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Grebenau (Vogelsbergkreis)
Jüdische Geschichte / Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english
version)
In Grebenau bestand eine jüdische
Gemeinde bis 1938. Ihre Entstehung geht in die Zeit des 18. Jahrhunderts zurück,
doch könnten bereits in früheren Jahrhunderten Juden am Ort gelebt haben. Die
im 18. Jahrhundert ältesten Dokumente sind die Eintragungen in einem
Geburtsregister, beginnend mit der Geburt von Jaunle (?) Bachrach, Sohn des
Abraham Baruch, am 15. Mai 1734. 1770 gab es sechs jüdische Familien am Ort.
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen
Einwohner wie
folgt: 1814 18 jüdische Familien (mit 56 Kindern), 1828 122 jüdische
Einwohner, 1861 186 (26,9 % von insgesamt 692 Einwohnern), 1880 170 (25,5 % von
666; damals war Grebenau die Stadt mit dem höchsten jüdischen
Bevölkerungsanteil in Hessen, gefolgt von Niedenstein), 1895 127 (19,2 % von 660), 1910 128 (20,0 % von 640, in etwa 30
Familien). Unter den jüdischen Haushaltsvorsteher gab es Kaufleute,
Viehhändler, aber auch Handwerker (je ein Sattler und Polsterer, Bäcker,
Schneider, zwei Schuhmacher).
An Einrichtungen bestanden eine Synagoge (s.u.), eine jüdische Schule (Israelitische Elementarschule von 1839 bis 1929), ein rituelles Bad und ein Friedhof.
Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war ein Lehrer angestellt, der
zugleich als Vorbeter und Schochet tätig war. Nach Gründung der Israelitischen Elementarschule war der erste Lehrer Saul Buchsberger aus
Friedberg. An weiteren Lehrern sind bekannt: von etwa 1880 bis 1900 ein Lehrer
Leer. Sein Nachfolger war ein Lehrer Kahn. Seit 1909 war Heinrich Lichtenstein
(aus Oberwesel) in Grebenau, wo er bis 1929 blieb. Nach seiner Zeit in Grebenau
war er Lehrer in Offenbach. Die jüdischen Lehrer in Grebenau waren staatlich
angestellt und unterrichteten auch christliche Schüler, zumal 1899 eine
Zusammenlegung der jüdischen und der evangelischen Schule als Simultanschule
erfolgt war, an der nun zwei evangelische und ein jüdischer Lehrer
unterrichtete. Die Gemeinde
gehörte zum Liberalen Provinzialrabbinat in Gießen.
Um 1924, als zur jüdischen Gemeinde noch 86 Personen gehörten (12,5 % von
insgesamt 687 Einwohnern), waren die Gemeindevorsteher Abraham Weihl, Siegmund
Schwab und Moses Kahn. Als Lehrer und Kantor war der bereits genannte Heinrich
Lichtenstein tätig, als Rechner der Gemeinde wird Jos. Kahn genannt. Lehrer
Lichtenstein erteilte 9 Kindern der Gemeinde den Religionsunterricht. An
jüdischen Vereinen gab es den Wohltätigkeitsverein Chewrat Hanorim (1924
mit 16 Mitgliedern), den Verein Chewrat Talmud Tora (1924 mit 15
Mitgliedern) und den Israelitischen Frauenverein (1924 mit 16
Mitgliedern). Es gab bis zu Beginn der NS-zeit ein gutes Einvernehmen zwischen
Juden und Christen am Ort. Jüdische Männer waren zum großen Teil Mitglieder
im Kriegerverein (viele waren aktive Kriegsteilnehmer aus dem Ersten Weltkrieg)
und im Turnverein. Bei der Einweihung der Turnhalle (nach dem Ersten Weltkrieg)
hielt der jüdische Lehrer Heinrich Lichtenstein die Festrede. Bis 1935 war
David Jacobs im Vorstand des Turnvereins. Die jüdische Lehrerstelle wurde
1929 nicht mehr wiederbesetzt.
1933 wurden noch 60 jüdische Einwohner am Ort gezählt (9,1 % von 659
Einwohnern). In
den folgenden Jahren sind die meisten
jüdischen Gemeindeglieder auf Grund der zunehmenden Entrechtung und der
Repressalien weggezogen beziehungsweise ausgewandert. Letzter Gemeindevorsteher
war Siegmund Schwab. Über die Ereignisse beim Novemberpogrom 1938 in Grebenau
liegen nur wenige Informationen vor (zum Brand der Synagoge siehe unten). 1939 wurden noch 14
jüdische Einwohner gezählt.
