Baisingen Friedhof 154.jpg (62551 Byte)  Segnende Hände der Kohanim auf einem Grabstein in Baisingen


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Heidenheim an der Brenz (Kreisstadt)
Jüdische Geschichte 

Übersicht:

bulletZur jüdischen Geschichte in Heidenheim  
bulletBerichte zur jüdischen Geschichte in Heidenheim   
bulletFotos / Darstellungen 
bulletLinks und Literatur   

Hinweis: zur jüdischen Geschichte im mittelfränkischen Heidenheim (Markt Heidenheim, Kreis Weißenburg-Gunzenhausen) siehe weitere Seite      
   
   
Zur jüdischen Geschichte in Heidenheim          
  
In Heidenheim gab es vermutlich zu keiner Zeit eine jüdische Gemeinde.
 
Im Mittelalter könnte es in der Zeit vor den Pestpogromen Mitte des 14. Jahrhunderts eine jüdische Gemeinde gegeben haben. Allerdings ist der einzige Hinweis hierzu, dass ein Pentateuch von einem Jehuda ben Eleasar für einen Baruch ben Eljakim ha-Lewi von Heidenheim geschrieben und am 3. Kislew 5102 (13. November 1341) beendet wurde.
 
Im 17. Jahrhundert spielten Juden im Wirtschaftsleben Heidenheims nach Quellen aus der Zeit nach dem Dreißigjährigen Krieg zeitweise eine große Rolle. Es wird sich jedoch um auswärtige Juden gehandelt haben (u.a. Neresheim).   
 
Im 18. Jahrhundert wird am 16. Mai 1776 in Heidenheim von der Taufe des Juden David Laupheimer von Ichenhausen berichtet. Er nannte sich nach der Taufe Johann Carl Christian und war nach seiner Taufe in einer Heidenheimer Brauerei tätig. 
 
Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts ließen sich jüdische Personen in Heidenheim nieder, nachdem bereits um 1800 einige jüdische Facharbeiter aus Frankreich in die Fabrik Meebold gekommen waren.
Die Zahl der jüdischen Einwohner entwickelte sich wie folgt: 1867/71 je 1 jüdischer Einwohner, 1875 3, 1880 4, 1885 3, 1890 1, 1895 3, 1900 6, 1905 9, 1910 19, 1925 27, 1933 24 jüdische Einwohner. 

Die jüdischen Einwohner Heidenheims gehörten der Synagogengemeinde in Ulm an.
 
In der Schmelzofenvorstadt bestand bis 1967 die Württembergische Cattunmanufaktur Heidenheim AG. Mitbegründer und Hauptaktionär war seit 1871 Kommerzienrat Hermann Rothschild (Stuttgart). In der Firma waren auch jüdische Prokuristen beschäftigt. Nach 1900 gab es keine jüdische Beteiligung mehr an der Firma. 
 
An ehemaligen, bis nach 1933 bestehenden jüdischen Gewerbebetrieben sind bekannt: Modewaren Fa. Frank & Klau (Eugen-Jaekle-Platz, Karlstr. 2; frühere Gastwirtschaft "Drei Hasen"), Optikergeschäft Hugo Jontofsohn (Wilhelmstr. 23), Textilwarengeschäft Arthur Metzger (Hauptstr. 36), Fa. Storch & Cie., Inh. Siegmund Storch und Hermann Weil (Hauptstr. 48, später Wilhelmstr. 1), Vieh- und Pferdehandlung Liebmann Vollweiler (Wilhelmstr. 11), Farbenhandlung E. Weinberger, Inh. Leo Feldmann (Hauptstr. 61), Kaufhaus Wohlwert (Christianstr. 2). 
 
Seit 1933 kam es auch in Heidenheim zu nationalsozialistischen (Boykott-)Maßnahmen gegen die jüdischen Gewerbebetriebe. Durch die zunehmende Entrechtung und Beschränkung der beruflichen und geschäftlichen Möglichkeiten sind die ersten jüdischen Familien alsbald aus Heidenheim verzogen bzw. sind emigriert.  
 
Von den in Heidenheim geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Hans Jontofsohn (1911), Hugo Jontofsohn (1873), Rosalia Jontofsohn geb. Isaac (1887), Sophie Klau geb. Frankenthaler (1888), Arthur Metzger (1887), Jenny Metzger geb. Ehrlich (1895), Wilhelm Josef Metzger (1922).   
  
Nach 1945 bestand in Heidenheim ein großes Lager für jüdische Displaced Persons. Ein erstes Lager im April 1946 wurde in der ehemaligen SS-Polizeischule eingerichtet ("Jewish Home"). Ein weiteres Lager entstand im August 1947 in der Voith Siedlung. Im Lager gab es einen Kindergarten, eine Volksschule und eine Berufsschule, dazu Talmud Tora Schule und eine koschere Küche. An Vereinen wurde der Sport-/Fußballverein Makabi Heidenheim gegründet. Im Lager lebten im Mai 1946 535, im September 2.465, im August 1947 2.424 Personen. Im Oktober 1948 waren es 2.090 Personen. Nach Gründung des Staates Israel erfolgte ein rascher Wegzug der Displaced Personens. Im August 1949 wurde das Lager geschlossen. Weitere Informationen unter https://www.after-the-shoah.org/heidenheim-juedisches-dp-lager-jewish-dp-camp/ (mit Fotos).
  
