Baisingen Friedhof 154.jpg (62551 Byte)  Segnende Hände der Kohanim auf einem Grabstein in Baisingen


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Melsungen (Schwalm-Eder-Kreis)
Jüdische Geschichte / Synagoge

Übersicht:

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bulletBerichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde   
Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer  
Aus dem jüdischen Gemeinde- und Vereinsleben   
Berichte zu einzelnen Personen aus der Gemeinde 
Anzeigen jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen    
bulletZur Geschichte der Synagoge   
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bulletLinks und Literatur  

    
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english version)     
    
In Melsungen bestand eine jüdische Gemeinde bis 1938/42. Erstmals werden Juden 1532 in der Stadt genannt. Im 17./18. Jahrhundert lebten jeweils einige jüdische Familien in Melsungen. 1664 waren es zwei Familien (1680 zehn, 1730 22 jüdische Einwohner), 1744 drei Familien. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts nahm die Zahl weiter zu (1776 sieben Familien), sodass eine jüdische Gemeinde gegründet werden konnte. Im 18. Jahrhundert fanden in Melsungen mehrere "Judenlandtage" statt. Auf dem Judenlandtag 1779 in Melsungen wurde Moses Joseph Michel Kugelmann aus Meimbressen zum Landrabbiner ernannt.

Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner wie folgt: 1827 82 jüdische Einwohner (2,5 % von insgesamt 3.324), 1835 98 (2,6 % von 3.708), 1858 121, 1861 133 (3,8 % von 3.540), 1880 188 (5,1 % von 3.619), 1895 105 (2,8 % von 3.742), 1905 116 (2,9 % von 3.940). Im Revolutionsjahr 1848 kam es zu Ausschreitungen gegen die jüdischen Familien, worauf einige nach Kassel flüchteten (siehe Artikel unten).  
   
Zur Gemeinde in Melsungen gehörten nach Auflösung der dortigen Gemeinde 1895 auch die in Röhrenfurt lebenden jüdischen Personen (1861 77, 1905 22, 1924 12, 1932 12).   

An Einrichtungen bestanden eine Synagoge (s.u.), eine jüdische Schule (Religionsschule, von 1854 - 1924 Elementarschule; im selben Gebäude wie die Synagoge), ein rituelles Bad und seit 1860 ein Friedhof. Zuvor waren die Toten der Gemeinde in Binsförth beigesetzt worden. Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war ein Lehrer angestellt, der zugleich als Vorbeter/Schochet tätig war. Unter den jüdischen Lehrern sind bekannt: bis 1869 Aron Müller (in diesem Jahr verstorben; zu seinem 50-jährigen Dienstjubiläum siehe Bericht unten), danach bis zu seiner Pensionierung 1908 Baruch Block (zu seinem 50-jährigen Dienstjubiläum siehe Artikel unten). Blocks Nachfolger war Philipp Dillhof, der 1924 in den Ruhestand trat. Seit 1924 bestand nur noch eine Religionsschule; in diesem Jahr wurde als Lehrer und Vorbeter Dagobert Löwenstein, bisher in Jesberg, gewählt (siehe Artikel unten). Lehrer Löwenstein wechselte 1930 in einen kaufmännischen Beruf. Seit 1. Juli 1930 wurde an seiner Stelle P. Löw aus Gemen (Westfalen) Religionslehrer, Vorbeter und Schochet. Er blieb vermutlich nicht lange, da zur Purimfeier 1931 Lehrer Willy Katz genannt wird, der von Kassel aus in Melsungen als Kultusbeamter und Religionslehrer tätig war. 
    
Die Gemeinde gehörte zum Rabbinatsbezirk Niederhessen / Kassel, der nach den damaligen Kreisen aufgeteilt war, in denen jeweils ein jüdischer Kreisvorsteher gewählt war. Ein langjähriger Kreisvorsteher war in der Mitte des 19. Jahrhunderts Leiser Kaufmann (siehe Artikel unten).

Im Ersten Weltkrieg fielen aus der jüdischen Gemeinde Sußmann Siegmund Levy (geb. 12.1.1880 in Röhrenfurth, gef. 18.7.1918) und Joseph Stern (geb. 22.6.1879 in Melsungen, gef. 28.9.1915). Außerdem sind gefallen: Louis Levi (geb. 20.4.1879 in Melsungen, vor 1914 in Dortmund wohnhaft, gef. 16.4.1918), Leutnant Julius Leeser (geb. 18.6.1875 in Melsungen, vor 1914 in Hannover wohnhaft gef. 5.8.1915).   

Um 1924, als 89 jüdische Einwohner gezählt wurden (2,0 % von 4.481), waren die Vorsteher der Gemeinde Julius Levy, Moses Levy und Moritz Meyer. Als Lehrer und Kantor war noch der inzwischen im Ruhestand befindliche Philipp Dillhof tätig (siehe Artikel unten). Er unterrichtete an inzwischen zur Religionsschule umgewandelten Schule der jüdischen Gemeinde 15 Kinder. An jüdischen Vereinen bestanden der Israelitische Männerverein (Männer-Chewro, gegründet 1858, Wohltätigkeits- und Bestattungsverein, 1932 waren die Vorsitzenden Meier Abt und Abraham Speier, 1932 16 Mitglieder), der Israelitische Frauenverein (Wohltätigkeits- und Bestattungsverein, 1924 unter Leitung von Fanny Abt, Henriette Levy, Becky Levy, 1932 unter Leitung von Fanny Abt und Paula Speier, 1932 26 Mitglieder), der Synagogenchor, ein Nähverein. 1932 waren die Gemeindevorsteher Julius Levy (1. Vors.) und M. Katz (2. Vors.); als Schatzmeister war Albert Abt tätig. Inzwischen (bereits seit 1924, siehe Artikel unten) war Lehrer an der Religionsschule Dagobert Löwenstein; er unterrichtete im Schuljahr 1931/32 noch sieben Kinder (Lehrer Löwenstein ist in der NS-Zeit nach England emigriert).  
An jüdischen Gewerbebetrieben hatten u.a. die Familien Katz und Levy Textilgeschäfte, Nathan Stern einen Schuhladen, Sally Abt einen Altwarenhandel, Familie Kaufmann einen Versandhandel mit Tuchen u.a.m.  
   
