In Innsbruck bestand eine jüdische Gemeinde zunächst im Mittelalter.
Am 22. Februar 1342 nahm Herzog Ludwig den Juden Salmen von Innsbruck und seine
Nachkommen gegen eine jährliche Abgabe von 40 Gulden in seinen Schutz. Bei den
Judenverfolgungen in der Pestzeit wurden auch in Innsbruck Juden ermordet. Danach
wird 1415 wieder ein Jude in Innsbruck genannt. 1434 gab es mindestens
zwei jüdische Steuerzahler in der Stadt. 1451-76 lebte in der Stadt Seligmann,
Arzt Herzog Sigmunds des Münzreichen, der hier ein Haus besaß. Um 1475 gab es
ein jüdisches Gericht in der Stadt. Das Tiroler Vertreibungsedikt von 1520
wurde in Innsbruck nicht ausgeführt.
Vom 17. Jahrhundert an lebten in
der Stadt jüdische Personen, wenngleich nicht kontinuierlich. Unter Herzog Ferdinand II
von Tirol (1618-23) dienten Juden am Hof als Flötenspieler und Tanzmeister.
1714 wurden die Juden vorübergehend ausgewiesen.
1785 bestand wieder eine
kleine Gemeinde in der Stadt. Zu den damaligen Familien gehörte die Familie
Dannhauser, die aus Fellheim nach
Innsbruck zugezogen war. Familie Dannhauser wohnte in der Schlossergasse 15
(ehemalige Judenhasse, Haus Nr. 107) Während der Tiroler Revolte unter Andreas Hofer
1809, gab es Ausschreitungen gegen Juden in der Stadt.
Seit 1867 war es für jüdische Personen möglich, ohne bürokratische Hürden ihren Wohnsitz in
Innsbruck (und ganz Tirol) zu beantragen. 1890 erfolgte die Gründung der
neuen Israelitischen Kultusgemeinde in Innsbruck. Die Zahl der Juden in Tirol
blieb immer gering – den Höchststand erreichte sie im Jahr 1910, als 1624 Juden in Tirol lebten, was einem Anteil von 0,2 Prozent an der Tiroler Bevölkerung entsprach.
1872 wurde mit Kaufmann W. Tannhäuser
(gemeint: Wilhelm Dannhauser) erstmals ein jüdischer Bürger in die Stadtvertretung gewählt
(vgl. unten Artikel von 1890) .
Die
Zeitschrift "Der Israelit" berichtete am 15. Mai 1872:
"Innsbruck. Der 'Deutschen Zeitung' schreibt man aus Innsbruck
Folgendes: Noch nicht da gewesen ist es, dass ein Jude als Mitglied der
Stadtbehörde in der Hauptstadt Tirols angehört hatte. Und doch ist dies
in Folge der jetzigen Wahlen eingetreten. Der gebildete, gut deutsch
gesinnte Kaufmann W. Tannhäuser, obschon er Jude ist und obschon die
Geistlichen die gläubigen Tiroler vor diesem Juden warnten, wurde doch in
die Stadtvertretung gewählt! Wer hätte sich so etwas vor 10 Jahren nur
zu denken getraut?"
1892 konnte eine israelitische
Privatschule für den Religionsunterricht der jüdischen Kinder
eingerichtet werden.
Die
Zeitschrift "Der Israelit" berichtete am 22. Februar 1892:
"Innsbruck, 5. Februar (1892). Mit dem gestrigen Tage erhielt, wie
die 'Neue Tiroler Stimme' meldet, unsere Stadt eine israelitische
Privatschule für Religionsunterricht. Die Bewilligung dazu wurde von der
k.k. provisorischen Landesschulbehörde bereits am 7. Dezember 1891
erteilt über Ansuchen des Direktoriums-Komitees Dannhauser, Bauer und
Abeles. Als Religionslehrer fungiert der Kantor Emil Fränkl von Hohenems.
Es sollen 25 Kinder für diesen Unterricht gemeldet sein. Als Schullokal
wurde ihnen ein Klassenzimmer der Bürgerschule angewiesen."
1914 wurde das "Rabbinat für
Tirol und Vorarlberg" von Hohenems
nach Innsbruck verlegt.
Das
"Frankfurter Israelitische Familienblatt" berichtete am 6.
Februar 1914: "Innsbruck: Das 'Rabbinat für Tirol und Vorarlberg'
ist auf Ansuchen der Kultusgemeinde Innsbruck von Hohenems nach Innsbruck
verlegt und Rabbiner Dr. J. Link, bisher in Hohenems, als Landesrabbiner
mit dem Sitze in Innsbruck genehmigt worden".
1905 wurden 120 jüdische Einwohner in Innsbruck
gezählt, 1920 200, 1934 317.
Die Entrechtung und Verfolgung der Juden durch das nationalsozialistische Regime begann
1938.
Auch in Tirol und Innsbruck mussten Juden ab diesem Zeitpunkt mit Benachteiligungen, Anfeindungen und wirtschaftlicher Isolation leben.
Ganz Tirol sollte "judenfrei" gemacht werden. Jüdische Häuser und Grundbesitze
wurden beschlagnahmt. In der Pogromnacht im November 1938 wurde die
Inneneinrichtung der Synagoge zerstört. 18 Juden wurden verletzt festgenommen, vier wurden getötet. Unter ihnen auch der damalige Leiter der Israelitischen Kultusgemeinde,
Ingenieur Richard Berger. Bis Mitte 1939 mussten fast alle Juden den Gau "Tirol und Vorarlberg" verlassen. Mindestens zweihundert Tiroler und Vorarlberger Juden erlebten
nicht das Jahr 1945. Von
über dreihundert ist bekannt, dass sie im Ausland oder auch im KZ überlebt haben; über siebzig Schicksale
von verfolgten Tiroler und Vorarlberger Juden sind bis heute ungeklärt.