Von den in Grebenau geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem): Fanni Adler geb. Weihl (1882), Helene Bibe
verw. Samuelsson (1895), Leopold Blumhof (1896), Markus Blumhof (1873), Else
Brillemann geb. Schwab (1911), Amalia Hecht geb. Gottlieb (1868), Melly Jakob
geb. Bachrach (1878), Adelheid Kahn geb. Gottlieb (1873), Helena Kahn (1881),
Moses Kahn (1897), Selma Kahn (1924), Bertha Lutzky geb. Blumhof (1865),
Bernhard Mandelstein (1883), Julius Meyer (1889), Leo ( Levi) Meyer (1890 oder
1891), Seligmann Reiss (1870), Julius Schwab (1909), Levi Schwab (1879), Lina
Schwab geb. Katz (1875), Hanna Spier geb. Strauss (1898), Sara Spier geb.
Strauss (1893), Albert Stein (1885 oder 1888), Leopold Stein (1880), Natan Stein
(1891), Hulda Wallach geb. Stein (1863), Rosa Stern geb. Gottlieb (1900; Foto
links aus Gedenkbuch
Karlsruhe),
Auguste Strauss (1874), Karl Strauss (1876), Sali Strauss (1878), Helene Weil
geb. Schwab (1883), Hilda Weihl (1896).
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Aus der Geschichte der
jüdischen Lehrer und der Schule
Ausschreibungen der Stelle des Religionslehrers / Vorbeters / Schochet
Ausschreibungen der Stelle des Lehrers für
die Schule in Grebenau wurden in jüdischen Periodika noch nicht gefunden. |
Errichtung der jüdischen Elementarschule und
Einsetzung des ersten Lehrers an der Schule (1839)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 7. Dezember 1839:
"Grebenau (Großherzogtum Hessen), 30. Oktober (1839). Die
Großherzogliche hessische Regierung genehmigt auf Nachsuchen der
israelitischen Gemeinde zu Grebenau im Kreise Alsfeld die Errichtung einer
eigenen Elementarschule. Diese trat denn auch alsbald ins Leben. Manchen
widrigen Verhältnissen wurde dadurch abgeholfen und vielen Hoffnungen
für die Zukunft Raum gegeben, die, wenn sie einst in Erfüllung gegangen,
der schönste Lohn für die Opfer der Gemeinde sind. - Wer es weiß, wie
wenig der Satz 'der Buchstabe tötet, nur der Geist macht lebendig' bei
der hiesigen Gemeinde seither in Anwendung kam; wer es weiß, wie störend
für die geistige Entwicklung der Religionsunterricht namentlich seither
erteilt wurde, der wird gewiss die Errichtung dieser Schule mit Dank
anerkennen und eine Regierung segnen, die, ohne einen Unterschied
hinsichtlich des Glaubens zu machen, für alle ihre Untertanen
sorgt.
Die Gemeinde, aus 28 Familien bestehend, hat eine Besoldung reguliert, mit
welcher schon auszukommen ist, und daher wurde auch ihrem Wunsche, einen
Seminaristen zu bekommen, höchsten Orts willfahrt. Dem israelitischen
Schulkandidaten Herrn Saul Buchsweiler aus Friedberg,
einem jungen eifrigen Manne, wurde das Vikariat übertragen. Die
Einweihung geschah am jüdischen Freudenfeste, den 1. Oktober dieses
Jahres in der Synagoge bei Anwesenheit der ganzen Gemeinde und der
christlichen Honoration. Nachdem der hiesige Geistliche einige
ergreifende, den Zweck der Schule betreffende Worte gesprochen, hielt auch
Herr Buchsweiler eine Anrede an seine Glaubensbrüder, worin er sich
zuletzt ihr Vertrauen erbat und sie seines Eifers und seines guten Willens
versicherte. Namentlich bewies er ihnen, wie durch ruhige Überlegung und
freundliche Rücksprache mehr das Wohl der Schule befördert werde, als
durch rasches und unüberlegtes Handeln.