Seit den 1990er-Jahren zogen in Heidenheim jüdische Personen/Familien zu, die aus den früheren GUS-Staaten stammten. 2004 waren es etwa 50 Personen in Heidenheim, die von der jüdischen Gemeinde in Ulm bzw. der Israelitischen Religionsgemeinschaft in Stuttgart betreut wurden (als Filiale der IRGW). Zeitweise war die Heidenheimer Gruppe sehr aktiv. Von der Stadt wurde um 2000 ein Versammlungsraum im Meeboldhaus zur Verfügung gestellt, der sporadisch genützt wurde. Später wurden andere Räumlichkeiten genutzt. Auch in der Öffentlichkeit war die Gruppe zeitweise präsent. So wurden 2003 das Laubhüttenfest im Oktober und das Chanukka-Fest im Dezember in der Georges-Levillain-Anlage beim Bahnhof gefeiert. In den folgenden Jahren ging die Zahl der in Heidenheim lebenden jüdischen Personen wieder zurück, doch besteht bis zur Gegenwart (2024) eine kleinere Gruppe jüdischer Personen, die von der IRGW bzw. der Ulmer Gemeinde betreut wird.
    
   
   
Berichte zur jüdischen Geschichte in Heidenheim 
 

Die Firma Ch. Biedenbach in Heidenheim möchte Juden boykottieren (1924)       

Artikel in der "CV-Zeitung" (Zeitschrift des "Central-Vereins") vom 21. Februar 1924: "Nach Offenbach. Die Firma Ch. Biedenbach, Heidenheim a.d. Brenz, hat dem Vertreter einer jüdischen Firma telefonisch erklärt, dass sie von Juden nichts kaufe. Dieses Verhalten der Firma Biedenbach scheint uns eine merkwürdige Nebenerscheinung der Stabilisierung zu sein. Während der Inflation, als es keine Waren gab, hat sie sehr gern jüdische Lieferanten mit Aufträgen bedacht. Herr Biedenbach hat sich, als er seine Erklärung abgab, sicher außerordentlich deutschvölkisch gefühlt."    

 
Verlobungsanzeige von Erna Lichtstern und Hans Vollweiler (1936)
   

Anzeige in der "Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom 15. Oktober 1936: 
"Statt Karten   Erna Lichtstern - Hans Vollweiler. Verlobte.  
München, Lessingstraße 4    -    Heidenheim/Brenz.   Oktober 1936".    

   
Weitere Dokumente 

 Geschäftspostkarte von Hugo Jontofsohn,
Optische Goldwarenfabrik (1927)  
(aus der Sammlung von Peter Karl Müller,
Kirchheim/Ries) 
   
Die Geschäfts-Postkarte von der Firma Hugo Jontofsohn, Optische Goldwarenfabrik – Schwäbisch Gmünd wurde am 14. Dezember 1927 nach Freudenstadt versandt.
Hugo Jontofsohn wurde 1873 in Löbau geboren. Ab 1905 wohnte er in Schwäbisch Gmünd. Von Beruf Optiker betrieb er in Schwäbisch Gmünd eine Fabrik für optische Goldwaren (1905-1929). Nach dem Konkurs des Geschäfts ließ er sich in Heidenheim an der Brenz nieder. Dort betrieb er mit seinem älteren Sohn Hans ein Optikergeschäft. Der jüngere Sohn Fritz, 1920 in Schwäbisch Gmünd geboren, besuchte ab 1931 das Heidenheimer Realgymnasium und nach Trennung der Eltern 1933 die Wilhelmspflege Esslingen von 1933-1935. Er wurde von November 1938 – März 1939 in Dachau inhaftiert und dort schwer misshandelt. Nachdem Tod seiner Mutter emigrierte Fritz Jontofsohn nach England. Hans Jontofsohn, geboren 1911 und seit 1929 in Heidenheim an der Brenz wurde am 1. Dezember 1941 von Stuttgart aus nach Riga deportiert und dort ermordet. Die Eltern Hugo und Rosalie Jontofsohn waren mit dabei im Transport von Stuttgart nach Theresienstadt am 22. August 1942. Am 29. September wurden sie im Vernichtungslager Treblinka ermordet.
Quellen: Ernst Lämmle – Die Gmünder Juden – Wege und Schicksale 1861 – 1945.
Ortrud Seidel – Mut zur Erinnerung – Geschichte der Gmünder Juden. 
https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_im_Landkreis_Heidenheim.
 

