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Kindenheim (VG
Grünstadt-Land, Kreis Bad Dürkheim)
Jüdische Geschichte / Synagoge
(erstellt unter Mitarbeit von Björn Sawitzki,
Kindenheim)
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde
In Kindenheim bestand eine jüdische
Gemeinde bis Anfang des 20. Jahrhunderts. Ihre Entstehung geht in die Zeit des
18. Jahrhunderts zurück.
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner wie
folgt: 1808 76 jüdische Einwohner (11,5 % der Gesamteinwohnerschaft), 1825
80 (9,6 %), 1848 123 jüdische Einwohner in 23 Familien, 1875 75 jüdische
Einwohner, 1900 24.
1841 wird im Urkataster der Gemeinde Kindenheim Lazarus Seeleman als Vorstand der israelitischen Gemeinde genannt wird. Er wohnte in der heutigen
Hauptstraße 64 (Plan Nr. 211).
Als jüdische Haushaltsvorsteher werden 1809/10 genannt: Mayer
Eisenberger, Isaac Jacobi, Baruch Levy, Michel Levy, Moses Levy, David Salomon,
Wolfgang Salomon, Aron Strauß, Lazarus Strauß.
An Einrichtungen bestanden eine Synagoge (s.u.), eine jüdische
Schule (Religionsschule), ein rituelles Bad (möglicherweise im Keller unter dem
Synagogengebäude) und ein Friedhof.
Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war zeitweise ein Lehrer
angestellt, der zugleich als Vorbeter und Schochet tätig war. Zwischen 1832
und seinem Tod 1864 war als (geprüfter Volksschullehrer) Lehrer Heinrich (Hirsch) Bärmann (teilweise auch
Behrmann geschrieben) in
der Gemeinde tätig (siehe Bericht zu ihm und seiner Familie unten). Nach seinem
Tod wollte die jüdische Gemeinde zunächst seinen Sohn - David Bärmann - für
die Lehrerstelle gewinnen, doch wanderte dieser nach Nordamerika aus. So wurde 1866 die
Stelle - wahrscheinlich letztmals allein für Kindenheim - ausgeschrieben (siehe Anzeige
unten). Da die Stelle jedoch offenbar nicht zu besetzen war, bemühte sich die Gemeinde im
folgenden Jahr um eine gemeinsame Ausschreibung mit den Nachbargemeinden Groß-
und Kleinbockenheim (siehe Anzeige von 1867 unten). Auch diese Ausschreibung scheint nicht
allzu erfolgreich gewesen sein, da 1876 berichtet wird, dass der
Vorbeterdienst in der Synagoge Kindenheim bereits viele Jahre ehrenamtlich durch
das Gemeindeglied Moses Strauß versehen wurde. Den Unterricht der inzwischen
weniger werdenden Kinder übernahm vermutlich damals schon ein auswärtiger
jüdische Lehrer. In Frage kommt der Lehrer aus Groß-
und Kleinbockenheim; hier gab es bis nach 1900 einen eigenen jüdischen
Lehrer.
Die Gemeinde gehörte zum Rabbinatsbezirk Frankenthal.
Um 1924, als nur noch 12 jüdische Personen in Kindenheim lebten, waren
diese der Synagogengemeinde Groß- und Kleinbockenheim zugeteilt.
1933 lebten noch sechs jüdische Personen in Kindenheim. In
den folgenden Jahren sind wohl die meisten von ihnen auf Grund der Folgen des wirtschaftlichen Boykotts,
der zunehmenden Entrechtung und der
Repressalien weggezogen beziehungsweise ausgewandert.
Von den in Kindenheim geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Emma Isaak geb. Eckhaus
(1879), Thekla Mayer geb. Eckhaus (1878), Clara Mortke geb. Tryfus (1894)), Emil Neu (1874), Flora Reilinger geb.
Strauss (1878), Heinrich Strauss (1876, siehe Bericht unten), Theodor Strauss (1865), Anna Süs geb.
Strauss (1871).