Nach 1945 entstand nur langsam wieder eine jüdische Gemeinde. Am 14. März 1952 erfolgte die gesetzliche Errichtung der nunmehrigen "Kultusgemeinde Innsbruck für die Bundesländer Tirol und
Vorarlberg". Zur Gemeinde gehören (Angabe von 2012) über 100 Gemeindemitglieder in Tirol und Vorarlberg.
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 8. August
1865: "Innsbruck, 25. Juli (1865). Hier besteht ein
'katholischer Verein', der für Zurückweisung und Entfernung aller
Nichtkatholiken aus Tirol zu wirken den Zweck hat. Derselbe erhielt dieser
Tage ein Handschreiben des Papstes, in welchem er den Verein höchlichst
belobt und wiederholt segnet. Es heißt darin: 'Geliebte Söhne, Heil und
apostolischen Segen! Wir wünschen euch Glück, geliebte Söhne, dass ihr,
die Hand einmal an den Pflug gelegt, nimmer rückwärts schautet, ja
vielmehr je üppiger das Dorngestrüppe emporwucherte und je häufiger das
Unkraut den Weizen zu belästigen und zu ersticken schien, desto
sorgfältigere Bearbeitung dem Ackerlande des Herrn angedeihen ließet.
Denn dies bemerken wir zu ganz besonderem Troste unseres Herzens an den
gepflogenen Beratungen, die Einwanderung andersgläubiger Ansiedelungen
und das Eindringen unkatholischer Religionsübung unter die
Gläubigen dieses sehr religiösen Landes zu verhindern.' - Dies ist die
Lehre der Liebe, der Humanität, der Duldung - und die Bekenner wagen es
oft genug, die heilige Schrift Israels als das Gesetz der Strenge und des
Zornes zu bezeichnen, während darin steht: 'Ein Gesetz und Ein Recht soll
sein dem Einheimischen wie dem Fremdling, und alle Rechts- und
Liebeswohltaten dem Eingewanderten und Beisassen wie dem Eingeborenen
zugesichert werden."
Ein antisemitischer "Tiroler Bauernverein"
soll gegründet werden (1887)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 25. August
1887: "Innsbruck, 2. August (1887). Auch Tirol soll von
den Antisemiten mit einem 'Tiroler Bauernverein' beglückt werden. Das
'Innsbrucker Tagblatt' berichtet, dass die Gründer dieses Vereins ihre
Statuten der Statthalterei am 11. Juli zur Prüfung eingesendet haben und
darauf schon am 16. Juli die Erledigung erhielten, dass die angezeigte
Bildung eines politischen Vereins in Innsbruck unter dem Namen 'Tiroler
Bauernverein' im Sinne des Vereinsgesetzes und nach Inhalt der vorgelegten
Statuten 'nicht untersagt' werde. Diese Vereinsstatuten, zu Zwettl in
Österreich gedruckt, wurden an einzelne Auserwählte im Lande Tirol
verteilt: sie haben aber vorläufig durch ihr auffallend schlechtes
Deutsch nur die Heiterkeit der Leser erregt. Das 'Innsbrucker Tagblatt'
begleitet den Inhalt dieser Statuten mit folgenden trefflichen
Glossen:
Was den Inhalt der Statuten anbelangt, so erscheint nach denselben
als Zweck der Vereins 'die Förderung der Interessen des
Bauernstandes nach jeder Richtung und insbesondere die Stärkung des
deutschen Stammesbewusstseins, sowie die Besprechung nationaler,
politischer und wirtschaftlicher
Fragen':
als Mittel zur Erreichung dieses Zweckes erscheinen
Vereinsversammlungen, Vorträge, Diskussionen, Wanderversammlungen, die
Herausgabe von Druckschriften, insbesondere eines Vereinsorgans, ferner
Resolutionen, Petitionen, Adressen, endlich rege Beteiligung und
Einflussnahme auf die Wahlen in die Vertretungskörper. Die Mitglieder
bestehen aus ordentlichen und Ehrenmitgliedern. 'Jeder unbescholtene,
eigenberechtigte Mann, der zugleich, sei es nun in Städten, Märkten oder
auf dem Lande, Grundbesitzer ist und nicht dem Stande der Advokaten,
Beamten, des Adels und der Geistlichkeit, was immer für einer Konfession
angehört, kann... dem Verein als Mitglied beitreten.' (§ 5). Hiernach
wäre der Führer der Antisemiten selbst als Adeliger von der
Mitgliedschaft des durch ihn gegründeten Vereins ausgeschlossen, wenn
nicht durch die 'Ehrenmitgliedschaft' vorgesorgt wäre. Denn Ehrenmitglieder
des Vereins sind solche, die sich nicht etwa durch besondere, näher
bezeichnete Verdienste um den Verein, das Land oder die Bauern hervorgetan
haben, sondern solche, welche 'in besonderer Anerkennung über Antrag des
Ausschusses' von der General-Versammlung als solche bezeichnet werden.
dieselben haben die gleichen Rechte wie die ordentlichen Mitglieder. 'Als
Ehrenmitglied kann jeder großjährige, eigenberechtigte, deutsche Mann,
der die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt, und zwar ohne der im
§ 5 der Statuten angeführten Beschränkung ... werden.' -
Nach § 5 der Statuten ist es Advokaten, Beamten, Geistlichen und
Adeligen, auch wenn sie auf dem Lande oder 'in Städten' Grundbestz haben,
verwehrt, einfach Mitglieder des Zwettler Bauernvereins in Tirol zu
werden...."
Zum weiteren Lesen bitte Textabbildung anklicken.
Der Kitzbühler Fremdenverkehrsverein will jüdischer
Touristen ausschließen (1905)
Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 8.
Dezember 1905: "Innsbruck. Wie man in Tirol den
Fremdenverkehr heben kann, hierfür hat der Kitzbühler
Fremdenverkehrsverein ein merkwürdiges Mittel ausfindig gemacht; - er
hat nämlich auf das Titelblatt seiner Reklamebroschüren, die er in alle
Welkt hinausschickt, folgenden Satz drucken lassen: Anfragen von Juden
bleiben unberücksichtigt."
