Baisingen Friedhof 154.jpg (62551 Byte)  Segnende Hände der Kohanim auf einem Grabstein in Baisingen


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Weißenburg in Bayern (Kreis Weißenburg-Gunzenhausen)
Jüdische Geschichte / Synagoge 

Übersicht:

bulletZur Geschichte der jüdischen Gemeinde  
bulletFotos / Darstellungen 
bulletLiteratur - Beitrag von Moritz Stern  
bulletLinks und Literatur   

   

Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde             
     
In der früheren Reichsstadt Weißenburg gab es bis 1520 eine jüdische Gemeinde mit Synagoge und Mikwe.
     
Ende des 13. Jahrhunderts ließen sich vermutlich die ersten Juden in Weißenburg nieder. 1288 bat die Stadt den Nürnberger Rat um Mitteilung des dortigen Judenpfandrechtes. 1312 wurde die von Nürnberg erhaltene Judenordnung in Weißenburg in Kraft gesetzt oder erneuert. 1298 wurden im Zusammenhang mit der sogenannten "Rintfleisch"-Verfolgung Juden in der Stadt ermordet; die Namen eines Teil der Märtyrer sind erhalten. In der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts werden namentlich Berl (Perl) (1339) und 1342 Salman aus Weißenburg als Judenbürger in Nürnberg genannt, wo sie sich niederlassen konnten. Bei der Verfolgung in der Pestzeit 1348/49 wurden Juden wiederum in der Stadt ermordet. 1350 befreite Karl IV. die Stadt von allen Judenschulden.
     
Einige Jahre nach der Verfolgung in der Pestzeit ließen sich wieder einzelne Juden nieder. Freilich kam es bereits 1384 im Zusammenhang eines Aufstandes der Handwerker gegen die Patrizier zu einem erneuten Pogrom in der Stadt mit mehreren Toten, bei dem der Rat die Juden zu schützen versucht hatte. Damals wurden sechs Rädelsführer des Aufstandes mit Verbannung bestraft. 
    
Zwischen der Zeit Ende des 14. Jahrhunderts und der Vertreibung der Juden 1520 entstand nochmals eine relativ große jüdische Gemeinde in der Stadt. Eine Judengasse wird erstmals 1514 genannt, in der vermutlich die meisten jüdischen Familien lebten, gleichfalls eine Synagoge, die nach einer Angabe aus dem 18. Jahrhundert nahe dem oberen Tor bei dem Bach stand (im 18. Jahrhundert stand hier das Rebdorfische Kornhaus). Es gab zwischen fünf und neun "Judenhäuser". 1480 lebten etwa 150 jüdische Personen in der Stadt, zuletzt (1520) insgesamt 15 Familien. Einige Weißenburger Juden sind wird aus der Stadt verzogen: nach Weißenburg benannte Juden finden sich 1390 in Eger, 1408 in Rothenburg o.d.T., 1413 und 1426 in Nürnberg, 1426 in Regensburg, 1490 in Nördlingen, 1510 in Frankfurt/Main. Die Juden der Stadt lebten insbesondere von der Geld- und Pfandleihe. Ausdrücklich verboten war in der Stadt der Warenhandel (insbesondere Tuch und Getreide) und das Handwerk. Erlaubt war der Handel mit in der Stadt erzeugtem Tuch außerhalb des Kreises von zwei Meilen um die Stadt.  
    
Beziehungen zwischen Christen und Juden gab es in dieser Zeit offenbar auch außerhalb des Geschäftlichen. In der Judenordnung der Stadt musste ausdrücklich das gemeinsame Glückspiel zwischen Juden und Christen verboten werden. Als Beispiel für ein positiven Miteinanders kann auch genannt werden, dass der christliche Hebraisten Johann Böschenstein (1472 - ca. 1540) um 1489 bei Mosche Möllin von Weißenburg hebräischen Elementarunterricht erhielt.
 
Infolge der Vertreibungen der Juden aus Regensburg und Rothenburg o.d.T. verstärkte sich 1518/19 die judenfeindliche Stimmung der Bevölkerung von Weißenburg, die die Austreibung der Juden auch aus Weißenburg wünschte. Am 5. Juni 1520 wurden die Synagoge und mehrere jüdische Wohnhäuser durch Christen geplündert; einige Tage später wiederholte sich der Pogrom. Der Rat, der zunächst die Juden geschützt hatte beziehungsweise einer Vertreibung nicht ohne kaiserliche Einwilligung zustimmen wollte, beschloss am 12. Juni 1520 die Ausweisung. Die Juden wurden genötigt, zu erklären, dass sie die Stadt zu verlassen wünschen und den Rat um Erlaubnis dazu bitten. Bei ihrem Fortzug nahmen sie die - soweit noch vorhanden - bewegliche Habe mit und wurden von bewaffneten Ratsherren unterstützt. Die jüdischen Wohnhäuser wurden durch den Rat konfisziert, die Synagoge wurde abgebrochen und an ihrer Stelle eine Marienkapelle erbaut. Dabei handelte es sich um einen hölzernen Bau, der nach Annahme der Reformation durch die Stadt verfallen ist (Standort: "Auf der Kapelle").  
   
Im 17. Jahrhundert bestand wiederum eine kleine jüdische Gemeinde in Weißenburg.           
    