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus der Geschichte der
jüdischen Lehrer
Ausschreibungen der Stelle des Religionslehrers / Vorbeters / Schochet 1866 /
1867 / 1869 (gemeinsam mit Groß- und Kleinbockenheim)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 21. November 1866:
"Erledigung der israelitischen Religionslehrer-, Schächter- und
Vorbeterstelle in Kindenheim, Kantons Grünstadt.
Die israelitische Religionslehrer-, Schächter- und Vorbeterstelle ist
erledigt und soll alsbald durch einen interimistischen Verweser wieder
besetzt werden. Der Gehalt beträgt:
1) bar aus der Kultuskasse 200 Gulden
2) Schächtergebühren und sonstige Kasualien 100 Gulden, zusammen
300 Gulden.
Bewerber um die se Stelle wollen innerhalb 14 Tage ihre Gesuche
persönlich einreichen.
Kindenheim, den 25. Oktober 1866. Der Kultusvorstand." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 29. Mai 1867: "Erledigung
der israelitischen Religionslehrer-, Schächter- und Vorbeterstelle zu
Kindenheim, Groß- und Kleinbockenheim, Kantons Grünstadt.
Die israelitische Religionslehrer-, Schächter- und Vorbeterstelle zu
Kindenheim, Groß- und Kleinbockenheim ist erledigt und soll alsbald
besetzt werden.
Der Gehalt beträgt:
1) Bar aus der Kultuskasse 300 Gulden.
2) Schächtergebühren und sonstige Kasualien 100 Gulden, zusammen
400 Gulden.
Die Bedingungen, unter welchen der Lehrer angestellt werden kann, sind
folgende:
a. der Lehrer hat seinen Wohnsitz in Großbockenheim zu
nehmen;
b. dreimal wöchentlich in Großbockenheim den Kindern von Groß- und
Kleinbockenheim, und ebenfalls dreimal in der 5/8 Stunden entfernten
Gemeinde Kindenheim den Kindern von da Religionsunterricht zu erteilen
und
c. in der gemeinschaftlichen Synagoge zu Kindenheim den durch eine
besondere bezirksamtliche Entschließung geregelten Dienst eines Vorbeters
und Vorsängers zu verrichten.
Bewerber wollen sich an einem Sabbat-Gottesdienste als Vorsänger und
Vorbeter dahier produzieren, sowie ihre Gesuche innerhalb 4 Wochen bei dem
Unterzeichneten einreichen. Kindenheim, den 16. Mai 1867. Der
Kultusvorstand." |
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Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 17. November 1869:
"Erledigung
der israelitischen Religionslehrer-, Schächter- und Vorbeterstelle zu
Kindenheim, Groß- und Kleinbockenheim, Kantons Grünstadt.
Die israelitische Religionslehrer-, Schächter- und Vorbeterstelle zu
Kindenheim, Groß- und Kleinbockenheim ist erledigt und soll alsbald
besetzt werden.
Der Gehalt beträgt:
1) Bar aus der Kultuskasse 300 Gulden.
2) Schächtergebühren und sonstige Kasualien 100 Gulden, zusammen
400 Gulden.
Die Bedingungen, unter welchen der Lehrer angestellt werden kann, sind
folgende:
a. der Lehrer hat seinen Wohnsitz in Großbockenheim zu
nehmen;
b. dreimal wöchentlich in Großbockenheim den Kindern von Groß- und
Kleinbockenheim, und ebenfalls dreimal den Kindern von Kindenheim Religionsunterricht zu erteilen
und
c. in der gemeinschaftlichen Synagoge zu Kindenheim den Dienst eines
Vorsänger und Vorbeters zu verrichten.
Bewerber wollen sich an einem Sabbat-Gottesdienste als Vorsänger und
Vorbeter dahier produzieren, sowie ihre Gesuche innerhalb 4 Wochen bei dem
Unterzeichneten einreichen.
Kindenheim bei Grünstadt, 7. November 1869.
