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Davos (Kanton
Graubünden, Schweiz)
Jüdische Geschichte vom Ende des 19. Jahrhunderts bis um 1920:
Jüdische Kureinrichtungen / Gründung einer jüdischen Gemeinde
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Abbildungen des von 1897 bis 1905 bestehenden streng koscher
geführten "Internationalen Sanatoriums" von A. Hirsch |
Foto der "Jüdischen
Heilstätte Etania"
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Übersicht:
Texte zur Geschichte jüdischer Kureinrichtungen vom Ende des
19. Jahrhunderts bis um 1920
Texte
zum jüdischen Gemeinde- und Vereinsleben
Presseartikel
zur jüdischen Geschichte in Davos
Lage der Etania-Heilstätte über Link bei den
Google-Map)
Vorbemerkung:
In Davos, das sich seit der Mitte des 19. Jahrhunderts zu einem Kurort
von europäischem Ruf entwickelte, wohnten auch alsbald jüdische
Personen. Der Ort wurde zunehmend von jüdischen Kurgästen und Touristen
besucht, die allerdings zunächst auf die Einquartierung in nichtjüdischen
Pensionen oder Hotels angewiesen waren. In den späten 1890er-Jahren errichtete A.
Hirsch mit dem "Internationalen Sanatorium" (erbaut
1896/97) ein Hotel ersten Ranges am Ort, das streng rituell geführt wurde. Im
Hotel gab es auch eine Synagoge und ein rituelles Bad (Mikwe). Doch wurde
Hirsch's Sanatorium in den kommenden Jahren jüdischerseits nicht so angenommen,
dass es wirtschaftlich weitergeführt werden konnte. Im Herbst 1905 musste es
geschlossen werden und kam in nichtjüdischen Besitz. A. Hirsch betrieb seitdem
eine Pension mit Restaurant in St. Moritz.
Seit 1. November 1905
gab es als streng koscher geführte Einrichtung in Davos die "Pension
Schneider", die in der Villa Bel' Aria eingerichtet
wurde.
Auf Grund langjähriger Bemühungen des von jüdischen Gemeinden und
Institutionen in der Schweiz getragenen "Hilfsvereins für jüdische
Lungenkranke in der Schweiz" (Sitz in Zürich) konnte im Jahr 1919
ein jüdisches Sanatorium "Ethania" ("Etania") in Davos
eröffnet werden (Einweihung am 16. Juni 1919). Es sollte vor allem eine
Heilstätte für unbemittelte und minderbemittelte Kranke sein. Als Chefarzt war
von 1916 bis 1925 Dr. Felix Oeri tätig. Das Haus wurde bei einem schweren Lawinenabgang am 23. Dezember
1919 weitgehend zerstört, konnte jedoch renoviert und im Mai 1920 wieder
eröffnet werden. Auch im Sanatorium Etania wurde ein Betsaal (Synagoge(
eingerichtet.
Hinweis zur weiteren Geschichte: Die Heilstätte Etania ("Jüdisches Heil- und Erholungszentrum
Davos") bestand bis 1991. 1962 gab es wie 1919 schwere
Zerstörungen durch einen Lawinenabgang. Die hierbei beschädigten und dadurch
unbrauchbar gewordenen jüdischen
Gebetbücher wurden am 4. November 1963 auf dem jüdischen Friedhof beigesetzt.
Das Gebäude der Heilstätte Etania besteht bis zur Gegenwart (Richtstattweg 3),
ist jedoch leerstehend*.
Davos ist bis zur Gegenwart (2019) sehr beliebt bei orthodox-jüdischen Touristen
in der Schweiz. Es bestehen streng rituell geführte Hotels wie die Hotels Cresta
und Cresta Sun, für deren hauseigene Synagoge im August 2019 eine neue Torarolle
eingeweiht wurde (siehe unten). Seit 2021 gibt es Pläne des "Vereins
Talmud-Hochschule Davos", in einem Hotel eine Talmud-Hochschule einzurichten
und zu betreiben. Nach der Eintragung im UID-Register hat der genannte Verein
"als Zweck, zur Förderung jüdischen Wissens und damit zusammenhängender
Lehrfächer eine Talmud-Hochschule samt Internat zu betreiben" (Eintrag im
UID-Register August 2021).
*Anmerkung: der Trägerverein "Etania-Hilfsverein, Jüdisches Heil- und
Erholungszentrum Davos mit Sitz in Zürich" besteht bis zur
Gegenwart (Sitz: Lavaterstraße 37 8002 Zürich).
Eine jüdische Gemeinde ist 1918 entstanden. 1931 konnte ein jüdischer
Friedhof in Davos angelegt werden.
Hinweis zur weiteren Geschichte: Eine Synagoge und ein koscheres
Restaurant waren im Sommer 2008 im früheren "holländischen
Sanatorium" eingerichtet (vgl. Presseartikel unten von 2008).
Texte
zur Geschichte jüdischer Kureinrichtungen vom Ende des 19.
Jahrhunderts bis um 1920
Das "Internationale Sanatorium", die Pension Schneider und das
"deutsche Sanatorium"
Allgemeiner Bericht über Davos und den Bau des "Internationalen Sanatoriums" (Mai 1897)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 10. Mai
1897: "Davos (Schweiz). Glücklich das Haus, dreimal
glücklich die Familie, für die der Name Davos nichts als ein
gleichgültiger Laut, ein bloßer geographischer Begriff, vielleicht eine
süße Erinnerung an eine heitere Ferienreise durch's Engadin oder
Prättigau ist. Für Tausende aber ist dieses Bündner Hochtal ein
Wallfahrtsort, zu dem sie bebenden Herzens, wenn auch mit stiller Hoffnung
pilgern: 'Davos, die Gesundheitsstadt auf dem Berge', ist seit Dezennien
eine unübertroffene Heim- und Heilstätte für Brustkranke, und die Zahl
der dauernden Heilerfolge, die hier bei allen Formen der Tuberkulose
erzielt werden, ist eine geradezu erstaunliche. - Ein deutscher Arzt, Dr.
Alexander Spengler, hatte diesen Ort vor etwa vierzig Jahren 'entdeckt',
und während dieser kurzen Zeit ist das arme, weltvergessene Alpendorf zu
einem Kurort von europäischem Ruf emporgeblüht, wo, gleich den Perlen an
der Seidenschnur, die herrlichsten Villen sich reihen und zahlreiche
Palasthotels an Komfort und Bequemlichkeit einander zu überbieten suchen.
Im Spätherbst, wenn der große Strom der Sommerfrischler und Touristen
aus unseren bergen sich zurück in das Tiefland verläuft, sieht man in
unserem sonnigen, windgeschützten Hochtale nahezu 2.500 gleichzeitig
anwesende Gäste sich scharen, die die gleich dem Psalmensänger ihre
Blicke hilfesuchend zu den Bergen erheben und dank dem Beistand Gottes und
dem kräftigenden Einfluss des Hochgebirgsklimas auch Hilfe und Heilung
finden. Dann entwickelt sich auf unseren Promenaden und Spaziergängen ein
buntes, bewegtes Leben eigener Art: Vertreter aller Stände, Trachten
aller Länger und Angehörige aller Nationen sieht man hier wie zu einer
einzigen, großen Familie friedlich vereinigt, und im Theater und
Konzertsaal, sowie auf den zahlreichen Sportplätzen hört man die Laute
aller zivilisierten Sprachen an das Ohr schlagen, dass man sich mitten in
das große, von unseren Propheten verheißene Fest der
Völkerverbrüderung versetzt glaubt. Nur eine einzige große Gruppe, aus
deren Reihen die Tuberkulose, diese Geißel der Menschheit, so zahlreiche
Opfer fordert, ist zum großen Schmerz eines jeden treuen Israeliten von
den Segnungen des Hochgebirges, von dem Gebrauch einer Kur in Davos
ausgeschlossen; wir meinen diejenigen religiösen jüdischen Kreise, die
streng auch eine rituelle Küche halten und daher unsern Kurort bisher
nicht aufsuchen konnten, weil sie hier keine rituelle Verpflegung fanden.
Diesem Schmerzlich empfundenen Mangel abzuhelfen, hat sich nun ein
energisches Glaubensgenosse an unserem Orte zur Lebensaufgabe gemacht;
Herr A. Hirsch beschäftigt sich seit einer Reihe von Jahren in
anerkennenswerter Weise mit der Verwirklichung des Planes, ein
israelitisches Sanatorium in Davos zu erbauen, das streng religiös
geleitet werden und unter Aufsicht eines bedeutenden jüdischen Arztes
stehen soll. Der Bau hat bereits vor neun Monaten begonnen. An einem
klaren Herbsttage des verflossenen Jahres sahen das Tinzen- und das
Schiahorn nicht ohne Verwunderung auf das Beginnen eines kleinen
Häufleins hier weilender Israeliten herab. Am Eingang ins stille
Dischmatal, wo dem Auge sich ein wunderbarer |
Ausblick
über das herrliche Tal und den weiten Kranz der weiß schillernden Berge
bietet, hatten sie sich in weihevoller Andacht zusammengefunden, um den
ersten Spatenstich für das israelitische Krankenheim des Herrn Hirsch zu
führen. Gegenwärtig wird am Bau bereits wacker gearbeitet. Die Kosten
sind auf 250.000 Frs. veranschlagt, zu deren Deckung, nach Abzug der 1.
Hypothek von 80.000 Frs., Obligationen à 500 Frs. zu 4 1/2 % emittiert
worden sind. Dieselben werden durch eine jährlich stattfindende
Amortisation von mindestens 10 Nummern bei einer Amtsstelle in Davos
ausgelost und zurückbezahlt.
In Paris und London hat das Unternehmen des Herrn Hirsch, das einem
wirklichen und dringenden Bedürfnis entspringt, mannigfache Teilnahme
geweckt, und in Berlin haben die Herren Ginsberg, Louis Sachs, Prof.
Senator, Prof. Fränkel, Sanitätsrat Dr. Lazarus, Julius Bodenstein, Dr.
G. Karpeles, Dr. Hirsch Hildesheimer, Rabbiner Dr. Weiße durch einen
warmen Aufruf, der guten Sache sich angenommen. Leider ist das nötige
Kapitel noch nicht ganz beisammen, was alle diejenigen, die dem
Zustandekommen des Sanatoriums ein inniges Interesse entgegenbringen, mit
großer Sorge erfüllt. Obwohl die ersten Stützen jüdischer
Mildtätigkeit sich mit Obligationen beteiligt haben, - es haben
gezeichnet: Frau Baronin Willy von Rothschild in Frankfurt am Main 10.000
Frs., die Herren Gebrüder von Rothschild in Paris 5.000 Frs., Seine Exzellenz
Lazare von Polliakoff in Moskau 2.000 Frs., - so fehlen noch immerhin
30.000 Frs., um das Unternehmen zu Ende zu führen. Herr Hirsch begibt
sich nun nach Süddeutschland, um daselbst die letzten Bausteine zu seinem
menschenfreundlichen Werke zusammenzutragen. Möge man ihn dort ein
offenes Herz und eine offene Hand finden lassen, damit das im Dienste
jüdischer Nächstenliebe begonnene Werk zum Segen zahlreicher
lungenkranker Glaubensgenossen einen ungehemmten Fortgang und gedeihlichen
Abschluss nehme." |
Über den Bau des "Internationalen Sanatoriums"
(Juli 1897)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
15. Juli 1897 mit Abbildung links: "Israelitisches Sanatorium
Davos". |
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 15. Juli
1897: "Davos (Schweiz). (Das jüdische Sanatorium). In
unserer Zeit der Tuberkulose und anderer Lungenkrankheiten ist Davos trotz
seiner weltversteckten, von den Graubündner Bergriesen eingeschlossenen
Lage ein so viel genannter und durch seine wunderbaren Heilerfolge
bekannter Kurort, dass über die Örtlichkeit selbst wenig bemerkt zu
werden braucht. - Seitdem es gar per Eisenbahn erreichbar ist, hat die
Zahl derjenigen, die dort Heilung suchen und finden, von Jahr zu Jahr so
überraschend zugenommen, dass sie sich gegenwärtig auf 15.000 - beläuft.
- Wegen seiner milden, geschützten Lage, seiner unbedingten Reinheit und
Dünne der Luft, absoluter Windstille und nebelfreier, klarer Wintertage,
an welchen oft wochenlang bei tiefblauem Himmel die Sonnenausstrahlung 40
bis 50 Grad Celsius beträgt, wird David von Brust- und Lungenleidenden
vor allem als Winter- und in den letzten Jahren auch als
Sommerstation in immer größeren Dimensionen besucht. - Die Wintersaison
beginnt mit dem Einschneien des Ortes, welches meist in der zweiten
Hälfte des Oktober stattfindet und endet mit der Ende März oder April
eintretenden Schneeschmelze.
Zu den Kranken, welche in Davos Heilung suchen, stellen unsere
Glaubensgenossen schon seit Jahren ein großes Kontingent. Denselben war
es aber bisher nicht möglich, dem jüdischen Religionsgesetz gemäß zu
leben. Dieser Mangel macht sich in Davos mehr, als in einem anderen
Kurorte in empfindlicher Weise bemerkbar, was in der 5-6 Monate
ausdauernden Kur seinen Grund hat. Am schmerzlichsten wird davon in erster
Reihe der orthodoxe Jude betroffen, der die koschere Küche, Synagoge, Mikwe
und alle anderen religiösen Gemeindeinstitutionen entbehren muss, die ihm
zu unentbehrlichen religiösen Bedürfnissen geworden sind.
