Baisingen Friedhof 154.jpg (62551 Byte)  Segnende Hände der Kohanim auf einem Grabstein in Baisingen


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Die Schmieheimer Genisa und der sogenannte "Höfer-Fund" aus Kippenheim
(Abschlussberichte über zwei von Uwe Schellinger betreute Projekte)
 
 
 

  

Übersicht: 

1. Die Schmieheimer Genisa (Bericht von Uwe Schellinger und Renate Kreplin)  
2. Der sogenannte "Höfer-Fund" aus Kippenheim
 
  
  
1. Die Schmieheimer Genisa  (Bericht von Uwe Schellinger und Renate Kreplin)                

Schmieheim Synagoge101.jpg (40929 Byte)Anfang des Jahres 2001 konnte der Förderverein Ehemalige Synagoge Kippenheim e.V. von den jetzigen Besitzern des ehemaligen Schmieheimer Synagogengebäudes die Reste der Genisa der jüdischen Gemeinde Schmieheim entgegennehmen. Während im württembergischen Raum einige Genisa-Funde in ehemaligen Synagogen zu verzeichnen sind, sind aus Baden bisher kaum solche Funde erhalten. Somit kommt der Schmieheimer Genisa eine landesgeschichtlich besondere Bedeutung zu. Als Genisa wird ein Raum zur Aufbewahrung nicht mehr verwendeter religiöser Schriften oder Gegenstände einer jüdischen Gemeinde bezeichnet. Seit jeher war es in den jüdischen Gemeinden ein frommer und selbstverständlicher Brauch, solche Gegenstände nicht einfach wegzuwerfen, sondern sie aus Gründen der Pietät aufzubewahren, sie gleichzeitig aber einem nicht gestatteten Zugriff zu entziehen. Gelegentlich wurden dort nicht nur Objekte der Religionspraxis, sondern auch anderweitige Gegenstände und Literatur hinzugegeben. Für den Zweck der Aufbewahrung diente zumeist ein spezieller Ort auf dem Dachboden der örtlichen Synagoge. Das Auffinden von Genisot bietet eine außerordentliche Gelegenheit, einen Einblick in die Frömmigkeits- und Alltagspraxis landjüdischer Gemeinden zu erhalten. 
In Absprache mit der Jüdischen Gemeinde Emmendingen/Ortenau stellte der Förderverein einen Antrag bei der Stiftung Kulturgut Baden-Württemberg. Mit einer Fördersumme von 13.000 € ermöglichte die Stiftung die Restaurierung der Textilobjekte sowie die Säuberung und Sicherung der Papierobjekte, die aus dem 18. und 19. Jahrhundert stammen. Die Arbeiten an den Objekten wurden von der Restauratorin Gisela Illek aus Bahlingen (Textilobjekte) und der Freiburger Historikerin Monika Müller (Papierdokumente) durchgeführt. Die Projektleitung lag für den Förderverein bei Uwe Schellinger.     
   
Besonders interessant sind drei erhaltene Mappot, die in der Genisa gefunden wurden, also drei so genannte "Beschneidungswimpel", "Torawimpel" oder "Torabinder". Eine solche durchschnittlich etwa 3 m lange und 20 cm breite Stoffbahn – Mappa - wurde anlässlich der Beschneidung eines jüdischen Jungen aus Windeln zum Teil kunstvoll gefertigt, bestickt oder bemalt. Zu ihrer Bar Mizwa nahmen die Jungen diese Stoffbahnen dann in die Synagoge mit, wo sie von nun an als "Torabinder" zum Zusammenhalten der Torarollen verblieben und die enge Verbundenheit des Gemeindemitglieds zur Tora veranschaulichen sollten. In aufwändiger Arbeit konnten aus dem vorherigen Papierdurcheinander schließlich über vierzig Papierdokumente rekonstruiert werden. Hier handelt es sich zumeist um Gebetbücher oder um kleiner oder größere Kalender. Die Ergebnisse der Arbeiten konnte der Förderverein am 4. September 2005, dem "Europatag der Jüdischen Kultur", der Öffentlichkeit präsentieren.  

Schmieheim Genisa Kalender.jpg (65610 Byte) Schmieheim Genisa Mappa.jpg (77332 Byte) Schmieheim Genisa Mappa2.jpg (59893 Byte) Schmieheim Genisa Thorawimpel1.jpg (36954 Byte)
Kalender aus dem Jahr 5543
 (1782/83) 
Stoffsäckchen, vermutlich zur
 Aufbewahrung der Tefillin  
Die gefundenen Mappot, Name rechts: "Josef Bar Jaakow"
   

Weitere Informationen: Uwe Schellinger M.A. E-Mail 

Presseartikel: ("Badische Zeitung" vom 5. September 2005, Artikel von Juliana Eiland-Jung; interner Link): "Eine Flaschenpost aus der Vergangenheit".

