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Magdeburg (Sachsen-Anhalt)
Jüdische Friedhöfe
Zur Geschichte der Friedhöfe
In Magdeburg gab es bereits im Mittelalter einen jüdischen Friedhof, der
vermutlich im 13. Jahrhundert angelegt wurde (ein Grabstein von 1269 ist noch
vorhanden) und vor allem im 15. Jahrhundert häufig genannt wird (als cimeterium
Iudeorum oder kever, judenkever von hebräisch kewer = Grab).
Dieser Friedhof lag bei Buckau, einem südlich der damaligen Altstadt gelegenen
Vorort nahe der Elbe. Der Friedhof wurde 1312 und 1383 erweitert. Nachdem 1493
die Juden aus der Stadt ausgewiesen wurden, ist der Friedhof aufgeteilt, später
zerstört und für landwirtschaftliche Zwecke verwendet worden. Die Grabsteine
wurden in der Stadt verbaut. 1827 wurden auf dem Gelände des Friedhofes Schädel
und Grabsteine gefunden. Grabsteine aus den Jahren 1269 (!), 1306, 1330 und 1346
wurden auf den neuen Friedhof gebracht, wo mindestens zwei davon noch vorhanden
sind. Weitere Grabsteine wurden 1946 und in den folgenden Jahren bei der Aufräumung
der Trümmer der Altstadt gefunden.
Ein neuer jüdischer Friedhof in Sudenburg wurde 1816 mit einer ersten
Beisetzung eingeweiht. Auf dem Gelände, das eine Fläche ca. 2 ha umfasst,
befinden sich nach einer neuen Dokumentation 3121 Grabstätten (siehe
Presseartikel unten). Der Friedhof wurde bis 1940 nicht beschädigt
und nach 1945 wieder hergerichtet. Eine Trauerhalle wurde 1864 umgebaut und
erweitert. Sie ist erhalten und wird bis heute genützt. Auf dem jüdischen
Friedhof stehen heute drei Gedenksteine: einer für die im ersten Weltkrieg
gefallenen 28 jüdischen Gemeindemitglieder, ein weiterer zur Erinnerung an die
Verbrechen des Nationalsozialismus, der dritte zum Gedenken an über eine
Millionen ermordeter jüdischer Kinder.
Ein weiterer Friedhof wurde 1839 erworben. Er wurde allgemein als
"Judenkirchhof" bezeichnet. Diese Ruhestätte existierte nur kurz;
heute erinnert nichts mehr an sie.
Auf dem städtischen Westfriedhof befindet sich ein Ehrenhain für jüdische
Opfer des NS-Regimes. Er besteht aus fünf Einzelgrabstätten.
Lage des Friedhofes
Der neue Friedhof liegt Fermersleber Weg 46; der Ehrenhain
befindet sich auf dem Westfriedhof (Große Diesdorfer Straße 160).
Fotos
(Fotos: Hans-Peter Laqueur, Bremerhaven; Aufnahmen im Mai 2007)
Fotos vom
Friedhof Fermersleber Weg 46 |
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Ältere, rein
hebräisch beschriftete Grabsteine aus der 1. Hälfte des 19.
Jahrhunderts |
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Gedenkstätte für die
Gefallenen
des Ersten Weltkrieges |
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Neuere Gräber |
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"Gedenkstätte für die
1.000.000 jüdischen
Kinder, die in Konzentrationslagern durch den
Faschismus von 1933-1945 umgebracht wurden". |
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Erinnerungsarbeit vor
Ort - einzelne Berichte
November
2019: Führungen über
den jüdischen Friedhof in Magdeburg durch die Volkshochschule |
Artikel von Maria
Kurth in der "volksstimme.de"
vom 17. November 2019: "Geschichte. Erinnern auf Jüdischem Friedhof
in Magdeburg
Seit 20 Jahren engagiert sich Regina Rehländer auf dem Israelitischen
Friedhof in Magdeburg. Sie bietet auch Führungen an.
Magdeburg. Regina Rehländer hat gerade eine große, rechteckige Karte vor
sich ausgebreitet. Viele kleine, schraffierte Kästchen sind darauf zu sehen.
Es ist ein Lageplan des Israelitischen Friedhofs am Fermersleber Weg im
Süden Magdeburgs. Jedes einzelne Kästchen steht für eines der Gräber auf dem
im Jahr 1816 errichteten Friedhof. Schraffiert bedeutet dokumentiert. Viele
weiße Stellen gibt es nicht.