Aber auch diejenigen, welche den Anforderungen des Religionsgesetzes sonst
weniger gewissenhaft Rechnung tragen, empfinden als Kranke mehr als sonst
das Bedürfnis der ergreifenden Wahrheit Rechnung zu tragen, die aus den göttlichen
Worten spricht:
'Wenn Du gewissenhaft gehorchst der Stimme Gottes, Deines Gottes, das in
seinen Augen Rechte tust, Dein Ohr neigst seinen Geboten, und hütest alle
seine Gesetze, so werde ich jede Krankheit, die |
ich
in Ägypten auferlegte, Dir nicht auferlegen, denn ich bin Gott, Dein
Arzt' (2. Buch Mose Kap. 15, V. 26).
Die judenfeindliche Strömung der letzten Jahre hat aber auch jüdischen
Kurgästen, welche sich von den Satzungen des Judentums gänzlich
emanzipiert haben, dennoch den Anschluss an Glaubens- und Leidensgenossen
wünschenswert erscheinen lassen, weil der Verkehr in nichtjüdischen
Hotels wiederholt mit Zurücksetzungen und Kränkungen der verletzendsten
Art verbunden war.
Auf Grund dieser Erwägungen hatte Herr A. Hirsch, der schon seit vielen
Jahren mit seiner Familie in Davos wohnt und alle einschlägigen
Verhältnisse zur Genüge kennt, den Plan zur Errichtung eines
Israelitischen Sanatoriums in großem Stil gefasst. - Mit staunenswerter
Energie und seltener Ausdauer hat Herr Hirsch die Verwirklichung dieses
Ziels angestrebt und seiner unermüdlichen Ausdauer ist es gelungen, das
Werk so zu fördern, dass der im Herbst 1896 begonnene Bau so Gott will
in diesem Herbst seiner Vollendung entgegengeht und nunmehr das Ganze
zweifellos gesichert ist.
Zunächst ließ es sich Herr Hirsch angelegen sein, die finanzielle Seite
des großen Unternehmens auf solider Basis zu sichern. In richtiger
Erwägung, dass es sich um eine Tat von weitgreifender, internationaler
Bedeutung handelte, war Herr Hirsch mit gutem Erfolg bemüht, die
angesehensten Finanzgrößen und sonstige Kapazitäten in den
verschiedensten Ländern für seine Idee zu interessieren. Die klangvollen
Namen der Herren, aus welchen sich das Zentralkomitee zusammengesetzt,
machen jede weitere Bemerkung nach dieser Seite hin überflüssig. Es sind
dies die Herren: Rabbiner Dr. Ehrmann in Baden (Schweiz), Dr.
med. W. Beeli in Davos - Platz, Dr. med. A. Nordmann in Basel,
Dr. med. E. Rosenbaum in Frankfurt am Main, Rabbiner Dr. Kahn in
Wiesbaden, Siegmund Kaufmann in Firma Gebrüder Feith in Mannheim,
Dr. Hirsch Hildesheimer in Berlin, Julius Bodenstein in Berlin,
Mr. le Grand-rabbin Zadok Kahn in Paris.
Unter denen, welche das Unternehmen durch ansehnliche Beteiligungen in
hervorragender Weise förderten, nennen wir hier nur: Frau Baronin Willy
von Rothschild in Frankfurt am Main mit Frs. 10.000, Firma de Rothschild
frères in Paris mit Frs. 5.000, Sr. Excellenz Lazare de Poliakoff
in
Moskau mit Frs. 1.000, Herr Wilhelm Moos in Gailingen mit Frs. 1.000.
Ferner von christlichen Privaten |
und
von den am Bau beschäftigten Handwerkern und Lieferanten in Davos selbst
ca. Frs. 30.000.
Das erforderliche Baukapital beträgt 250.000 Frs., wovon Frs. 80.000
durch 1. Hypothek gedeckt, die noch verbleibenden Frs. 170.000, eingeteilt
in 340 Partial. Obligationen à Frs. 500 bilden eine geschlossene II.
Hypothek mit gleichen Rechten. Aller notariell eingetragen im
Pfandprotokoll III. sub. Nr. 1054 der Landschaft Davos. Diese
Partial-Obligationen sind bis auf noch fehlende ca. 30.000 Frs. bereits platziert
worden, welche verhälnismä0ig kleine Summe noch aufzubringen ist und die
Herr Hirsch gewiss ohne große Mühe von gutsituierten, edeldenkenden
Glaubensgenossen erlangen wird, sodass auch die finanzielle Seite
jedenfalls gesichert ist.
Was die rituelle Seite betrifft, so dürfte es genügen, darauf
hinzuweisen, dass ein von Herrn Rabbiner Dr. Ehrmann designierter
verheirateter Beamter das ganze Kaschrus übernehmen wird, derselbe wird
auch die Funktionen in der sich im Anbau über dem Speisesaal sich
befindlichen Synagoge versehen, die, ebenso wie eine Mikwe
vorgesehen ist.
Obwohl das Sanatorium nach jeder Richtung hin den rigorosesten Ansprüchen
des Religionsgesetzes entsprechen wird, soll dasselbe doch nichts von den
Schattenseiten haben, die - ob mit Recht oder Unrecht soll hier nicht
erörtert werden - jüdischen Pensionen und Hotels vielfach zuerkannt
wird. - Das Sanatorium soll, was Bau, Einrichtung, Küche, Personal usw.
betrifft, eine Anstalt ersten Ranges werden, sodass sie auch den
weitgehendsten Ansprüchen entsprechen wird.
Wir wünschen dem Unternehmen den besten Erfolg und hoffen über das
Fortschreiten des Baues und seine für die Wintersaison projektierte
Fertigstellung unseren Lesern eingehenden bericht mitteilen zu
können." |
Anzeigen des streng koscher geführten "Internationalen Sanatoriums"
von Direktor A. Hirsch (1900 / 1904 / 1905)
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
8. Februar 1900: "Streng Koscher - Streng Koscher.
Hirsch's Internationales Sanatorium Davos-Dorf.
Leitender Arzt: Dr. med. W. Holdheim, langjähriger Assistenzarzt
des Herrn Medizinalrat Prof. Fürbringer in Berlin.
(Neu eröffnet, jedoch bereits seit 2 Jahren im Rohbau vollendet, daher
völlig trocken).
Vollständig rauch- und staubfreie Lage, isoliert gelegen, nur 5 Minuten
vom Bahnhof Davos-Dorf entfernt, längste Sonnenschein-Dauer des ganzen
Davoser Tales.
Das ganze Jahr geöffnet.
Haus I. Ranges mit allem Komfort. - Große nach Süden gelegene
Liegehallen. - Niederdruckdampfheizung - Elektrische Beleuchtung. -
Bäder. - Duschen. - Alle Zimmer mit Linoleum belegt. - Reichhaltige beste
Verpflegung. - Behandlung nach Brehmer-Dettweiler'schen Prinzipien.
Prospekte gratis und franco zu beziehen durch den leitenden Arzt oder
durch den Besitzer A. Hirsch.
Referenz: Seiner Ehrwürden Herr Rabbiner Dr. Ehrmann in Baden,
Schweiz." |
|
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
28. Januar 1904: 'Internationales Sanatorium.
Streng Koscher - Streng Koscher.
Schweiz Davos - Dorf Kanton Graubünden
1580 m ü.M. Das ganze Jahr geöffnet. 1580 m ü. M.
Luftkurort für Lungenkranke Asthma- und Nervenleidende.
Haus I. Ranges in wundervoller Lage, unter weitest. Rücksichtnahme auf
Hygiene mit allem Komfort der Neuzeit ausgestattet.
Niederdruckdampfheizung, elektrisches Licht, Personenaufzug, große
Vestibüle und Gesellschaftssäle, geräumige, sonnige Terrassen für die
Liegekur.
Pensionspreis für vollständige Verpflegung, ärztliche Behandlung,
Bäder, Duschen, Abreibungen, Licht, Heizung und Bedienung 11 Francs pro
Tag.
Zimmer je nach Lage und Ausstattung 1,50 bis 8,50 Francs pro
Tag.
Leitende Ärzte: Dr. med. P. Humbert. Dr. med. B. Tschlenoff,
Privatdozent für physikalische Therapie an der Universität
Bern.
Geschultes Pflege-Personal. Einziges Sanatorium mit streng
Koscherbetrieb im schweizerischen Hochgebirge, welches in dem Verzeichnis
des in Hamburg domilizierten Vereines für rituelle Speisehäuser
aufgenommen ist. Die Leitung über die Kaschrut untersteht einem
streng orthodoxen Torakundigen aus Krakau.
Referenzen streng orthodoxer Rabbiner. Ausführliche Prospekte franko
durch Direktor A. Hirsch." |
|
Anzeige im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt"
vom 6. Januar 1905: "Höhenkurort für Lungenkranke.
Internationales Sanatorium Davos - Dorf. Streng koscher.
Das ganze Jahr geöffnet.
Haus I. Ranges in wundervoller Lage unter weitgehendster
Rücksichtnahme auf Hygiene mit allem Komfort der Neuzeit
ausgestattet.
Leitende Ärzte: Dr. med. P. Humbert und Dr. med. B. Tschlenoff aus
Russland, Privatdozent für physikalische Therapie an der Universität
Bern. - Direktor: A. Hirsch.
Geschultes Pflegepersonal. Einziges Sanatorium mit strengem
Koscherbetrieb im schweizerischen Hochgebirge, welches in dem Verzeichnis
des in Hamburg domizilierten Vereins für rituelle Speisehäuser
aufgenommen ist. Die Leitung über das Sanatorium untersteht einem streng
orthodoxen Aufseher aus Krakau.
Referenzen streng orthodoxer Rabbiner. Ausführliche Prospekte franko
durch Direktor A. Hirsch." |
Bericht aus dem "Naturwunder" Davos (1900)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 15. Januar
1900: "Aus der Winterfrische (Ein Naturwunder).
Davos-Dorf, im Januar. Zweimal jährlich führt mich meine
Geschäftstour seit Jahren in die Schweiz; einmal im Sommer und einmal im
Winter. Sie ist und bleibt ein merkwürdiges Land, von welcher Seite man
sie auch ansieht, so merkwürdig, dass selbst eine fahrende Krämerseele
meines Schlages auftaut, dass es ihr in den Fingern zu prickeln anfängt,
und dieselben zur Feder greifen, diesem Ableiter für alles, wovon das
Herz voll ist.
Ich spreche nicht von dem, was alljährlich Hunderttausende von Fremden in
die Schweiz zieht, nicht von den Alpen mit ihren Firnen und Gletschern,
nicht von der Schweizerischen Eidgenossenschaft, deren Eigenart als Hort
politischer Freiheit nicht weniger als die Eigenart der Natur den
Fremdenstrom aus aller Herren Länder hierher leitet, was verstände auch
ein auf Tuch und Buckskin gerichteter Reiseonkel von dieser schönen,
sublimen Sache!
Auch von der jüdischen Schweiz spreche ich heute nicht, obwohl die
merkwürdige Wendung zum Besseren, die sich hier vollzogen und sich
täglich, trotz Schächtverbot, immer nachhaltiger vollzieht, auch unter
die Naturwunder dieses merkwürdigen Landes gehört. Wenn einer einem das,
was sich da heute verwirklicht hat, vor zehn oder fünfzehn Jahren
prophezeit hätte, man hätte ihm besorgt den Puls gefühlt, um sich zu
vergewissern, dass er nicht fiebert! In Basel haben sie ein
prächtiges Bes-Hamidrasch gegründet, in einem eigenen Hause, in dem
allabendlich gelernt wird, altmodisch gelernt wird, Baale Battim und junge
Geschäftsleute. Dort haben sie sogar eine richtige Schaß-Chewra, in der
jeden Abend mehr als ein Minjan Teilnehmer sich zu einem Schiur Gemoro
zusammenfindet und die einzelnen Mitglied abwechselnd vortragen! In Zürich
haben sie nicht nur ein Bes-Hamidrasch, sondern eine orthodoxe
Religionsgesellschaft, die unabhängig von der Reformgemeinde, alle
Gemeinde-Institutionen und selbst einen eigenen Friedhof hergestellt hat!
Und das alles in einer Entfernung von nicht drei Stunden Bahnfahrt!! Warum
gibt's das bei uns in Deutschland nicht? Wie viel mal drei Stunden könnte
man auf den deutschen Bahnen zurücklegen, ohne auch nur auf eine
Gelegenheit zum 'lernen', ohne auf ein Bes-Hamidrasch zu stoßen!
Doch von alledem will ich heute nicht reden, sondern es handelt sich um
ein wirkliches Naturwunder, da ich hier erlebe und unter dessen Bann ich
augenblicklich stehe, während ich diese Zeilen schreibe. Ich fuhr von
Zürich weiter in der Richtung nach Chur ins Graubündener Land.
Dort gibt's keine jüdischen Gemeinden; es finden sich da vereinzelte
Niederlassungen isolierter, jüdischer Familien. Die Gedanken werden daher
unwillkürlich auf die Herrlichkeiten der alpinen Winterlandschaft
gelenkt, durch die der Schnellzug braust - wenn man kein
Geschäftsreisender ist, dieser hat dafür wenig Zeit und Muße und noch
weniger empfänglichen Sinn. Er grübelt und rechnet, vertieft sich in
seine Bestellungen, die er bereits hat und noch mehr in diejenigen, die er
nicht hat, sieht seine ihm nachgehende Korrespondenz durch und wenn er
selbst damit fertig ist, hängt er seinen eigenen Gedanken und Grillen
nach und hat kein Auge für die Schneeriesen, die ihm mit ihren weißen
Kitteln und Kuppen ihren stimmen Gruß entbieten. Er ist ja Reisender
wider Willen; er wäre lieber zuhause bei den teuren Seien und alle
Herrlichkeit der Natur verliert ihren Reiz vor der Herrlichkeit des Verkehrs
in der Familie, auf welche der Reisende verzichten muss.