Der Vorstand: Simon Neu." |
Über die Familie des jüdischen Lehrers Heinrich
Bärmann (vermutlich zwischen ca. 1830 und seinem Tod 1864 Lehrer in
Kindenheim)
Heinrich Bärmann ist im
unterfränkischen Altenstein als
Sohn des Viehhändlers Baer Hirsch geboren, der den Familiennamen Baermann
(bzw. Bärmann) angenommen hat. Bei der Erstellung der Matrikellisten 1817
waren Baer Hirsch Baermann und seine Frau bereits gestorben. Die beiden
Kinder - Heinrich und seine Schwester - lebten noch in Altenstein unter
Vormundschaft. Immerhin hatte ihnen der Vater das in seinem Besitz
stehende Haus hinterlassen. Heinrich konnte sich zum Lehrer ausbilden
lassen und kam als solcher - vermutlich spätestens 1830 - nach
Kindenheim, wo er sich 1831 mit Carolina Strauß verheiratete, die aus
einer alten jüdischen Familie Kindenheims stammte. Die beiden hatten in
den folgenden Jahren zusammen 13 Kinder. Heinrich Bärmann war
vermutlich bis zu seinem Tod 1864 Lehrer in Kindenheim.
Der 1833 geborene Sohn Simon Bärmann war der spätere Gründer und Inhaber der
"Bärmannschen Realschule" in Bad Dürkheim. Er leitete die Schule
von 1875 bis 1902. Seine Söhne Heinrich und Leopold übernahmen danach die Weiterführung der
Schule, bis sie 1922 in die "Realschule Bad Dürkheim"
umgewandelt wurde (in Bad Dürkheim erinnern bis heute die
Heinrich-Bärmann-Straße und der von der Carl-Orff-Realschule verliehene
Heinrich-Bärmann-Preis).
Einen anderen Sohn, David Bärmann (geboren 1842), wollte die Kindenheimer Gemeinde nach dem Tod des Vaters
(1864) als neuen Religionslehrer gewinnen. Doch dieser wanderte nach Nord-Amerika aus." |
Aus dem jüdischen Gemeindeleben
Der ehrenamtliche Vorbeter Moses Strauß
hat ein Problem mit einem Gemeindeglied (1876)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 9. Februar 1876: "Grünstadt
(Rheinbayern). Was ich Ihnen heute zu berichten habe, ist vielleicht noch
nicht da gewesen: einen Prozess über einen, nein, über keinen
Mischeberach!
In der benachbarten israelitischen Gemeinde Kindenheim versieht in
Ermangelung eines Kantors Herr Moses Strauß seit vielen Jahren die
Stelle eines Vorbeters und Tora-Verlesers unentgeltlich, ohne
irgendwelches Honorar, ohne irgendwelche Gratifikation. Doch der Dank
sollte nicht ausbleiben.
Samstag, 11. September, vorigen Jahres, wurde ein Herr Abraham Jacoby von
dort, zur Tora gerufen und erhielt keinen Mischeberach. In Folge dessen
verklagte er den Unterlasser des Mischeberach-Sprechens beim hiesigen Gericht,
angebend, dass der Mischeberach nur dann verweigert werden könne, wenn
der zur tora Gerufene ein Verbrechen begangen oder durch sonstige
schlechte Handlungen sich des Segens unwürdig gemacht habe. Der Verklagte
dagegen behauptete, dass er den Mischeberach gar nicht verweigert, sondern
das Sprechen desselben lediglich vergessen habe; als ihn der Kläger nach
Beginn der Haftorah erinnert, sei es zu spät gewesen und er habe, ohne
den Gottesdienst zu stören und die heilige Handlung lächerlich zu
machen, nicht noch nachträglich den Mischeberach sprechen
können.
Die Angelegenheit führte zu mehreren Verhandlungen, bei welchen viele
Zeugen, und die Herren Bezirksrabbiner Dr. Salvendi aus Dürkheim,
Rabbiner Dr. Lehmann aus Mainz und Lehrer Freudenthaler von hier als
Sachverständige vernommen wurden. Die Sachverständigen sagten
übereinstimmend aus, dass die Angabe des Klägers, der 'Mischeberach'
werde in Folge eines Verbrechens oder schlechter Handlungen verweigert,
den tatsächlichen Verhältnissen nicht entspreche. Das Gericht ging
jedoch auf die Frage, ob die Verweigerung eines Mischeberach eine
Beleidigung involviere, gar nicht ein, sondern sprach, da der Beweis, ob
eine Absichtlichkeit zu Grunde liege, nicht erbracht sei, den Angeklagten
frei und verurteilte den Kläger in die nicht unbeträchtlichen Kosten.