1933 lebten noch 76 jüdische Personen in der Stadt.
In den folgenden Jahren ist ein Teil der jüdischen Gemeindeglieder auf Grund der zunehmenden Entrechtung und der Repressalien weggezogen beziehungsweise ausgewandert. In die USA konnten neun Personen emigrieren, nach Südafrika, Belgien, England und Palästina jeweils drei, nach Holland zwei. Beim Novemberpogrom 1938 wurden durch Nationalsozialisten die Synagoge sowie jüdische Wohnungen und Geschäfte überfallen und demoliert. Mehrere jüdische Einwohner wurden verprügelt. Der Ziegenhändler Goldschmidt, wohl der ärmste Jude der Stadt, lag die halbe Nacht mit gebrochenem Bein um Hilfe rufend in der Oberen Mauergasse, bis der Gastwirt Müllermeister sich um ihn kümmerte. In das KZ Buchenwald wurden verschleppt: der Kaufmann Hugo Rothschild (Brückenstraße), der Buchbinder Emil Goldschmidt (Markt), der Metzger Arthur Katz (Fritzlarer Straße 107) und Leopold Abt (Poststraße). Emil Goldschmidt starb im KZ Buchenwald am 20. November 1938. 1939 wurden noch 26 jüdische Einwohner gezählt (0,5 % von 4.909 Einwohnern). Die letzten der jüdischen Einwohner wurden 1942 deportiert.   
A
nmerkung: im Anhang der Liste des Bürgermeisteramtes Guxhagen von 1962 über die "Juden, die am 31.1.1933 und später in Guxhagen (und Umgebung) wohnhaft waren" (pdf-Datei der an den International Tracing Service mitgeteilten Liste) werden auch die jüdischen Personen aus Melsungen genannt.  
        
Von den in Melsungen geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Benjamin Abt (1877), Bessy Abt (1898), Emma Abt geb. Nagel (1877), Fanny Abt geb. Spangenthal (1880), Henriette Abt geb. Nussbaum (1863), Leopold Abt (1894), Sally Abt (1864), Siegfried Abt (1870), Bertha Bloch geb. Goldschmidt (1886), Helene Block (1864), Paula Cohn geb. Goldberg (1896), Agnes Dalberg geb. Kaufmann (1873), Toni Goldschmidt (1889), Paula Helene Ehrlich geb. Kaufmann (1868), Emil Goldschmidt (1879), Siegmund Goldschmidt (1890), Bertha Hammerschlag geb. Levy (1877), Gerda Höflich (1932), Gidel J. Josephs (1894), Moritz Kahn (), Röschen Kahn geb. Kaufmann (1856), Moritz Kanter (1901), Leopold Katz (1882), Leo Kaufmann (1877), Clara Lewisohn (1870), Ernst Levy (1912), Hermann Levy (1872), Johanna Levy geb. Levy (1885), Leopold Levy (1877), Paula Levy geb. Mosheim (1885), Selma Levy (1881), Meinhard Meyer (1880), Rosalie Mayer geb. Siegel (1876), Flora Meyerfeld geb. Levy (1882), Bertha Rothschild geb. Levy (1905), Hugo Rothschild (1888), Clara Saevici geb. Meyer (1909), Abraham Speier (1868), Flora Speier geb. Abt (1873), Johanna Speier geb. Flörsheim (1862), Leo Speier (1905), Settchen Speier geb. Katz (1870), Franziska Stern geb. Rosenbusch (1886), Henny Stern geb. Abt (1907), Adelheid Wallach geb. Apt (1857), Lina Weisslitz geb. Goldschmidt (1871), Franziska Wolff geb. Kaufmann (1879).  
   
Zur Erinnerung an viele der genannten, aus Melsungen in der NS-Zeit nach der Deportation umgekommene / ermordete jüdische Personen erinnern seit 2008 sogenannte "Stolpersteine" in der Stadt (siehe Presseberichte zu den Verlegungen unten und Website www.stolpersteine-melsungen.de).      
    
    
    
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde    
    
Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer    

50-jähriges Dienstjubiläum von Lehrer Aron Müller (1867)
  

Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 19. November 1867:  Melsungen, Provinz Hessen, 29. Oktober (1867). Ein seltenes Fest wurde heute hier begangen. Die israelitische Gemeinde feierte das 50-jährige Dienstjubiläum ihres Lehrers Müller, der während dieser langen Zeit hier tätig war. Es hatte sich zu diesem Zwecke schon vor längerer Zeit ein Komitee gebildet, welches die nötigen Einleitungen hierzu traf, und diesem ist es zunächst zu danken, dass eine so schöne und umfangreiche Feier begangen wurde. Das Fest begann mit einer Synagogalfeier, der sämtliche Behörden und Geistlichen hiesiger Stadt beiwohnten. Die Festrede bei derselben hielt Herr Handrabbiner Dr. Adler aus Kassel und machte dieselbe bei allen Anwesenden einen erhebenden Eindruck. Mit großer Geschicklichkeit wurde von ihm über Schule und Volksbildung gesprochen, ganz besonders auf das Schulwesen und den Bildungsgrad der Israeliten in früherer und jetziger Zeit hingewiesen. Wie die Stellung der Juden durch ihre Schulbildung bedingt wurde und wie durch die Vernachlässigung der Schulen in früherer Zeit, ein so nachteiliger Einfluss auf das Ansehen der Juden ausgeübt wurde. Der kirchlichen Feier folgte ein Festmahl, woran sich außer den her wohnenden Israeliten viele Lehrer und Beamte hiesiger Stadt sowie israelitische Lehrer aus der Umgegend beteiligten. Verschiedene Toaste würzten das Mahl. Der eine galt des Königs und der Königin Majestäten. Eine freudige Stimmung bemächtigte sich aller Festteilnehmer und war heirbei eine selten gesehene Harmonie zwischen Juden und Christen wahrnehmbar. Man tauschte gegenseitig die Gedanken aus und kam zur Ansicht, dass das Fest einen guten Eindruck auf die allgemeine Volksstimmung haben würde. Der Abend vereinigte die Frauen und Jungfrauen zu einem Tanzvergnügen, dem einige wohl gelungene theatralische Vorstellungen vorangingen, und so schloss dieses Fest spät nach der Geisterstunde zur Befriedigung aller Festteilnehmer, denen es noch nach späten Jahren eine angenehme Rückerinnerung bleiben wird. Dem Jubilar, der sich trotz seiner 72 Jahre einer körperlichen und geistigen Rüstigkeit zu erfreuen hat, wurde seitens der Gemeinde eine Dotation von ca. fünf Hundert Talern, welches in Anbetracht der kleinen Gemeinde, die aus nur 25 Mitgliedern besteht, als eine ehrende Anerkennung des Lehrers sowie der Gemeinde selbst öffentlich hervorgehoben zu werden verdient."   