Beschlüsse einer Versammlung von Antisemiten (1920)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 16. Januar
1920: "Der Antisemitismus in Tirol. In Tirol nimmt der
Antisemitismus gewisser Kreise außerordentlich zu. Auf einer Versammlung
von Antisemiten wurden folgende Beschlüsse gefasst: 1. Erklärung der
Judenschaft als Nation. Zu Juden werden diejenigen gerechnet, bei denen
auch nur ein Vorfahr in den letzten drei Geschlechtsfolgen Jude gewesen
ist. 2. Überprüfung aller seit August 1914 erteilten Heimatrechte. 3.
Verweigerung von Gewerbe- und Handelskonzessionen. 4. Unzulässigkeit des
Ankaufs von Grund und Boden, Pachtungen, Hypotheken usw. seitens der
Juden. 5. Verweigerung der Aufnahme der Juden in die neue Armee. 6.
Ausschaltung der Juden aus dem Zeitungsgewerbe. 7. Einschränkung
der Juden beim Schul- und Universitätsbesuch und Ausschaltung der Juden
als Lehrer. 8. Namensänderungen der Juden seit dem 1. August 1914
sind rückgängig zu machen und für alle Zukunft zu verbieten. 9.
Beamten-, Advokaten- und Ärztestellen dürfen Juden nur im Verhältnis
ihres Prozentsatzes zur allgemeinen Bevölkerung erhalten. (In ganz Tirol
gibt es etwa 1.200 Juden). 10. Ausschluss der Juden vom Richteramt,
Staatsanwaltschaft und öffentlicher Verwaltung.
Vertreter der jüdischen Gemeinden haben sich über die 'Judenhetze in
Zeitungen und durch Plakate' beim Landeshauptmann beschwert. Der
Landeshauptmann versicherte den Juden, dass ihnen nichts geschehen werde,
solange die italienische Besatzung in Innsbruck sei; dann könne er sich
allerdings nicht weiter für ihre Sicherheit verbürgen. Der Innsbrucker
Oberstaatsanwalt, an den die Herren die Bitte richteten, der Hetze kraft
seines Amtes entgegenzutreten, erwiderte, es hätte deshalb keine Zweck,
weil bei den Tiroler Gerichten, insbesondere den Schwurgerichten, die
Hetzer ja ohnedies freigesprochen würden. K.f.d.O."
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 5. Oktober
1934: Artikel ist noch auszuschreiben.
Prof. Dr. Moritz Löwit wird ordentlicher Professor an
der Universität Innsbruck (1890) Anmerkung: Moritz Löwit (geb. 27. Oktober 1851 in Prag, gest. 8. Oktober
1918) studierte an der Prager Universität (1876 Promotion), wo er zunächst als
Assistent der I. medizinischen Klinik tätig war, seit 1880 als Assistent und
Privatdozent am Institut für allgemeine und experimentelle Pathologie. 1887
wurde er außerordentlicher Professor für allgemeine und experimentelle
Pathologie in Innsbruck. Er publizierte zu zahlreichen Themen physiologischen
und pathologischen Inhaltes.
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 11. Juli 1890: "Der außerordentliche Professor Dr. Moriz
Loewit ist zum ordentlichen Professor der allgemeinen und experimentellen
Pathologie an der Universität in Innsbruck ernannt
worden."
Bei den Innsbrucker Gemeindewahlen regen sich die
Antisemiten und Klerikalen gegen Gemeinderat Wilhelm Dannhauser (1890) Anmerkung: Wilhelm Dannhauser ist am 19. März 1839 in Innsbruck geboren als
Sohn des Kaufmanns Ezechiel Dannhauser und seiner Frau Regina geb. Neuburger.
Sein Großvater war fünfzig Jahre zuvor nach Innsbruck aus Fellheim
gekommen, wohin die Vorfahren 1670 aus Hohenems ausgewandert waren. Dannhauser
gründete 1860 mit seinem Bruder Jakob ein bedeutendes Weißwarengeschäft in
Innsbruck und eine florierende Produktion von Herrenwäsche und Damenkonfektion
(bis zu 100 Arbeiterinnen). 1865 heiratete er Berta geb. Kleiner aus Scheinfeld
(geb. 1840 in Scheinfeld, gest. 1929 in
Innsbruck); die beiden hatten vier Kinder. Dannhauser gehörte zu den führenden
Mitgliedern der Innsbrucker Liedertafel und 1863 zu den Gründern des
Innsbrucker Turnvereins. 1872 wurde Dannhauser in den Innsbrucker Gemeinderat
gewählt. Schon damals regte sich starker Widerstand der Innsbrucker
Antisemiten, der sich in den folgenden Jahren weiter verstärkte. Mitte der
1890er-Jahre zog sich Dannhauser aufgrund der wachsenden antisemitischen
Attacken aus allen öffentlichen Ämtern zurück. Als Präsident der
Israelitischen Kultusgemeinde, Mitbegründer der Innsbrucker Chewra Kadischa
(Beerdigungsbruderschaft) konzentrierte er sich nun auf die Arbeit in der
jüdischen Gemeinde. Er starb am 14. August 1925.
Kinder: Regina (geb. 1866 in Innsbruck, gest. 18. Januar 1942 in
Innsbruck), Helene (geb. 1867 in Innsbruck, umgekommen 1943 im Ghetto
Theresienstadt; Emil (geb. 1869 in Innsbruck, gest. 1907 ebd.), Karl (Carl),
geb. 1872 in Innsbruck, gest. 1947 in Buffalo NY, USA.
Quelle: Hohenemser
Genealogie.
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 13. Juni 1890: "Die Innsbrucker Gemeindewahlen
spielten sich diesmal unter sehr lebhaften Kämpfen ab. Namentlich im
zweiten Wahlkörper hatten die vereinigten Antisemiten und Klerikalen ihre
Hauptanstrengung gegen die Wiederwahl des der jüdischen Konfession
angehörenden Gemeinderates Wilhelm Dannhauser gerichtet. Die
Anstrengungen sind jedoch vergeblich gewesen, denn die Liberalen haben im
zweiten Wahlkörper ebenso gesiegt, wie im
dritten."
