Baisingen Friedhof 154.jpg (62551 Byte)  Segnende Hände der Kohanim auf einem Grabstein in Baisingen


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Schmitten (Hochtaunuskreis)
Jüdische Geschichte / Synagoge
(erstellt unter Mitarbeit von Wolfgang Breese, Geschichtsverein Hochtaunus e.V.)

Übersicht:

bulletZur Geschichte der jüdischen Gemeinde  
bulletBerichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde   
Allgemeine Beiträge   
Aus dem jüdischen Gemeindeleben   
Berichte zu einzelnen Personen aus der Gemeinde   
Anzeigen jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen    
bulletZur Geschichte der Synagoge   
bulletPläne / Fotos 
bulletErinnerungsarbeit vor Ort - einzelne Berichte  
bulletLinks und Literatur   

    

Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde              
    
In Schmitten bestand eine kleine jüdische Gemeinde bis 1938. Ihre Entstehung geht in die Zeit der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zurück. 
  
Aus dem 19. Jahrhundert liegen an Zahlen zu den jüdischen Gemeindegliedern vor: 1843 27 jüdische Einwohner (in fünf Familien), 1890 20 (in sechs Familien), 1905 21 (die fünf steuerzahlenden Mitglieder der Gemeinde waren: Sina Hess, Moritz Hess, Maja Löwenstein Witwe, H. Löwenstein Witwe, Herrmann Strauß). Auf Grund der geringen Zahl der Gemeindeglieder sollte die jüdische Gemeinde Schmitten um 1890 aufgelöst und der Gemeinde in Anspach angeschlossen werden. Doch wehrten sich die sechs jüdischen Familien in Schmitten dagegen mit Erfolg. Spätestens Anfang der 1920er-Jahre erfolgte dann jedoch ein Anschluss an die jüdische Gemeinde in Usingen. Die Gemeinde gehörte zum Rabbinatsbezirk Weilburg.
  
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde eine Synagoge (s.u.), einen Raum für den Religionsunterricht der Kinder, ein rituelles Bad und einen Friedhof. Den Religionsunterricht erhielten die jüdischen Kinder in Schmitten - gemeinsam mit den Kindern aus Anspach und Rod am Berg - Mitte des 19. Jahrhunderts durch Lehrer Emden aus Wehrheim. Dieser wird bereits anlässlich der Synagogeneinweihung 1844 genannt. Unter den Vorstehern der jüdischen Gemeinde werden genannt: um 1888 Heyum Löwenstein, bis 1916 Sina Hess. Letzter Gemeindevorsteher war der Viehhändler Moritz Heß. 
  
Im Ersten Weltkrieg fiel aus der jüdischen Gemeinde Josef Herz (geb. 5.7.1882 in Berolzheim, gef. 25.5.1915). Sein Name wurde auf dem Gefallenendenkmal der bürgerlichen Gemeinde eingetragen, zu dessen Einweihung 1925 u.a. auch Rabbiner Dr. Salzberger aus Frankfurt am Main sprach (siehe Bericht unten). 
   
1926 starb der unter den Kurgästen bekannte und für die jüdische Gemeinde wichtige Hermann Strauß, Inhaber des seit 1906 am Ort bestehenden streng rituell geführten Hotels Strauß in Schmitten. Er war lange Jahre ehrenamtlicher Vorbeter der jüdischen Gemeinde. Beigesetzt wurde er auf dem jüdischen Friedhof in Schmitten.     
    
Das Hotel Strauss wurde nach dem Tod von Hermann Strauß (seine Frau Janis war bereits vor ihm gestorben) weitergeführt von seinem Sohn Wilhelm Strauß (mit Frau Hanna geb. Waller; in den 1930er-Jahren half auch bereits der 1924 geborene Sohn Max den Eltern beim Bedienen der Gäste) und der Tochter Frieda Halberstadt geb. Strauß (verheiratet mit Jonas Halberstadt, wohnhaft in Frankfurt). 
    