Ein merkwürdiges Schlaflicht wirft auf den ganzen Prozess die Tatsache,
dass vor Gericht ohne Widerspruch behauptet wurde, der durch das
Nichtsprechen des 'Mischeberach' sich verletzt fühlende Kläger entweihe
öffentlich den Sabbat durch Tabakrauchen!!!" |
Berichte
zu einzelnen Personen aus der jüdischen Gemeinde
Über die Heilung eines kranken
Kindes von Wilhelm David Heman (geb. 1793 in Kindenheim, bis 1833 jüdischer
Lehrer in Grünstadt, konvertierte zum
Christentum (Artikel von 1887)
Anmerkung: Bei "Dibre Emeth" handelt es
sich um eine judenmissionarisch ausgerichtete christliche Zeitung ("Judenmissionsblatt"),
die seit 1845 der Prediger in Frankfurt a.d.O. J. G. Hartmann herausgab.
Es handelt sich um Heinrich Wilhelm David Heman (geb. 1793 in
Kindenheim als Israel David in einem strenggläubigen jüdischen Elternhaus,
gest. 1873 in Basel), der nach seiner Konversion zum christlichen Glauben ein
bekannter evangelischer Pädagoge und Missionar wurde. Israel David hatte 1819 am
bayerischen Schullehrerseminar in Speyer die Lehrerprüfung abgelegt und bewarb
sich in Grünstadt, wo er ab 1820 als
jüdischer Lehrer tätig war. Vor allem durch den Kontakt mit Heinrich Dittmar,
der seit 1824 in Grünstadt war (ab 1827
Rektor der örtlichen Lateinschule), reifte in Israel David der Entschluss, zum
evangelischen Glauben zu konvertieren. Am 23. Juni 1833 ließ er sich, mit
Ehefrau und drei Kindern in Grünstadt taufen. Weitere Informationen über den
Wikipedia-Artikel
https://de.wikipedia.org/wiki/Heinrich_Wilhelm_David_Heman.
Artikel in
"Dibre Emeth oder Stimmen der Wahrheit an Israeliten und Freunde Israels"
Jahrgang 1887 Heft 11 S. 86: "Zu 1. Mose 32,24 ff. Wilhelm David
Heman, der ehemalige
jüdische Lehrer zu Grünstadt in der Pfalz, welcher durch Dr. H. Dittmar,
den Verfasser einer viel gelesenen Weltgeschichte, 1833 der Kirche
zugeführt wurde und 1868 als Vorsteher des Baseler Proselytenhauses starb,
befragte einst den Heidelberger Professor Chelius wegen seiner von
epileptischen Krämpfen heimgesuchten ältesten Tochter. Das Übel wurde für hoffnungslos erklärt, und ein
furchtbarer Anfall, der sich in Gegenwart des großen Klinikers einstellte,
schien dessen Urteil zu bestätigen. In der folgenden Nacht rang der Vater der
Unglücklichen mit der Verzweiflung, verfiel ihr aber nicht. Aus seinem
zerrissenen Herzen drang endlich der Seufzer hervor: 'Herr Jesu, dennoch bist
du mein Herr und Heiland'. Als er sich so durch die Anfechtung hindurch
gekämpft hatte, wurde ihm geholfen. Am andern Morgen war sein schwarzes Haar
ergraut, aber sein Kind genesen. Die Anfälle kehrten nie wieder. Das
angeblich
unheilbare Leiden hatte der himmlische Arzt geheilt. Hemans Vertrauen
auf den Heiland war fort an unerschütterlich. Bis in sein hohes Alter
bewahrte er in allen Wechselfällen des Lebens die Ruhe und Festigkeit, die
schon in jener Nacht seinen Gebetssieg besiegelt hatten." |
85. Geburtstag der aus Kindenheim stammenden Emma
Samson geb. Levy (Stuttgart 1933)
Anmerkung: Emma Samson geb. Levy ist am 21. Dezember 1847 in Kindenheim
geboren als Tochter von Aaron Loeb Levy und Jette geb. Mainzer. Sie war
verheiratet mit Moses Samson (geb. 13. Februar 1846 in
Edesheim, gest. 4.