Baurat Joachim Stern aus Innsbruck wurde zum Oberbaurat
ernannt (1894)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 26. Januar 1894: "Der Kaiser von Österreich hat den Kaufmann
L. H. Wiener in Kapstadt zum unbesoldeten Konsul daselbst mit dem
Rechte zum Bezuge der tarifmäßigen Konsulargebühren ernannt und dem Baurate
Joachim Stern aus Innsbruck anlässlich der von ihm erbetenen
Versetzung in den Ruhestand in Anerkennung seiner vieljährigen, treuen
und vorzüglichen Dienstleistung den Titel und Charakter eines
Oberbaurates verliehen."
Ein jüdischer Mann gibt sich erst auf dem Sterbebett
als Jude zu erkennen (1907)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 14. März
1907: "Innsbruck, 1. März (1907). Vor kurzem ereignete
sich in hiesiger Stadt ein Vorfall, der der weiteren Öffentlichkeit
übergeben zu werden verdient. Eines Tages kommt zum Obmann der Chewra
Kadischah, dem Fabrikanten Michael Brüll, eine Frau katholischen
Glaubens, mit dem Ersuchen, ihren Mann, der schwer krankt darniederliegt,
besuchen zu wollen, da der Kranke es dringend wünsche. Im ersten Momente
von dem sonderbaren Wunsche eines ihm flüchtig bekannten Katholiken
überrascht, bemerkte der Obmann, er wäre doch kein Arzt, um zu Kranken
geholt zu werden; als ihm jedoch die Frau sagte, dass auch sie es nicht
begreifen kann, warum der Kranke gerade den Herrn Brüll so dringend
wünsche, folgte ihr dieser zum Krankenlager ihres Mannes. Als die
Ankommenden das Zimmer des Kranken in Begleitung eines Sohnes, der sich
ihnen mittlerweile angeschlossen, betraten, winkte der Kranke den
Seinigen, das Zimmer zu verlassen. Als der Obmann allein geblieben war,
und sich dem Krankenbette näherte, umklammerte ihn der Sterbenskranke mit
seinen Armen, presste ihn an seine Brust mit einer übermenschlichen
Kraftanwendung und sagte mit gepresster Stimme: 'Herr Brüll. sagen Sie
mit mir Schema Jisroel, ich bin ein Jude!' Ein Tränenstrom und tiefes
Schluchzen hinderten ihn an weiterem Sprechen, und kaum das 'Schema Jisroel'
beendet war, gab er auch schon den Geist auf in Armen des Obmannes,
welcher, wie gewohnt, auch dem Verblichenen die letzten Liebesdienste
erwies. Als Herr Brüll zu den Hinterbliebenen ins Nebenzimmer trat und
ihnen sein Beileid ausdrückte, erregte es bei denselben große
Bestürzung, dass der Verblichene ohne Entgegennahme der Sterbesakramente
verschieden war und statt dessen dem Juden gebeichtet habe. Nachträglich
erst erfuhr man, dass der Verschiedene ein aus Böhmen eingewanderter
jüdischer Schauspieler war, der auf dem Sterbebette seinen unüberlegten
Schritt bereute".
Paul Wolter wurde zum Ober-Ingenieur und
Bau-Oberkommissar der Staatsbahnen ernannt (1911)
Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom
6. Januar 1911: "Innsbruck. Paul Wolter wurde zum
Ober-Ingenieur und Bau-Oberkommissar der Staatsbahnen ernannt".
Über einen "Justizmord in Innsbruck" - der aus Riga stammende jüdische Student Philipp
Halsmann wurde unschuldig wegen Vatermordes verurteilt (1929) Anmerkung: weitere Informationen siehe Wikipedia-Artikel http://de.wikipedia.org/wiki/Philippe_Halsman.
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und
Waldeck" vom
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und
Waldeck" vom 4. Januar 1929:
Im 19. Jahrhundert war zunächst ein Betsaal
vorhanden. 1905 konnte man ein Grundstück in der Sillgasse erwerben. Das
hier stehende Haus wurde abgebrochen. An seiner Stelle wurde eine Synagoge
erbaut.
Das "Frankfurter Israelitische Familienblatt" berichtete am 13.
Oktober 1905: "Innsbruck. Trotzdem die hiesige jüdische Gemeinde 160
Seelen zählt, hatte sie bisher noch keine Synagoge. Nunmehr hat sie für
110.000 Kronen ein Haus gekauft und wird auf dem Grundstück eine Synagoge
bauen."
1910 wurde eine Synagoge auf dem Grundstück Sillgasse 15 erbaut. Diese
Synagoge diente der Gemeinde als religiöses Zentrum bis zu den Verwüstungen in
der Pogromnacht im November 1938 und den schweren Beschädigungen des Gebäudes
durch einen Bombenangriff 1943. Auf dem Grundstück wurde nach Abbruch des
beschädigten Synagogengebäudes ein Parkplatz
angelegt, auf dem 1981 ein Gedenkstein erstellt wurde.
Die in Innsbruck wieder bestehende, kleine
jüdische Gemeinde, die sich seit 1961 mit provisorischen Unterbringungen in
angemieteten Räumen, zuletzt in der Zollerstraße 1, begnügen musste, konnte am
früheren Synagogenplatz in der Sillgasse 15 Anfang der 1990er-Jahre wieder eine
Synagoge erbauen. Sie wurde am 21. März 1993 eingeweiht. Der Bau wurde nach den
Plänen von Architekt Michael Prachensky und mit Unterstützung von Stadt, Land
und Bund erstellt. Die Festrede vor etwa 800 Gästen aus dem In- und Ausland
hielt der damalige Bischof Reinhold Stecher, der sich intensiv dafür eingesetzt
hatte, dass die jüdische Gemeinde ihren angestammten Platz in Innsbruck
zurückerhielt.