Möchte Gott es geben, dass diese Worte, sowohl der Gemeinde, als auch dem
Lehrer im Gedächtnis bleiben und eine Ursache werden segensreicher
Folgen." |
Über Lehrer Heinrich Lichtenstein (1889 - 1961, Lehrer in
Grebenau von 1909 bis 1929)
Hinweis
auf eine Publikation in den "Mitteilungen des Geschichts- und
Museumsvereins Alsfeld" Heft 1 - Juni 2011: Norbert Hansen:
Heinrich Lichtenstein - ein jüdischer Lehrer in Grebenau 1909-1929 S.
3-26.
Zu dieser Publikation: Der 50. Todestag von Lehrer Heinrich
Lichtenstein war Anlass für den Geschichts- und Museumsverein Alsfeld, an
einen bemerkenswerten Menschen zu erinnern, der zwei Jahrzehnte in
Grebenau gelebt und gewirkt, in den 1930er-Jahren als jüdischer Lehrer in
Offenbach die Schrecken des Nazi-Terrors erfahren und später in den USA
ein nie veröffentlichtes und daher hier unbekanntes Dokument über sein
Leben hinterlassen hat. 'My Life in Germany before and after Jan. 30,
1933' lautete die Überschrift eines mit 1.000 dotierten
'wissenschaftlichen Preisausschreibens', das eine Gruppe amerikanischer
Wissenschafter der Harvard Universität in Cambridge, Massachusetts' im
Sommer und Herbst 1939 initiierte. Unter den eingegangenen 263 Manuskripten
war auch ein Beitrag von Heinrich Lichtenstein, der im Blick auf die
Publikation ausgewertet wurde. |
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Foto
links: Heinrich und Regina Lichtenstein in Amerika nach 1940. Foto: Privat
Heinrich Friedrich Lichtenstein (geb.
15. Dezember 1889 in Oberwesel als
Sohn des Metzgers und Viehhändlers Karl Lichtenstein): besuchte ab 1904
die zweijährige Präparandenschule in Wöllstein, danach das
Lehrerseminar in Alzey (Abschlussexamen 1909). Seine erste Lehrerstelle
konnte er 1909 in Grebenau antreten; seine Dienstwohnung war im Gebäude
Amthof 2. 1911 legte er sein Staatsexamen in Darmstadt ab; 1914 wurde er
endgültig zum Lehrer an der Volksschule in Grebenau bestellt. Im Ersten
Weltkrieg zunächst weiterhin Lehrer in Grebenau, von August 1916 bis
Kriegsende im Kampfeinsatz, zunächst an der Ostfront in Polen, dann an
verschiedenen Orten an der Westfront; Kriegsgefangenschaft bis Oktober
1919. Seit 15. Dezember 1919 war Lichtenstein verlobt mit Ina geb. Stein;
Heirat im Frühjahr 1920. In den folgenden Jahren erfolgreiche Arbeit in
der Schule und in der Religionsgemeinde; Arbeiten zur jüdischen
Geschichte Grebenaus. Im Frühjahr 1928, als Lichtenstein nur noch sieben
jüdische Kinder zu unterrichten hat, bewirbt er sich auf eine Stelle an
der Volksschule in Offenbach. Die neue Stelle tritt er Anfang Januar 1930
an (Volksschule Wilhelmstraße). In Offenbach bekommt er bereits massiv
den aufgekommenen Antisemitismus zu spüren. Zum 1. Juli 1933 wurde er aus
dem Hessischen Staatsdienst entlassen; seitdem übernahm er die
verschiedensten Aufgaben in der jüdischen Gemeinde in Offenbach. Nach dem
Novemberpogrom 1938 wurde er in das KZ Buchenwald verschleppt, wo er drei
Wochen festgehalten wurde. Danach bemühte er sich um Auswanderung für
sich und seine Frau. Im Juli 1939 konnte er Deutschland verlassen und
über London in die USA emigrieren. In den USA fand er keine dauerhafte
Anstellung mehr. Er starb am 28. März 1961 an Suizid und wurde auf dem
Friedhof Ziedar Park bei Beth-El Emerthen, Westwood NJ beigesetzt. Seine
Frau stark 1974. |
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Foto
links: Die jüdische Familie Stein aus Grebenau um 1905 (v.l.n.r.: Ina
(Regina) Stein, seit 1919 verheiratet mit Lehrer Heinrich Lichtenstein,
Vater Wolf Stein, Karl Stein, Albert Stein, Mutter Karoline Stein geb.