  
  
  
Fotos

     
 Boykott jüdischer Geschäfte 1933
(Quelle: Stadtarchiv Heidenheim)
   
   Boykott des Schuhhauses Storch & Comp.
in der Wilhelmstraße 1; Inhaber Sigmund Storch
starb Anfang 1938 in Heidenheim 
 Boykott des Modewarengeschäftes Frank & Klau
in der Karlstraße 2
  
     
 Stolpersteine in Heidenheim
(Quelle: Wikimedia Commons) 
   
   
 Für Familie Metzger
Hauptstraße 36
  Für Familie Jontofsohn
Am Jagdschlössle 31
 Für Louis und Sofie Klau
Karlstraße 2

    
     
Erinnerungsarbeit vor Ort - einzelne Berichte    
 
Hinweis: In der Nähe des Rathauses erinnert seit 1985 eine Gedenktafel mit dem Text: "Die Stadt Heidenheim gedenkt ihrer Bürger, die unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft 1933-1945 ihr Leben lassen mussten." 2006 wurden die ersten sog. "Stolpersteine" in Heidenheim verlegt, 2013 und 2024 folgten weitere:    

März 2024: In Heidenheim werden weitere Stolpersteine verlegt, darunter zwei für das jüdische Ehepaar Vollweiler  
Aus einem Bericht von Michael Brendel in der "Heidenheimer Zeitung" vom März 2024: "Erinnerung an Opfer des Nationalsozialismus. Wo es jetzt in Heidenheim weitere Stolpersteine gibt
In Heidenheim erinnern 17 Stolpersteine an Opfer des Nationalsozialismus. Vier davon wurden am 15. März in der Innenstadt verlegt. Das sind die genauen Stellen.

Frida Lanksweirt, Liebmann Vollweiler, Frida Vollweiler, Friederike Gatter. Vier Namen, vier Schicksale. Den meisten bislang nicht bekannt. Unbeachtet. Jetzt aber kann jeder buchstäblich darüber stolpern: Ihre wichtigsten biografischen Daten sind ins Pflaster der Heidenheimer Innenstadt eingelassen. Dauerhaft präsent. Unübersehbar.
Auf den ersten Blick ist das Wetter an diesem 15. März 2024 fast unverschämt gut angesichts des ernsten Themas. Genau betrachtet können aber genau deshalb gar nicht genug Sonnenstrahlen die Veranstaltung begleiten, die mehr als 100 Interessierte zusammenbringt, unter ihnen viele Schüler. Immerhin geht es um nichts weniger, als vier Menschen ihre Identität zurückzugeben. Ihre Würde. Ein Erinnern ohne Ende...
Zwei Stolpersteine an der Wilhelmstraße.
Zwei weitere Stolpersteine befinden sich jetzt vor dem Gebäude Wilhelmstraße 11. Sie rufen dauerhaft die Erinnerung wach an Frida und Liebmann Vollweiler. Zuvor Mitglieder einer angesehenen jüdischen Familie, gerieten sie mehr und mehr ins Visier der Machthaber, wurden ihrer Rechte und ihres Eigentums beraubt. Kurz vor Beginn des Zweiten Weltkriegs flohen sie 1939 in die USA..."   
Link zum Artikel  
Artikel in der Website der Stadt  https://www.heidenheim.de/stolpersteine+mar+2024    
 

  
  

Links und Literatur

Links:  

bulletWebsite der Stadt Heidenheim  
bulletVollweiler Family Collection - United States Holocaust Memorial Museum   https://collections.ushmm.org/search/catalog/irn44549     
bulletHohenems Genealogie - Einstieg über Justin Vollweiler https://www.hohenemsgenealogie.at/getperson.php?personID=I25349&tree=Hohenems  

Literatur:  

bulletGermania Judaica II,1 S. 346.
bulletJakob Toury: Jüdische Textilunternehmer 1984 S. 77.189. 
bulletWilhelm Schneider: Ein langer Weg zur Anerkennung als Bürger. In: Heidenheimer Zeitung vom 24.12.1984. 
bulletHeiner Kleinschmidt/Jürgen Bohnert (Hrsg.): Heidenheim zwischen Hakenkreuz und Heidenkopf. 1983 S. 79-105 (Abschnitt von Gerhard Schweier: Die Heidenheimer Juden).
bulletA. Königseder/J. Wetzel: Lebensmut im Wartesaal - Die jüdischen DPs im Nachkriegsdeutschland. Frankfurt 1994 S. 249. 
bulletSilja Kummer: Briefe aus Kolumbien (zu Familie Metzger). In: Heidenheimer Zeitung vom 27. Dezember 2015. Eingestellt als pdf-Datei.  
 

         

                   
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Copyright © 2003 Alemannia Judaica - Arbeitsgemeinschaft für die Erforschung der Geschichte der Juden im süddeutschen und angrenzenden Raum
Stand: 30. Juni 2020