2003 konnte das zehnjährige, 2013 das zwanzigjährige und 2023 das
dreißigjährige Bestehen der neuen Synagoge gefeiert
werden (vgl. Presseartikel unten).
1. Juni 2003: "Zehn Jahre Synagoge: Akt der 'Seilsicherung'"
Zum zehnjährigen Bestehen ihrer Synagoge in
Innsbruck lud die jüdische Kultusgemeinde Tirol-Vorarlberg am vergangenen
Sonntag zu einer Feier (auf Foto von links: Oberrabbiner Paul Chaim Eisenberg,
Alt-Bischof Reinhold Stecher, Präsidentin Esther Fritsch, Bürgermeisterin
Hilde Zach. Ganz rechts Superintendentin Luise Müller).
Die Synagoge ist in das Wohnhaus Sillgasse 15
integriert. Sie wurde an derselben Stelle errichtet, an der vor der Zerstörung
im 2. Weltkrieg bereits das jüdische Gebetshaus stand. In Tirol zählt die jüdische Gemeinde derzeit 70 Mitglieder. Das Interesse an
der Synagoge ist groß. Seit ihrer Eröffnung am 21. März 1993 wurden mehr als
250 Führungen vorrangig für Schulklassen angeboten.
Zur Zehn-Jahresfeier waren neben den Mitgliedern der Kultusgemeinde selbst auch
VertreterInnen aus Politik, Gesellschaft und Kirchen in Tirol geladen. Aus Wien
waren Oberrabbiner Paul Chaim Eisenberg und Ariel Musicant, Präsident der
Wiener Israelitischen Kultusgemeinde, angereist.
Festredner Alt-Bischof Reinhold Stecher bezeichnete die Feier als
"Seilsicherung". Wie eine schwierige Bergtour an ausgesetzten Stellen
vieler Absicherungen bedürfe, so solle das gute Verhältnis zur jüdischen
Gemeinden in kurzen Zeitabständen gefeiert werden. Stecher warnte vor dem
"Filz jahrhundertealter Vorurteile" und rief zum gegenseitigen Respekt
aus. Er hoffe, dass sich jüdische MitbürgerInnnen in Tirol zu Hause fühlen
können. Besonders erfreut zeigte sich Stecher über die räumliche und geistige
Nähe der Synagoge zur Katholisch-theologischen Fakultät.
Esther Frisch, Die Präsidentin der jüdischen Kultusgemeinde für Tirol und
Vorarlberg, erinnerte daran, dass jüdische BürgerInnen, die nach dem 2.
Weltkrieg nach Tirol zurückkehrten, bis in die 1980er Jahre ein Leben abseits
der Tiroler Bevölkerung geführt haben. Die Errichtung der Synagoge, die
mittlerweile zum Stadtbild Innsbrucks gehöre, sei dem positiven Wandel des
gesellschaftlichen Klimas zu verdanken. Zur Besserung des Klimas habe Bischof
Stecher durch seine Dialogbereitschaft und sein Verbot des
Anderl-von-Rinn-Kultes, der einer antisemitischen Ritualmordlegende entsprang,
wesentlich beigetragen.
Kopie des Originalartikels in "Kirche. Sonntagszeitung für
die Diözese Innsbruck" vom 1. Juni 2003: hier
anklicken
Februar 2009:
Anschläge auf die Synagoge
Artikel von Peter Nindler in tt.com vom 4.
Februar 2009:
"Fritsch besorgt: Synagoge wird zur Zielscheibe. Vandalen richteten erhebliche Schäden in der Innsbrucker Synagoge an. Die Präsidentin der Kultusgemeinde forderte Polizeischutz an. Innsbruck - Angefangen hat es nach der Demonstration gegen den Gaza-Krieg am 10.
Januar in Innsbruck. 'Gegen die Eingangstüre wurde heftig getreten und eine Bierflasche auf sie
geworfen', schildert Esther Frisch. Die Synagoge wurde in den vergangenen Wochen
zur Zielscheibe von mehreren Vandalenakten. Am Montag wird dann die Überwachungskamera beschädigt, ein Schloss verklebt und der Eingangsbereich bespritzt. Fritsch forderte daraufhin die ständige Präsenz eines Polizisten vor der Synagoge. Gegensprechanlage zerstört. Die Vandalenakte setzten sich gestern allerdings weiter fort. Am helllichten Tag wurde die Gegensprechanlage zerstört.
'Das kann es wohl nicht sein", empörte sich Fritsch. Mit Polizeipatrouillen allein sei es nicht mehr getan,
'wenn schon untertags die Vandalen nicht mehr vor Zerstörung zurückschrecken". Ständige Bewachung. Der Leiter des Verfassungsschutzes Ludwig Spörr erklärte gestern,
'dass wir aufgrund der sensiblen Situation die Synagoge stets verstärkt überwachen". Der Täter von Anfang Jänner wurde ausgeforscht.
Spörr: 'Er bedauert seinen Vandalenakt.' Es handle sich um einen Österreicher mit türkischem Migrationshintergrund.
Der Vorfall vom Dienstag hat jetzt aber doch Konsequenzen. 'Ich habe gerade mit dem Innenministerium gesprochen, die Sicherheitsmaßnahmen für die Innsbrucker Synagoge werden ausgeweitet", versichert Spörr. Ab heute wird ein Polizist den Eingangsbereich der Synagoge während der Öffnungszeiten überwachen."
März 2013: 20
Jahre neue Synagoge in Innsbruck
Artikel in der Zeitschrift "Der
Standard" vom 21. März 2013 (ver, Link
zum Artikel): "Jubiläum für Innsbrucker Synagoge Rückkehr der Israelitischen Kulturgemeinde nach Verfolgung durch die Nationalsozialisten
Innsbruck - Mit der Einweihung der Synagoge im neu errichteten Gebäude in der Sillgasse 15 kehrte die Israelitische Kultusgemeinde (IKG) Innsbruck vor 20 Jahren, am 21. März 1993, an ihren ehemaligen Standort zurück.
