Baisingen Friedhof 154.jpg (62551 Byte)  Segnende Hände der Kohanim auf einem Grabstein in Baisingen


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Unterschwandorf Siegel.jpg (23030 Byte)     


Unterschwandorf 
(Stadt Haiterbach, Landkreis Calw) 
Jüdische Geschichte / Synagoge


        

Übersicht:

bulletZur Geschichte der jüdischen Gemeinde  
bulletBerichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde   
Berichte zu einzelnen Personen aus der Gemeinde   
bulletZur Geschichte der Synagoge   
bulletFotos / Darstellungen  
bulletLinks und Literatur   

    

Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english version see Baisingen)   
   
In dem bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts den Freiherren von Kechler gehörenden Unterschwandorf bestand eine jüdische Gemeinde bis 1861. Ihre Entstehung geht in die Zeit Ende des 18. Jahrhunderts zurück. Erste Schutzbriefe für Juden wurden 1799 ausgestellt.  
  
Die ersten jüdischen Familien lebten in der Ortsherrschaft gehörenden Häusern in unmittelbarer Nähe zur Synagoge. Ein "großes Judenhaus" (Haus Nr. 3 neben der 1803 erbauten Synagoge) wurde 1802/03 für die jüdischen Familien von der Ortsherrschaft erbaut (1885 abgebrannt und nicht wieder aufgebaut). Nach 1815 lebten jüdische Familien auch im Ort außerhalb des Schlossbereichs (Bereich der Sommerhalde). 1823 gehörten drei der 27 Häuser des Ortes jüdischen Familien, 1843 waren es neun der 30 Häuser des Ortes. 
   
Die Zahl der jüdischer Einwohner entwickelte sich im 19. Jahrhundert wie folgt: 1806 63 jüdische Einwohner, 1822 64, 1826 95, 1933 101, 1841 Höchstzahl mit 109 jüdischen Einwohnern (etwa ein Drittel der Einwohnerschaft), 1844 105, 1858 49, 1864 1, 1871 2, 1875 1. 
   
In den 1830er-Jahren wurde mit Gottlieb Moses Dessauer erstmals in Württemberg ein jüdischer Ortsbewohner zum Bürgermeister der Gemeinde gewählt. Er hatte dieses Amt über mehrere Jahre inne.  
   
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde eine Synagoge (s.u.), eine jüdische Religionsschule (zum allgemeinen Unterricht besuchten die jüdischen Kinder gemeinsam mit den christlichen Schülern die Ortsschule), ein rituelles Bad (1828 genannt; 1847/48 wurde ein neues Bad auf einem Platz hinter der Synagoge gebaut, das mit Wasser aus dem Schlossbrunnen versorgt wurde; nach dem Verkauf der Synagoge wurde das Badhäuschen als Abstellraum verwendet; mit der Synagoge wurde es 1920 abgebrochen) und ein Friedhof. Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war ein Lehrer angestellt, der zugleich als Vorbeter und Schochet tätig war. Die Gemeinde gehörte zum Bezirksrabbinat Mühringen.      
    
Mitte des 19. Jahrhunderts kam es zu einer sehr schnellen Aus- und Abwanderung der jüdischen Familien. Um 1870 gab es nur noch zwei jüdische Einwohner. Seit 1880 wurden bei den Volkszählungen keine jüdischen Einwohner mehr am Ort festgestellt.   
     
     
     
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde 
 
Berichte zu einzelnen Personen aus der jüdischen Gemeinde 
Hinweis auf den jüdischen Bürgermeister in Unterschwandorf - Gottlieb Moses Dessauer (1846)     
Anmerkung (Hinweis von Martin Frieß, s. Lit.): Dessauer war bis zu seinem Tod 1842 Vorsteher der jüdischen Gemeinde. Auch wenn er sich in Quellen manchmal "Judenschultheiß" nennt, so darf das nicht darüber hinwegtäuschen, dass er kein eigentlicher Schultheiß war. Die (bürgerliche) Gemeinde Unterschwandorf wurde erst 1834 gegründet. Deren Schultheiß hieß von Anfang an Kehle (ein Christ, Vorname unbekannt).    