    
50-jähriges Dienstjubiläum von Lehrer Baruch Block (1908)  

Melsungen Israelit 09041908.jpg (36045 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 9. April 1908: "Melsungen, 1. April (1908). Herr Lehrer Block dahier feiert am 3. April sein goldenes Dienstjubiläum; am hiesigen Platze wirkt er bereits über 40 Jahre. Die israelitische Gemeinde hatte geplant, den Tag festlich zu begehen, Herr Block hat sich jedoch jede Feier verbeten. Der Jubilar erfreut sich in unserer Stadt allseitiger Wertschätzung."

   
Verschwinden des Lehrers Baruch Bloch (1912)  

Melsungen FrfIsrFambl 15031912.jpg (38166 Byte)Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 15. März 1912: "Melsungen. Der fast 80jährige emeritierte Lehrer B. Block, der hochgradig nervös war, verschwand am 3. dieses Monats nachts. Erst am Morgen wurde sein Fehlen bemerkt. Beim Nachforschen fand man seinen Rock und Hut an dem Fuldaufer. Trotz allen Suchens hat man seinen Leichnam nicht gefunden. Die hiesige Männer-Chewroh hat demjenigen, der den Verschwundenen auffindet, eine Belohnung von 50 Mark zugesichert."
    
Melsungen FrfIsrFambl 29031912.jpg (25809 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 29. März 1912: "Melsungen, 24. März (1912). Die Leiche des seit Purim-Abend verschwundenen emeritierten israelitischen Lehrers Block wurde am Donnerstag in dem 2 1/2 Stunden von hier entfernteren Dorfe Guxhagen von dem Maurer Reuter am Ufer der Fulda gelandet."

   
Über Lehrer Philipp Dilloff (Lehrer in Melsungen von 1908 bis 1923/25)    
(zusammengestellt auf Grund der Recherchen von Heidemarie Kugler-Weiemann, Lübeck; mitgeteilt am 25.5.2013)  

Lehrer Philipp Dilloff ist am 18. Dezember 1863 in Frankenberg als Sohn von Loeb Dilloff und der Fanny (Frommet) geb. Teisebach (Deisebach, Theisebach) geboren. Nach seinem Schulbesuch ließ er sich am Lehrerseminar in Köln und Büren ausbilden. 1887 bewarb er sich auf die Stelle in Ziegenhain (Ausschreibung siehe oben). Er bekam die Stelle und zog nach Ziegenhain, wo er im Haus Kasseler Straße 28 lebte. Er heiratete Veilchen geb. Stern, geb. 1871 in Salmünster. Das Ehepaar hatte eine Tochter Elsa (geb. 1893 in Ziegenhain), eventuell noch weitere Kinder. Philipp Dilloff blieb bis 1908 in Ziegenhain, danach wurde er Lehrer in Melsungen, wo er bis zu seinem Ruhestand 1923 geblieben ist. 1925 verzogen Beilchen und Philipp Dillof nach Riga, wo ihr Schwiegersohn Ludolph (Ludwig) Häusler - von Beruf Rechtsanwalt - für einen schwedischen Finanzkonzern tätig war. 1927 verzog die ganze Familie nach Lübeck. Veilchen Dillof verstarb bereits im Mai 1932 und wurde im jüdischen Friedhof in Moisling beigesetzt. Philipp Dilloff blieb in der NS-Zeit in Lübeck. Am 19. Juli 1942 wurde er über Hamburg in das Ghetto Theresienstadt deportiert, von dort im September 1942 nach Treblinka, wo er ermordet wurde.       

   
Ausschreibung der Stelle des Religionslehrers (1924)     

Anzeige in der "CV-Zeitung" (Zeitschrift des "Central-Vereins") vom 10. April 1924: 
"Wir suchen zum Eintritt per 1. Mai dieses Jahres, eventuell später einen 
Religionslehrer, Vorbeter und Schochet

Dienstwohnung und 9 Ar großer Garten vorhanden. Bewerbungen sind zu richten an den 
Vorstand der Israelitischen Gemeinde
zu Händen des Herrn Julius Levy, Melsungen (Regierungsbezirk Kassel)."     


Lehrer Dillhof verlässt die Gemeinde - Nachfolger wird Lehrer Löwenstein (1925)  

Melsungen Israelit 26031925.jpg (27546 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 26. März 1925: "Melsungen, 3. März (1925). Lehrer Dillhof, der nach seiner Pensionierung als Religionslehrer hier verblieben war, hat der Gemeinde das Amt gekündigt. Die Gemeinde wählte nun Löwenstein aus Jeßberg, bisher im besetzten Gebiet, als Lehrer und Vorsänger."  

      
Lehrer P. Löw aus Gemen in Westfalen wird in Melsungen angestellt (1930)      

Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und Waldeck" vom 4. Juli 1930: "Melsungen. Die hiesige Gemeinde hat für die Religionslehrer-, Vorbeter- und Schochetstelle zum 1. Juli dieses Jahres Herrn P. Löw, Gemen in Westfalen, verpflichtet. Herr Löwenstein, bisheriger Inhaber dieses Amtes, hat einen kaufmännischen Beruf ergriffen. Der Gottesdienst unter seiner Leitung und seine Vorträge waren über den allgemeinen Durchschnitt, und wird sein Nachfolger es nicht leicht haben, die Gemeinde in dieser Hinsicht zufrieden zu stellen."    