Geschichte jüdischer Gräber aufgearbeitet. Was vor allem dem großen
Engagement von Rehländer zu verdanken ist. Vor 20 Jahren begann hier eine
Gruppe unter ihrer Führung, die Geschichte der jüdischen Begräbnisse
aufzuarbeiten. Eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme, viele Gemeindemitglieder
halfen mit. Eine Ausbildung im Bereich Denkmalpflege? 'Die hatte bei uns
niemand, wir mussten uns alles selber beibringen', sagt Rehländer. Die Frau
mit der modischen schwarzen Brille und den grazilen Händen trägt einen
großen Ordner mit sich herum. Darin zu finden: Fotos aus der Anfangszeit,
von Frauen, die am Boden sitzen und mit kleinen Spachteln vorsichtig
Inschriften freilegen oder Unkraut zupfen. Papierschnipsel kleben an den
Rändern einzelner Dokumente, darauf kleine Notizen. Bloß kein Detail
vergessen. Wenn Rehländer mal nach einem Wort sucht, überlegt sie solange
bis es ihr einfällt. Gründlich. Gewissenhaft.
Denkmalschutz prüfte die Arbeiten. 'Immer nur eine Spatentiefe
durften wir graben, nicht mehr. Sonst hätten wir etwas zerstören können',
sagt sie. Auch der Denkmalschutz sei ab und zu da gewesen, um zu überprüfen,
ob sie und ihre Mitarbeiter alles nach Vorschrift machen. 'Einige wenige
Gräber durften wir auch sanieren.' Mit ihrer ernsten Miene vermittelt
Rehländer den Eindruck, diese Vorgabe in all den Jahren auch nie missachtet
zu haben. Wer Respekt für jüdisches Leben und die Aufarbeitung seiner
Geschichte sucht, ist bei Rehländer gut aufgehoben. 'Sie ist ein großer
Glücksfall für uns. Ihr Engagement über all die Jahre kann man gar nicht
genug würdigen, wir sind dafür sehr dankbar', sagt Wadim Laiter,
Vorsitzender der Synagogen-Gemeinde zu Magdeburg. Das gilt auch für
Hobby-Restaurator Lutz Kaufmann. Der Rentner restauriert immer wieder auf
eigene Faust Denk- und Grabmäler in Magdeburg. Zuletzt hat er dafür gesorgt,
dass die Namen von 28 jüdischen Soldaten wieder lesbar sind, die auf einem
Mahnmal für Gefallene des Ersten Weltkriegs auf dem Friedhof stehen. 'Wir
sind ihm sehr dankbar für seine Arbeit, er macht das alles freiwillig', sagt
Laiter. Auch Rehländer findet nach der Jahrtausendwende, als die
Arbeitsbeschaffungsmaßnahme nicht weiter gefördert wird, einen anderen Weg,
ihr erworbenes Wissen zur jüdischen Grabstätte weiterzugeben. Seitdem bietet
sie Führungen im Auftrag der Volkshochschule Magdeburg an.
Friedhof war in schlechtem Zustand. Und es gibt einiges zu erzählen.
Als Rehländer und ihre Mitstreiter vor 20 Jahren ihre Arbeit aufnehmen, ist
der Friedhof in einem schlechten Zustand. Unkraut hat sich breitgemacht,
viele Gräber sind aus Sandstein und dementsprechend verfallen. Mit einer
Kopie des Sterberegisters und wenigen einfachen Werkzeugen beginnt die
Arbeit. 'Wir haben jeden einzelnen Grabstein vorsichtig freigelegt und
versucht, die Grabnummer zu entziffern', sagt Rehländer. So konnten die
Begräbnisse den Personen zugeordnet werden. Zusammen mit einer Mitarbeiterin
begann Rehländer den Friedhof zu vermessen. Jedes einzelne Grab, jede
Einfassung. Jede Inschrift wurde dokumentiert, ebenso etwaige
Besonderheiten. '3121 Grabsteine und die dazugehörigen Personen haben wir
ermittelt', sagt Rehländer. 'Das war enorm viel Arbeit, aber wir hatten auch
viel Spaß'. Ihr Wissen zu jüdischen Grabstätten hat sie aus alten Dokumenten
der Gemeinden oder vom ehemaligen Magdeburger Gemeinderabbiner Benjamin
David Soussan, der den Arbeitern einmal wöchentlich alle Fragen
beantwortete. Vor allem deshalb wichtig, weil der Israelitische Friedhof
einige Besonderheiten birgt.