Weihl, Selma Stein.
Über das Zusammenleben von Juden und
Nichtjuden in Grebenau schrieb Lehrer Lichtenstein in seinen
Lebenserinnerungen: "Zwischen dem jüdischen Bevölkerungsteil und
dem nichtjüdischen herrschte das denkbar beste Verhältnis. Die Familien
lebten mit ihren Nachbarn christlichen Bekenntnisses meist in
freundschaftlichem Verkehr. Sie teilten tatsächlich Leid und Freud
miteinander. Juden gehörten den Ortsvereinen an und waren geschätzte und
aktive Mitglieder. Es gab keine Beerdigung auf dem Friedhof der einen Gemeinschaft,
bei der nciht Mitglieder der anderen Gemeinschaft im Trauergeleit
mitgingen. Die Festveranstaltungen der Juden wurden von den christlichen
jungen Leuten ebenso gern besucht wie die allgemeinen Veranstaltungen von
den Juden". |
Berichte zu einzelnen Personen aus der Gemeinde
Mord an dem Handelsmann A. Weill aus Grebenau und die Bestrafung seines Mörders
(1883)
Artikel
in der Zeitschrift "Jeschurun" (Alte Folge) Jahrgang 1883 S.
379: "Aus dem Regierungsbezirk Kassel, 5. Juni (1883). In
Verfolg meiner in Nr. 15 dieser Zeitung mitgeteilten Korrespondenz, die
Ermordung des A. Weil aus Grebenau betreffend, teile ich heute mit,
dass der mutmaßliche Mörder, welcher seit der Untat in Gießen
interniert ist, bisher beharrlich die Mordtat leugnet. In Begleitung hoher
Gerichtsbeamten und Gendarmeriebewachung wurde derselbe vorigen Dienstag
(29. Mai) auf den Tatort geführt und am darauf folgenden Tage mit der
ausgegrabenen Leiche konfrontiert - alles dieses soll jedoch keinen
Eindruck auf ihn gemacht und ihn völlig kalt gelassen haben!! - Wie ich
weiter höre, wurde eine Sektion des Kopfes vorgenommen und soll der
Schädel von den Gerichtsbeamten mit nach Gießen genommen worden sein. -
Möge Gott die Wahrheit ans Licht fördern und den Mörder der gerechten
Strafe nicht entgehen lassen. Ich werde seinerzeit mit gütiger Erlaubnis
der wohllöblichen Redaktion das Ergebnis der Schwurgerichtsverhandlungen
in diesen geschätzten Blättern mitteilen." |
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Artikel
in der Zeitschrift "Jeschurun" (Alte Folge) 1883 S. 798: "Aus
dem Regierungsbezirk Kassel, 2. November. Der Mörder des
Handelsmannes A. Weill aus Grebenau, Tagelöhner Schneider aus Willofs,
welcher seit Ende März dieses Jahres in Voruntersuchung saß und (wie in
Nr. 15 und 25 dieser Zeitung berichtet) seine Tat beharrlich leugnete, war
vor einigen Wochen, nachdem er, von Gewissensbissen gequält, ein
umfassendes Geständnis abgelegt hatte, vom Großherzoglichen
Schwurgerichte zu Gießen zum Tode verurteilt worden. - Montag, den 29.
dieses Monats, wurde das Urteil an demselben auf dem Hofe des dortigen Provinzial-Arresthauses
von dem Scharfrichter Brand aus Sachsen vollzogen. - Wie verlautet, hat
Schneider vor dem Schwurgerichte auch früher gegangene Verbrechen
eingestanden, zum Beispiel die Ermordung seines Hauptmanns während des
letzten Krieges." |
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Zu dieser Geschichte ein Bericht aus
Grebenau "Wie die Mordeiche zum ihrem Leben kam"
(pdf-Datei, Quelle: www.grebenau.de). |
Zum 102. und 103. Geburtstag der aus
Grebenau stammenden Sarah Rothschild in Chicago (1891)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 13. Juni 1890: "In Chicago feierte am 22. Mai Frau
Sarah Rothschild ihren 102. Geburtstag. Die sehr rüstige Greisin ist
in Grebenau (Preußen) geboren. Vier Generationen wohnten der Feier
bei, darunter 27 Enkel und 15 Urenkel." |
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Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 24. August 1891: "Chicago.