Von 1910 bis 1938 war sie im Stöcklgebäude an derselben Adresse untergebracht. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten wurde die Kultusgemeinde als Organisation zerschlagen, zertrümmert wurde in der Pogromnacht auch das Inventar der Synagoge. Das Haus in der Straße der Sudetendeutschen 15 - so hieß die Sillgasse unter den Nazis - wurde bei einem Bombenangriff 1943 schwer beschädigt und 1965 abgebrochen. 1981 wurde ein Gedenkstein enthüllt. An seiner Stelle befand sich ein Parkplatz. Auf Anregung des damaligen israelischen Botschafters in Österreich, Yissakhar Ben-Yaakov, wurde dort 1981 ein Gedenkstein enthüllt, der an die Synagoge erinnerte. 1990 wurde von der Stadt in der Sillgasse eine Wohnanlage errichtet, die Synagoge wurde mitintegriert.
Der Architekt Michael Prachensky richtete sie damit an ihrem ursprünglichen Ort wieder ein. Die Torarollen stammen aus Prag, der silberne Chanukkaleuchter in der Synagoge ist ein Geschenk des kürzlich verstorbenen Bischofs Reinhold Stecher."
Januar 2020:Freiburg (Baden) benennt Straße
nach jüdischem Widerstandskämpfer, der Innsbruck vor der Zerstörung rettete
Artikel von Joachim Röderer in der
"Badischen Zeitung" vom 27. Januar 2020: "Ehrung. Freiburg benennt Straße
nach dem jüdischem Widerstandskämpfer Fred Mayer
Freiburg. Er war der Mann, der Innsbruck 1945 vor der Zerstörung
rettete: Nach dem jüdischen Widerstandskämpfer Fred Mayer soll jetzt eine
Straße in seiner Geburtsstadt Freiburg benannt werden.
Überfällige Ehrung: Oberbürgermeister Martin Horn hat am Sonntag beim grünen
Neujahrsempfang angekündigt, dass nach dem jüdischen Widerstandskämpfer Fred
Mayer in Freiburg eine Straße oder ein Platz benannt werden soll. Horn
machte seine Ankündigung in Gegenwart von Georg Willi, dem Bürgermeister der
Partnerstadt Innsbruck. Aus gutem Grund: Der gebürtige Freiburger Fred Mayer
gilt als der Retter von Innsbruck, weil er Anfang Mai 1945 als
Kriegsgefangener die Zerstörung der Stadt verhinderte. Mayer hatte den
Tiroler Gauleiter Hofer zur Kapitulation überreden können, indem dieser
Innsbruck zur offenen und unverteidigten Stadt erklärte. Während des Krieges
stand Mayer in Diensten des US-amerikanischen Geheimdienstes OSS und wurde
bei der Operation Greenup eingesetzt. Er war knapp zwei Wochen vor seiner
Heldentat aufgeflogen, wurde verhaftet und von der Gestapo gefoltert. Die
Operation Greenup war Vorlage für den 2012 entstandenen Hollywoodfilm 'Inglorious
Basterds'. Mehr Infos: Im Dokumentarfilm 'Inglorious Basterds – die wahre
Geschichte' von ZDF-History, der im Internet verfügbar ist, berichten Fred
Mayer und seine damaligen Mitstreiter über den lebensgefährlichen
Spionageeinsatz kurz vor Kriegsende in Tirol.
Fred Mayer kam 1921 in Freiburg zur
Welt und ist in einer jüdischen Familie aufgewachsen. Die Eltern betrieben
eine Eisenwarenhandlung in der Herrenstraße, der Sohn war Schüler des
Rotteck-Gymnasiums. Die Familie flüchtete 1938 vor den Nazis in die
Vereinigten Staaten – sozusagen in letzter Minute. Mayer blieb auch nach dem
Weltkrieg in den USA, arbeitete für den US-Auslandssender 'Voice of
America'. Im April 2016 starb er im Alter von 94 Jahren in Charleston,
West-Virginia. Welche Straße oder welcher Platz für Fred Mayer ausgewählt
wird, ist noch nicht entschieden. Ein konkreter Suchlauf laufe aber bereits,
sagte OB-Sprecherin Petra Zinthäfner am Montag auf Nachfrage. Das gilt auch
für die Straße, die nach der israelischen Partnerstadt Tel Aviv benannt
werden soll."
Link zum Artikel
August 2020:
Verlegung von "Stolpersteinen" in
Innsbruck und Tirol angeregt
Artikel
von Michael Domanig in der "Tiroler Tageszeitung" vom 8. August
2020:
"'Stolpersteine für Tirol': Initiative will NS-Opfer in ganz Tirol
sichtbar machen
Die neue Bewegung 'Stolpersteine für Tirol' möchte das internationale
Gedenkprojekt im Land forcieren. Doch Innsbruck geht einen anderen Weg.
Innsbruck, Wattens – Rund 75.000 in den Boden verlegte 'Stolpersteine'
in über 25 Ländern erinnern an Menschen, die von den Nationalsozialisten
ermordet, verfolgt oder vertrieben wurden – meist an ihren letzten
freiwilligen Wohnorten oder Arbeitsstätten. Beim Projekt des deutschen
Künstlers Gunter Demnig handelt es sich um das größte dezentrale Mahnmal
weltweit. In Tirol kam das Projekt erst spät an: 2019 wurde auf Initiative
von Gemeinderätin Annelies Brugger in Zell am Ziller der erste Stolperstein
im Land verlegt, seit Mitte Juli rufen in Wattens sieben der kleinen
Gedenktafeln lokale NS-Opfer in Erinnerung.