Er hat so seine ganz eigenen Gedanken über das Reisen und je mehr er
ihnen nachhängt, desto mehr neigt er sich der Ansicht derjenigen zu,
welche meinen, dass die Menschen doch recht komische Leute seien. Im
heißen Sommer reisen sie in die Alpen, um die kühle, kräftige Berglust
einatmen zu können. Im Winter haben sie diese kühle, kräftige Luft vor
ihrer Haustüre, aber dann wollen sie warme Luft haben und reisen deshalb
nach dem sonnigen Süden. Das Ideal dieser sensationssüchtigen Reisenden
wäre ein grün angestrichener Winter und ein eingeschneiter Sommer, wäre
Kälte und Wärme in einem und demselben Atemzuge, wäre ein Zustand, den
man selbst im Schlaraffenland vergeblich suchte und der außerhalb einer
exaltierten Phantasie nirgends zu finden ist.
So habe ich's bis zum gestrige Tage immer angesehen. Aber heute bin ich
belehrt und bekehrt, heute muss ich gesehen, was die ausschweifendste
Phantasie sich kaum auszumalen vermag, Kälte und Wärme, Sonnenglut
mitten im Eisen und Frost, 45 Grad Celsius bei meterhohem Schnee, diese
unvereinbaren Gegensätze, hier in Davis-Dorf sind sie in einer
Weise vereinigt, die ich selber noch jetzt für unmöglich hielte, wenn
ich sie nicht sähe, fühlte, wenn ich sie nicht atmete und nicht mit den
Fingern tasten könnte.
Ich war früher nie in Davos. Es liegt mit seinen 1650 Metern für einen
orthodoxen Magen doch etwas zu hoch und abgelegen von der breiten
Heerstraße, wo man ihn noch auf koschere Weise befriedigen kann. Dazu
empfang ich auch ein gewisses Gruseln vor dem Ort, der mir als das Mekka
aller Lungenkranken seit Jahren bekannt war. Aber einer meiner besten
Kunden |
war
nach Davos gezogen und ich musste notwendig in den sauren Apfel beißen
und ihm dorthin nachreisen, nach Davos, dieser Hochburg der Tuberkulose
und Schwindsucht, wo ich glaubte, das Tuberkelbazillen und Krankheitspilze
aller Art ihre tollsten Orgien feiern, und von dem ich mich deshalb bis
jetzt immer in respektvoller Entfernung gehalten habe.
Wer von Zürich talaufwärts in der Richtung von Chur fährt, gelangt nach
kurzer Fahrt zur Station Landquart, die den Ausgangspunkt der Eisenbahn
Landquart - Davos, der höchsten Adhäsions-Bahn Europas bildet. Fährt an
auf dieser Bahn durch das wald- und wiesenreiche Tal des Prättigau, so
gelangt man etwa in zwei Stunden zu dem 1200 Meter hoch gelegenen Dorf und
Sommerkurort Klosters. Von hier führt die Bahn in mächtigen Kehren an
der südlichen Berglehne durch Wiesen und Tannenwälder bergan. Immer
großartiger entfaltet sich der Blick auf das tief unten liegende
Prättigau und die herrlichen Gipfel des Rhätikon- und Schlappinerkette,
sowie des vergletscherten Silvrettenstocks. Man gelangt zur Station Laret,
einem kleinen, auf einer Stufe des Berghangs liegenden, rings von Wald
umschlossenen Dorfe, das bereits zu Davos gehört (Davos ist der Name
nicht einer einzigen Ortschaft, sondern eines ganzen, im schweizerischen
Kantone Graubünden gelegenen Talers).
Wieder führt die Bahn bergan, und bald erreicht man die niedrigste Stelle
eines bewaldeten Bergrückens, Station Wolfgang, 1632 Meter hoch. Von hier
geht es rasch hinunter in das eigentliche Davoser Tal. An den bewaldeten
Ufern eines stillen Bergsees vorüber gelangt man nach Davos - Dorf und
dann nach Davos - Platz.
Es ist kein Zufall, dass unter den vielen Hochtälern der Alpen gerade
Davos zum großen Sommer- und Winterkurort geworden ist. Die verschiedenen
Bedingungen, ohne welche ein Kurort für Brustkranke im Hochgebirge
undenkbar ist, treffen bei Davos in einer Weise zusammen, wie es kaum bei
einem anderen Hochtale der Fall sein dürfte.
Ich halte mich bei diesem Punkte nicht auf, da für mich die anerkannte
Heilkraft des hiesigen Klimas hinlänglich aus der Kurliste hervorgeht,
die zur Zeit 2455 Kurgäste aus aller Herren Länder aufweist; meistens
aus Deutschland und England. Trotzdem hätte ich keine Spur von Krankheit
bemerkt, wenn ich nicht darnach gesucht hätte. Die Gäste verkehren auf
der Straßen, treiben Eis- und Schneesport aller Art. Die Patienten,
welche schwer krank sind, befinden sich in den Hotels und Villen und
liegen in freier Luft auf Balkonen und in Liegehallen. Auf diese Weise
wird man nirgends in unliebsamer Weise daran erinnert, dass man sich an
einem Kurort befindet.
Mich interessierte mehr die phänomenale Erscheinung, in der hier Sonne
und Schnee, Hitze und Kälte zusammen auftreten, sowie die zahlreichen
Villen, Hotels, Sanatorien und ähnliche Anstalten, welche einen Wert von
Millionen repräsentieren und in die weite Schneefläche wie hingezaubert
erscheinen.
Hochgelegene Orte sind im Allgemeinen reicher an Sonnenschein, ärmer an
Bewölkung und Niederschlägen als die Tiefländer. Aber die Strahlen der
Sonne gewinnen in ganz unglaubliche Weise an Intensität durch die weite
Schneefläche, welche sie zurückstrahlt. Wer diese Wirkung der
Sonnenstrahlung nicht selber gesehen hat, kann sich davon schwerlich einen
Begriff machen. Durch dieselben können bei einer Lufttemperatur von 5-10
Grab unter dem Gefrierpunkt selbst Kranke stundenlang im Freien sitzen,
ohne wärmer bekleidet zu sein, als im geheizten Zimmer. Ein dunkler Filzhut
wird an solchen Tagen bald lästig, die Kurgäste tragen dann gerne
Strohhüte - inmitten meterhohen Schnees.
Im Februar scheint die Sonne gewöhnlich schon so warm, dass man den
Oberkörper vor ihren Strahlen durch einen Schirm oder ein Schattentuch zu
schützen genötigt ist, wenn man im Freien sitzen will. Man hat aber auch
schon im Dezember und Januar an kalten, sonnigen Tagen auf den Terrassen
der Davoser Kurhäuser das Gefühl, in recht warmer Luft zu sitzen.
Es kann in Davos in jedem Monat des Jahres Schnee fallen, am seltensten
geschieht es im August. Regen im Winter ist selten, seltener als Schnee im
Sommer. Von der zweiten Hälfte des November an bis Ende April, zuweilen
auch bis in den Mai hinein, in der Regel volle fünf Monate hindurch, ist
das Tal mit Schnee bedeckt. Der Winterschnee ist nicht zäh und feucht,
sondern staubartig und trocken. Nur der frischgefallene und im Schmelzen
begriffene Schnee lässt sich ballen. Die Hohe der Schneedecke ist sehr
ungleich. Während sie in manchen Jahren kaum 50-60 cm misst, erreicht sie
in anderen 1 Meter und mehr. Im allgemeinen ziehen sowohl die Einwohner
als die Kurgäste die schneereichen Winter den schneearmen vor. Der Schnee
auf den Straßen wird durch schwere Walzen festgedrückt. Dann spaziert
man darauf so angenehm, wie auf dem besten Trottoir. Auch in
gesundheitlicher Beziehung ist die Schneedecke, welche volle fünf Monate
hindurch allen Staub, alles Faulende und Übelriechende gebunden hält,
von hohem Wert.
Einen besonderen Reiz erhalten diese Naturschönheiten für den
gewissenhaften Juden noch dadurch, dass er für ihren Genuss nicht auf die
nötigsten Bedingungen des Daseins, auf koscheres Essen und Trinken verzichten
muss. Es ist dies für Leidende, welche hier Heilung suchen, von gar nicht
hoch genug anzuschlagender Bedeutung. Eine solche Gelegenheit,
zuverlässig koscher leben zu können, mitten im Schnee und Eis des Hochgebirges,
ist ein Wunder, das fast dem geschilderten Naturwunder ebenbürtig zur
Seite steht.
Dieses Wunder repräsentiert Hirsch's Internationales Sanatorium in
Davos - Dorf. Ich muss gestehen, dass ich von dieser
An- |
stalt
freudig überrascht war. Ein Haus ersten Ranges, mit allem Komfort der
Neuzeit ausgestattet, und dabei auch ein Kaschrus ersten Ranges, habe ich
in dieser harmonischen Vereinigung auf meinen vielen Reisen noch nicht zum
zweiten Male angetroffen. Es hier eben anzutreffen, überstieg meine
kühnsten Erwartungen.
Mögen die Hoffnungen und Wünsche, welche die Bekenner des gesetzestreuen
Judentums an dieser Heilstätte knüpfen dürfen, sich in schönster Weise
verwirklichen! Möge sie recht vielen Leidenden Genesung und Freunden der
Natur den Genuss bringen, den sie mir in so hohem Maße bereitet hat!
Möge sie recht Viele veranlassen, durch eigene Anschauung sich selber
einmal vor dem Naturwunder zu überzeugen, das die Davoser Winterfrische
in ganz hervorragender Weise bedeutet.
Bei dieser Anregung denke ich nicht so sehr an meine Konkurrenten in der
Manufakturwaren-Branche, als an alle Diejenigen, welchen von ihrem Arzte,
zu welcher Jahreszeit auch immer, der Besuch eines Luftkurortes
vorgeschrieben wird. Für die Brust- und Lungenleidenden war die
ärztliche Verweisung an eine solche Heilstätte bis jetzt vielfach mit
der Notwendigkeit verbunden Trefah (nicht koscher) zu essen. Wie
dieser Zwang verstimmend auf Geist und Gemüt eines gewissenhaften Jehudi
wirken und die Heilung durch diese deprimierende Stimmung beeinträchtigen
muss, braucht nicht erst gesagt zu werden. Ich schließe deshalb diese
Betrachtung mit dem Rate eines mir vorliegenden heiteren Büchleins, das
mit den Worten beginnt:
'Wenn du die Phthisis (= Schwindsucht) hast, mein Sohn, Tuberkeln in der Lunge
schon, Dazu Kavernen, klein und groß,
Dann reise schleunigst nach Davos; Nur dort ist Heilung dir gewiss, Wo
anders nirgends. Merk dir dies!'" |
Bericht eines Kurgastes (Rabbiner H. Levy) über das "Internationale
Sanatorium" (1900)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 8.
März 1900: "Davos-Platz, Ende Februar (1900). Ein Reisender
hat jüngst schon Ihre Leser mit dem Kurorte Davos in so lobenswerter
Weise bekannt gemacht, dass eine nochmalige Erwähnung seiner Natur- und
Heilwunder unnötig ist. Besonders hat ihn außer den landschaftlichen
Reizen die Existenz eines streng-rituellen Hotels ohne die
sprichwörtliche 'polnische Wirtschaft' entzückt. Diese Freude wird ihm
wahrscheinlich keine Zeit gelassen haben, zu untersuchen, mit welcher
Mühe es Herrn Hirsch gelungen ist, den frommen Juden diese Annehmlichkeit
zu bereiten, und welche Kämpfe es ihn jetzt noch kostet, unseren kranken
Glaubensgenossen ein Heim zu erhalten, welches selbst für die
Nichtfrommen in Folge des auch hier grassierenden Antisemitismus ein
lebhaftes Bedürfnis ist, um in Ruhe ihrer Gesundheit wieder herstellen zu
können; denn dieses Hotel ist in erster Linie ein Sanatorium und
bezweckt unter der Leitung eines bewährten, tüchtigen Arztes, des Herr
Drn. Holdheim, den an Tuberkulose Leidenden, deren Bazillen Arme und
Reiche, Neologe und Fromme nicht verschonen, Heilung zu bringen. Dass das
Unternehmen des Herrn Hirsch für uns Juden ein großes Bedürfnis, ja
eine Wohltat ist, das kann jeder Arzt und auch jeder jüdische Kurgast
bezeugen. Umso mehr muss man sich wundern, wie wenig Interesse die
frommen Juden für das Zustandekommen dieser Anstalt gezeigt haben. Da die
Baukosten durch Verteuerung der Materialien über den Voranschlag
hinausgegangen sind, ist zur Sicherstellung des bereits in Betrieb
befindlichen Unternehmens noch tatkräftige Unterstützung erforderlich,
und würde die Zukunft der rituellen Küche, die Ihren Reisenden so
entzückt hat und deren Fortbestehen gerade den Frommen am Herzen liegen
muss, sehr gefährdet sein, wenn in den jüdischen Kreisen die bisherige
Gleichgültigkeit andauern würde.