Die Ergebnisse der Aufarbeitung liegen vor in dem Beitrag:

Monika Müller: Leben mit zwei verschiedenen Zeiten: Die jüdischen Kalender aus dem Bestand der Schmieheimer Genisa. In: Die Ortenau Bd. 86 2006 S. 269-286.  

   
   
2. Der sogenannte "Höfer-Fund" aus Kippenheim         
   
Der Kippenheimer Metzgermeister Hans Höfer entdeckte bei Renovierungsarbeiten in seinem Haus zu Anfang der 1990er Jahre in der Dachisolierung zahlreiche Dokumente, die eindeutig auf die früheren jüdischen Besitzer des Hauses hindeuten. Bis 1936 lebten in dem Haus jüdische Familien. Es ist noch ungeklärt, weshalb das Material dort zu finden war, möglicherweise wurde es als unwichtig angesehen und zur Isolierung verwendet, wahrscheinlich aber handelt es sich um bewusstes Depot, das vornehmlich für Geschäftsunterlagen angelegt wurde. Teilweise reichen die Stücke (Rechnungen, Briefe, Kalender etc.) bis in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts zurück. Gefunden wurden ca. 800 Einzelschriftstücke. Hans Höfer hat seinen spektakulären Fund in großzügiger Weise dem Förderverein für eine archivische und wissenschaftliche Bearbeitung zur Verfügung gestellt. Die entdeckten Dokumente erlauben in einzigartiger Weise einen Einblick in das Werden und Wirken einer landjüdischen Geschäftsfamilie. Der genaue Inhalt und Aussagewert der Unterlagen ist noch offen, zu erwarten sind jedoch detaillierte Aufschlüsse über Umfang und Intensität von Geschäfts- und Handelsbeziehungen einer jüdischen Kaufmannsfamilie aus Kippenheim. Allerdings befanden sich die Unterlagen bei ihrem Auffinden in einem teilweise bedenklichen Zustand und bedurften intensiver restauratorischer und erhaltender Maßnahmen, um Verschmutzungen, Schädlingsfraß, Risse, Schimmelbefall etc. zu beseitigen oder auszubessern. Durch einen entsprechenden Antrag des Fördervereins konnte die "Stiftung Kulturgut Baden-Württemberg" mit Sitz im Wissenschaftsministerium für eine Kooperation zur Sicherung und Erschließung des Fundes gewonnen werden. Im Dezember 2000 wurde ein entsprechender Projektantrag des Fördervereins positiv aufgegriffen.Daraufhin konnten die Materialien in das Hauptstaatsarchiv Stuttgart überführt werden, wo die weiteren Schritte erfolgten, so etwa erste Säuberungsmaßnahmen und Glättungen.  
   
Im Verlauf des Jahres 2002 wurden die Materialien durch eine externe Restaurierungswerkstatt instandgesetzt. Inzwischen wurden die Arbeiten an der archivischen Erschließung der Unterlagen durch einen Mitarbeiter des Hauptstaatsarchivs Stuttgart abgeschlossen. Es erfolgte auch eine Verfilmung des Materials, um die Originalpapiere zukünftig zu schützen. Seitdem steht dieser bemerkenswerte Fund aus der Geschichte des südbadischen und spezieller des Kippenheimer Landjudentums der wissenschaftlichen Forschung zur Verfügung. 
   
Weitere Informationen: Uwe Schellinger M.A. E-Mail   
   
Link: Bestandsverzeichnis des Hauptstaatsarchivs Stuttgart online für die Recherche zum "Höfer-Fund"    
   
   
Die Ergebnisse der Aufarbeitung liegen vor in den Beiträgen:   

Uwe Schellinger: Der Kippenheimer Höfer-Fund: Quellen zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte des Ortenauer Landjudentums im 19. Jahrhundert. In: Die Ortenau 87. 2007. S. 463-480.  
Lina-Mareike Dedert: Badisches Landjudentum am Beispiel der Familie Weil zur Mitte des 19. Jahrhunderts. Magisterarbeit, Historisches Seminar der Universität Freiburg. Freiburg 2008.  
dies.: Waren für die Weills: eine Untersuchung der Lieferantenstruktur der Eisenwarenhandlung Weill aus Kippenheim anhand des "Höfer-Fundes". In: Die Ortenau 88 2008 S. 315-332.  

    
    
    
     

 

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Stand: 24. März 2017