Geht es nach Harald Büchele, soll das erst der Anfang sein: Gemeinsam mit
engagierten Mitstreitern wie Arnulf Benzer will der Innsbrucker Mediziner in
Ruhestand dafür kämpfen, dass möglichst viele andere Gemeinden dem Beispiel
von Zell und Wattens folgen – und hat dafür die Initiative 'Stolpersteine
für Tirol' ins Leben gerufen. Er verstehe die Gedenktafeln als
'wirklichkeitsnahe Erinnerung an das, was passiert ist' – und zugleich als
Warnung an die Bürger von heute, 'so etwas nie wieder zuzulassen'. Besonders
wichtig wäre Büchele, dass auch die Landeshauptstadt Innsbruck mit
Stolpersteinen ein Zeichen setzt. Das Thema berühre ihn u. a. auch
persönlich, weil er am Haydnplatz 8 in Innsbruck wohne: Dort lebte einst der
jüdische Innsbrucker Alfred Graubart, der beim Novemberpogrom 1938 von
SA-Männern brutal niedergeschlagen wurde – sein Bruder Richard wurde
ermordet. Dass sich die Stadt gegen Stolpersteine ausspricht – während es
etwa in Salzburg schon über 440 Steine gibt –, ist für Büchele völlig
unverständlich. Er sehe keinen Widerspruch zwischen Stolpersteinen und
anderen, zusätzlichen Erinnerungsformen, im Gegenteil. Gemeinsam mit anderen
Pensionisten sei er auch gerne bereit, die Steine zu reinigen. Vize-BM Uschi
Schwarzl (Grüne) erklärt, dass man nach einem Antrag der SPÖ Fachmeinungen
zu den Stolpersteinen bei Zeithistorikern und der Israelitischen
Kultusgemeinde eingeholt habe. Man sei zum Schluss gekommen, dass
Stolpersteine 'nicht mehr das sind, was wir als zeitgemäß ansehen'. Statt
dieser 'statischen Form' des Gedenkens wähle man in Innsbruck lieber einen
Ansatz, bei dem 'immer wieder andere und kreative Formen' gefunden und die
Erinnerung so 'stets aufs Neue wachgehalten' werde. Schwarzl verweist auf
die neue Reihe 'gedenkpotenziale', bei der innovative Projekte gesucht
werden. Der Fördertopf ist mit 20.000 Euro dotiert (Details:
www.gedenkpotenziale.at). Eine
'Vielfalt an Wegen' sei doch gut, schließt Schwarzl. Günter Lieder,
Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde für Tirol und Vorarlberg, betont
auf TT-Anfrage jedoch, dass er es 'wunderbar' und 'an der Zeit' fände, auch
in Innsbruck Steine zu verlegen – wobei ihm der Name 'Erinnerungssteine'
besser gefalle. Ehrenpräsidentin Esther Fritsch habe Bedenken bezüglich der
Symbolik geäußert, 'weil die Leute hinauftreten', doch diese Sorge teile er
nicht. Er habe beobachtet, dass die Menschen respektvoll damit umgingen und
die Steine überall gepflegt würden. Von Innsbruck-Besuchern werde er immer
wieder gefragt, 'warum es so etwas hier nicht gibt', ergänzt Lieder. Auch er
plädiert klar für ein 'Sowohl-als-auch' verschiedener Erinnerungsformen." Link zum Artikel
Anfang August 2002: Synagoge in Innsbruck wurde mit antisemitischen Parolen
beschmiert: hier
anklicken
Interview mit Landeshauptmann DDR. Herwig von Staa im Juli
2003 zur Geschichte und Situation der Juden in Tirol (in der
Kulturzeitschrift "David"): hier
anklicken
Christoph W. Bauer:
Graubart Boulevard. Roman. 2008.
Zum Inhalt: November 1938: Der jüdische Kaufmann Richard Graubart wird in seinem Haus von einem Rollkommando der SS ermordet. Seine Familie wird nach Wien ausgewiesen, von dort wird ihr – wie Graubarts Bruder Siegfried, einem führenden Mitglied der zionistischen Bewegung – die Flucht ins Exil gelingen.
Auf der anderen Seite: Ein Innsbrucker Hoteliersohn und Schilehrer, als SS-Hauptsturmführer einer der Täter. Nach dem Zusammenbruch des Dritten Reichs vor Gericht gestellt, flieht er ins Ausland. 1959 kehrt er nach Österreich zurück und wird nach nur zweijähriger Haft als freier Mann entlassen.
Schnörkellos und leidenschaftlich begibt sich Christoph W. Bauer anhand von Originaldokumenten, Briefen und Archivmaterialien auf eine literarische Spurensuche durch die Lebens- und Leidenswege der Familie Graubart und erzählt damit zugleich zwei exemplarische Geschichten aus der jüngeren Vergangenheit Österreichs: Die Geschichte der Täter und die der Opfer, die durch den Nazi-Terror alles verloren haben: ihre Heimat, ihr Eigentum, ihre Familien – und ihr Leben.
ISBN: 978-3-85218-572-9. Umfang: 297 Seiten. Preis: EUR 19.90. SFR 35.90.
Erschienen 2008 im HaymonVerlag
Horst Schreiber
(Hg.):
Von Bauer & Schwarz zum Kaufhaus Tyrol. In der Geschichte der jüdischen Familien Bauer und Schwarz spiegelt sich die Migrations-, Wirtschafts-, Sozial- und Konsumgeschichte der Stadt Innsbruck wider, nicht zuletzt auch die Zeit des Nationalsozialismus und seine Auswirkungen auf die Lebensgeschichte der jüdischen BürgerInnen.
Weitere
Informationen.
Innsbruck-Wien-Bozen 2010 (Studien zu Politik und Geschichte 12; Veröffentlichungen des Innsbrucker Stadtarchivs 42), 304 Seiten. Euro 24,95
Thomas
Albrich (Hrsg.): Jüdisches Leben im historischen Tirol. Von den Anfängen bis zu den Kultusgemeinden in Hohenems, Innsbruck und
Meran.
ISBN 978-3-85218-692-4
1360 Seiten, 205 x 250 mm. 3 Bände im Schuber, mit zahlreichen Farbabbildungen.
2012.