Nach 1933
lebten in Schmitten neben der Familie Strauß noch zwei Familien Hess (Familie des Viehhändlers Moritz Hess, geb. 1868 mit Ehefrau Lina Hess, geb. 1870, Kinder Irma, Sarah und Rachel waren teilweise nach der Heirat bereits weggezogen; Witwe Berta Hess, geb. 1881, Sohn Benno ist nach den USA emigriert) und Angehörige der Familie Löwenstein (Mina Löwenstein, geb. 1878, ledig; Johanna Löwenstein, geb. 1891, Witwe; Ferdinand Löwenstein geb. 1882, 'Metzger' mit Ehefrau Lina Löwenstein und Kindern Ilse und Heinz Löwenstein, die nach Johannesburg, Südafrika emigrieren konnten). 
Das Hotel Strauß wurde von seinen Inhabern zunächst weiter betrieben, bis es geschlossen werden musste. Wilhelm und Hanna Strauß verzogen mit ihrem Sohn Max nach Frankfurt am Main, von wo sie deportiert und in Auschwitz ermordet wurden. Auch die Schwester Frieda Halberstadt geb. Strauß wurde mit ihrem Mann Jonas Halberstadt von Frankfurt deportiert und ermordet. Eine der Familien konnte offenbar nach Südamerika emigrieren.
    
Von den in Schmitten geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Wilhelm Strauß (1885) und seine Frau Hanna Strauß geb. Waller (1900) mit den Söhnen Max Strauss (1924) und Heinz Strauß (1937), Rosa (Resa) Kohlhagen geb. Strauss (1883),  Frieda Halberstadt geb. Strauß (1887), Irma Hess (1908), Samuel Siegmund Heß (1874). 
   
Das ehemalige Hotel Strauss wurde nach 1945 nicht mehr als Gasthof/Hotel, sondern als Wohn- und Geschäftshaus verwendet. Mindestens dreimal fand ein Eigentümer-Wechsel statt. Im Erdgeschoss war in den 1950er-Jahren eine Arztpraxis, in den 1960er-Jahren die örtliche Filiale der Nassauischen Sparkasse, später ein Friseurgeschäft. Heute ist auch das Erdgeschoss bewohnt. Ein Bruder des letzten Inhabers Wilhelm Strauß - Jakob (?) Strauß - hat Schmitten nach 1945 mehrfach besucht. 
   
   
   
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde 
   
Allgemeine Beiträge   
Schmitten als "idealer Kurort" - Kurzer Bericht von 1910   

Schmitten FrfIsrFambl 05081910.jpg (94601 Byte)Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 5. August 1910: "Schmitten im Taunus. Für die vielen jüdischen Familien, die neben einer herrlichen Erholungsstätte auch gleichzeitig großen Wert auf einen Platz legen, an dem sie in weitgehendster Weise ihren religiösen Obliegenheiten gerecht werden können, ist Schmitten geradezu ein idealer Kurort. Ganz besonders gern wird dieser Taunusort von den Frankfurtern besucht, die in dem Hotel Strauß, welches unter Aufsicht Seiner ehrwürdigen Rabbiner Dr. Horovitz steht, treffliche Verpflegung und ein angenehmes Heim finden. Es entwickelt sich bald unter den zahlreichen Kurgästen jene Zusammengehörigkeit, die fast familiär zu nennen ist und ihren schönsten Ausdruck fand in dem von Herrn Sali Schott aus Bingen a. Rhein unter gütiger Mitwirkung von Fr. Simon und Frl. Bertha Strauß aus Bockenheim und den beiden Fräuleins Weingarten aus Ems auf dem wunderbar gelegenen Bocksprung veranstaltete Kinderfest. Der Reinertrag des Festes fällt dem Nationalfonds zu."   

    
Bericht über Schmitten - Bericht aus jüdischer Sicht von 1937

Schmitten GblIsrGF Juni 1937 21.jpg (35480 Byte)Artikel im "Gemeindeblatt der Israelitischen Gemeinde Frankfurt" vom Juni 1937 S. 21: "Schmitten, etwa 700 Einwohner, bis vor kurzer Zeit von Juden viel besuchter Luftkurort mit Hotel Strauss (jetzt in Frankfurt), hübscher Synagoge und im Sommer regelmäßigem Gottesdienst. Um 1900 etwa 25 Seelen, 1937 noch eine 4-köpfige Familie. Die Synagoge ist geschlossen. Der Friedhof, 20 Minuten von Schmitten, links von der Wegkreuzung am Nordabhang des Judenkopfes wird - noch - betreut. Von Schmitten durch die herrlichsten aller Taunuswälder zur Tenne und in 3. Std. ..."   

    
    
Aus dem jüdischen Gemeindeleben 

Neueröffnung eines jüdischen Hotels in Schmitten (1906)  

Schmitten FrfIsrFambl 06041906.jpg (55463 Byte)Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 6. April 1906: "Schmitten im Taunus. Es ist stets bedauert worden, dass man in Schmitten, einem der herrlichst gelegenen Orte des Taunus, der neben seiner Waldumgebung auch wegen seiner mäßigen Preise von zahlreichen Frankfurter Familien als Sommeraufenthalt bevorzugt wird, nicht die Möglichkeit hatte, rituell zu leben. Dieser Übelstande hat nun Herr Hermann Strauß durch den Bau eines modernen Hotel-Restaurants abgeholfen."   