Die zukünftige Rentabilität des Unternehmens kann nicht angezweifelt
werden, da es in der ganzen Welt das einzige jüdische Sanatorium für
Kranke besseren Standes ist.
H. Levy, Rabbiner, zur Zeit
Kurgast." |
Das (nichtjüdische) "deutsche Sanatorium" ist der Vollendung nahe sowie Bericht über das
"Internationale Sanatorium" (1901)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 22. August
1901: "Aus der Schweiz. Bei meinem jüngsten
Aufenthalt in den über alle Beschreibung herrlichen Schweizer Bergen war
ich auch in Davos, diesem Kurplatz, der 1500 Meter über dem
Meeresspiegel gelegen, wegen seinen vorzüglichen klimatischen
Verhältnissen das Eldorado aller Lungenkranken ist, von denen viele, von
den Ärzten aufgegeben, hier gefunden und dem Leben wiedergewonnen werden.
Der Vollendung nahe ist das riesige deutsche Sanatorium, für lungenkranke
deutsche Beamte erbaut. Nicht weit davon, direkt am Wald, erhebt sich die
seit 4 Jahren segensreich wirkende 'Baseler Heilstätte' und ganz in der
Nähe, auf einem sonnigen Berge herrlich gelegen, präsentiert sich uns
das 'Internationale' jüdische Sanatorium. Es ist nicht nur komfortabel,
sondern sogar äußerst elegant eingerichtet, hat einen eigenen tüchtigen
Arzt und kann sich in jeder Hinsicht den besten Etablissements an die
Seite stellen. In ritueller Beziehung wird das Institut musterhaft
geleitet. Herr Rabbiner Dr. Cohn in Basel, dessen Aufsicht es
untersteht, war kürzlich dort, um nach dem Rechten zu sehen. Eine
zuverlässige, jüdische Frau überwacht die aus einer Fleisch- und einer
Milchding-Küche bestehenden Kochräume, und außerdem waltet ein von
Herrn Rabbiner Dr. Cohn empfohlener junger jüdischer Gelehrter, dem die
Ärzte das Höhe-Klima verordnet haben, als Aufseher daselbst.
Und trotz alledem weilen die meisten Juden in den christlichen Hotels, wo
man sie scheel ansieht und heimlich über sich lacht. 'Wann wird die
Einsicht kommen diesem Volke?'". |
Ausschreibung
der "Aktien-Gesellschaft Internationales Sanatorium" (1903)
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 30. Juli 1903:
Zum Lesen bitte Textabbildung anklicken |
Hinweis, dass das "Internationale
Sanatorium" nicht mehr in jüdischen Händen ist, aber dass die Pension
Schneider rituell zuverlässig ist (1905)
Artikel
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 8. Dezember
1905: "Ein Davoser Kurgast. Anonyme Mitteilungen können
grundsätzlich nie berücksichtigt werden. - Im vorliegenden Falle wollen
wir dem Inhalte Ihrer Zeilen insoweit entsprechen, als wir wiederholt
darauf aufmerksam machen, dass das dortige Internationale Sanatorium nicht
mehr in jüdischen Händen ist und dass die neuerdings, nach den
Ansprüchen der Neuzeit und der modernen Hygiene errichtete Pension
Schneider nach dem Rufe, der dem Besitzer derselben vorausgeht, den
Anspruch auf rituelle Zuverlässigkeit erheben darf." |
Direktor
A. Hirsch betreibt nun eine Pension und Restaurant in St. Moritz (1905)
Anzeige
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 8. Juni 1905:
"Streng koscher - streng koscher.
Neu eröffnet in St. Moritz - Bad. Engadin - Schweiz.
Pension und Restaurant International.
Erstklassig eingerichtetes großes Restaurant - schöne Zimmer - zivile
Preise - (Telephon).
Die Kaschrut ist wie bisher in Davos-Dorf, dem Herrn Hirsch Marcus
aus Krakau unterstellt. Der Besitzer: A. Hirsch (früher in
Davos-Dorf)." |
Anzeige der koscher geführten Pension Schneider (1905)
Anzeige
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 3. November
1905:
"1560 m über dem Meer. Schweiz. Davos - Dorf.
Koscher Pension Schneider Koscher.
Neu eröffnet Villa Bel' Aria. 2 Minuten vom Bahnhof.
Höhenluftkurort für Lungenkranke, Asthma- und
Nervenleidende.
Komfortabel und hygienisch eingerichtet. - Große luftige Zimmer. Sonnige
Terrassen zur Liegekur. - Beste Verpflegung. - Portier am Bahnhof. -
Mäßige Preise. - Referenz: Verein zur Förderung ritueller
Speisehäuser, Hamburg.
Eröffnung: 1. November 1905." |
Der "Hilfsverein für jüdische Lungenkranke in der Schweiz" und die Heilstätte "Ethania"
(Etania)"
Für das geplante Heim für Lungenkranke gehen Spenden ein (1918)
Artikel
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 8. Februar
1918: "Zürich. Ein jüdisches Heim für Lungenkranke. Der hier vor
einem Jahr gegründete 'Hilfsverein für jüdische Lungenkranke' hat mit
einem Kostenaufwand von rund Fr. 230 für jeden Einzelfall mehr als
zwanzig Personen den Aufenthalt in Davos ermöglicht. Jetzt soll ein
Schritt weitergegangen, ein jüdisches Heim in Davos errichtet
werden. Es hat sich in der ganzen Schweiz für diesen edlen Zweck ein
jüdisches Komitee gebildet. Spenden möge man an M. Horn, Zürich,
Bahnhofstraße 55, senden." |
|
Artikel
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 1. März 1918:
"Zürich. Die Initiative für das jüdische Lungenkrankenhaus in
Davos geht vorwärts. In der Sitzung vom letzten Sonntag wurde von
Herrn Saly Guggenheim (Allschwil) ein Beitrag von Fr. 25.000 gezeichnet.
Die Zeichnungen ergaben bis heute die Summe von 50.000 Francs. Es gehen
fortgesetzt neue Zeichnungen
ein." |
Schaffung eines Heimes für jüdische Lungenkranke in
Davos (1918)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 24. Oktober
1918: "Ein Heim für jüdische Lungenkranke in Davos.
Über die Errichtung eines Heimes für jüdische Lungenkranke in Davos
macht Herr A. H. Rom, Zürich, im 'Jüdischen Jahrbuch für die Schweiz'
u.a. folgende erfreuliche Mitteilungen:
Den guten Willen zur Errichtung einer Heilstätte fanden wir bei allen
Juden der Schweiz. In der Generalversammlung des Hilfsvereins vom 22.
September 1917 wurde der Paragraph 11, der die Schaffung eines jüdischen
Sanatoriums vorsieht, aufgenommen. Darüber war man sich von vornherein
klar, dass dies nur mit Hilfe aller jüdischen Organisationen und
Gemeinden durchgeführt werden könne und dass die Mitarbeit aller Kreise
unumgänglich nötig sei. Täglich mehren sich die Anforderungen an den
Verein. Heute unterstützt er bereits 35 Patienten mit über 5.500 Fr.
monatlich. Ohne ein eigenes Heim zu besitzen, müssen jetzt schon über
65.000 Fr. jährlich aufgebracht werden. Und diese Ausgaben werden
selbstverständlich steigen, sobald das Heim errichtet ist. Fachmännische
Gutachten schätzen die jährlichen Betriebskosten auf ca. 100.000 Fr.
Außerdem ist ein größerer Fonds zum Kauf eines geeigneten Objektes
erforderlich. Allerdings werden manche bemittelte Patienten dazu
beitragen, die Kosten zu vermindern und außerdem darf man mit Sicherheit
auf ansehnliche Beiträge aus dem Auslande rechnen. - Doch nun zurück zum
Berichte. In Zürich begann die Tätigkeit. Von hier war die Idee
gekommen, hier war die Not der Verhältnisse am eindringlichsten, von hier
aus sollte die praktische Verwirklichung erfolgen. Am 29. Dezember 1917
tagte der Vorstand des Hilfsvereins mit den Vertretern der jüdischen
Gemeinden und Organisationen Zürichs in gemeinsamer Sitzung. Sie
erbrachte die einmütige Willenskundgebung, das Heim für jüdische
Lungenkranke zu schaffen. Nach gründlicher, von hohem Idealismus
getragener Aussprache, wurde ein Initiativkomitee gebildet, das die
Vorarbeiten zur Zentralversammlung für die Schweiz und die Einleitung der
Werbetätigkeit zum Ziele hatte. - Ein Aufruf wurde erlassen,
unterschrieben von den namhaftesten Persönlichkeiten der Juden Zürichs.
- Ein warmherziger Freund und Förderer unserer Sache spornte mit einer
erstmaligen Spende von 25.000 Fr. die Gebefreudigkeit der übrigen
an.
Der Erfolg des Aufrufs war ein günstiger, für das Werk ein gutes
Omen.
Die Ausbreitung der Sammel- und Werbetätigkeit auf die ganze Schweiz war
die nächste Aufgabe. Am 24. Februar 1918 fand in Baden die allgemeine
schweizerische Versammlung statt. Es war ein Ehrentag für die
schweizerischen Juden. Fast alle jüdischen Gemeinden und Organisationen
hatten Delegierte entsandt. Zu unserer großen Freude sagen wir dort alle
einig |
in dem Bestreben, das Werk edler Menschenliebe zu schaffen. Diese von echt
jüdischem Geist erfüllte Versammlung bedeutet einen Markstein in der
Entwicklung des mit so vieler Mühe begonnenen und mit so großem
Wohlwollen begrüßten Unternehmens. Die Generalversammlung des Hilfsvereins
vom 26. Mai 1918 brachte die entscheidende Wendung. Auf breite Basis wurde
das Hilfswerk gestellt, alle jüdischen kreise und alle Teile der Schweiz
zur Mitarbeit herangezogen. Die Statuten wurden genehmigt und in Kraft
erklärt. Einige Punkte von prinzipieller und grundlegender Bedeutung
seien hier darin erwähnt. Als Zweck wird angegeben: 'die Unterstätzung
jüdischer Lungenkranken und die Errichtung und Erhaltung einer
Heilstätte für jüdische Lungenkranke in Davos'. Die Gesamtführung der
Heilstätte beruht auf der Grundlage der religiös-jüdischen Tradition.
Einzelmitglieder zahlen mindestens 12 Fr. pro Jahr, Kollektivmitglieder
(Gemeinden, Organisationen), mind. 100 Fr. Der Vorstand besteht aus 20 bis
25 Mitglieder, von denen mindestens 5 bis 7 ihren Wohnsitz in Zürich
haben müssen. In allen Gemeinden der Schweiz, wo Mitglieder des Vereins
in großer Zahl wohnen, sind Lokalkomitees zu gründen, die für die
Werbung neuer Mitglieder |
zu
sorgen, für die Interessen des Vereins zu wirken und die Gesuche von
Lungenkranken aus ihrem Orte zu begutachten haben. -
Die Überwachung der religiös-rituellen Führung der Heilstätte liegt
einer Ritualkommission von 5 Mitgliedern ob, die in Lehre und Leben auf
dem Boden des überlieferten Judentums stehen. Die Bestimmungen über die
jüdisch-religiöse Leitung der Heilstätte dürfen bei einer eventuellen
Statutenrevision nicht abgeändert werden. Damit sind nun die rechtlichen,
finanziellen und jüdisch-religiösen Grundlagen und Gewährleistungen
für einen richtigen Ausbau gegeben. An der Spitze des Vereins steht ein
Vorstand, neben den Initianten des Werks die berufensten Vertreter der
jüdischen Gemeinden und Organisationen der Schweiz. Nun wird es an uns
allen sein, dem Verein durch rege Beteiligung zu seinem edlen Ziele zu
verhelfen.
Wenn auch bereits die Zeichnungen die Höhe von 100.000 Fr. erreicht haben
und wenn dies auch als schöner Erfolg bezeichnet werden muss, so ist es
bei weitem nicht genug? Noch werden große Opfer gebracht werden müssen,
um das Werk zu errichten, wie es geplant ist. Und die Hoffnung auf den
Opfersinn der Schweizer Juden wird nicht unberechtigt sein. Wir sind alle
gewiss, die Schweizer Juden werden ihre moralische Pflicht erfüllen,
eingedenk des Talmudwortes (hebräisch und deutsch): 'wer ein Leben dem
Judentum erhält, erhält eine ganze Welt.'
Wohl niemand wird an der Notwendigkeit des zu errichtenden Sanatoriums
zweifeln. Sollte es aber dennoch Leute geben, die der Sache skeptisch
gegenüber stehen, so mögen sie die von den Ausdrücken des Glücks
erfüllten Briefe derer lesen, die sich glücklich schätzten,
teilzunehmen an dem vom Hilfsverein eingerichteten Pessachbetrieb in
Davos. Etwa 30 Jehudim haben während der letzten Sederabende ihren
Krankheitszustand, wenn auch nur vorübergehend, vergessen.
Wir sind überzeugt, dass die Juden des Auslands es freudig begrüßen
werden, wenn wir später oder später in Davos ein internationales,
jüdisches Sanatorium errichten wollen, oder wenn wir gar mit dem Plane an
die Öffentlichkeit treten, in Palästina ein Lungensanatorium zu
errichten, in dem Lande, das infolge der klimatischen Verhältnisse wie
geschaffen für diesen Zweck ist." |
Der "Hilfsverein für jüdische
Lungenkranke" erwirbt für sein Sanatorium das Hotel "Exzelsior"
(1919)
Artikel
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 10. Januar
1919: "Davos. Heim für jüdische Lungenkranke.
