 2024: "Erinnerung an Opfer des
Nationalsozialismus. Wo es jetzt in Heidenheim weitere Stolpersteine gibt
In Heidenheim erinnern 17 Stolpersteine an Opfer des Nationalsozialismus.
Vier davon wurden am 15. März in der Innenstadt verlegt. Das sind die
genauen Stellen.
Frida Lanksweirt, Liebmann Vollweiler, Frida Vollweiler, Friederike Gatter.
Vier Namen, vier Schicksale. Den meisten bislang nicht bekannt. Unbeachtet.
Jetzt aber kann jeder buchstäblich darüber stolpern: Ihre wichtigsten
biografischen Daten sind ins Pflaster der Heidenheimer Innenstadt
eingelassen. Dauerhaft präsent. Unübersehbar.
Auf den ersten Blick ist das Wetter an diesem 15. März 2024 fast unverschämt
gut angesichts des ernsten Themas. Genau betrachtet können aber genau
deshalb gar nicht genug Sonnenstrahlen die Veranstaltung begleiten, die mehr
als 100 Interessierte zusammenbringt, unter ihnen viele Schüler. Immerhin
geht es um nichts weniger, als vier Menschen ihre Identität zurückzugeben.
Ihre Würde. Ein Erinnern ohne Ende...
Zwei Stolpersteine an der Wilhelmstraße. Zwei weitere Stolpersteine
befinden sich jetzt vor dem Gebäude Wilhelmstraße 11. Sie rufen dauerhaft
die Erinnerung wach an Frida und Liebmann Vollweiler. Zuvor Mitglieder einer
angesehenen jüdischen Familie, gerieten sie mehr und mehr ins Visier der
Machthaber, wurden ihrer Rechte und ihres Eigentums beraubt. Kurz vor Beginn
des Zweiten Weltkriegs flohen sie 1939 in die USA..."
Link zum Artikel
Artikel in der Website der Stadt
https://www.heidenheim.de/stolpersteine+mar+2024 |
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Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Germania Judaica II,1 S. 346. |
| Jakob Toury: Jüdische Textilunternehmer 1984 S.
77.189. |
| Wilhelm Schneider: Ein langer Weg zur Anerkennung als
Bürger. In: Heidenheimer Zeitung vom 24.12.1984. |
| Heiner Kleinschmidt/Jürgen Bohnert (Hrsg.):
Heidenheim zwischen Hakenkreuz und Heidenkopf. 1983 S. 79-105 (Abschnitt von
Gerhard Schweier: Die Heidenheimer Juden). |
| A. Königseder/J. Wetzel: Lebensmut im Wartesaal - Die
jüdischen DPs im Nachkriegsdeutschland. Frankfurt 1994 S. 249.
|
| Silja Kummer: Briefe aus Kolumbien (zu Familie
Metzger). In: Heidenheimer Zeitung vom 27. Dezember 2015.
Eingestellt als pdf-Datei.
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