     
     
Aus dem jüdischen Gemeinde- und Vereinsleben 
Ausschreitungen gegen jüdische Familien (1848)  

Melsungen AZJ 15051848.jpg (85871 Byte)Artikel in der "Allgemeinen Zeitung der Judentums" vom 15. Mai 1848: "Kassel, 2. Mai. Die Exzesse gegen Personen und Eigentum in den Landständen und Dörfern, namentlich gegen Beamte und Juden, nehmen auf eine bedauerliche Weise überhand; von Hofgeismar, Melsungen, Rothenburg und Breidenbach sind Judenfamilien mit ihren geretteten Habseligkeiten hier eingetroffen; zugleich ist aber heute eine Anzahl der Exzedenten gefesselt eingebracht worden. Es ist endlich einmal Zeit, gegen diese Übeltätiger, deren Absicht lediglich auf Plünderung und Raub gerichtet ist, energisch einzuschreiben und die Gesetze wieder zu Ansehen zu bringen. Vor allen Dingen sind die Aufwiegler und Verführer in Haft zu nehmen und den Gerichten zu überweisen; die öffentliche Stimme hat deren schon Mehre bezeichnet. So sollen namentlich in Rothenberg ein Advokat und ein Kaufmann, der sich in seinem Gewerbebetriebe durch die Juden beengt fühlt, die dortigen Szenen veranlasst haben. Milde und Nachsicht wäre hier ein Verbrechen gegen das Land. (O.P.A.Z.)."

    
Purimfeier in der Gemeinde (1931)    

Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und Waldeck" vom 13. März 1931: "Melsungen. Am Purimabend fand hier unter Beteiligung fast aller Gemeindemitglieder eine wohlgelungene Purimfeier statt. Von dieser Tatsache wird jeder, der Einblick in die hiesigen Verhältnisse der letzten Jahre gehabt hat, angenehm überrascht sein. Den neuen Geist, der in der Gemeinde eingekehrt ist, hat sie in erster Linie Herrn Lehrer Willy Katz zu verdanken, der es in so kurzer Zeit verstanden hat, die Sympathien zu gewinnen. Herr Katz versieht von Kassel aus den Dienst als Kultusbeamter und Religionslehrer. Die kleine Schar der Schüler trat am Purimabend in bunter Folge vor das in freudiger Erregung harrende Publikum. Später hielten Tanz und abwechslungsreiche Vorträge die Erwachsenen noch lange zusammen. Man ging mit dem Gefühl nach Hause, wieder einmal einige gemütliche Stunden im geschlossenen Kreis der Gemeinde verlebt zu haben."        

 
    
Berichte zu einzelnen Personen aus der Gemeinde 

Zum Tod von Kreisvorsteher Perll (1848)   

Artikel in der Zeitschrift "Der treue Zionswächter" vom 8. Februar 1848: "Aus Kurhessen. Am 1. Januar dieses Jahres verstarb zu Melsungen in der Provinz Niederhessen, der Kreisvorsteher Perll, ein Mann von echtem, altjüdischem Schrot und Korn, einfach in Wesen und Sitten, aber felsenfest und treu anhängend dem Glauben seiner Urväter. Von seiner Tätigkeit für das allgemeine Beste, besonders da, wo es die Erhaltung des wahren, orthodoxen Judentums galt, legte er in neuerer Zeit Beweise noch dadurch ab, dass er der erste aller Kreisvorsteher es war, der eine Eingabe sämtlicher Gemeindeältesten seines Kreises an Kurf. Ministerium des Innern bewirkte, in welcher sowohl die Gefahren dringend geschildert, die den Israeliten Hessens bevorständen, falls einem neologen, reformistischen, Landrabbinen die Seelsorge der jüdischen Gemeinden des Staates anvertrauet, als die Vorteile aufgezählt wurden, die den religiösen Zuständen des Vaterslandes dadurch erwachsen würden, falls ein Geistlicher, wie in der Person des Dr. Feuchtwang die Petenten vorzuschlagen sich erlaubten, jene Stellung einnehme. Wie sehr dieser Schritt von vielen anderen Kreisvorstehern gebilligt und nachgeahnt. wie sehr Kurf. Ministerium die Majorität der Gemeinden berücksichtigte, ist hinreichend bekannt. Deshalb war auch die Trauer um den Dahingeschiedenen, eine allgemeine, und nicht besser glaubte man das Andenken des entschlafenen Frommen ehren zu können, als dass man bei der am 19. dieses Monats stattgefundenen Wahl eines neuen Kreisvorstehers, mit großer Majorität den Herrn L. Kaufmann wählte, dessen religiöse Ansichten denen seines Vorgängers, durchaus konform ein Ehrenmann wie jener, im wahren Sinne des Wortes ist, gewiss nichts unterlasen wird, die religiösen Interessen des Kreises wie bisher zu wahren und zu schützen. 
den 28. Januar. Ich beeile mich, Ihnen die freudige Nachricht mitzuteilen, dass soeben der Rabbiner Lipschütz, vom Allerhöchsten Orte aus zum Landrabbinen ernannt worden ist."     

  
Zum Tod des Gemeinde- und Kreisvorstehers Leiser Kaufmann (1861)  

Melsungen AZJ 27081861.jpg (85707 Byte)Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom  27. August 1861: "Unsere Gemeinde und unser Kreis haben einen herben Verlust erlitten. Am 6. dieses Monats ist nach einem 3/4jährigen Krankenlager heimgegangen zu den Seligen unser Gemeindevorsteher (Rosch HaKehila) und Kreisvorsteher des Kreises Melsungen, Herr Leiser Kaufmann, in seinem 63. Lebensjahre. Am 8ten dieses Monats wurden die Überreste dem Schoße der Erde übergeben, unter einer großen Anzahl von Leichenbegleitern, von den Israeliten hiesigen Kreises, den achtenswerten christlichen Bürgern und Personal des Kurfürstlichen Landratsamtes und dem Medizinalrat, Herr Dr. Schott. Dies war gewiss Zeugnis seiner Würdigkeit.  Mir ward es vergönnt, dem verklärten Bruder Trauerredner zu sein und den Text zu wählen: 'der Herr wird seinen Engel senden vor dir her um dich zu bewahren auf deinem Weg' (1. Mose 24,7).
Melsungen (Kurhessen), den 5. Elul 1861. Lehrer Müller."  

    
80. Geburtstag von Herz Speier (1925) 

Melsungen Israelit 05031925.jpg (30985 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 5. März 1925: "Melsungen, 27. Januar (1925). Der Rentner Herz Speier, früher Schochet dahier, kann kommenden Schabbat seinen 80. Geburtstag begehen. Seitdem er vor Jahresfrist infolge Sturzes von der Treppe einen Oberschenklebruch erlitten, ist er bettlägerig, im übrigen aber vollkommen gesund und geistig sehr rege. (Alle Gute) bis 100 Jahre."    