   
Einweihung des Kriegerdenkmals in Schmitten unter Beteiligung von Rabbiner Dr. Salzberger, Frankfurt (1925)

Schmitten Israelit 12111925.jpg (145624 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 12. November 1925: "Denkmalsweihe in Schmitten im Taunus. Sonntag, den 25. Oktober fand in dem bekannten Luftkurort Schmitten im Taunus die feierliche Enthüllung eines Denkmals für die im Kriege gefallenen Sohne der Bürgerschaft statt. Die Feier, der eine zahlreiche Menge aus dem Orte selbst und der Umgegend beiwohnte, war von Liedern einer Musikkapelle und zweiter Gesangvereine eingerahmt und durchzogen. Nach der Begrüßung des anwesenden Landrates, anderer Vertreter von Behörden und Vereinen und insbesondere der ehrwürdigen Veteranen von 66 und 70 durch den Bürgermeister von Schmitten wurde unter Salutschießen das Denkmal enthüllt, das von einem Frankfurter Künstler geschaffen und an passender Stelle postiert, in Gestalt eines Sanitäters, der in Begleitung seines Hundes einen schwer verwundeten Kameraden auffindet und aufrichtet, die Treue darstellt, wie sie inmitten des mörderischen Krieges unzählige Male geübt worden ist. 
Im Mittelpunkt der Feier standen die Reden der Geistlichen der drei Bekenntnisse. Der katholische Pfarrer sprach von dem Widersinn, durch blutigen Krieg dem eigenen Volke Beistand und Heil sichern zu wollen, der protestantische, ein ehemaliger Divisionspfarrer, betonte die Einigkeit, die draußen im Felde zwischen allen Ständen, zwischen Jude und Christ geherrscht habe und die uns jetzt wohl, da unser Volk unter dem Zusammenbruch so schwer zu leiden habe, doppelte nottue. Herr Rabbiner Dr. Salzberger aus Frankfurt am Main, ehemaliger Feldrabbiner, ergriff das Wort, um nicht nur des einen Kameraden, der unter den 38 auf der Ehrentafel des Denkmals verzeichnetem Gefallenen sich befand, sondern auch der 12.000 anderen Juden, die im Kampfe fürs Vaterland ihr Leben gelassen haben. Der Redner betonte, dass in diesen Tagen, wo die Völker am Werke sind, einen dauernden Frieden untereinander aufzurichten, wir Deutsche aufs Eindringlichste uns daran mahnen lassen müssten, dass nur ein Friede im Inneren unseres Volkes ihm auch den Frieden nach außen verbürge."    

  
Schilder "Juden sind hier nicht erwünscht" werden am Ort angebracht - selbstkritische (!) Reaktion der Zeitschrift "Der Israelit" (1934)
   