Die rührige
schweizerische Judenheit hat sich wieder ein Ehrendenkmal errichtet: Der 'Hilfsverein
für jüdische Lungenkranke in der Schweiz' hat für die Errichtung seines
Sanatoriums das Hotel 'Exzelsior' angekauft.
Das Haus, 1912 gebaut, hat 42 erstklassig eingerichtete Fremdenzimmer und
in einem Nebengebäude noch acht Zimmer. Es können 125 Patienten
untergebracht werden. Der Kaufpreis beträgt 575.000 Frcs. bei einer
Anzahlung von 150.000 Frcs. Der Betrieb wird im April begonnen..." |
Ausschreibung
der Stelle des Verwalters in der neuen Heilstätte (1919)
Anzeige im "Frankfurter Jüdischen Familienblatt"
vom 7. März 1919: "Für unsere demnächst zu eröffnende
Heilstätte in Davos, suchen wir einen tüchtigen Verwalter.
Bewerber, die bereits in ähnlichen Betrieben tätig waren, erhalten den
Vorzug. Offerten mit Referenzen und Gehaltsansprüchen, sind zu richten an
Moritz Horn, Präsident des 'Hilfsvereins für jüdische Lungenkranke in
der Schweiz' Zürich, Bahnhofstraße 55". |
Berichte über das Lawinenunglück im Dezember 1919 - die
jüdische Heilstätte "Ethania" ist schwer betroffen
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 16. Januar
1920: "Zürich, im Januar. Infolge starken Schneefalls
ereignete sich am 23. Dezember vorigen Jahres in Davos ein tragisches
Unglück. Eine der Lawinen, die durch das Schiatobel hinuntersauste,
stürzte sich mit ungehemmter Kraft u.a. auch auf die jüdische
Heilstätte 'Ethania', die erst kürzlich auf Anregung des Herrn A.H. Rom
von der Schweizer Judenheit für 575.000 Franken erworben und am 16. Juni
vorigen Jahres eingeweiht worden war. Die Schneemassen, die auch auf die
weiter unten liegenden Häuser fielen, drangen, ohne die Außenmauern zu
beschädigen, durch Türen und Fenster auf der Bergseite ein, drückten im
Innern der Häuser Wände und Türen ein, stürzten durch Treppenhäuser
und Lichtschächte hinunter, die Zimmer, Gesellschaftsräume und sogar
teilweise noch die Kellerräumlichkeiten mit Schnell füllend. Unter den
sechs Toten, die das Unglück forderte, sind auch zwei jüdische Opfer
zu beklagen, die jedoch nicht im jüdischen Sanatorium, sondern im
Sanatorium Davos Dorf vom Tode ereilt wurden. Es sind dies die
Krankenschwester Berta Silberer aus Zürich und die zur Kur in Davos
weilende Rebekka Vaksmann aus Kischinew. Die jüdische Heilstätte 'Ethania'
selbst hat, abgesehen von dem gewaltigen Materialschaden, der mit 125.000
Franken nicht zu hoch angegeben sein dürfte, glücklicherweise kein
Menschenleben zu beklagen. Dank der Geistesgegenwart und Energie des
Chefarztes Dr. Oeri gelang es, die Patienten an der Südterrasse der Heilanstalt
zu bergen und sie von der Flucht auf die Straße abzuhalten, so sie
zweifellos von den nachfolgenden Lawinen verschüttet worden wären.
Später konnten sämtliche Patienten und Angestellte unversehrt die
Heilstätte verlassen. Durch die rührige Arbeit der Lokalkommission Davos
sind sämtliche Patienten in zwei Sanatorien bis auf weiteres
untergebracht. Die Verhandlungen mit einem Sanatorium sind soweit
gediehen, dass dort die Patienten sofort einziehen und in der gleichen
Weise wie in der 'Ethania' verpflegt werden können, bis der Betrieb der
jüdischen Heilstätte 'Ethania' wieder aufgenommen werden
kann." |
|
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 8. Januar
1920: "Davos, 23. Dezember (1919). Wenn uns die
Herbstfeiertage besonders in Erinnerung geblieben sind, da wir sie in so
schöner und würdiger Weise begehen konnten, so werden wir die
Chanukkatage 1919 auch niemals vergessen. Auch in diesen Tagen entbehrten
wir nichts, was wir von Hause aus gewohnt waren und herrschte fröhliche
Stimmung bei Groß und Klein.
Abermals ereignete sich in diesen Tagen ein großes Wunder und kann man
auch die Worte anwenden: 'Ein großes Wunder geschah hier', denn
dass wir alle heil davon gekommen sind, ist nur als 'großes Wunder'
zu bezeichnen. Was wir in diesen wenigen Stunden am vorletzten
Chanukkatage erlebt haben, lässt sich durch kurze Schilderungen nicht
veranschaulichen. Zwei kurz aufeinanderfolgende Lawinen, die vom Schiahorn
kamen, beschädigten auf ihrem Wege in nicht geringem Maße die jüdische
Heilstätte 'Ethania'. Große Schneemassen drückten die Fenster und
einzelne Wände ein und füllten viele Zimmer und Treppenhaus bis zur 3.
Etage und versperrten den Ausgang. Mit Hilfe der herbeigeeilten
Feuerwehrmannschaften gelangten wir ins Freie. Dank der guten Organisation
des in unserer Mitte weilenden Vorstandsmitgliedes, Herrn Gans, wurden wir
noch am selben Abend in zwei Häuser untergebracht.
Geraume Zeit wird verstreichen, bis die 'Ethania' wieder heilsuchende
Patienten beherbergen kann. Große Mittel sind erforderlich, um dies so
edle Menschenwerk weiter zu unterhalten, und es ist Pflicht eines jeden
Juden, nach seinen Kräften mitzuhelfen. Es ist doch die einzige
Institution ihrer Art, die es uns neben dem Sanatoriumsleben ermöglicht,
ganz nach unseren Gesetzen zu leben. Wir zweifeln nicht daran, dass es,
dank der Hilfe aller gelingen wird, unsere Hoffnung auf Wiedereröffnung
der 'Ethania' zu verwirklichen." |
|
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 15. Januar 1920: "Das
Lawinenunglück in Davos.
Zurück, 2. Januar (1920). Nach weiteren berichten aus Davos ist von
den Patienten und den Angestellten des Sanatoriums 'Etania'
glücklicherweise niemand ernstlich beschädigt worden. Doch kamen leider
zwei Arbeiter, die sich vor der Lawine in das Sanatorium von der Straße
geflüchtet hatten, ums Leben. Der materielle Schaden beträgt etwa
hunderttausend Franken, zu dessen Deckung der Gesamtvorstand einen Aufruf
erlässt. Das hiesige Israelitische Wochenblatt veröffentlicht den Brief
einer Patientin aus Davos, dem wir folgendes entnehmen:
'... Wir können alle von einem großen Glücke sprechen und dem lieben
Gott dankbar sein, dass er uns errettet hat. Ich habe schon viel von
Lawinen gelesen und mir das schrecklichste vorgestellt, aber wenn man es
selbst erlebt, dass sieht man erst das richtige. - Die 'Etania' liegt sehr
schön, gerade am Waldabhang. Ein anderes Sanatorium in derselben Lage hat
jedoch noch mehr gelitten als sie. - -
Beim ersten Sturz wurde schon unser Küchenmädchen im Saal begraben. Herr
Dr. Oeri, die Schwester und Herr Jurowitsch hatten sie gerade ausgegraben,
sie und sich selbst in die Südzimmer des Hauses gerettet, als schon die
zweite Lawine kam. Es wurde ganz dunkel. Frl. K. saß bei mir auf dem
Bette und sagte: 'Wir wollen doch zusammen sterben!' - Als dann alles
vorbei war, mussten sich die Hilfsmannschaften erst einen Weg bahnen. Die
Nordzimmer sind eingestürzt und die Treppen auch. Dr. Oeri ist vom
dritten Stocke den Terrassen entlang auf die Straße hinunter geklettert
und musste unten vor dem Hause erst die Verschütteten ausgraben. Dann
sind alle, die gehen konnten, durch die geschaffene Bahn gerutscht und
sind zum Teil in einem Hotel und im 'Neuen Sanatorium 'Davos-Dorf'
untergebracht. Wir waren drei Personen, die man tragen, vielmehr ziehen
musste. Nun wir sind auch hinausgekommen. 'Wie' ist ja ganz egal, die
Hauptsache ist, dass wir in Sicherheit sind. Wir waren dann bis 10 Uhr
abends in einem Hotel, wo man uns sehr freundlich aufgenommen hatte. Um 10
Uhr wurden wir mit Schwester Rosa, die am ganzen Körper blaue Flecken
hat, und bis zuletzt aufopferungsvoll auf dem Platze arbeitete, nach dem
neuen Sanatorium gerbacht. Wir waren so glücklich, als wir endlich in ein
Bett kamen. Die anderen Patienten waren schon seit 7 Uhr in diesem
Sanatorium. Am anderen Morgen kamen auch alle Insassen der 'Etania' in
mein Zimmer, und Ihr könnte Euch kaum denken, wie glücklich wir alle
waren, uns gesund wiederzusehen...'." |
Wiedereröffnung der Heilstätte "Ethania" (Juni
1920)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 10. Juni
1920: "Zürich, 27. Mai (1920). Die Heilstätte für
jüdische Lungenkranke in Davos, die bekanntlich im Dezember einem
Lawinenunglück zum Opfer fiel, ist dank der unermüdlich betriebenen
Wiederherstellungsarbeiten soeben wieder eröffnet
worden." |
Bericht des "Hilfsvereins für jüdische Lungenkranke" über
die Arbeit in der Heilstätte "Ethania" (1920)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 17. Juni
1920: "Zürich, 10. Juni (1920). Nach dem eben erschienenen
Bericht des Hilfsvereins für jüdische Lungenkranke in der Schweiz über
die Heilstätte 'Etania' in Davos haben in der Zeit vom 16. Juni bis Ende
Dezember 1919, 68 Patienten in der Heilstätte Aufnahme gefunden, worüber
ein ausführlicher Bericht des Chefarztes, Herrn Dr. Oeri, Auskunft gibt.
Aus demselben ist klar und deutlich zu ersehen, welch' großen Segen die
Heilstätte den Lungenkranken gebracht hat. Ein spezieller Bericht gibt
über das Betriebsergebnis der Heilstätte Aufschluss. Die darin
enthaltene Aufstellung der Verpflegungstage beweist, dass das Ziel, eine
Heilstätte für Unbemittelte und Minderbemittelte zu besitzen, im
vollsten Sinne des Wortes erreicht wurde, denn es sind bis jetzt 66 % Un-
und Minderbemittelte und nur 33 % Vollzahlende aufgenommen und verpflegt
wurden. Damit dürften alle in dieser Richtung aus mangelhafter
Orientierung entstandenen Vorwürfe hinfällig werden. Es ist die nächste
Aufgabe des Vorstandes, neben der Aufbringung der Mittel für den
laufenden Betrieb, der mit einem Minimum von 100.600 Frcs. nicht zu hoch
gerechnet ist, einen Reservefonds zu schaffen. Edlen Menschen ist hier
Gelegenheit geboten, durch Zuwendungen von Stiftungen und Legaten für
diesen Fonds ihren Namen für alle Zeiten zu
verewigen." |
Bericht
von einem Besuch in der jüdischen Heilstätte Ethania (1921)
Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt"
vom 2. Juni 1921: "Ein Besuch in der jüdischen Heilstätte
Ethania, Davos.
Wilhelm von Humboldt sagt: 'Der körperliche Zustand hängt sehr viel von
der Seele ab. Man suche sich vor allem zu erheitern und von allen Seiten
zu beruhigen'.
Steigt man den kleinen Hügel hinauf, so isoliert auf schönster Stelle
des Ortes die Etania steht, wird man von einer Schar heller, klarer
Kinderstimmen empfangen, die vergessen Sorge und Leid, hier neu aufleben
und Kraft sammeln für jetzt und spätere Zeiten.
Der Schnee liegt fußhoch, es stürmt und windet, aber Sonne ist im Herzen
der kleinen Wesen, ihre Augen leuchten ob der mannigfaltigen Schönheit,
die ihnen geboten wird. Lieder kommen von ihren Lippen in fröhlichstem
Klang. Nur immer singen und fröhlich sein: der Himmel scheint ihnen auf
Erden, wie im Märchenreich ist ihnen die Welt voller Wunder. Man spielt,
lacht und scherzt, Freude, Freude überall.
Man glaubt nicht, dass vor ca. 2Wochen die Kinder, müde und matt, zum
Teil mit offenen tuberkulosen Wunden, von Deutschland gekommen sind, die
nur in dieser Höhe, unter sorgfältiger Pflege der Ärzte und Schwestern
geheilt werden können.
Fern von dem Weltgetümmel, von des Alltags Hast, ist dort oben auf
steiler Felsenhöhe, in freier Bergesluft, eine Heimstätte im wahrsten
erhebendsten Sinne des Wortes |
den
armen kranken Menschen geschaffen worden mit unermüdlichem Eifer, mit den
größten Opfern, mit eisernem Willen. Aufs Neue wurde alle Kraft
angespannt, als die Tücke des Schicksals den herrlichen Bau unter seinen Schneemassen
begrub. Und gerade, weil wir vor den Trümmern standen, ist uns jeder
Stein, jedes Stück doppelt teuer geworden. Zum neuen Leben musste man wecken;
durch Liebe im Dienste der Menschlichkeit steigt aus den Ruinen das Leben
neuer Tatkraft, neues Wollen entgegen.