Unterschwandorf AZJ 19011846.jpg (88571 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 19. Januar 1846: "Pflaumloch, 26. Dezember (Württemberg). Die hiesige Stadtkommune hat den Israeliten Markus Ettlinger zu ihrem Bürgermeister erwählt. Es ist dies seit Erlassung der die Juden zu Gemeindeämtern für wahlfähig erklärenden Gesetze von 1828 und resp. 1933 in unserm Lande der erste derartige Fall, was einerseits das Schwinden des Vorurteils gegen die Juden auch unter unseren Landbewohnern, andererseits aber auch den Ungrund der hier und da laut gewordenen Besorgnis beweist, als ob in Folge der gesetzlichen Aufhebung der bürgerlichen Unfähigkeit der Juden bald alle Gemeindeämter von Juden besetzt sein würden. 
Hiergegen bemerkt das Frankfurter Journal, dass es nicht der erste Fall sein, denn im Dorfe Unterschwandorf, Oberamts Nagold, was mehrere Jahre lang bis an seinen Tod ein Israelit, namens Dessauer, Schultheiß einer Bevölkerung, die fast zu gleichen Teilen aus Protestanten, Katholiken und Juden bestand, und die dort recht einträchtlich beisammen wohnten."        

   
Über die Schwierigkeiten einer christlich-jüdischen Liebesbeziehung (1852)     

Unterschwandorf AZJ 22031852.jpg (86214 Byte)Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 22. März 1852: "In Schwandorf, Rabbinats Mühringen, hat ein Judenmädchen jahrelang mit einem Deutschkatholiken Umgang gepflogen, dieser wollte sogar aus Indifferentismus gegen alle Religion zum Judentume übertreten, um die gesetzliche Form zu finden, das Mädchen ehelichen zu können. Rabbiner Dr. Wassermann aber wies denselben ab. Nun haben die beiden sich dennoch durch einen katholischen Geistlichen trauen lassen, ohne dass dem Rabbiner amtlich bekannt wurde, dass die Verlobte vom Judentums ausgeschieden sei. Da nach den bestehenden Staatsgesetzen jeder Konvertierende vor seinem Übertritte seinem Geistlichen von seinem Vorgaben Anzeige zu machen hat, in diesem Falle aber gegen die bestehende gesetzliche Norm jedenfalls gefehlt worden ist, so hat Dr. Wassermann bei den Behörden Reklamation angestellt, über deren Erfolg ich später berichten werde."      

    
    
    
Zur Geschichte der  Synagoge      
      
In dem den jüdischen Familien am 2. Januar 1799 ausgestellten Schutzbrief war festgelegt, dass diese "ihre Religion, soweit es einer Judenschaft nach der Reichsverfassung vergönnte werden darf, ungehindert" ausüben dürften. Schon bald hat sich die jüdische Gemeinde an den Bau einer Synagoge gemacht. Von der Grundherrschaft konnte ein Grundstück gekauft und das kleine Gotteshaus im Jahr 1803 erbaut werden. Zur Finanzierung des Gebäudes hatten unter anderem neu aufgenommene Familien eine "Annahmegebühr" von immerhin 33 Gulden zu entrichten. Für dieses Geld erhielten sie zwei Synagogenplätze als Ausdruck ihrer Aufnahme in die Gemeinde. Obwohl das Synagogengrundstück im Eigentum der jüdischen Gemeinde war, hatte diese weiterhin jährlich einen Gulden "Bodenzins" an die Grundherrschaft zu bezahlen. 
    
Bei der Unterschwandorfer Synagoge handelte es sich um ein Gebäude mit annähernd quadratischem Grundriss von wenig mehr als 8 Meter Seitenlänge. Sie besaß im Unterschied zu den Nachbarhäusern ein kurzes, seitlich nicht heruntergezogenes Walmdach. Das Erdgeschoss war von Stein, darüber wurde mit Fachwerk gebaut. Im Inneren des Gebäudes gab es vermutlich über dem Betsaal der Männer eine ungeteilte Frauenempore im hinteren Drittel.
  