Januar 1923 in Stuttgart). Moses Samson war als Weinhändler tätig und verzog
1905 aus Neustadt an der Haardt mit seiner Weingroßhandlung nach Stuttgart. Er
war in erster Ehe verheirat mit Fanny geb. Levy, geb. 1849, gest. 1888, in
zweiter Ehe mit deren Schwester Emma geb. Levy. Emma Samson starb am 31. Juli
1940. Sie wurde neben ihrem Mann im Israelitischen Teil des Pragfriedhofes in
Stuttgart beigesetzt. Vgl. Hahn Pragfriedhof S. 187.
Siehe auch (mit Foto) http://www.geni.com/people/Emma-Samson/6000000015562629352
Artikel in der "Gemeindezeitung für die Israelitischen Gemeinden
Württembergs" vom 1. Januar 1933: "Stuttgart. Frau Emma
Samson Wwe. geb. Levy durfte am 21. Dezember vorigen Jahres im Kreise Ihrer Familie ihren 85. Geburtstag feiern. Die würdige Jubilarin ist in
Kindenheim geboren und wohnt seit 1905 in Stuttgart, wo sie von weiten Kreisen hoch verehrt wird. Frau Samson entstammt einer sehr alten jüdischen Familie der Rheinpfalz. In außerordentlicher
Rüstigkeit steht sie heute noch in Ihrem Haushalt bevor, bringt allen jüdischen Dingen und den Tagesgeschehnissen größtes Interesse entgegen und gehört zu den eifrigsten Besucherinnen des Gottesdienstes. Besonders beglückt wurde die Jubilarin durch die Geburt
eines Urenkels. – Mögen Frau Emma Samson noch viele gesegnete
Lebensjahre beschieden sein!"
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Über den aus Kindenheim stammenden Rechtsanwalt Dr.
Heinrich Strauß (1876-1942)
Dr. Heinrich Strauß
(links "page of testimony" aus Yad Vashem, Jerusalem) ist am 21.
Januar 1876 in Kindenheim geboren. Seine Studien in Jura schloss er mit
einer Dissertation ab, mit der er im Oktober 1901 an der Universität
Erlangen zum Dr.jur. promoviert wurde. Anschließend war er als
Rechtspraktikant am königlichen Bezirksamt
Kaiserslautern tätig. Später
ließ er sich als Rechtsanwalt (Justizrat) in
Ludwigshafen am Rhein
nieder (1917 Lisztstraße 158, zuletzt Ludwigstraße 81). Im Oktober 1940
wurde er in das Konzentrationslager Gurs in Südfrankreich deportiert. Er
ist am 9. Februar 1942* in Noe umgekommen.
Nach der Deportation räumte sich die Stadtverwaltung Ludwigshafen das
"Vorkaufsrecht" für die folgenden beschlagnahmten Gegenstände
aus seinem Privatbesitz ein: einen Schreibtisch, zwei Sessel, einen
Sonneckenschrank, einen Papierkorb, einen Eichentisch, eine Kleiderablage,
eine Schreibmaschine.
Quelle: Ulrike Minor / Peter Ruf: Juden in Ludwigshafen. 1992 S.
65.166.180.
* Das Sterbedatum 9.2.1942 laut "page of testimony" in Yad Vashem, Jerusalem
und Gedenkbuch Bundesarchiv; dieses Datum (und nicht 9.2.1941, wie u.a. auf
dem Stolperstein vor dem Amtsgericht in Ludwigshafen) wurde durch die
Recherchen von Ulrich Esselborn (Wöllstadt) bestätigt.
Weitere genealogische Informationen siehe
https://www.geni.com/people/Heinrich-Strauss/6000000080066463470 |
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Links und Mitte: Grabstein für Dr. Heinrich Strauß
aus Kindenheim in Gurs (Foto: Bernhard Kukatzki). Auf dem Grabstein steht (falsch) "Kindesheim".