  
Zum Tod von Isaak Speier (1925)   

Melsungen Israelit 14051925.jpg (46335 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 14. Mai 1925: "Melsungen, 10. Mai (1925). Im Alter von 69 Jahren wurde hier unter Beteiligung sämtlicher Behörden der Stadt, an deren Spitze die Herren Landrat und Bürgermeister stand, der Kreisvorsteher Lederhändler Isaak Speier zur letzten Ruhe bestattet. Auch der Kriegerverein nahm in corpore an der Beerdigung teil. Der Dahingeschiedene hat das Kreisvorsteheramt seit über 30 Jahren zur größten Zufriedenheit der gesamten Kreisbevölkerung bekleidet."    

  
91. Geburtstag von Josef Speier (1927)        

Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und Waldeck" vom 13. Mai 1927:  "Melsungen. Der älteste Einwohner unserer Stadt, der Privatmann Josef Speier, feierte bei guter Gesundheit am 10. Mai seinen 91. Geburtstag. Wir wünschen dem alten Herren einen weiteren glücklichen Lebensabend."       

    
Zum Tod von Josef Speier (1929)    

Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und Waldeck" vom 22. März 1929: "Aus Melsungen. Hier ist vor einigen Tagen der älteste Einwohner Melsungens, der Privatmann Joseph Speier, der in einigen Wochen seinen 93. Geburtstag hätte feiern können, zur ewigen Ruhe eingegangen."       


Julius Levy wurde zum Gemeindeältesten gewählt (1929)      

Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und Waldeck" vom 13. Dezember 1929: "Melsungen. Der Kaufmann Julius Levy zu Melsungen wurde anstelle des Herrn Abraham Speier zum Gemeindeältesten gewählt und vom Vorsteheramt bestätigt."      

 
Unfalltod des taubstummen Sally Speier am Bahnübergang zwischen Röhrenfurth und Melsungen (1930)      

Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und Waldeck" vom 1. August 1930: "Tragödie eines jüdischen Taubstimmen. Ein entsetzlicher Unglücksfall ereignete sich am Dienstag abend gegen 6 Uhr an dem Bahnübergang zwischen Röhrenfurth und Melsungen. Der 66-jährige taubstumme Sally Speier aus Melsungen, der in früheren Jahren als Schreiner bei der Firma Henschel u. Sohn gearbeitet hatte, wurde auf den Gleisen von dem herannahenden Personenzug 643 erfasst und auf der Stelle getötet. Die entsetzlich verstümmelte Leiche konnte geborgen werden. Wie sich der Unfall zugetragen hat, konnte bisher noch nicht geklärt werden. Der Bahnübergang ist in der üblichen Weise mit Bahnschranken und Drehkreuzen sowie mit den erforderlichen Warnungstafeln gesichert. Vermutlich hat der taubstumme Speier den herannahenden Zug nicht gesehen."     

 
   
Anzeigen jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen  
  
Geburtsanzeige einer Tochter von Bernhard Speier und seiner Frau geb. Spangenthal (1927)  
Anmerkung: angezeigt wird die Tochter Hannelore der Eheleute Bernhard Speier (Fritzlarer Straße in Melsungen) und Berta geb. Spangenthal. Bernhard Speier wurde am 20. Juni 1887 in Melsungen geboren; er starb am 3. September 1892 in Chicago, USA. Berta wurde am 12.6.1890 in Spangenberg geboren; sie starb im Alter von fast 104 Jahren am 5. Mai 1994 in Chicago, USA. Das Paar hatte neben der Tochter Hannelore einen Sohn Albert (in den USA: Fred), geb. 2. September 1922 in Kassel-Wilhelmshöhe. Die Familie konnte 1938 in die USA emigrieren.    

Anzeige in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und Waldeck" vom 26. August 1927:  
"Die glückliche Geburt eines gesunden Mädels zeigen hocherfreut an  
Bernhard Speier und Frau geb. Spangenthal
  
Melsungen, den 23. August 1927 (zur Zeit: Rotes Kreuz)."     

 
Todesanzeige für Lisette Abt geb. Wertheim (1938) 
 
Anmerkung: Lisette (Settchen) geb. Wertheim war verheiratet mit Leiser Abt.   

Melsungen JuedGBlKassel 26081938.jpg (41785 Byte)Anzeige im "Jüdischen Gemeindeblatt Kassel" vom 26. August 1938: 
"Am 24. August 1938 entschlief sanft nach kurzem Krankenlager unsere liebe, herzensgute Mutter, Großmutter, Urgroßmutter, Tante und Schwester, Frau 
Lisette Abt
geb. Wertheim 
kurz vor Vollendung ihres 93. Lebensjahres. Die trauernden Hinterbliebenen: 
Familie Albert Abt   Familie Siegfried Abt   Familie Julius Abt   Frau Flora Speier.   
Melsungen, Berlin, Wien, 24. August 1938. Die Beerdigung hat bereits stattgefunden."     

      
  
   
      
Zur Geschichte der Synagoge       
   
Ein erste Synagoge unbekannten Alters stand in der Mühlenstraße (Altaras 1994) oder eher im Bereich hinter der Fritzlarer Straße (zur Diskussion siehe Beitrag von Kurt Maurer und Dieter Hoppe 2005, die Vermutungen, ein auf dem Grundstück der Fritzlarer Straße 3 stehendes klassizistisches Gebäude sei die "Alte Synagoge" gewesen, haben sich nach Angaben von Dieter Hoppe allerdings durch nichts bestätigen lassen; auch die Rundbogenfenster können nicht aus der alten Synagoge stammen). Es handelte sich um ein Fachwerkgebäude, in dem der Betsaal, das Schullokal und die Lehrerwohnung untergebracht waren. In den 1830er-Jahren war das Gebäude durch Senkungen in einen baufälligen Zustand geraten. Der damalige Landbaumeister Augener empfahl dringend eine komplette Renovierung oder einen Neubau der Synagoge. Der Lehrer war wegen seiner verfallenen Wohnung bereits ausgezogen. 
 