Aus der Geschichte der Synagoge ist nur wenig überliefert. 1805 gab es eine Auseinandersetzung zwischen Bediensteten der herrschaftlichen Familie und der jüdischen Gemeinde, nachdem durch ablaufendes Wasser aus dem herrschaftlichen Fischweiher die Synagoge überschwemmt wurde. 
     
Als um die Mitte des 19. Jahrhunderts die Ab- und Auswanderung der Unterschwandorfer Juden einsetzte, verlor die Synagoge rasch ihre Bedeutung als Mittelpunkt des Gemeindelebens. Gottesdienste fanden immer seltener statt und hörten schließlich mit der Versetzung des letzten Vorsängers praktisch auf. 1860 entschloss sich die Muttergemeinde in Baisingen, das Gebäude zu verkaufen und für eine profane Nutzung freizugeben. Einige Jahrzehnte lang diente das Gebäude dann als Heu- und Holzlager, wurde wiederholt verpfändet, verfiel in zunehmendem Maße und hatte bei einer 1907 erfolgten Schätzung mit 600 Mark gerade noch den Wert einer billigen Scheuer. 1920 wurde das Gebäude abgebrochen. 
      
      
Adresse / Standort der Synagoge: unterhalb des Schlosses    
      
      
Fotos 
Historisches Foto und Plan: 
(Quelle: Heft IV der Reihe "Die Unterschwandorfer Juden" s. Lit. S. 66-67)   

Unterschwandorf Synagoge 001.jpg (61873 Byte) 

Unterschwandorf Plan 01.jpg (105174 Byte) 
Die Synagoge Unterschwandorf (mit weißem 
Pfeil markiert) unterhalb des Schlosses
Ausschnitt aus einer Flurkarte von 1836 
mit eingetragener Synagoge 

 
Neuere Fotos: 
Fotos nach 1945/Gegenwart:  

Fotos um 1985:
(Fotos: Hahn)  
Unterschwandorf Synagoge 050.jpg (88855 Byte)   
  Der ehemalige Synagogenstandort unterhalb 
des im Gegenlicht befindlichen
 Unterschwandorfer Schlosses
 
     
   Neuere Fotos vom ehemaligen
 Synagogenstandort werden 
bei Gelegenheit erstellt  
 

    
     

Links und Literatur

Links:  

bulletWebsite der Stadt Haiterbach   
bulletZur Seite über den jüdischen Friedhof in Unterschwandorf (interner Link)       

Literatur:  

bulletPaul Sauer: Die jüdischen Gemeinden in Württemberg und Hohenzollern. 1966. S. 186. 
bulletSiegfried Kullen: Der Einfluss der Reichsritterschaft auf die Kulturlandschaft im Mittleren Neckarland. 1967. S.79.81. 
bulletOtto-Hahn-Gymnasium Nagold (Hg.), Der jüdische Friedhof von Unterschwandorf. 1992.  
bulletdass. (Hg.), Die Unterschwandorfer Juden. Geschichte einer vergessenen Gemeinde. 7 Hefte. 1992. 
bullet Thorsten Trautwein (Hrsg.): Jüdisches Leben im Nordschwarzwald. Edition Papierblatt Band 2. J. S. Klotz Verlagshaus GmbH Neulingen 2021. 800 S.
ISBN: 978-3-948968-45-8. 29,90 €. Informationen auf Verlagsseite. Mehr zur Edition Papierblatt: https://www.papierblatt.de/edition/ 
Darin u.a. der Abschnitt 2.6 von Martin Frieß: Leben in Armut, doch "in seltener Eintracht" - Die jüdische Gemeinde in Unterschwandorf. S. 197-226.  

   
    

                   
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Copyright © 2003 Alemannia Judaica - Arbeitsgemeinschaft für die Erforschung der Geschichte der Juden im süddeutschen und angrenzenden Raum
Stand: 30. Juni 2020