Man verlässt das sonnige 'Winterheim' der Kinder, geht ein paar Schritte
weiter in das Hauptgebäude der Etania. In der schönen, breiten Vorhalle
überkommt einem schon das Gefühl des Geborgenseins, der wirklichen Ruhe,
der schönsten Harmonie. - Aufs allerherzlichste wird man vom Direktor, Herrn
Oscar Jurovics, begrüßt, der von den Kindern 'Papa' genannt
wird.
Wo man hinschaut, blitzt alles von Sauberkeit, die Tische mit Blumen
verziert, Bilder, die Gemütlichkeit mit sich bringen, Stühle, die zum
ruhen einladen. Rechts in dem Salon sitzen einige Patienten, sich
unterhaltend, Schach und Klavier spielend, schreibend, lesend, oder wozu
sie sonst Lust haben. Neben dem Salon ist ein kleines Gebetzimmer, in dem
allwöchentlich Gottesdienst abgehalten wird. Der Speisesaal ist ein
herrlicher Raum. An zwei großen Tafeln speisen die Insassen des Heims mit
den Schwestern gemeinsam. Und wie groß ist die Freude, wenn der Chefarzt
erscheint, wie es zum Beispiel an Purim der Fall war, voller Lust wurden
da Deklamationen, Lieder, Possen aller Art aufgeführt, bis zum späten
Abend.
Die freundliche Art, das Interesse, die Herzlichkeit, die von allen
Vorgesetzten ausgeht, wird von den Patienten auf Schritt und Tritt
verspürt.
In vier Stockwerken, zu denen breite Treppen führen, sind die Patienten
in schönen, sauberen, geschmackvoll eingerichteten Zimmern mit
anschließendem Balkon untergebracht. Und wo man auch eintritt, zu welchem
Patienten man kommt, aus Ost oder West stammend, überall hört man das
gleich große Lob: 'Ich fühl mich hier daheim', das Gefühl des
Fremdseins kommt nicht auf. Man sicht jeden Menschen zu verstehen, ihm zu
helfen mit zartem Fühlen. Wohl tun und Freundlichsein heißt die Parole,
glücklich machen, Leid in Freud verwandeln. Neuer Mut, neues Lebensglück
erhebt das Menschenherz durch alles Schöne und Gute, das gereicht
wird.
Ganz besonderer Erwähnung bedarf es, wie geschmackvoll und ansprechend
serviert wird - die Speisen selbst sind so vorzüglich und bekömmlich
zubereitet, dass es kein Wunder ist, wenn die Insassen bald und viel
zunehmen. Der ganze Küchenbetrieb untersteht der Leitung des verehrten Herrn
Lichtenstein.
Das ganze Haus gehört zu den modernst eingerichteten in Davos, nicht
fehlt an Komfort: Fahrstuhl, Laboratorium, eine schöne
Röntgeneinrichtung ist vorhanden.
Die Liegehallen, der Hauptaufenthaltsort der Patienten, verbreiten so viel
Behaglichkeit, so viel Schönheit, dass sich jeder, auch wenn sich die
Sonne am Firmament versteckt hält, reich und glücklich fühlt.
Alle diese Eindrücke sind nicht das Ergebnis einer flüchtigen vor- oder
Nachmittagsvisite, sondern Wahrnehmungen mehrtägigen Wohnens in der
Etania.
Was heute gefordert werden kann, ist die Anerkennung, die im vollsten
Maße den Herrn Moritz Horn und A. J. Rom zukommt.
Wohl hat die ganze Schweiz dieses philanthropische Werk materiell
unterstütz, was aber weitaus nicht dem gleichkommt, was die beidenb
verehrten Herrn von erster Stunde an bis zum heutigen Tag gegeben, ihre
Kraft, ihr Streben, ihr starkes Wollen, in allem ihr Bestes zu tun. Und es
ist ihnen gelungen, durch ihre echte Freude am Wirken, durch ihre
rührige, nie endende Arbeitsamkeit, durch ihr hohes Pflichtbewusstsein
gegenüber der Menschheit, wohl auf steilem, aber sicherem Pfad ein
Heiligtum zum großen Zweck für alle. Alle, Nah und Fern zu bauen mit des
Allmächtigen Hilfe sich segnend fortsetzend.
'Nicht was ich habe, sondern was ich schaffe ist mein Reich.'
Selma Guggenheim, Allschwil bei Basel". |
Anzeige
des Hilfsvereins für jüdische Lungenkranke in der Schweiz (1922)
Anzeige im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt"
vom 26. April 1922: "Hilfsverein für jüdische Lungenkranke
in der Schweiz, Zürich.
Die Verwalterstelle in der Jüdischen Heilstätte Etania,
Davos, ist per sofort zu besetzen. Bewerber oder Bewerberinnen, die in
ähnlichen Betrieben tätig waren, belieben ausführliche Offerte nebst
Beilage von Zeugnisabschriften zu richten an
M. Horn, Zürich, Bahnhofstraße 55". |
Aufruf
zur Unterstützung der jüdischen Heilstätte "Ethania" in
wirtschaftlich schwieriger Zeit (1922)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 31. August
1922: 'Noch einmal: Die jüdische Heilstätte in Davos.
Die verschiedenen Artikel über die 'Jüdische Tuberkulosenfürsorge' in
den letzten Nummern des 'Israelit' dürften wohl kaum unbeachtet geblieben
sein, da dieser Gegenstand ja leider zu den Hauptfragen der Gegenwart
gehört. Trotz aller Aufklärung auf diesem Gebiet ist es nicht möglich,
Laien von dieser verheerenden und Leid bringenden Krankheit ein richtiges
Bild zu geben. Wer nicht selbst aus diesem Becher des Elends gekostet oder
längere Zeit in der Umgebung dieser vom Schicksal hart betroffenen
Menschen geweilt, wird niemals die Tragweite dieser Krankheit und das Los
dieser Heimgesuchten ermessen können.
So höret denn Ihr, die Ihr Gott nicht genug für Euere Gesundheit danken
könnet, Ihr, von denen nur die wenigsten das Kleinod der Gesundheit zu
schätzen wissen, was einige aus dem Munde Tausender und Abertausender,
die den Wert einer 'Jüdischen Heilstätte' kennengerlernt, zu Euch
sprechen. Lasset diese Worte nicht ungehört an Eueren Ohren und unberührt
an Euerem Herzen vorüberziehen!
Die praktischen Erfahrungen, die wir in den Monaten und Jahren unseres
Krankseins erworben haben sind viele. Einer dieser Hauptfaktoren ist die
schon lange feststehende Tatsache, dass gerade die Psyche bei
Lungenkranken eine bedeutende Rolle spielt. Daher ist es leicht
verständlich, dass wir Juden uns in einem jüdischen Milieu weit
behaglicher fühlen, als wenn wir durch Umstände gezwungen wären,
unseren Aufenthalt in einer christlichen Anstalt zu nehmen. Wie schön ist
es doch in unserem Hause, der 'Etania', wenn an den Sabbaten und
Feiertagen sich alles in dem Speisesaal versammelt und in feierlicher
Stimmung dem 'Kiddusch' lauscht. Aber auch welche Sehnsucht nach den
Lieben zu Hause kann man gerade in diesem Augenblick von manchem Gesicht
ablesen. Nur das Zusammengehörigkeitsgefühl der Patienten untereinander,
was auch zum größten Teil wieder durch die jüdische Atmosphäre
bedinght ist, verstärkt durch das Band gemeinsamer Leiden, lässt auch
diese wehmütigen Schatten weichen und durch Zurückstellung des eigenen
'Ich' und durch Teilnahme für den Leidensgefährten, versucht man sich
gegenseitig Trost und Mut zuzusprechen, - denn man befindet sich doch in
dem gesundheitsversprechenden Davos - und ge- |
langt
allmählich wieder in heitere Stimmung. Man gestaltet sich sein Leben nach
bestem Können, unterstützt durch die Leitung des Hauses, so angenehm als
möglich. Aber nicht darf man vergessen, dass alle diese Annehmlichkeiten
und Erleichterungen, die dem Kranken in der 'Etania' erwachsen, einzig und
allein ihren Ursprung in der Tatsache finden, dass diese ihrer Art nach
einzige Institution in diesem hervorragenden Klima besteht. Dieses Haus,
das im Jahre 1919 erst gegründet wurde, das, wie statistisch nachgewiesen
glänzende Erfolge aufweist, das kein Patient verlässt ohne das größte
Dankgefühl gegen diejenigen zu empfinden, die es ins Leben gerufen und
unterhalten, in dessen ganzem Leben diese Periode unvergessen bleiben
wird, dieses Haus unterliegt jetzt infolge der schweren Zeiten einer
finanziellen Krisis, sodass wirtschaftliche Einschränkungen erforderlich
sind. Selbst Kinder, die heute mehr denn je von der Tuberkulose befallen
werden oder ihrer Gefahr ausgesetzt sind, können aus diesem Grund - wie
bereits berichtet - keine Aufnahme dort finden. Hättet Ihr sie gesehen,
diese schon so früh zum Leiden bestimmte Kinder, wie sie schon nach
kurzer Zeit sich körperlich und auch demzufolge geistig entwickelten, wie
die Knaben über 'Chummisch' (= Fünf Bücher Moses) und 'Mischnajoth'
gebeugt mit Interesse und Verständnis den Worten des Lehrers lauschten,
hättet Ihr gehört, wie fröhlich ihre Lieder vom Liegestuhl in die
herrliche Natur erschallen, es hätte nicht eindruckslos an Euch
vorübergehen können, und Ihr würdet alle Euere Kräfte aufbieten,
dafür zu sorgen, dass diese Zeit wiederkommt, um die der Heilung
harrenden Kinder nach Davos schicken zu können, um Eltern das Glück zu
bereiten, ihre Kinder der Todesgefahr zu entreißen, um manches Leben, das
jetzt schon Talente und Intelligenz in sich birgt, und darum heute schon
ein für die Menschheit nützliches und heilbringendes Glied zu werden
verspricht, zu erhalten. Wer sollte sich ihrer nicht erbarmen!
Es ist nicht mit Worten zu schildern, welcher Jammer heraufbeschworen
werden würde, wenn die 'Etania' aus Mangel an nötigen Geldmitteln ihre
Tore schließen müsste, wenn dieser Hoffnungsschimmer gleich einem
Sonnenstrahl am trüben Himmel erlöschen würde, der so manchen Kranken
noch aufrecht erhielt, da er wartet und wartet, bis dass er aufgenommen
werden könnte, um dort seine Heilung zu finden, wenn die Patienten der 'Etania',
das in Davos zu ihrem Heim gewordene Haus verlassen müssten, und alle
Hoffnung und Mut, die sie aus ihr geschöpft, nunmehr sich in ein leeres
Nichts verwandelt. Denn was sollten sie beginnen, wohin sollten sie gehen!
Kein Ort, sei es im Schwarzwald oder im bayerischen Hochgebirge, gibt
ihnen die Garantien, die Davos dank seinem welt- |
berühmten
und vorzüglichen Klima ihnen zu geben vermag, und auch in der Schweiz
kommt für sie nur die 'Etania' in Frage. Darum seid Euch Euerer
Verantwortung bewusst, und unterstützt in erster Linie Ihr Juden in
valutahohen Ländern, die bereits zum Allgemeingut der gesamten Judenheit
gewordene internationale Anstalt, mit Euerer ganzen materiellen Kraft, und
Ihr Übrigen, die Ihr nur geringe Summen zur Verfügung stellen könnt, gewinnt
Euere Angehörigen und Bekannten im Ausland - denn nicht an alle wird
unser Ruf dringen können - überzeuget sie von dieser zwingenden
Notwendigkeit und veranlasset sie, viel zu geben, denn große Summen sind
erforderlich, um ein Kapital zu schaffen, das jährlich reichlich Zinsen
ab wirkt, die Unterhaltungskosten zu bestreiten. Auch den Rabbinern - in
allen Ländern - eröffnet sich hier ein fruchtbringendes Arbeitsfeld,
wenn sie die ihnen kraft ihres Amtes zur Verfügung stehende Autorität
dahin verwenden, ihre Gemeinden auf diese Notlage hinzuweisen, eventuell
Sammlungen zu veranstalten, und die reichen Mitglieder für große Gaben
zu gewinnen. - Welch' tiefe Befriedigung muss diejenigen erfüllen, die
Kranken zu ihrer Heilung verhelfen, heißer Dank für alle Zeiten harret
ihrer!
Spenden werden entgegengenommen vom: 'Hilfsverein für jüdische
Lungenkranke in der Schweiz', Zürich, Stockerstraße 62.