Schmitten Israelit 25101934.jpg (89226 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 25. Oktober 1934: "Wo Juden erwünscht und nicht erwünscht sind.... Im 'Kreisblatt für den Kreis Usingen' lesen wir in einem Berichte aus Schmitten im Taunus: 'Da unser Kurort im vergangenen Sommer von jüdischen Kurgästen in nicht erwünschtem Maße besucht worden ist, hat man jetzt an den Ortseingängen Schilder angebracht, die die Inschrift tragen: 'Juden sind hier nicht erwünscht'. Davon verspricht man sich eine gute Wirkung für das nächste Jahr.'   Wir wollen gegen die Maßnahme der Gemeinde Schmitten, die nicht einzig dasteht, nicht polemisieren, wollen nicht prüfen, ob solche lokalen Verordnungen im Einklang mit den Kommunalgesetzen, die bei aller Wahrung der Gemeindeautonomie doch diese in den breiten Rahmen der vom Staate gehüteten Reichsverfassung stellen, stehen oder nicht. Man kann und darf keinen zur Liebe zwingen; jeder, der einigermaßen auf Selbstachtung hält, wird einen Platz, wo er nicht erwünscht ist, meiden, gleichviel, ob die Abneigung und Ablehnung   
Schmitten Israelit 25101934a.jpg (307988 Byte)rechtlich und menschlich begründet ist oder nicht.   
So wäre über diesen Kasus an sich kein Wort zu verlieren, handelt es sich nicht gerade um einen Platz, mit dem in letzterer Zeit die jüdischen Redaktionen, und nicht zuletzt die unsrige, schon vielfach in unerfreulicher Weise befasst wurde. Siebzig Prozent von den jüdischen Kurgästen, die im letzten Sommer diesen beliebten Taunusluftkurort aufsuchten, sollen in nichtjüdischen Hotels und Restaurationen gewohnt und gespeist haben, obwohl ein jüdisches Hotel mit anerkannt guter Verpflegung am Platze ist. Neu mutet diese Wahrnehmung nicht an. Man erlebte früher schon ähnliches in Bad Brückenau, wo zwei vortrefflich geleitete jüdische Hotels den jüdischen Gästen allen Komfort und alle Annehmlichkeiten eines modernen Betriebes und jüdischen Milieus bieten. Der jüdische Hotelier auf Norderney hatte am Pessachfeste und um die Osterzeit vorigen Jahres von 200 jüdischen Gästen, die noch kurz vor Toresschluss (der völligen Sperre für Juden) dort die Strandfreuden genossen, sage und schreibe fünf Gäste in seinem Hause. Ein altes trauriges Kapitel, über das schon oft genug an dieser und an leitender Stelle unsere Blattes geschrieben worden ist. Etwas krasser liegt aber der Fall Schmitten deswegen, weil dort, wie uns von absolut zuverlässiger Seite verbürgt wird, diesen Sommer auch geistige Führer, auch Religionsbeamte großer Gemeinden an sichtbarer Stelle, in nichtjüdischen Häusern wohnten und unrituell lebten. In den uns zugegangenen Zuschriften wird ein Herr genannt, der früher lange Jahre am Vorbeterpulte einer frommen Synagoge gestanden hat und wohl mit dem Ausscheiden aus dem Amte auch eine Lösung von Gott und seinem Gesetze vollzogen hat.  
Ein anderer Herr in führender Stellung, der heute noch gelegentlich die Kanzel bedient, erachtet es für seine eigene Person nicht einmal für nötig, in den Wochen der Erholung das kleine Opfer der Mehrkosten für die rituelle Verpflegung auf sich zu nehmen. Wir brachten diese Mitteilungen seinerzeit nicht, weil wir sie erst auf ihren Wahrheitsgehalt prüfen wollten, und als dieses, sehr zu Ungunsten der Beschuldigten, geschehen, uns die Sache inzwischen mit dem Saisonschluss und dem Herbstbeginn überholt schien. Nun aber kommt die Warnungstafel von Schmitten und legte uns doch die Pflicht auf, zu reden.    
Seltenwo erfüllte sich das Wort des Sündenbekenntnisses so buchstäblich wie in diesem Falle: 'Über Bord geworfen haben wir Deine Gebote und Satzungen, die köstlichen, und genützt hat es uns nichts!' Und man wäre dabei sogar geneigt, verstehend an die Fortsetzung des Gebetes zu denken: 'Du aber bist gerecht über allem, was über uns gekommen ist' (nach Nehemia 9,33). Dass die Großzahl der Unschuldigen darunter zu leiden hat, dass beispielsweise das Schächtverbot diejenigen unter uns am wenigsten tritt, die es durch ihren Treuebruch diesem Gebote gegenüber verschuldet haben, ist jüdisches Schicksal, seitdem uns in Verbindung mit den Fluchgeschicken des Galuths (= Diaspora) das Wort geworden ist: 'Und sie stürzen übereinander' (3. Mose 26,37).     
Trotz aller Anbiederung, aller Anpassung, aller Anschmiegung unter Preisgabe des Eigenen und Heiligsten jenes 'Unerwünscht'! Trotz? Nein, gerade wegen und infolge jenes würdelosen Benehmens, wegen jener Abkehr vom jüdischen Kreise und jüdischen Gesetze und der Abirrung auf 'fremde Weinberge', die als Zudringlichkeit empfunden und - wenn die Konjunktur vorbei ist - auch mit Schildern geahndet wird. Tafeln gegen Tafeln: Warnungstafeln anstelle der zerbrochenen Gesetzestafeln! Blieben die jüdischen Gäste da, wo sie hingehören, da wo sie sehnlich erwünscht sind - von Restaurateuren, die bei aller Tüchtigkeit und Sachkenntnis schwer um ihre Existenz zu ringen haben; suchten sie in den Tagen der körperlichen Erholung auch die geistige Erholung unter Menschen eigener Art, die nicht allein eine Tisch-, sondern auch eine geistige Gemeinschaft bilden, keine Behörde würde auf den Gedanken kommen, ihnen das Anrecht auf Luft und Licht und Erholung streitig zu machen. Hier wäre Absonderung wahres Gemeinschaftsleben und viel Ärgernis und schmerzliche Zurücksetzung bliebe uns erspart.   
Die neueste Warnungstafel vor Schmitten möge uns eine Warnung in höherem Sinne sein, möge uns alle Warnungen und Mahnungen der Propheten in Erinnerung rufe, da zu bleiben, wo wir hingehören und erwünscht sind."       