Gewächshäuser auf dem Friedhof. Im frühen 19. Jahrhundert errichtet,
findet um 1864 auch eine Trauerhalle auf dem Gelände Platz. Gewächshäuser
folgen, werden aber später wieder abgerissen, weil der Platz eng wird. Erst
gegen Ende des 19. Jahrhunderts wird eine Friedhofsmauer gebaut, die noch
heute dafür sorgt, dass die Grabstätte von außen unscheinbar wirkt und viele
Magdeburger hier im Süden gar nicht wissen, dass nebenan ein großes Stück
jüdischer Geschichte liegt. In der Regel werden Juden mit den Füßen gen
Osten, in Richtung Jerusalem, begraben. Da die Grabstätte am Fermersleber
Weg aber eine besonders starke, rechteckige Form hat, wurden Juden hier in
Nord-Süd-Richtung begraben. Während viele andere jüdische Friedhöfe zur
Nazi-Zeit komplett zerstört wurden, blieb der Israelitische Friedhof
verschont. 'Aber hier, schauen Sie mal, dort an der Wand, da erkennt man
noch den Bombeneinschlag, den es dann im Zweiten Weltkrieg gegeben hat',
sagt Rehländer und zeigt mit weit geöffneten Augen Richtung Friedhofsmauer.
Noch immer ist der schwarze Ruß erkennbar, einzelne Mauerteile fehlen. Hier
auf dem ersten von drei Feldern stehen Gräber, die bis 1899 errichtet worden
sind. Es sind vor allem Kindergräber. Bis zu 28 Kinder seien früher pro
Reihe bestattet worden. 'Es war ein Zentralfriedhof, hier wurden also auch
Menschen aus Osterburg, Haldensleben und anderen Städten drumherum
beerdigt', erzählt Rehländer.
Juden verzichten auf Blumenschmuck. Auf Blumenschmuck verzichten
Juden, stattdessen werden Gräber mit Steinen und Efeu bedeckt. Und ein Gang
über den knapp 1,5 Hektar große Friedhof zeigt auch die Entwicklung bei den
Grabsteinen. Während das Feld eins im vorderen Teil vor allem aus
schlichten, kleinen Steinen besteht, findet man im hinteren Teil und
überwiegend auch auf dem Mittelfeld teils große, säulenförmige Grabsteine
und viele Obelisken. Beim Gang über den Friedhof wird man als Besucher
unweigerlich mit dem dunkelsten Kapitel der deutschen Geschichte
konfrontiert. Auch deshalb ist Rehländers Engagement so wichtig. Sie leistet
ihren Beitrag, wenn es um das 'Nicht vergessen' geht, worüber viele mit
Blick auf den Nationalsozialismus reden, aber nur wenige etwas dafür tun.
Doch hier am Fermersleber Weg wird man mit den Grabsteinen an die Juden, die
im Warschauer Ghetto ums Leben kamen, die in den Konzentrationslagern
ermordet wurden, konfrontiert. Rehländer steht gerade im dritten Feld des
Friedhofes. 'Oh nein, das sieht aber nicht gut aus hier', sagt die Rentnerin
und geht zu einem umgestürzten Grabstein. Die Witterung hat ihre Spuren
hinterlassen. Rehländer berührt das ehrlich. Sie steht nur wenige Meter vom
Grabstein der Familie Blumenfeld entfernt. Viele Mitglieder der großen
Familie, die ihr Zirkusunternehmen bis zur großen Weltwirtschaftskrise Ender
der 1920er Jahre erfolgreich führte, wurden im Holocaust ermordet.
Jüdische Gräber bleiben ewig. Am Ende des dritten Feldes angekommen,
breitet sich vor uns ein kleines Stück freie Fläche aus. 'Viele Plätze sind
hier bereits reserviert', sagt Laiter. Der Platz ist begrenzt. Denn während
christliche Gräber nach Ablauf der Ruhefrist eingeebnet werden können, ist
das im Judentum streng verboten. Jüdische Gräber bleiben für die Ewigkeit.
Führungen über den Jüdischen Friedhof in Magdeburg können hier gebucht
werden www.vhs.magdeburg.de."
Link zum Artikel |
Links und Literatur
Links:
Literatur:
 | Germania Judaica III,2 S. 772-783 (mit Lit.).
|
 | Zeugnisse jüdischer Kultur S. 197-201.
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 |
Brocke/Ruthenberg/Schulenburg S. 487-485.
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