(Wir bitten die jüdischen Zeitungen in England, Amerika, Holland,
Schweiz, Belgien, um Abdruck dieses Notschreies. Redaktion des
'Israelit')." |
Texte zum
jüdischen Gemeinde- und Vereinsleben
Aus dem jüdischen
Gemeinde- und Vereinsleben
Ein zionistischer Verein wird am Ort gegründet (1918)
Artikel
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 18. Oktober
1918: "Davos. Hier ist ein zionistischer Verein
gegründet worden. Präsident: A. Graupe. Der Verein will eine
Lesehalle und Bibliothek eröffnen". |
Gründung einer jüdischen Gemeinde in Davos (1919)
Artikel
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 10. Januar
1919 (unterer Abschnitt):
"Davos... Es hat sich hier jetzt auch eine jüdische
Gemeinde gebildet, deren Vorstand Sally Guggenheim - Allschwil, früher in
Berlin, angehört". |
Gemeindebeschreibungen 1920 / 1921
Gemeindebeschreibung
im "Jüdischen Jahrbuch für die Schweiz" Jahrgang 1920 S. 255:
"Davos. Aus den Anregungen einiger Kurgäste, die sich im
Dezember 1917 zusammenfanden zwecks Abhaltung eines regelmäßigen
Gottesdienstes (Abodah), sowie zwecks Fürsorge für Sterbende und Tote (Gemilluth
Chesed), entstand die im September 1918 rechtlich eingetragene Stiftung
der Jüdischen Gemeinschaft Davos, welche die Funktionen der
jüngsten Gemeinde ausübt. Vorstand: M. Gans, Dr. Wehl, M, Marcus,
C. Rosenthal, J. Juda, sämtlich in Davos; A. I. Rom, Zürich. Die Anzahl
der in Davos weilenden Juden wechselt ständig; sie beträgt
schätzungsweise 100-150 im Sommer, 400 - 500 im Winter.
Institutionen: Synagoge, Chewrah Kadischah; in der jüdischen Heilstätte
Etania eine Bibliothek.
Vereine: Zionistischer Verein Davos, Präsident E. Grünspohn." |
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Gemeindebeschreibung
im "Jüdischen Jahrbuch für die Schweiz" Jahrgang 1921
S. 179:
derselbe Text wie oben von 1920, nur wird unter den Vereinen auch eine
"Chevra Kadischa" genannt (Wohltätigkeits- und
Bestattungsverein) |
Anzeigen von Privatpersonen
Verlobungsanzeige
von Sophie Göttlich und Oskar Jurovics (1921)
Anzeige im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom
18. August 1921:
"Statt Karten.
Sophie Göttlich - Oskar Jurovics. Verlobte.
Menachem Aw 5681. Amsterdam - Davos." |
Hinweis: auf der genealogischen Seite http://familytreemaker.genealogy.com/users/j/o/f/Alan-D-Joffe-1/ODT1-0003.html
wird das Paar genannt: Sophy Göttlich ist demnach am 22. Februar 1895 in
Amsterdam geboren; von Oscar Jurovics wird nur das Sterbejahr 1977
erwähnt. Er war nach dem Bericht (von 1921 siehe oben) Direktor der
Lungenheilstätte "Etania".
Nachkommen leben in Israel. |
Presseartikel
zur jüdischen Geschichte in Davos
Mai 2009:
Artikel zu den Quellen und zum Forschungsstand
zur jüdischer Geschichte in Graubünden |
Artikel von Olivier Berger in
südostschweiz.ch vom 17. Mai 2009 (Artikel):
"Kaum dokumentierter Abschnitt Geschichte
Die Geschichte jüdischer Gäste und Gemeinden in Graubünden ist weitgehend unerforscht. Zum Teil sind Dokumente nicht mehr auffindbar oder im Laufe der Zeit vernichtet worden, wie eine neue Publikation zeigt.
St. Moritz/Davos. – Das jüdische Museum im voralbergischen Hohenems hätte in seiner aktuellen Ausstellung
'Hast Du meine Alpen gesehen?' gerne zwei Exponate mehr gezeigt: Karteieinträge des Hotels
'Waldhaus' in Vulpera und Briefe jüdischer Gäste an die St. Moritzer Hotels aus dem Jahr 1938. Beide Dokumentensammlungen seien
'verschollen, bzw. vernichtet worden, wenn auch unter unterschiedlichen Umständen', schreibt die Zürcher Literaturwissenschafterin Bettina Spoerri in der Publikation zur Schau.
Die Forscher suchen vergebens. Die Unterlagen aus dem Engadin sind offenbar kein Einzelfall: Quellen und Dokumente zum jüdischen Leben in Graubünden sind dünn gesät. Eine der wenigen Ausnahmen ist das
Archiv der jüdischen Davoser Lungenheilstätte Etania. 'Außerdem haben wir den Nachlass des früheren Davoser SP-Politikers Moses Silberroth erhalten', erklärt Uriel Gast, Leiter der Dokumentationsstelle Jüdische Zeitgeschichte in Zürich. Auch Gast ist aber
'längst zu Ohren gekommen, dass viele Dokumente und Aufzeichnungen über das jüdische Leben in den Bündner Alpen nicht mehr auffindbar sind'.
Auch an systematischen Aufarbeitungen der jüdischen Vergangenheit und Gegenwart Graubündens fehlt es weitgehend, wie Jürg Simonett, Direktor des Rätischen Museums in Chur, bestätigt.
'Es gibt zwar einige Kapitel in Publikationen wie 'Bedrohung, Anpassung und Widerstand' von Martin Bundi, aber meist stehen die entsprechenden Nachforschungen eher im Zusammenhang mit der Präsenz der Nationalsozialisten im Kanton.' Auch Simonett ist – abgesehen vom erwähnten Silberroth-Nachlass – keine umfassende Sammlung von Dokumenten zum
'jüdischen Graubünden' bekannt.
In der Flut untergegangen. Hinter dem Verschwinden und der Vernichtung von Dokumenten und Archiven stehe in der Regel kaum böser Wille, glaubt der Bieler Ethonologe Daniel Kessler. Kessler hatte sich für den Beitrag
'Hotels und Dörfer. Oberengadiner Hotellerie und Bevölkerung in der Zwischenkriegszeit' im Jahr 1997 unter anderem auch mit dem jüdischen Einfluss auf die Entwicklung des Tourismus in Graubünden befasst.
Kesslers Forschungsarbeit ist zu verdanken, dass die Nachwelt überhaupt um die – inzwischen verschollenen – 15 Briefe
weiß, die jüdische Stammgäste im Jahr 1938 an Hotels im Oberengadin geschickt hatten. In den Schreiben drückten die Betroffenen ihr Bedauern darüber aus, dass sie wegen des so genannten Judenstempels in ihren Pässen in diesem Jahr nicht ins Oberengadin in die Ferien kommen konnten.
Laut Kessler waren die Hotels angewiesen worden, entsprechende Briefe an die Gemeinde oder den Kurver- ein weiterzuleiten.
'Möglicherweise wollte man in Chur oder Bern gegen die 'Judenstempel' -
Praxis intervenieren oder hat das sogar getan. 'Einen Grund, die Schreiben aus dem St. Moritzer Gemeindearchiv verschwinden zu lassen, um die eigene Geschichte zu verleugnen, habe es jedenfalls nicht gegeben.
'Ganz im Gegenteil, das wäre ja Werbung für St. Moritz.'
Die St. Moritzer Gemeindeschreiberin Barbara Stecher ist überzeugt, dass die 15 Briefe aus dem Jahr 1938 irgendwo in der Fülle des archivierten Materials noch vorhanden sind. Allerdings betreue die Gemeinde St. Moritz das Gemeinde- und das Kurvereinsarchiv sowie eine Dokumentationsbibliothek.
'Das sind Zehntausende von Unterlagen, und wir wissen noch nicht einmal, wo wir genau mit Suchen beginnen sollen.'
Das Archiv größtenteils entsorgt. Anders verhält es sich mit den Karteikarten jüdischer Gäste aus dem in den späten Achtzigerjahren abgebrannten Hotel
'Waldhaus' in Vulpera. Diese waren eine Zeitlang Teil eines kleinen Museums, welches Rolf Zollinger, Besitzer des benachbarten Hotels
'Villa Post', in seinem Haus unterhielt. Inzwischen hat die 'Villa Post' neue Besitzer erhalten, welche laut Zollinger an einer Weiterführung des Museums nicht interessiert gewesen seien. Darauf hin habe er die historischen Exponate und Unterlagen
'auch aus Bitterkeit' zum Teil entsorgt und zum Teil irgendwo verstaut, so Zollinger.
Zollingers Vorgehen ist laut Ethnologe Kessler kein Einzelfall. 'Viele Archive sind verschwunden, weil die Hotels nicht mehr von Familiendynastien weitergeführt wurden und die neuen Besitzer alte Dokumente entsorgt haben.' Andere Datensammlungen,
weiß Dokumentationsstellen-Leiter Gast,
'sind schon vor Jahren nach Israel transportiert worden, weil man dachte, die gehören dort hin'.
Hanno Loewy, Gerhard Milchram (Hrsg.): 'Hast Du meine Alpen gesehen? Eine jüdische Beziehungsgeschichte'. Bucher Verlag, Hohenems. 448 Seiten, 48 Franken. Ausstellung bis 4. Oktober." |
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August 2008:
Bericht über die aktuelle Situation jüdischen
Lebens in Davos |
Artikel von Peter Bollag in der
"Jüdischen Allgemeinen" vom 28. August 2008 (Artikel):
"Davos - Koscher auf dem Zauberberg
Schweiz: Jedes Jahr im August strömen orthodoxe Gäste aus aller Welt nach Davos
Auf dem Bahnhof in Davos stehen zwei Jungen und diskutieren über die feuerrote Lokomotive der Rhätischen Bahn, die eben einfährt.
'Ist dies das Modell 2000?', fragt der eine. Der andere schüttelt den Kopf, dann zeigt er auf seine Uhr:
'Der Zug hat zwei Minuten Verspätung!' Das Besondere an diesem Dialog ist, dass die beiden Jungen Hebräisch sprechen. Sie tragen schwarze Kippot, an ihren kurzen Hosen baumeln weiße Schaufäden im Wind. Die beiden Jungen sind zusammen mit ihrem Großvater, einem Chassiden mit langem weißen Bart, auf dem Bahnhof erschienen, um Verwandte vom Zug abzuholen.
Orthodoxe jüdische Touristen, oft mit Rucksack und Wanderschuhen, zieht es in diesen Augusttagen nach Tischa B'Aw zu mehreren Hundert in die Schweizer Berge. Viele reisen in die Berner, Walliser und Bündner Alpen. Dort, im Kanton Graubünden, der sich gerne
'die Ferienecke der Schweiz' nennt, zählt Davos zu den attraktivsten Zielorten jüdischer Gäste aus der ganzen Welt.
Weniger präsent dürfte den meisten die dunkle Seite der kleinen Stadt sein: Davos war in den ersten Jahren der Nazi-Herrschaft eine Hochburg der Schweizer Hitler-Jünger – bis 1936 der jüdische Student David Frankfurter den
'Gauleiter' Wilhelm Gustloff erschoss und die Berner Regierung dem Treiben der braunen Gesellen danach Einhalt gebot.
In jenen Jahren gab es bereits die Lungenheilstätte 'Etania'. Sie wurde nach dem Ersten Weltkrieg gegründet, jüdische Gäste erholten sich hier in der Höhe der Bündner Berge von ihrer heimtückischen Krankheit – ähnlich wie Hans Castorp, dem Thomas Mann in seinem Zauberberg zusammen mit der Stadt Davos zu Weltruhm verholfen hat. Die
'Etania' ist längst Vergangenheit, auch als Hotel. Das Gebäude, um das sich heute ein Verein kümmert, müsste dringend saniert werden, doch dafür fehlt das Geld. Und weil das altehrwürdige Haus in der Lawinenzone liegt, darf es nicht abgerissen werden.
In der Nähe der 'Etania' ballt sich diesen Sommer jüdisches Leben: Im ehemaligen holländischen Sanatorium, das geraume Zeit leer gestanden hat, wurde ein kleines Hotel mit Synagoge und koscherem Restaurant eingerichtet. Wer dieser Tage am Morgen
hier herkommt, kann zwischen sieben und elf Uhr fast im Stundentakt am Morgengottesdienst teilnehmen. Auf diese Art verteilen sich die Beter, denn der Andrang ist groß. Kinder und Erwachsene stehen am Eingang um einen Eisverkäufer, ein Plakat kündigt verschiedene Schiurim, religiöse Unterrichtsstunden, an. Die düsteren Räumlichkeiten strahlen allenfalls dezente Ferienstimmung aus, doch es scheint niemanden zu stören, ist es doch allemal besser als im vergangenen Jahr: Damals mussten sich die Beter mit einer provisorischen Synagoge in einem Luftschutzkeller begnügen.
'In der 'Etania' hatten wir früher im Sommer maximal 100 Leute', erinnert sich der aus Deutschland stammende
Nathan Königshöfer, der die Heilstätte zwischen 1973 und 1991 leitete. Dass große Rabbiner wie der Kalewer Rebbe nach Davos kamen, machte den Ort unter Chassiden schnell – und dauerhaft – populär.
Das freut auch Rafi Mosbacher. Der Zürcher Kaufmann möchte jüdisches Leben in der 13.000-Einwohnerstadt nicht nur im Sommer, sondern das ganze Jahr über verankern.
'Es ist ein idealer Platz für jüdische Touristen', schwärmt er und nennt die relativ leichte Erreichbarkeit des Ortes mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Auch lobt er den Umstand, dass auch große Familien sich hier gut bewegen können.
'Wenn ihr jüdischen Tourismus wollt, müsst ihr mir helfen', wandte Mosbacher sich unlängst an die Davoser Kurverwaltung – und war wohl selbst ein wenig überrascht, als er positive Antwort erhielt. Denn noch vor wenigen Jahren geisterten Berichte durch die Medien, die nichts Gutes von orthodoxen jüdischen Touristen in Schweizer Kurorten erzählten: Besitzer von Ferienwohnungen klagten über Schäden, Café- und Restaurantbetreiber jammerten, die jüdische Klientel konsumiere allenfalls Mineralwasser oder bleibe völlig aus.