Vor einigen Wochen feierte hierselbst Frau Sarah Rothschild, geboren in Grebenau
(Hessen-Darmstadt) ihren 103. Geburtstag. Die alte Dame unterhielt sich
recht lebhaft und erzählte verschiedene Erlebnisse aus der Zeit des
ersten Napoleon. Als dessen Heer auf seinem Siegeszuge durch
Hessen-Darmstadt kam, war sie noch im elterlichen Hause und hatte dort mit
den Soldaten des Kaisers manch unerfreuliche Begegnung. Sie musste auch,
wie alle weiblichen Personen ihres Ortes, für die französischen Truppen
kochen. Frau Rothschild hat mit Ausnahme von 3 Tagen im Laufe der letzten
Wochen, an welchem sie an der Grippe litt, noch nie wegen Unwohlseins das
Bett gehütet und gibt an, ihr Gesundheit nur ihrer mäßigen Lebensweise
zu verdanken. Sie steigt ohne Anstrengung die Treppen auf und ab und
vertreibt sich die Zeit durch Spielen mit ihren
Urenkelkindern." |
Zum Tod des langjährigen Gemeindevorstehers Abraham Weihl (1927)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 22. Dezember 1927: "Grebenau
(Oberhessen), 15. Dezember (1927). Am Mittwoch, den 7. Dezember verschied
nach langer, schwerer Krankheit im Alter von 63 Jahren Abraham Weihl. Ein
Leben voll der strengsten Pflichterfüllung fand hier seinen Abschluss.
Wie beliebt, geehrt und geachtet der Verstorbene bei seinen Mitmenschen
war, konnte man an dem überaus großen Ehrengeleite sehen. Viele Jahre
hindurch war er der jüdischen Gemeinde seines Wohnortes ein Vorsteher,
der sich allen Gemeindeangelegenheiten, auch in schwerster Zeit, mit
unermüdlicher Treue widmete, und auf die Erhaltung des echtjüdischen
Geistes innerhalb der Gemeinde und des Gotteshauses bedacht war. Als ihn
vor einigen Jahren ein schweres Herzleiden befiel, welches ihn an der
Ausübung jedweder Tätigkeit hinderte, trug er die ihm auferlegten
ungeheuer schweren körperlichen Leiden stets mit größter Geduld und
ruhiger Ergebung in Gottes unerforschlichen Ratschluss.
Möge Gott den trauernden Angehörigen Trost gewähren. Seine
Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens." |
90. Geburtstag von Jakob Jakob (1928)
Artikel in der "CV-Zeitung" (Zeitschrift des Central-Vereins)
vom 7. September 1928: "Am 15. September begeht unser Mitglied Jacob
Jacob in Grebenau, Oberhessen, seinen 90. Geburtstag. Wir wünschen
dem Jubilar auch weiterhin einen gesegneten Lebensabend".
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Artikel in der "Jüdisch-liberalen Zeitung"
vom 21. September 1928: "Grebenau. (Hohes Alter). Als
ältestes Mitglied der hiesigen kleinen Gemeinde und gleichzeitig als
ältester Ortseingesessener konnte Herrn Jakob Jakob seinen 90.
Geburtstag feiern. Dass der Patriarch noch über bewundernswerte
Rüstigkeit und Geistesfrische verfügt, rechtfertigt die Bedeutsamkeit
des Familienereignisses." |
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Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 27. September 1928: "Alsfeld,
19. September (1928). Seinen 90. Geburtstag beging am 15. September Herr
Jakob Jakob im benachbarten Grebenau in voller Frische und
Rüstigkeit. Er ist das älteste Gemeindemitglied und auch der älteste
Ortsbewohner. Er ist bei allen Einwohnern des Ortes in höchstem Maße
geachtet und beliebt." |
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Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und
Waldeck" vom 14. September 1928: "Grebenau. Am 15.
September feiert Herr Jakob Jakob - Grebenau im Kreise seiner
Angehörigen in geistiger und körperlicher Frische seinen 90. Geburtstag.