   
Schilder "Juden sind hier nicht erwünscht" wurden von nichtjüdischen Personen zerstört und werden wieder angebracht (1935)

Schmitten Israelit 24011935.jpg (46712 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 24. Januar 1935: "Die Schiilder bleiben
Der bekannte Ausflugsort Schmitten im Taunus hatte, wie früher berichtet, an den Ortseingängen Schilder mit der Inschrift 'Juden sind hier nicht erwünscht' anbringen lassen. In einem Bericht des 'Völkischen Beobachters' wird beanstandet, 'dass es noch sogenannte deutsche Volksgenossen gibt, die sich bemüßigt fühlen, gegen den gesunden Instinkt der Bevölkerung anzugehen und den Versuch zu machen, die angebrachten Schilder zu zerstören.' Die Schilder seien erneuert worden. Schmitten wünsche keine Juden und danach habe sich jeder zu richten."  

    
    
Berichte zu einzelnen Personen aus der Gemeinde  
Zum Tod von Hermann Strauss, Inhaber des Hotels Strauss (1926)     

Schmitten Israelit 04031926.jpg (135542 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 4. März 1926: "Schmitten im Taunus, 1. März (1926). Am Samstag verstarb nach kurzer Krankheit der allbekannte Restaurateur des jüdischen Hotels in Schmitten, Hermann Strauß, im Alter von 73 Jahren. Die Kunde vom Tode dieses braven, prächtigen Menschen und echten Jehudi wird bei vielen, die des öfteren gern unter dem schützenden Dache Vater Strauß' ihre Erholung genossen, Bestürzung und Teilnahme auslösen. Vater des Hauses war Strauß, nicht nur Restaurateur im gewöhnlichen Sinne des Wortes und lieber Freund all seinen Gästen, denen die Tage der Erholung so angenehm wie nur möglich zu machen ihm keine geschäftliche Angelegenheit, sondern Herzenssache war. Dabei war er ein echter Jehudi von altem Schrot und Korn, der auch die Kehilla (= jüdische Gemeinde in Schotten) zusammenhielt. Er war es, der in der kleinen Gemeinde für Minjan (Zehnzahl der jüdischen Männer zum Gottesdienst) sorgte, Koscherfleisch beschaffte, und lange Jahre hindurch stand er in der lehrerlosen kleinen Gemeinde am Vorbeterpulte, sofern keine Auswärtigen oder gar Frankfurter da waren, von denen er wusste, dass sie es besser konnten. Gemeinsam mit seiner ebenso gearteten Frau, die ihm vor drei Jahren in den Tod vorausgegangen ist, erzog er seine Kinder in gleichem Sinne, und von diesem Geiste der Frömmigkeit, der Tüchtigkeit und der Arbeitsfreude, nicht zuletzt der warmen jüdischen Gastfreundschaft, wird das Haus, jetzt von Sohn und Tochter geleitet, noch weiter beseelt sein. Die Bestattung fand Montag auf dem Friedhof zu Schmitten statt. Söhne, Töchter und Schwiegersöhne mitsamt vier Enkelkindern, die alle im Geiste des Vaters und Großvaters wandeln, umstanden trauernd die Bahre. Möge ihnen allen Trost werden. Seine Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens. 

       
       
Anzeigen jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen   
Werbeanzeigen des Hotels Strauss (1906 / 1907 / 1924 / 1928)

Schmitten Frf IsrFambl 25051906.jpg (48980 Byte)Anzeige im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 25. Mai 1906
"Streng Koscher - Neu eröffnet! - Streng Koscher.   
Hotel-Restaurant Strauss  Schmitten im Taunus, bei Bad Homburg v.d.H.  
Streng rituelle Küche; schöne modern möblierte Zimmer. Elektrisches Licht und Bäder im Hause. Mäßige Preis. Saisonbeginn 1. Mai. 
Alles Nähere durch den Besitzer Hermann Strauss."     
  
Schmitten FrfIsrFambl 19041907.jpg (38448 Byte)Anzeige im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt vom 19. April 1907
"Kurort Schmitten im Taunus. Restaurant Strauss (unter Aufsicht.) 
- Eröffnung: 1. Mai dieses Jahres".    
    