Im 19./20. Jahrhundert kam es (bis 1945) nur zu vereinzelten Niederlassungen in der Stadt.
Hinweis: In Würzburg wird ab 1933 der von Nürnberg zugezogene Kaufmann Julius Schäfer genannt (Strätz: Biographisches Handbuch Würzburger Juden S. 503), der am 30. Mai 1903 in Weißenburg geboren ist. Er emigrierte 1936 in die USA.    
    
Nach 1945: Nach Ende des Zweiten Weltkrieges wurden in Weißenburg wenige Jahre bis zu 100 jüdische Personen (Displaced Persons, Überlebende von Konzentrationslagern und jüdische Flüchtlinge aus Osteuropa) untergebracht, wo sie auf ihre Ausreise nach Palästina oder andere Länder warteten. Sie bildeten in Weißenburg eine kleine jüdische Gemeinde ("Jüdisches Komitee Weißenburg"), deren Verwaltung am Westring 16 war. Das Gemeindeleben fand in der Gaststätte zum Schlachthof statt. Zu der Gemeinde gehörten 1945 70 Mitglieder, drei Monate später waren es ca. 100. Vorsitzender der Gemeinde war Rabbiner Dr. Jechiel Jakob Weinberg. Dieser konnte 1947 in die Schweiz übersiedeln (Montreux). Die jüdische Gemeinde bestand vermutlich bis 1949. Nach Gründung des Staates Israel 1948 verließen die meisten Weißenburg; einige sind nach Übersee (insbesondere USA) ausgewandert.   
Zu Rabbiner Dr. Jechiel Jakob Weinberg: geb. 1884 in Ciechanowiec/Podlachien; 1905 bis 1918 Rabbiner in Pilwishki; seit 1914 in Berlin; 1924 Rabbiner in einer Gemeindesynagoge ebd.; 1931 bis 1939 letzter Rektor des Berliner Rabbinerseminars; 1939 nach Kowno (Kaunus) geflohen, von hier im August 1939 nach Warschau. 1941 in der Sowjetunion verhaftet und als "sowjetischer Staatsbürger" in das Internierungslager Wülzburg bei Weißenburg verschleppt, wo er bis April 1945 verblieb; gest. Januar 1966 in Montreux.   
   
An die jüdische Geschichte des Mittelalters erinnert bis heute die "Judengasse". Link zum Stadtplan von Weißenburg mit Eintragung der "Judengasse".      
   
Im städtischen Museum (Reichsstadtmuseum) ist ein Grabstein mit hebräischer Inschrift vorhanden, dessen Ursprung ungeklärt ist. 
    
Zu den jüdischen Gräbern auf dem Interniertenfriedhof 1941-1945 an der Wülzburg (interner Link)      
     
     
     
Fotos   

 Jüdischer Grabstein im städtischen Museum 
(Reichsstadtmuseum) in Weißenburg 
(Fotos: Alexander Moisseenko)  
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   Grabstein einer jüdischen Frau, Weißenburg 1290; datiert auf den 19. November 1290. 
Übersetzung siehe Textabbildung rechts; der Grabstein wurde in einem ehemaligen Bürgermeisterhaus aufgefunden. 
      
Die Judengasse in Weißenburg 
(Fotos: Alexander Moisseenko, Aufnahmen vom August 2015)  
   
Weissenburg DSC01071.jpg (65672 Byte) Weissenburg DSC01068.jpg (133722 Byte) Weissenburg DSC01067.jpg (129801 Byte)
Straßenschild "Judengasse"      
     
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Rechts: Im Haus Nr. 3 
befand sich einst die Mikwe (rituelles Bad) 
Weissenburg DSC01065.jpg (153408 Byte)  

       
        
Literatur
Moritz Stern: Die Vertreibung der Juden aus Weißenburg 1520. In: Zeitschrift für die Geschichte der Juden in Deutschland. 1929 S. 297-303.  

Weissenburg ZGJD 1929 S297.jpg (192183 Byte) Weissenburg ZGJD 1929 S298.jpg (213804 Byte) Weissenburg ZGJD 1929 S299.jpg (216956 Byte) Weissenburg ZGJD 1929 S300.jpg (204245 Byte)
        
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Links und Literatur  

Links: 

bulletWebsite der Stadt Weißenburg in Bayern 
bulletWebsite zu den jüdischen DP-Lagern und Gemeinden in Bayern: www.after-the-shoah.org   

Literatur:  

bulletGermania Judaica II,2 S. 873; III,2 S. 1570-1572.  
bulletMoritz Stern: Die Vertreibung der Juden aus Weißenburg 1520. In: Zeitschrift für die Geschichte der Juden in Deutschland. 1929. S. 297-303 (siehe Textabbildungen oben).  
bulletIsrael Schwierz:  Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens in Bayern. Eine Dokumentation der Bayerischen Landeszentrale für politische Bildungsarbeit. A 85. 1992² S. 198.
bulletders.: Die vergessenen jüdischen Toten von Weißenburg/Mittelfranken?  In: Zeitschrift für fränkische Landeskunde und Kulturpflege. 1993. S. 360-361. 
Als pdf-Datei online zugänglich.  
bulletJim G. Tobias: Vorübergehende Heimat im Land der Täter: Jüdische DP-Camps in Franken 1945-1949.  2002. 
Beitrag von Jim G. Tobias zu Weißenburg:  Als im fränkischen Weißenburg ein Rabbiner lehrte. Eingestellt bei haGalil.com.     

n.e.

                 

                   
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Stand: 30. Juni 2020