Hierauf begann die jüdische Gemeinde mit der Planung einer neuen Synagoge. Die alte Synagoge wurde 1837 abgebrochen, um das noch verwendbare Baumaterial zu verkaufen und - nach den ersten Planungen- am selben Standort beziehungsweise in unmittelbarer Nähe einen Synagogenneubau errichten zu können. Bis zur Einweihung einer neuen Synagoge fanden die Gottesdienste in einem Zimmer im Haus des Benjamin Abt und der Schulunterricht in einem Raum bei der Witwe des Salomon Abt statt. Der bisherige Standort der Synagoge wurde aufgegeben, da das Gelände dort bereits zu eng bebaut war.
  
Landbaumeister Augener erstellte seit Juni 1837 Kostenvoranschläge sowie Pläne für einen Neubau, die mehrmals auf Grund von Wünschen der israelitischen Gemeinde, des Kreisrates, der Stadt Melsungen und des Bürgermeisters verändert werden mussten. Als Standort wurde die damals bevorzugte Lage des Neubaugebietes der Rotenburger Straße bestimmt. Die unmittelbare Nähe zum 1837-38 im Stil des Kasseler Klassizismus erbauten Kasinos (heute: Stadthalle) prägte den Stil der neuen Synagoge.
  
Es entstand ein jüdisches Gemeindezentrum mit Synagoge (Betraum mit 89 Plätzen für Männer, auf der Empore 58 Plätze für Frauen), jüdischer Schule, Lehrerwohnung und rituellem Bad. Auf dem die Jahreszahl "1841" tragenden Grundstein stehen die Namen der damaligen Vorsteher der Gemeinde (Stern und Apt). Wann das Gebäude eingeweiht wurde, ist nicht bekannt; es konnte noch kein Bericht über die Einweihung gefunden werden.
  
Fast 100 Jahre war die Synagoge Mittelpunkt des jüdischen Gemeindelebens in Melsungen. 
   
Beim Novemberpogrom 1938 wurde die Inneneinrichtung der Synagoge demoliert.
   
Im September 1939 zwang die Stadt die jüdische Gemeinde zum Verkauf des Gebäudes zu einem Preis von ein paar Tausend RM, von denen lediglich 1.000 RM bezahlt wurden. 1941 wurde das Gebäude der Kreishandwerkerschaft übergeben, in deren Besitz sich das Gebäude bis zur Gegenwart befinden (Handwerker-Genossenschaft des Schwalm-Eder-Kreises). 

Über den Verkauf der Synagoge Näheres aus dem Artikel von Dieter Hoppe (siehe unter Lit.): "Mit dem Nationalsozialismus droht beiden Gebäuden (sc. Casino und Synagoge) der Abriss. Die erhaltenen Dokumente über den Zwangsverkauf der Synagoge erlauben einen Blick auf das verworrene Ränkespiel der damaligen Zeit. Der damalige Bürgermeister Dr. Otto Schmidt (er gehörte vor 1933 der DDP an) wollte im Vertrag vom 23. Januar 1939 der Synagogengemeinde die Synagoge zusammen mit einem Acker für 10.000 RM (9.000 RM für die Synagoge und 1.000 RM für den Acker) abkaufen. Die Synagogengemeinde sollte außerdem jährlich die Zinsen aus dem Kaufpreis sowie 1.000 RM für Mitglieder der Gemeinde erhalten. Am 30. Januar wird der Einheitswert des Gebäudes mit 12.400 RM beziffert. Am 22. Juni 1939 wird durch den Regierungspräsidenten in Kassel der Kaufpreis auf 5.000 RM (4.000 für die Synagoge und 1.000 RM für den Acker) ohne weitere jährliche Zahlungen herabgesetzt. Die Synagoge wird auf 7.300 RM geschätzt. Der Bürgermeister möchte die Synagoge für handwerkliche Zwecke haben. Der Landrat will die Synagoge abreißen. Auf dem heutigen Parkplatz soll ein Parteihaus für 1000 Personen entstehen um die Erfolge des 1000jährigen Reiches zu feiern. Zu diesem Zweck soll auch das Kasino, das schon seit 1935 in der Hand der Partei war, abgerissen werden. Der Anblick der ehemaligen Synagoge galt als untragbar. Der Abbruch sollte der erste Schritt sein, um einen Durchblick zur Fulda zu schaffen. Dafür hätten weitere Häuser weichen müssen.
Am 7. November 1939 beschwert sich die israelitische Kultusgemeinde. Am 6. August wird Bürgermeister Otto vom Regierungspräsidenten praktisch abgekanzelt, weil er im Vertrag vom 23. Januar 1939 einen so hohen Betrag zahlen wollte. Am 24. Januar 1941 wird der Kaufpreis endgültig auf 6.500 RM festgesetzt. Nach J. Schmidt verkaufte die Stadt noch 1941 die ehemalige Synagoge für 11.500 RM an die Handwerkerschaft."

Nach 1945 kam es im Zusammenhang mit der "Wiedergutmachung" zu einer finanziellen Nachforderung durch die Jüdische Vermögensverwaltung JRSO, die zu einem Prozess zwischen Handwerkerschaft und der Stadt Melsungen führte. Der Prozess endete 1953 mit einem Vergleich: die Stadt Melsungen hatte 22.000 DM Entschädigung und 7.000 DM Prozesskosten zu bezahlen. 
   
Die ehemalige Synagoge wird bis heute als Geschäfts- und Bürohaus verwendet. Eine Gedenktafel erinnern an die frühere Geschichte als Synagoge.  
  
  
Adressen/Standorte der Synagogenalte Synagoge in der Mühlenstraße (bis 1836), neue Synagoge in der Rotenburger Straße 13 (bis 1938).       
   