Schmitten Israelit 07081924.jpg (40299 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 7. August 1924
"Höhenluftkurort Schmitten im Taunus (unbesetztes Gebiet). 
Hotel und Pension Strauss
 
unter Aufsicht Seiner Ehrwürden Herrn Rabbiner Dr. Hofmann, Frankfurt am Main. 
Erstklassige Verpflegung. Pensionspreis ohne Zimmer Mark 4.50"
  
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 20. September 1928
"Hotel und Pension Strauss. Schmitten im Taunus. Unter Aufsicht Seiner Ehrwürden Herrn Rabbiner Dr. Hoffmann, Frankfurt am Main. Angenehmer Feiertags-Aufenthalt. Große Sukkoh (= Laubhütte). Anmeldungen frühzeitig erbeten."    
Anmerkung: die Ausschreibung von 1928 erschien kurz vor dem Laubhüttenfest, daher die Werbung für den angenehmen Feiertags-Aufenthalt und der Hinweis auf die vorhandene große Laubhütte.

        
Heirat von Josef Strauss und Bertha Strauss (1924)

Schmitten Israelit 25121924.jpg (25363 Byte)Heiratsanzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 25. Dezember 1924: 
"Statt Karten.  Josef Strauss  - Bertha Strauss  - Vermählte. Schmitten im Taunus - Hamburg. 
Trauung: Sonntag, den 28. Dezember, 2 Uhr, Hotel Braunschweig, Bad Homburg v.d.H."

   
Wohnung zu vermieten (1928)   

Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 19. Juli 1928: 
"Prachtvolle am Walde gelegene Wohnung
2 oder 3 Zimmer, Küche, Balkon für israelitischen Haushalt besonders geeignet, per August zu vermieten. 
Hegemeister Jung Schmitten (Taunus)."  

      
      
     
 
Zur Geschichte der Synagoge               
      
Zunächst war ein einfacher Betsaal ("gewöhnliche Wohnstube" siehe Bericht unten) in einem der jüdischen Wohnhäuser vorhanden. 1843/44 konnte von den damals fünf jüdischen Familien eine kleine Synagoge erbaut werden. Sie wurde am 15. November 1844 feierlich eingeweiht. Im "Usinger Taunusboten" vom 23. November 1844 wird berichtet: "Am Freitag, den 15.d.M. um 2 Uhr nachmittags versammelte sich in der alten Synagoge, einer gewöhnlichen Wohnstube, die israelitische Gemeinde mit ihren Freunden und Bekannten von Usingen, Homburg, Wehrheim, Anspach, Laufenselden und Steinfischbach zum Überzuge in die neue Synagoge. Der festliche Zug zur neuen Synagoge war in folgender Ordnung: An der Spitze gingen die festlich gekleideten Handwerksleute, diesen folgten vier Knaben mit Fahnen der Landesfarben, hierauf kam die Musik mit den israelitischen Sängern, an welche sich die zwei ältesten Männer der Gemeinde mit den Gesetzrollen unter einem von vier Männern getragenen Baldachin reihten, hieran schloss sich der mit der Einweihung beauftragte Religionslehrer, Herr Emden, begleitet von Herrn Pfarrer Hannappel zu Reifenberg und dem Herzoglichen Schultheißen Eifert zu Schmitten an, dann der Vorsteher und Rechner der israelitischen Gemeinde auf einer großartigen Tafel ein biblisches Gebet für den Landesvater tragend, über welches kunstreich zwei Löwen eine Krone hielten; zuletzt folgten die Männer und die Frauen weiß gekleidet und schlossen den Zug." Am Samstag abend, dem 16. November 1844 schloss sich an die Synagogeneinweihung (nach Schabbatende) ein Tanzabend an, "wo sich die ganze Gemeinde Schmitten belustigte und das Fest in schönster Eintracht beschlossen wurde". 
    
Die Synagoge stand auf einem 111 m² umfassenden Grundstück am Eingang zur Wiegerstraße. Die bebaute Fläche betrug etwa 55 m (7,6 x 7,2 m) bei einer Firsthöhe von 8 m. In der Synagoge hatte es Platz für 52 Männer und 24 Frauen (auf einer Empore). Die relativ große Zahl der Plätze in der Synagoge war im Blick auf regelmäßig nach Schmitten kommende Gäste aus der Umgebung, vor allem auch Kurgäste aus dem Frankfurter Raum vorgesehen. Der Erhalt der Synagoge war nach unten stehendem Bericht auch weiterhin stark auf die "Güte Frankfurter Herren" angewiesen. Möglicherweise ist die Synagoge teilweise bereits auf Grund von Spenden durch jüdische Kurgäste erstellt worden.
     