An allen Familien- und Gemeindeangelegenheiten nimmt er regen Anteil. Er
ist das älteste Gemeindemitglied und auch der älteste Einwohner des
Ortes. Seine Rechtschaffenheit und Friedfertigkeit haben ihm in seinem
Leben auch außerhalb unserer Glaubensgemeinschaft allgemeine Beliebtheit
gesichert. Er besucht noch regelmäßig das Gotteshaus und wir wünschen
diesem aufrechten und guten Jehudi auch weiterhin einen gesunden und
frohen Lebensabend. Ad moeh weesrim schonoh." (= [alles Gute]
bis 120 Jahre). |
Nach der Deportation: Todesanzeige für David Jakob und
Fanny geb. Blach (umgekommen 1944; Todesanzeige von 1945)
Anzeige in der deutsch-amerikanischen Zeitschrift "Der Aufbau"
vom 2. November 1945:
"Tief erschüttert traf uns die Nachricht, dass unsere
innigstgeliebten, treusorgenden guten Eltern
David & Fanny Jakob geb. Blach
(Grebenau, Oberhessen, Frankfurt am Main) im Herbst 1944 in
Theresienstadt,
und unser lieber Onkel und Tanten
Johanna Heilbrunn geb. Blach
(Nentershausen, Frankfurt/Main),
Pessach 1945 in Theresienstadt,
Herrmann & Recha Blach geb. Blach
(Eschwege) in Riga 1942 verschieden
sind. In tiefem Schmerz:
Henny Jacob, Hanna Jacob, Irma Jacob, Irene Jacob
95 Cabrini Boulevard, New York City." |
Anzeigen
jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen
Anzeige des Bäckergesellen Moses Kahn (1900)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 31. Oktober 1900:
"Selbstständiger Bäckergeselle sucht Stellung. Moses Kahn,
Grebenau, Oberhessen." |
Anzeige von Witwe Levi Strauß (1903)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 19. Februar 1903: "Tüchtiger
Bäckergeselle, militärfrei, sucht Stelle. Offerten erbeten
an
Levi Strauß Witwe, Grebenau (Oberhessen)." |
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Anmerkung (nach Angaben bei Nathan M.
Reiss s. Lit. S. 792): Levi Strauß, geb. am 20. Oktober 1829 in Grebenau,
war seit 6. Juli 1859 (in Grebenau) verheiratet mit Sophie (Sabine) geb.
Lewin. Er starb am 21. Oktober 1900. Seine Frau/Witwe Sophie (Sabine) in
1840 in Angenrot geboren. Sie starb am 17. November 1924 in
Grebenau. |
Zur Geschichte der Synagoge
Zunächst war ein Betsaal oder eine erste Synagoge
vorhanden. Eine neue Synagoge wurde um 1825 (oder erst 1864?)erbaut. Sie hatte 96 Plätze für
Männer und 52 auf der Empore für die Frauen. Es gab fünf bis sechs Torarollen
in der Synagoge. Im Gebäude der Synagoge waren auch die jüdische Schule
und das rituelle Bad (am Ort "Koscherloch" genannt).
Knapp eine Woche nach der Pogromnacht im November
1938 wurde die Synagoge durch Brandstiftung völlig zerstört.
Auf Beschluss der Stadtverordnetenversammlung Grebenau vom 19. August 2008 wurde
die Aufstellung eines Gedenksteines für die 1938 zerstörte Synagoge an ihrem
Standort mehrheitlich beschlossen. Der Gedenkstein wurde an ihrem Standort im
November 2008 eingeweiht (siehe Bericht unten).
Adresse/Standort der Synagoge: Jahnstraße
(Spielplatz)
Fotos
Die Synagoge um 1920
(Quelle: Foto links: N. Reiss s.Lit. S. 99;
rechts: Sammlung Arnsberg
im jüdischen Museum Frankfurt) |
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Im
Synagogengebäude waren neben dem Betraum (rechte Seite und Foto rechts) auch
die Schule (linke Seite) und die Mikwe (im Keller) untergebracht. |
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1945: die zerstörte
Synagoge
(Quelle: Arnsberg Bilder S. 76) |
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Der in Grebenau
geborene William Steinberger, als US-Soldat inmitten der
Trümmer der
zerstörten Synagoge im Oktober 1945.
andere Version
desselben Fotos |
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Die Gedenkstätte auf dem
Grundstück
der zerstörten Synagoge
(Fotos: Hahn,
Aufnahmedatum 9.4.2009) |
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Eingang zum dem auf dem
Synagogengrundstück
angelegten Kinderspielplatz |
Die Gedenkstätte |
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Gedenktafel mit
Text: "Hier stand in unmittelbarer Nähe seit 1825 die Synagoge der
jüdischen Gemeinde Grebenau. Als Folge der Pogromnacht des 9. November
1938 wurde das Haus, das auch als Schule für alle Grebenauer diente, von
den Nationalsozialisten geschändet und anschließend durch Feuer
zerstört.