   
Fotos
(Quelle: obere Zeile Geschichtsverein Melsungen, zweite Fotozeile Fotos von Adam Yamey, www.synagogen.info

Neuere Fotos des Gebäudes 
der früheren Synagoge 

Melsungen Synagoge 121.jpg (37391 Byte) Melsungen Synagoge 120.jpg (44780 Byte)
      Blick auf das Gebäude der ehemaligen Synagoge  
   
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Seiteneingang zur jüdischen Schule 
und Lehrerwohnung  
Grundstein "Vorsteher 
Stern u. Apt 1841"  
Früherer Zugang zur 
Mikwe (rituelles Bad)  
     

Die frühere Synagoge im Juni 2008
(Fotos: Hahn, Aufnahmedatum 16.6.2008)

     
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Verschiedene Ansichten der früheren Synagoge
  
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Gedenkstein gegenüber des Gebäudes mit Inschrift: "Das gegenüberliegende Gebäude
 Rotenburger Straße 13 wurde 1841 erbaut und diente der jüdischen Gemeinde als Synagoge.
 Die Synagoge ist während des Pogroms im November 1938 durch nationalsozialistischen
 Terror geschändet und schwer beschädigt worden. Die jüdische Gemeinde in Melsungen, 
die hier ein Jahrhundert lang ihren Mittelpunkt hatte, wurde durch erzwungene Emigration
 oder Ermordung ihrer Mitglieder vollständig ausgelöscht."
Hinweistafel am Gebäude: 
"Ehemalige Synagoge. Das Haus 
wurde 1841 errichtet - seit 1941 
Eigentum der Kreishandwerkerschaft."
  
   
Melsungen Synagoge 205.jpg (60454 Byte) Melsungen Synagoge 206.jpg (62641 Byte) Melsungen Synagoge 207.jpg (78440 Byte)
Blick auf das ehemalige Synagogengebäude   Grundstein "Vorsteher Stern u. Apt 1841"  
   
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Jetziger Eingang (2008)   Früherer Zugang zu Mikwe (rituelles Bad)  
     
Die frühere Synagoge im Oktober 2019
(Fotos: Hahn, Aufnahmedatum: 13.10.2019) 
 
     
Es sind Restaurierungsarbeiten am Gebäude im Gange  
     
     
Gedenkstein  Hinweisplakette  

   
   
Erinnerungsarbeit vor Ort - einzelne Berichte 

Februar 2010: "Stolperstein"-Aktion in Melsungen - Stand der Verlegungen  - mehr dazu bei www.stolpersteine-melsungen.de 
Artikel in der "Hessischen Allgemeinen" vom 25. Februar 2009 (Artikel):  "Sieben neue Stolpersteine an drei Stellen. 
Melsungen
. Sieben weitere Stolpersteine werden am Mittwoch, 11. März, an vier Stellen im Melsunger Stadtgebiet verlegt. Sie sollen an das Schicksal von Menschen erinnern, die von Nationalsozialisten verfolgt, vertrieben, deportiert oder ermordet wurden. Die Steine mit einer gravierten Metallplatte werden ins Straßenpflaster vor ehemaligen Wohnhäusern eingelassen..."    
 
Mai 2010: Weitere "Stolpersteine" werden verlegt     
Artikel von "and" in der "Hessischen Allgemeinen" vom 12. Mai 2010 (Artikel): "Mit neun neuen Stolpersteinen erinnern jetzt in Melsungen 25 Mahnobjekte an tote jüdische Mitbürger. Stolpersteine: Denken an Nachbarn von damals. 
Melsungen. 'Sie gingen durch diese Türen', zeigte Bürgermeister Dieter Runzheimer auf den Eingang des Hauses Burgstraße 21, 'und dann waren sie nicht mehr da'. Neun Stolpersteine verlegte der Kölner Künstler Gunter Demnig am Mittwochmorgen in Melsungen vor drei Häusern zur Erinnerung an Juden, die einst dort wohnten..."      
  
Mai 2011: Weitere "Stolpersteine" werden verlegt   
Artikel von Grugel in der "Hessischen Allgemeinen" vom Mai 2011 (Artikel): 
"Künstler Gunter Demnig verlegte sechs Stolpersteine in der Melsunger Innenstadt
Melsungen.
Die Melsunger Initiative für Stolpersteine hat am Donnerstag in der Melsunger Innenstadt sechs Steine zum Gedenken an jüdische Opfer aus der Bartenwetzerstadt verlegt..."   
  
November 2013: Schüler beschäftigen sich mit den Schicksalen jüdischer Melsunger   
Artikel von Judith Féaux de Lacroix in der "Hessischen Allgemeinen" vom 21. November 2013 (Artikel): "Jugendliche befassten sich mit jüdischem Leben in Felsberg und Melsungen - Schüler auf Spurensuche
Melsungen/Felsberg. Was ist eigentlich ein Stolperstein? Bis vor wenigen Monaten konnten die meisten Schülerinnen der Klasse 10F13 an der Melsunger Radko-Stöckl-Schule diese Frage noch nicht beantworten. Jetzt wissen sie nicht nur, was hinter dem Begriff steckt, sondern wollen sogar selbst eine Spendenaktion starten, damit weitere Stolpersteine verlegt werden können.
Auf die Idee gekommen sind die Schülerinnen durch ein Projekt mit dem Titel 'Zivilcourage', das der Bund deutscher Pfadfinder und Pfadfinderinnen Nordhessen (BDP) in Kooperation mit der Radko-Stöckl-Schule organisiert hat. Dabei setzen sich Schüler mit Themen wie Rassismus und Ausgrenzung auseinander. Für dieses Projekt, das von der Initiative 'Gewalt geht nicht' finanziell unterstützt wird', wurde der BDP jetzt mit dem Förderpreis des Hessischen Jugendrings ausgezeichnet. Unter rund 30 Bewerbern kam das Projekt auf den vierten Platz.
Sammeln für Stolpersteine. Die Schülerinnen der Klasse 10F13 machten sich im Rahmen des Projektes auf die Suche nach Spuren jüdischen Lebens in Melsungen und Felsberg. Dabei befassten sie sich auch mit dem Schicksal von Juden, die früher in der Region gelebt haben. 'Es ist schrecklich, wie Juden damals behandelt wurden', sagt die 16-jährige Christine Hartlieb aus Eubach. 'Ich bin froh, dass das heute nicht mehr so ist'...."  
  