Tatsächlich kamen in den Jahren bis zur NS-Zeit in den Sommermonaten zahlreiche jüdische Kurgäste nach Schmitten, zumal sie hier das hervorragende, streng koscher geführte und damit auch für orthodoxe Juden geeignete Kurhotel der Familie Strauss vorfanden. Im Hotel selbst gab es für die Kurgäste einen Betsaal, doch traf man sich zu den Schabbat- und Feiertagsgottesdienste in der Synagoge der Gemeinde. In der orthodoxen Zeitschrift "Der Israelit" liegt ein Bericht von der Feier des "Schabbos Nachmu" in der Synagoge in Schmitten vor. Bei diesem Schabbos = Schabbat handelt es sich um den Schabbat nach dem 9. Av (Tischa be'Av, Trauertag zum Gedenken an die Zerstörung des Tempels in Jerusalem). An ihm werden die Trostworte aus Jesaja 40 gelesen: "Nachmu, nachmu ami" ("tröstet, tröstet mein Volk...").    

Schmitten Israelit 08091921.JPG (147211 Byte)"Schabbos Nachmu in Schmitten (Taunus). Von R. Bachrach in Kreuznach. 
Entflohen dem Staub der Straße, dem Trubel und Getöse der Massen, dem Hasten und Jagen des Marktes haben wir uns gerettet in die "ir miklot" ("Asylstadt") Schmitten (Taunus). Hier läutet keine Elektrische, ertönt kein Pfiff der Lokomotive; hier ist keine Beobachtungsstation für das Fallen und Steigen unserer papiernen Mark! - 
O könnten wir in dieser waldumrauschten 'ir miklot' verweilen 'ad maus hakohen hagodaul' (bis zur Ankunft des Hohenpriesters). Hier könnten die Nerven gesunden; hier könnten Körper und Geist wiedererlangen die alte Spannkraft, die, ach, so bitternotwendig ist im Kampf ums Dasein da draußen in der Welt. - Deine dunklen Wälder, deine saftigen Wiesen, deine himmelanstrebenden Berge, dein murmelndes Bächlein machen Dich zum Paradies, o Schmitten! Nur die Wespen erinnern zuweilen mahnend, dass auf der Erde man sich befinde. Doch auch sie, denen der Allgütige eine Mission übertragen, wären nicht so häufig vorhanden, wenn der delikate Schabbos Nachmu-Kuchen sie nicht gelockt hätte. Wer kann es der Wespe verargen, dass auch sie - wie jeder andere - die 'Konjunktur' ausnutzt? - -
Die Sonne, die 'wie ein Held ihre Bahn durchläuft', mild lächelnd tagsüber schaut auf die in der Hängematte, auf der grünen Wiese, auf weichem Moose Ruhenden, nähert sich dem westlichen Horizonte. Sabbatnähe. - Hasten und Rennen in Zimmern und auf den Gängen. Es gilt, die letzten Vorbereitungen zu treffen, sich zu schmücken zum Empfange der 'Braut' Israels.
Das 'Schülchen' (Synagoge) in Schmitten, außen und innen (durch die Güte Frankfurter Herren) würdig gehalten, mit elektrischer Beleuchtung versehen, fasst kaum die Beterschar. Unter ihnen verschwindet die Kehilloh (jüdische Gemeinde, gemeint von Schmitten selbst), die wie die Sederschüssel nur einen Kohen, einen Lewi und einen Jisrael aufweist, gänzlich. Ist daher die Saison vorüber, so muss das heute auf seine Beterschar so stolze Schülchen einsam als Männlein im Walde  
Schmitten Israelit 08091921a.jpg (161846 Byte)dastehen, bis die Schwalben wiederkommen und mit ihnen die Kurgäste... 
Ein Kantor aus Hamburg lässt seine Stimme erschallen. Mächtig antwortet ihm die Beterschar 'lecho dodi likras kaloh' (das Schabbatlied zum Empfang des Schabbat, auch Lecha Dodi). Es ist ein Lecho dodi des Altmeisters Japhet - das Gedenken an den Gerechten ist zum Segen - (Erinnerung an den Komponisten synagogaler Melodien Israel Meier Japhet, gest. 1892 in Frankfurt). Kein Wunder, dass er ganz besonders feurig und mit Begeisterung erklingt. Oben in der Frauenabteilung befindet sich eine Enkelin (eine liebenswürdige Dame aus Frankfurt) des so beliebten Komponisten. 
Schabbos Nachmu-Stimmung... Im Restaurant liegen vor dem Teller jedes Mannes die 'beiden Brote', steht der Wein. Einer nach dem andern macht Kiddusch; er fühlt neben seiner Esches chajil (tüchtigen Frau) sitzend, sich zu Hause im trauten Heim... 
Der Schir hammalaus nach dem Mahle erklingt freudig aus allen Speiseräumen von 3-4 Partien, in den verschiedensten Melodien, auch zionistischer. An unserem Tische wird ein Japhetscher (d.h. nach einer Melodie des oben genannten Israel Meier Japhet) gesungen.
Im Morgengottesdienst leient ein Hamburger Rechtsanwalt in einer Weise, wie es wohl korrekter und schöner nicht geschehen kann. Das 'Nachmu, nachmu ammi!' (tröstet, tröstet mein Volk!') klingt froh und verheißungsvoll... Ja wir bedürfen in dieser bösen Zeit des doppelten Trostes. Der Herr wird ihn uns zuteil werden lassen; er wird uns 'nahe sein', allezeit, wenn nur wir ihn 'anrufen in Wahrheit!' - 
Der Regen tagsüber vermag keine trübe Stimmung aufkommen zu lassen: Ach, er ist ja für die dürstende Natur gar so sehr 'b'itto' (zur rechten Zeit), und es ist ja 'Schabbos nachmu', auf Regen folgt Sonnenschein. 
Minchohgottesdienst (Nachmittagsgottesdienst) wird in tadelloser Weise von einem Frankfurter Kaufmann abgehalten. 'Doch der schöne Tag verrinnet'... Der Sabbatausgang-Gottesdienst vereint alle Gäste in den Sälen, die Frauen füllen die Gänge.... 'Die Kerze knistert und verlischt.' In mächtigem Chor erschallt der Schlussgesang 'Schir hammalaus' zum nächtlichen Himmel empor... 
Der Werktag hat begonnen. Wieder ertönt das Klavier, Weschomru, Kol nidre werden intoniert, aber auch manch klassisches Musikstück, manch fröhlich Lied erfreut das Ihr der dankbaren Zuhörer...  Nachmu, nachmu ammi! - Tröstet, tröstet mein Volk. - Noch ist Israel nicht verwaist. Noch gibt es Männer und Frauen, die treu zur Tora stehen. Noch gibt es Orte, von denen wie von Zion 'die Tora ausgeht'...
O schöner Schabbos nachmu in Schmitten!" 