Kommenden Generationen zur Mahnung für Demokratie, Völkerverständigung,
Frieden und religiöse Toleranz einzutreten. Die Bürgerinnen und Bürger
der Stadt Grebenau.
Das Geheimnis der Versöhnung heißt Erinnerung." |
Erinnerungsarbeit vor Ort - einzelne Berichte
Die Aufstellung eines
Gedenksteines für die zerstörte Synagoge im November
2008 |
Artikel in der "Oberhessischen Zeitung" vom 11. November
2008: "Mahnmal für nachfolgende Generationen - Gedenkstein und Tafel wurden am Platz der zerstörten Grebenauer Synagoge eingeweiht.
GREBENAU (gsi). Unter großer Anteilnahme der Grebenauer Bevölkerung wurden am Sonntag Morgen auf dem Spielplatz in Grebenau ein Gedenkstein und eine Gedenktafel eingeweiht, die nun auf dem Platz der im Dezember 1938 abgebrannten Synagoge stehen und an das Gotteshaus sowie an die jüdischen Menschen, die damals noch in Grebenau lebten, erinnern. Es war für alle Beteiligten ein bewegender Moment, als Bürgermeister Jürgen Ackermann, musikalisch begleitet vom Evangelischen Posaunenchor, im Novemberregen seine Begrüßungsrede hielt. "An einem ungewöhnlichen Ort", wie er sagte, erinnere man heute an die Reichspogromnacht vor 70 Jahren. Er sei froh darüber, dass nach langen Diskussionen in den verschiedenen Gremien nun ein Zeichen gesetzt werde, um die Synagoge zu würdigen. Sein besonderer Dank galt Armin Ziegler, auf dessen Initiative hin die Planungen erst
begannen.
Die Geschehnisse des 9. November 1938 seien bis heute nicht zu fassen. Man könne diesen Tag - einmalig in der Welt - nicht ungeschehen machen und habe daran zu tragen. Nach einer Kranzniederlegung an dem Denkmal mit Ortsvorsteherin Lotti Frick, Bürgermeister Jürgen Ackermann und Pfarrer Toralf Kretschmer gedachte dieser in einer kurzen Ansprache derer, die ihre Heimat verlassen und ihr Leben lassen mussten. Da in den Festakt auch die Feierlichkeiten zum Volkstrauertag eingebunden waren, gedachte man allen Opfern des Krieges, allen Opfern von Gewalt und auch allen Vertriebenen.
Der Gedenkstein, so Kretschmer, sei ein Mahnmal für die nachfolgenden Generationen, damit solches nie wieder geschehe. In einer ausführlichen, persönlichen Stellungnahme in der überfüllten Teestube des Bürgeramtes dankte Kretschmer allen Parteien für die Umsetzung dieses Projektes, die trotz unterschiedlicher Positionen möglich wurde. Der Gedenkstein, so Kretschmer, stehe nicht verloren in der Ecke des Spielplatzes, sondern an der Stelle, an der sich das zerstörte Gotteshaus befand. Nun spielten Kinder dort, die vielleicht gerade hier dazu angeregt werden zu fragen, was der Stein und die Tafel bedeuteten.
Toralf Kretschmer schrieb dem Gedenkstein drei Bedeutungen zu: Ein Schlussstein anstelle eines Schlussstriches, da man die Vergangenheit nicht ruhen lasse dürfe. Eine Bilanz jedoch sei nötig, eine Übersicht darüber, was aus dem 1825 erbauten Gotteshaus und seinen Menschen geworden ist. Er gab zu bedenken, dass vor 1938 158 Juden in Grebenau lebten, 20 Prozent der Bevölkerung, und das über Jahrzehnte hinweg in friedlicher Koexistenz mit den Christen. Der Schulsaal der Synagoge wurde zeitweise von allen Schülern benutzt. In den Kriegen des 19. Jahrhunderts und dem Ersten Weltkrieg kämpfte man Seite an Seite, wie Kretschmer ausführte.