Solche Vorwürfe, glaubt Rafi Mosbacher, seien zwar noch nicht ganz verschwunden, ebenso wenig wie manche antisemitische Äußerung, die oftmals von anderen Touristen kommt. Aber blickt man auf die Promenade und andere Straßen im Zentrum von Davos, so merkt man, dass die zahlreichen, meist schwarz gekleideten Gäste aus Israel, den USA, Antwerpen kaum auffallen. Man hat sich an sie gewöhnt, so wie sich in großen europäischen Städten niemand mehr über japanische oder arabische Gäste wundert.
Denn: Auch jüdische Touristen geben Geld aus. Die gut sortierten Koscher-Abteilungen eines Großhändlers werden in diesen Tagen schon am Morgen oft regelrecht gestürmt. Andere Lebensmittelgeschäfte profitieren ebenso – etwa ein örtlicher Bäcker, der sich entschlossen hat, auch koschere Produkte anzubieten.
Zusammen mit chinesischen, indischen und russischen Feriengästen haben jüdische Touristen in den vergangenen Jahren für zweistellige Zuwachsraten im Urlaubsland Schweiz gesorgt. Genaue Zahlen gibt es nicht, denn die Gäste würden nach Nationalität und nicht nach Religionszugehörigkeit erfasst, beteuert Cornelia Lindner vom Tourismusbüro Davos. Doch wenn an einem Schabbat im August in der Stadt rund 1.300 Challot bestellt werden, kann man davon ausgehen, dass sich im Sommer gewiss mehrere hundert, wenn nicht gar tausend jüdische Kurgäste in Davos aufhalten.
Ideal sei, meint Lindner, dass man in Rafi Mosbacher einen Gesprächspartner habe, der beide Mentalitäten gut kenne. So entstand in den vergangenen Jahren auch ein Merkblatt
'Tipps und Hinweise für jüdische Feriengäste in der Landschaft Davos'. Das Merkblatt klärt jüdische Gäste über Erlaubtes und Verbotenes auf und scheint nach Lindners Worten durchaus Früchte zu tragen:
'Wir haben kaum Klagen von Ferienwohnungsbesitzern.'
Rafi Mosbacher hofft, dass sich in Davos dauerhaft ein koscheres Hotel etablieren kann – denn die Lösung mit dem holländischen Sanatorium ist auf diesen Sommer beschränkt. Der Besitzer möchte an dieser Stelle, nur einen Steinwurf vom Davoser Kongresszentrum entfernt, ein Luxushotel errichten. Falls er die Bewilligung zum Abriss nicht erhält, dann könne er sicher sein, so Rafi Mosbacher, dass man wieder bei ihm anklopfen werde für den Sommer 2009 – und vielleicht darüber hinaus." |
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August 2019:
Toraeinweihung in Davos
Anmerkung: vom bisherigen Davoser
Koscherhotel Cresta wurde für den Betsaal im Hotel das Schreiben einer neuen
Torarolle in Auftrag gegeben. Sie wurde Mitte August in Davos eingeweiht und
dabei entlang der Talstraße von den ehemaligen Hotels Cresta zum Hotel
Cresta Sun getragen, die beide nun als koschere Hotels betrieben werden. Die
letzte Toraeinweihung war vor vielen Jahren im Haus Etania.
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Artikel in blick.ch vom 22. August
2019: "Hass auf Facebook. Davoser stänkern gegen Juden-Prozession
2000 Juden feierten vergangene Woche in Davos eine Thora-Einweihung – und
versperrten während der Zeremonie eine Hauptstrasse. Das sorgte bei einigen
Davosern für Unmut.
Sie sangen, tanzten und feierten: 2000 orthodoxe Juden zogen am Mittwoch
durch die Talstrasse in Davos GR. Der Anlass: eine Thora-Einweihung. Eine
Zeremonie, die nur selten stattfindet. Dementsprechend groß war das
Interesse. Das schöne Wetter tat sein Übriges. Auch Jonathan Kreutner,
Generalsekretär des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebundes (SIG), war
vor Ort. Er erlebte die Einweihung hautnah mit. 'Die Stimmung war
ausgelassen, die Menschen haben getanzt und gelacht', sagt Kreutner zu
BLICK.
'Unsere Heimat ist verloren'. Aber nicht alle freuten sich über das
religiöse Zeremoniell. Die Thora-Einweihung dauerte zwar nur eine Stunde.
Zeitweise blockierten die Feiernden aber die Strasse. Und das sorgte für
rote Köpfe bei einigen Davosern. So auch bei Landrat Conrad Stiffler. Der
SVPler stellte Aufnahmen der Prozession auf Facebook und schrieb dazu:
'Jetzt sind wir soweit. Unglaublich.' Die Videos wurden rege kommentiert.
Zwar ist Stiffler nicht der Einzige, der etwas gegen das Juden-Fest hat.
'Wir sind doch nicht in Israel. Wir sind in der Schweiz', schreibt ein
Bündner. Ein anderer: 'Unsere Heimat ist verloren.' Seit Jahren erfreuen
sich die Bündner Ferienorte Arosa und Davos bei orthodoxen Juden aus aller
Welt wachsender Beliebtheit.
Allerdings wehren sich einige Davoser gegen die Motzer. Einer schreibt:
'Habt ihr ein Problem damit? Endlich läuft mal etwas Cooles in diesem Loch,
und ihr habt eine ‹dummi Schnorra›. Ihr habt keine Ahnung von ihrer Kultur,
also lasst sie doch machen, sind nämlich ganz lässige Leute' Auch Jürg
Grassl vom Verein IG offenes Davos geben die Kommentare zu denken: 'Leider
kocht der Antisemitismus in Davos gerade auf Facebook hoch und auch
Politiker und Touristiker halten sich mit abfälligen Bemerkungen nicht
zurück!'
Kommentare sind unter der Gürtellinie. Die Aufregung einiger Davoser
kann Jonathan Kreutner teilweise verstehen. Schliesslich habe kaum jemand
gesagt, weshalb so viele Juden auf einmal durch die Talstrasse zogen. Darum
erschien einen Tag danach auch ein Artikel in der 'Davoser Zeitung', der
über die Prozession aufklärte, erklärt der SIG-Generalsekretär. Die
Thora-Einweihung war bei der Gemeinde angemeldet und dort auch bewilligt
worden. Dass die Strasse derart blockiert wurde, sei zwar ärgerlich. 'Nur
hat sich das offenbar seitens des Davoser Ordnungsdiensts und der
Veranstalter nicht anders organisieren lassen.' Dennoch: Einige Kommentare
gehen laut Kreutner überhaupt nicht. Sie sind 'unter der Gürtellinie,
geschmacklos und verletzend, was mich sehr betroffen macht', so Kreutner. Es
zeige, dass die Kampagne 'Likrat Public' richtig und wichtig ist. Likrat ist
hebräisch und heisst 'aufeinander zugehen'. Und darum geht es: über das
Judentum vermitteln und aufklären. Um so Unwissenheit und Missverständnisse
aus der Welt zu schaffen. Stiffler will sich nicht mehr zu dem Thema äussern.
Begründung: 'Es hat schon viel zu viel Staub aufgewirbelt', sagte er zu
BLICK. (jmh)"
Link zum Artikel |
Andere Artikel: In der Davoser
Zeitung vom 16. August 2019:
"Prozession auf der Talstraße - Einmal im Leben dabei sein..."
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Video bei gloria.tv:
https://gloria.tv/video/Dr3m6j6aLb9x2ZZ2AMUD1YWJy
Informationen in Ivrit zum Cresta-Hotel in Davos:
https://crestahotel.ch/
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Juli 2024:
Nach antisemitischen Vorfällen:
Initiative zum Umgang mit möglichen Konfliktfällen |
Artikel von Christoph Bernet in der
"Aargauer Zeitung" vom 4. Juli 2024: "TOURISMUS. Nach Schlitten-Boykott
gegen Juden: So will Davos Konflikte mit orthodoxen Gästen vermeiden
Wegen des Umgangs mit seinen jüdisch-orthodoxen Gästen sorgte der Bündner
Ferienort Davos in jüngster Vergangenheit für Negativschlagzeilen. Das soll
sich in der bevorstehenden Sommersaison ändern.
Davos ist eigentlich eine beliebte Feriendestination bei orthodoxen Juden.
Bis zu 3000 von ihnen, die Mehrzahl aus Israel, Grossbritannien und Belgien,
befinden sich während des Sommers gleichzeitig im Bündner Tourismusort, der
ihnen alles bietet, was sie zur Ausübung ihres Glaubens brauchen: etwa
Gebetsräume oder koschere Einkaufsmöglichkeiten. Doch in jüngster Zeit war
das Verhältnis zwischen jüdischen Gästen und Einheimischen angespannt.
Negativer Höhepunkt: ein Aushang an der Bergstation Pischa, der im Januar
weltweit für Schlagzeilen sorgte. Das auf Hebräisch formulierte Schreiben
verkündete, dass man aufgrund 'verschiedener ärgerlicher Vorfälle' keine
Schlitten mehr an jüdische Gäste vermiete. Nach heftiger Kritik
entschuldigte sich der Schlittenvermieter. Bereits im vergangenen Sommer
hatte der Davoser Tourismusdirektor Reto Branschi kritisiert, unter den
orthodoxen Gästen gebe es eine Gruppe, 'die keinen Respekt vor unseren
Gepflogenheiten im öffentlichen Raum' habe und ablehnend auf alle Versuche
reagiere, ihnen das zu erklären.
Ein 'gescheitertes Projekt' wird ausgebaut.
In der bevorstehenden Sommersaison soll sich das Zusammenleben mit den
jüdisch-orthodoxen Gästen wieder entspannen. Dieses Ziel hat sich eine im
Herbst eingesetzte Taskforce 'Verständigungsprozess in Davos' unter der
Leitung des Ex-Spitzendiplomaten Michael Ambühl und der Juristin Nora Meier
gesetzt. Ihr gehörten zunächst die Spitzen der Gemeinde und der
Tourismusorganisation Davos an. Nach anfänglicher Skepsis stiessen später
auch Vertreter der jüdischen Gemeinschaft hinzu. Beratend zur Seite standen
der Taskforce unter anderem orthodoxe Rabbiner.
Am Donnerstag hat die Taskforce nun in einer Medienmitteilung das Ergebnis
ihrer Arbeit vorgestellt. Mit einem Katalog von zehn Massnahmen soll 'die
Verständigung zwischen der Davoser Bevölkerung und internationalen Gästen'
gefördert werden. Zentrale Neuerung: Diesen Sommer sollen zwölf statt wie
bisher drei interkulturelle Vermittler im Rahmen des Projekts 'Likrat
Public' zum Einsatz kommen. Dieses Projekt wurde 2019 vom Schweizerischen
Israelitischen Gemeindebund (SIG), dem Dachverband der jüdischen Gemeinden,
zusammen mit verschiedenen Tourismusdestinationen lanciert. Die Idee:
Jüdische Schweizerinnen und Schweizer treten als Vermittler auf, um
kulturellen Missverständnissen zwischen der lokalen Bevölkerung wie auch mit
den jüdischen Gästen vorzubeugen. Pikant: Im Sommer 2023 hatte der Davoser
Tourismusdirektor Reto Branschi 'Likrat Public' ohne vorgängige Absprache
mit dem SIG in einem Interview für 'gescheitert' erklärt.
Zu den weiteren von der Taskforce erarbeiteten Maßnahmen gehört eine
zentrale Anlaufstelle für jüdische Anliegen, die sich in der Sommersaison um
Konfliktfälle und Missverständnisse kümmern soll. Überarbeitetes
Informationsmaterial für Gäste und Einheimische soll gewisse
Verhaltensregeln für und spezifische Anliegen von internationalen Gästen
aufzeigen. Für Touristikbetriebe in Davos sollen Leitlinien für die
Gleichbehandlung im Umgang mit allen Gästen geschaffen werden. Mit
Veranstaltungen soll der Davoser Bevölkerung die jüdische Kultur
nähergebracht werden. Auch will Davos seine Geschichte mit jüdischem Bezug
aufarbeiten – darunter etwa die starke Präsenz einer hitlertreuen deutschen
Gemeinschaft während der NS-Herrschaft in Deutschland.
'Weltoffener Ort mit Willkommenskultur'. Nach den durch
Tourismusdirektor Branschis Kritik ausgelösten heftigen Irritationen beim
SIG zeigt sich der Dachverband der jüdischen Gemeinden 'zuversichtlich' über
den von der Taskforce vorgestellten Massnahmenkatalog. Der SIG betont das
deutlich stärkere finanzielle und organisatorische Engagement der Gemeinde
und der Tourismusorganisation Davos. Dies werde 'nachhaltiger und
umfassender Wirkung zeigen, als das mit den bisherigen Mitteln möglich war'.
Der Davoser Landammann Philipp Willhelm (SP) nennt seine Gemeinde einen
'weltoffenen Ort mit jahrhundertealter Willkommenskultur'. Die
verabschiedeten Maßnahmen unterstützten diese Tradition und förderten den
gegenseitigen Respekt. Am Ende der Sommersaison will die Taskforce die
getroffenen Maßnahmen evaluieren und gegebenenfalls anpassen."
Link zum Artikel
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Lage der Etania-Heilstätte über Link bei den
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