  
Links und Literatur   

Links:  

bulletWebsite der Stadt Melsungen  
bullet"Stolpersteine" in Melsungen mit zahlreichen Informationen zu früheren jüdischen Einwohnern Melsungens (im April 2008 wurden die ersten "Stolpersteine" für Melsunger Juden verlegt; vierte Verlegung im Mai 2011 siehe Pressebericht oben). 
bulletWebsite https://jinh.lima-city.de/index.htm: unter "Genealogien jüdischer Familien in Nordhessen" finden sich hier Stammbäume der Familien Abt (auch bei Forschungen Eckhard Preuschhof), Hamerschlag, Kaufmann sowie Rosenstock (bei Forschungen Horst Rosenstock) 

Quellen:  

Hinweis auf online einsehbare Familienregister der jüdischen Gemeinde Melsungen 
In der Website des Hessischen Hauptstaatsarchivs (innerhalb Arcinsys Hessen) sind die erhaltenen Familienregister aus hessischen jüdischen Gemeinden einsehbar: 
Link zur Übersicht (nach Ortsalphabet) https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/llist?nodeid=g186590&page=1&reload=true&sorting=41              
Zu Melsungen sind vorhanden (auf der jeweiligen Unterseite zur Einsichtnahme weiter über "Digitalisate anzeigen"):    
HHStAW 365,597   Geburtsregister und Familienverzeichnis der jüdischen Gemeinde in Melsungen  1742 - 1852: enthält das Geburtsregister der Juden von Melsungen 1824 - 1852 und ein Verzeichnis der jüdischen Familien in der Kultusgemeinde mit Angabe der Geburtsdaten aller Familienmitglieder  1742 - 1826; enthält auch Angaben zu Personen aus Röhrenfurth   https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/detailAction?detailid=v1245114        
HHStAW 365,594   Sterberegister der Juden von Melsungen  1824 - 1852; enthält auch Angaben zu Personen aus Röhrenfurth   https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/detailAction?detailid=v3732264       
HHStAW 365,592   Trauregister der Juden von Melsungen  1827 - 1852; enthält auch Angaben zu Personen aus Röhrenfurth     https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/detailAction?detailid=v4971261                     
HHStAW 365,591   Geburtsregister der Juden von Melsungen  1853 - 1876   https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/detailAction?detailid=v4607222      
HHStAW 365,595   Sterberegister der Juden von Melsungen  1853 - 1876; enthält auch Angaben zu Personen aus Röhrenfurth  https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/detailAction?detailid=v1900006    
HHStAW 365,593   Trauregister der Juden von Melsungen  1854 - 1874; enthält auch Angaben zu Personen aus Röhrenfurth https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/detailAction?detailid=v1030589    
HHStAW 365,596   Gräberverzeichnis des jüdischen Friedhofs in Melsungen, aufgenommen im August 1938 durch Curt Wolf aus Eschwege und D. Goldschmidt aus Frankershausen  1861 - 1933; enthält hebräische und deutsche Grabinschriften mit Angabe der Grabnummern auf dem jüdischen Friedhof in Melsungen; enthält auch Angaben zu Personen aus Röhrenfurth    https://arcinsys.hessen.de/arcinsys/detailAction?detailid=v1245113      

Literatur:  

bulletPaul Arnsberg: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang - Untergang - Neubeginn. 1971. Bd. II S. 67-69.
bulletThea Altaras: Synagogen in Hessen. Was geschah seit 1945? 1988 S. 54-55.
bulletdies.: Das jüdische Rituelle Tauchbad und: Synagogen in Hessen. Was geschah seit 1945 Teil II. 1994. S. 51.
bulletStudienkreis Deutscher Widerstand (Hg.): Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der Verfolgung 1933-1945. Hessen II Regierungsbezirke Gießen und Kassel. 1995 S.178-179. 
bulletPinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany Volume III: Hesse -  Hesse-Nassau - Frankfurt. Hg. von Yad Vashem 1992 (hebräisch) S. 508-510.
bulletArtikel von Dieter Hoppe: Das Ensemble des Kasseler Klassizismus in Melsungen: Die Stadthalle und die ehemalige Synagoge in der Rotenburger Straße: 
Artikel zur "Alten Synagoge" in Melsungen (Kurt Maurer/Dieter Hoppe) in einer Seite des Geschichtsvereins Melsungen.    
bulletDie Geschichte des Hauses Kasseler Straße 28 (unter besonderer Berücksichtigung seiner jüdischen Vergangenheit). Eine Darstellung in Dokumenten und Bildern. Hg. von Bernd Köhler, Melsungen 2001. Online als pdf-Datei zugänglich
(http://platin.koehler-shop.de/images/firmengeschichte/geschichte_des_hauses.pdf
bullet Beitrag über die Familie Plaut: Elisabeth S. Plaut: The Plaut Family. Tracing the Legacy. Edited by Jonathan V. Plaut
When Elizabeth S. Plaut began tracing her husband’s family roots forty years ago, she had no idea how this undertaking would change her life and turn her into a serious genealogist. A trained researcher, she corresponded with hundreds of people around the world to glean information about the various branches of the family; scoured cemetery files, archives, and other available sources; and maintained copious files brimming over with her notes and charts. Beginning with her quest to find the roots of her husband’s branch of the family from Willingshausen, Germany -many years before genealogy became popular - Elizabeth Plaut discovered families in dozens of small villages in Germany. She tracked the relationships between more than 11,000 people and separated the branches according to the many cities where the families originated. Impressive in its scope and in Elizabeth Plaut’s meticulous commitment to detail, The Plaut Family: Tracing the Legacy will be of immense value to all those interested in knowing more about their roots. 7" x 10" 420 pp. softcover $45.00. Vgl. http://www.avotaynu.com/books/Plaut.htm
Family Trees Organized by German Town of Ancestry: Bodenteich, Bovenden, Falkenberg, Frankershausen, Frielendorf, Geisa, Gudensberg, Guxhagen, Melsungen, Obervorschuetz, Ottrau, Rauschenberg, Reichensachsen, Rotenburg, Schmalkalden, Wehrda, Willingshausen.  
   

    
     


 

Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the Holocaust". 
First published in 2001 by NEW YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad Vashem Jerusalem, Israel.

Melsungen  Hesse-Nassau. Established around 1776, the community built a large synagogue in 1841 and operated an elementary school from 1854 to 1924. It numbered 188 (5 % of the total) in 1880. Anti-Jewish riots and disputes with German cattle traders occured in the 19th century. Affiliated with Kassel's rabbinate, the community declined to 89 (2 %) in 1925 and by November 1938 it had shrunk to 29. On Kristallnacht (9-10 November 1938), the synagogue's interior was vandalized and Jews were attacked, one detainee later dying in the Buchenwald concentration camp. After 1935, 42 Jews left (25 emigrating), ten were deported, and at least 18 perished in the Holocaust. 
     
       

                   
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Stand: 15. Oktober 2013