€ 69,90. Erschienen im Haymon-Verlag in Innsbruck. Informationen
auf Verlagsseite. Die ersten jüdischen Spuren in Tirol reichen zurück bis in die Zeit um 1300, als mit Isak von Lienz der damals wichtigste Geldgeber des Ostalpenraums in Urkunden aufscheint. In drei reich bebilderten Bänden wird die Geschichte der Juden in Nord-, Ost- und Südtirol sowie im Trentino und in Vorarlberg nun erstmals vom Mittelalter bis in die Gegenwart herauf dargestellt.
Basierend auf völlig neuen Forschungserkenntnissen bieten die drei Bände im Schuber sowohl einen informativen Gesamtüberblick als auch spannende Einblicke in Einzelschicksale. Mit Beiträgen von Thomas Albrich, Klaus Brandstätter, Heinz Noflatscher, Martin Achrainer und Sabine
Albrich-Falch.
ders.: Wir lebten wie sie. Jüdische Lebensgeschichten aus
Tirol und Vorarlberg. ISBN 978-3-7099-7231-1. 1999, 2000². 384 S. mit zahlr. Abb. 20 Einzel- und Familienschicksale zeigen, wie wenig sich Alltagsleben und Einstellungen der kleinen jüdischen Bevölkerungsgruppe im Westen Österreichs - rund 700 Menschen im Jahr 1938 - von denen der anderen Tiroler und Vorarlberger unterschieden. Andererseits werden die großen Unterschiede deutlich, die es z. B. zwischen der alteingesessenen jüdischen Gemeinde in Hohenems und der jungen Zuwanderergemeinde in Tirol gab.
Die AutorInnen des Instituts für Zeitgeschichte der Universität Innsbruck bringen einen Querschnitt durch jüdisches Leben in Tirol und Vorarlberg vor 1938 und die heterogene Zusammensetzung der Minderheit. Der Bogen spannt sich vom Fremdenverkehrspionier zum kriegsversehrten Trödler, vom konvertierten Industriellen bis zum letzten Rabbiner in Hohenems, vom orthodoxen ostjüdischen Zuwanderer bis zum hochrangigen NS-Funktionär jüdischer
Herkunft.
Verschiedene Beiträge in "DAVID"
Jüdische Kulturzeitschrift. Ausgabe Pessach 5775 27. Jahrgang Nr. 104
April 2015:
Benjamin Wendl: Die 1930 für Innsbruck geplante Synagoge S. 2. Ders.:
Virtuelle (Re-)Konstruktion der 1930 für Innsbruck geplanten Synagoge S.
4-5. Reinhard Rinderer: Die Synagoge Innsbruck - Erweiterung
Gemeindezentrum S. 6-9. http://www.davidkultur.at
Heft 104 online: http://www.davidkultur.at/ausgabe.php?ausg=104
Thomas Albrich (Hg.): Die Täter des Judenpogroms 1938 in Innsbruck.
Haymon Verlag 2016. Ca. 400 S. mit zahlr. Abb. www.haymonverlag.at Das Buch "Die Täter des Judenpogroms 1938 in Innsbruck" ist Ergebnis eines
Forschungsseminars von Thomas Albrich und 25 Studierenden an der Universität Innsbruck und
wurde am 10. November im Tiroler Landesarchiv vorgestellt. Erstmals werden alle
bekannten Täter und Tatverdächtigen, knapp 70 Männer, der Öffentlichkeit präsentiert.
Das Attentat eines jungen polnischen Juden in der Deutschen Botschaft in Paris nutzten die Nationalsozialisten als willkommenen Anlass, um gegen alle Juden im Deutschen Reich gesetzlich vorzugehen. Die Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 ging als eine der gewaltvollsten in die Geschichte ein. Die Nationalsozialisten demonstrierten ihre Macht auf erschreckende Weise: Synagogen wurden in Brand gesteckt, jüdische Geschäfte demoliert und ausgeraubt, tausende Juden wurden in Konzentrationslager verschleppt. Die
gewaltvollen Übergriffe fanden im gesamten Deutschen Reich, in großen und kleinen Städten, statt - auch Innsbruck war davon nicht ausgenommen. Thomas Albrich und eine Gruppe Studierender stellen erstmals die Ereignisse dieser Nacht in Innsbruck sehr eindringlich und detailreich dar. Der Schwerpunkt dieses Sammelbandes liegt vor allem auf den Tätern und allen Beteiligten der "Kristallnacht" aus Tirol. Der Herausgeber gibt einen umfassenden Überblick und detaillierte Hintergrundinformationen.
Innsbruck Tyrol. Jews
maintained a continuous presence in Innsbruck from the 13th century. They were
engaged in moneylending and trade. During the Black Death persecutions
(1348-49), the community suffered but was not destroyed. Under the tolerant
reign of Duke Ferdinand II of Tyrol (1618-23) Jews served as flute players and
dance masters at his court. In 1714, the city council expelled the Jews. In 1785
there was a small community in Innsbruck. During the Tyrol revolt against
Bavarian-French rule led by Andreas Hofer in 1809, Jews in Innsbruck were
attacked. The community apparently maintained a Reform synagigue from the 1870s.
In 1914 it was recognized as a religious corporation (Kultusgemeinde). In
1930, Elimelekh Rimalt was elected as a Zionist representative on the community
council. He served as rabbi of Innsbruck until 1938. He subsequently became
active politically in Israel, where he served as a government minister from
1969. By 1869, the Jewish population stood at 27, rising to 200 in 1920 and to
317 in 1934 (total 79,250). Jews engaged in trade; there were also some
university professors and doctors. Following the Nazi rise to power in Germany
in 1933, Jewish shops in Innsbruck were boycotted and many Jews emigrated. Two
months after the Anschluss (13 March 1938), only 80 Jews were still
living in Innsbruck. In fall 1938, all community facilities were closed. On Kristallnacht
(9-10 November 1938), Jewish property was severely damaged, the synagogue was
desecrated, and 18 Jews were beaten and arrested. Three were murdered. By the
end of 1939, all remaining Jews left for Palestine. A small community was
reestablished in 1961.