Den Brand der Grebenauer Synagoge bezeichnete er als Vorbote des Abgrundes, der sich auftat, letztlich vor der ganzen Bevölkerung. Der Stein diene auch des Gedenkens an die Synagoge, ein Gotteshaus, eine Stätte der Andacht und des Gedenkens vor Gott. In diesem Kontext sieht Kretschmer auch die Inschrift des Steins "Das Geheimnis der Versöhnung heißt Erinnerung".
Immer wieder stelle sich die Frage, wie es zu den Ereignissen habe kommen können: Die zerstörte Synagoge wurde, bevor sie angesteckt wurde, abgeschlossen. Es waren Menschen darin, die sich jedoch retten konnten. Was war passiert, dass so etwas möglich wurde? Thorarollen wurden im Sumpf versenkt, die Würde der jüdischen Religion missachtet. Freunde von früher, Schulkameraden, Nachbarn und Mitbürger wurden zu Tätern.
Er sei erleichtert, so Kretschmer, dass es nun einen unverrückbaren Gedenkstein gebe gegen das Verdrängen. Die dritte Bedeutung des Steines sei die Hoffnung: Die Hoffnung, dass man Verantwortung übernehme und Jugendliche, die vielleicht in dem Gedenken an die Vergangenheit keinen Sinn mehr sehen, aufklärt, dass man sie dahinführen könne, selbst Verantwortung für sich zu übernehmen und keine Sündenböcke in Minderheiten zu suchen.
Die Hoffnung sei berechtigt, da nicht einmal die schrecklichen Ereignisse von damals verhindern konnten, dass man heute innehalte.
Nach dieser, wie Jürgen Ackermann sagte, "bemerkenswerten Rede", informierte Heinrich Dittmar aus einem anderen Blickwinkel über die Juden in Grebenau. Seine Anekdoten und Geschichten aus dem jüdischen Alltag erfüllten das abstrakte Gedenken an diesem Tag mit Namen und Leben.
" |
Links und Literatur
Links:
Literatur:
| Paul Arnsberg: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang -
Untergang - Neubeginn. 1971. Bd. I S. 274-275. |
| ders.: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Bilder -
Dokumente. S. 76. |
| Keine Abschnitte bei Thea Altaras: Synagogen in Hessen. Was geschah seit
1945? 1988 und dies.: Das jüdische Rituelle Tauchbad und: Synagogen in
Hessen. Was geschah seit 1945 Teil II. 1994. |
| Studienkreis Deutscher Widerstand (Hg.):
Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der
Verfolgung 1933-1945. Hessen I Regierungsbezirk Darmstadt. 1995 S. 193-194. |
| Pinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish
Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany Volume
III: Hesse - Hesse-Nassau - Frankfurt. Hg. von Yad Vashem 1992
(hebräisch) S. 132-133. |
| Norbert Hansen: Heinrich Lichtenstein - ein jüdischer
Lehrer in Grebenau 1909-1929. In: Mitteilungen des Geschichts- und
Museumsvereins Alsfeld. Heft 1 - Juni 2011 S. 3-26. |
Umfassendes familiengeschichtliches Werk
Nathan M. Reiss
Some Jewish Families
of Hesse and Galicia
Second edition 2005
http://mysite.verizon.net/vzeskyb6/ |
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In diesem Werk
eine ausführliche Darstellung zur jüdischen Geschichte in Grebenau
mit umfassenden biographischen Angaben zu den Familien Gottlieb und
Strauss ("The Gottlieb and Straus Families of Grebenau" S. 97-125) und Verwandtschaft (mit
Nachkommen bis um 2000) mit zahlreichen Abbildungen
u.a.m. |
Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Grebenau
Hesse. One of the oldest and (proportionately) largest in Hesse, this community
numbered 186 (27 % of the total) in 1861. Its statefunded Jewish school
(1839-1929) was also attended by Christians. Grebenau became a Nazi stronghold
and on 6 November 1938, shortly before Kristallnacht (9-10 November
1938), local youths set fire to the synagogue. Of the 60 Jews living there after
1933, 23 emigrated. By October 1939 there were no Jews in
Grebenau.
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