Rechts: "Stolperstein" vor dem Amtsgericht in Ludwigshafen. |
Zur Geschichte der Synagoge
Zwischen den Juden von
Kindenheim, Bubenheim,
Groß- und
Kleinbockenheim wurde 1762 ein Vergleich geschlossen, den Graf
Reinhard Carl von Leiningen am 22. März 1763 bestätigte, wonach für die jüdischen
Familien dieser Gemeinden der Gottesdienst nur in der Synagoge von Kindenheim
stattfinden dürfe. Den Bockenheimer Juden wurde zumindest zugestanden, im
Winter und bei schlechtem Wetter ihren Gottesdienst in der Wohnung des Jacob
abzuhalten. Bei dieser Regelung blieb es offiziell bis weit ins 19. Jahrhundert
hinein: sie steht noch im Hintergrund der Ausschreibung der gemeinsamen
Lehrerstelle von 1867 (siehe oben), wonach der Lehrer trotz Wohnsitz in Großbockenheim
verpflichtet war, in der "gemeinschaftlichen Synagoge zu Kindenheim"
den Dienst als Vorbeter und Vorsänger zu versehen.
1786 wurde in Kindenheim eine neue Synagoge ("Juddeschul") im
Hinterhaus in der Hauptstraße 72 erbaut. Dabei ist die Vereinbarung von 1762
erneuert worden. Der Betsaal befand sich im oberen Stockwerk des Gebäudes,
dessen Erdgeschoss eine Durchfahrt und eine Küche enthielt. Der Betsaal hatte
eine Länge von 6,30 m, eine Breite von 7,00 m und eine Höhe von 5,04 m und
hatte 86 Sitz- und einige Stehplätze.
Die Synagoge in Kindenheim war bis Anfang des 20. Jahrhunderts Mittelpunkt des jüdischen
Gemeindelebens in Kindenheim. Am 14. September 1907 beschloss die jüdische
Gemeinde auf Grund der nur noch kleinen Zahl der Gemeindemitglieder, die
Synagoge und das Schulhaus zu verkaufen, da beide Gebäude nicht mehr benötigt
wurden. Sie hätten auch dringend renoviert werden müssen. In der
Folgezeit besuchten die noch in Kindenheim lebenden jüdischen Gemeindeglieder
die Synagoge in Großbockenheim.
Das Synagogengebäude in Kindenheim wurde nach 1907 verkauft. In den
1980er-Jahren war im Erdgeschoss noch ein Getränkelager; inzwischen ist das
ganze Gebäude zu einem Wohnhaus umgebaut.
Adresse/Standort der Synagoge: Hauptstraße
72 (Hinterhaus)
Fotos
Links und Literatur
Links:
Literatur / Quellen:
| Urkataster der Gemeinde Kindenheim von 1841
(Landesarchiv Speyer) - abgedruckt in folgendem Werk: |
| Günter Flohn: Kindenheim - Chronik einer
Pfalzgemeinde. 2005 (vgl. S. 233ff). |
| Fritz Mayer: Ortsfamilienbuch Kindenheim - 1438 bis
1953. Band 2. 2005. |
| ders.: Kindenheim - Daten zur Dorfgeschichte und seiner
Bevölkerung. 2003. |
| Alfred Hans Kuby (Hrsg.): Pfälzisches Judentum
gestern und heute. Beiträge zur Regionalgeschichte des 19. und 20.
Jahrhunderts. 1992. |
| Otmar Weber: Die Synagogen in der Pfalz von 1800 bis heute. Unter
besonderer Berücksichtigung der Synagogen in der Südpfalz. Hg. von der
Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Pfalz in Landau. 2005.
S. 94-95. |
| Landesamt für Denkmalpflege Rheinland-Pfalz/Staatliches Konservatoramt
des Saarlandes/ Synagogue Memorial Jerusalem (Hg.): "...und dies
ist die Pforte des Himmels". Synagogen in Rheinland-Pfalz und dem
Saarland. Mainz 2005. S. 205 (mit weiteren Literaturangaben). |
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