Beim Novemberpogrom 1938 wurde die Inneneinrichtung der Synagoge zerstört, obwohl schon mehrere Jahre kein Gottesdienst mehr in dem Gebäude stattfand. Am 24. September 1939 wurde es für 200 RM von der politischen Gemeinde Schmitten gekauft und einige Wochen später für 600 RM an Privatpersonen weiterverkauft. Von diesen wurde es als Lager und Garage benutzt. Im Zusammenhang mit dem Restitutionsverfahren der JRSO (Jüdische Vermögensverwaltung) wurde auf Grund der Zerstörungen beim Novemberpogrom eine Entschädigung bezahlt. 
   
1990 erfolgte ein erneuter Besitzerwechsel. Der neue Eigentümer (Inhaber des benachbarten Hotels) plante den Abbruch der sich in baulichem sehr schlechtem Zustand befindlichen ehemaligen Synagoge, was zunächst nicht möglich war, da das Gebäude unter Denkmalschutz stand. Da das Fachwerkhaus nach Expertenmeinung aber nicht mehr renovierungsfähig war, wurde es am 8. Juli 1995 abgebrochen. An seiner Stelle erinnert seit dem 15. Juli 1996 ein Mahnmal an die frühere jüdische Gemeinde und die Synagoge. 

Schmitten PA 04.jpg (116535 Byte)Artikel in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" vom 16. Juni 1996: 
"Erinnerung an ermordete Bürger. Bronzetafel bei früherer Schmittener Synagoge enthüllt. 
Schmitten.
In Anwesenheit des Landesrabbiners Chaim Lipschitz und des Botschaftsbeamten Dan Shaham wurde gestern in Schmitten auf dem Grundstück der einstigen Synagoge an der Wiegerstraße eine Bronzetafel enthüllt. Die Inschrift lautet: 'Zum Gedenken an die Jüdische Gemeinde Schmitten. An diesem Platz stand die am 15. November 1844 eingeweihte Synagoge. Sie wurde am 9. November 1938 von den Nationalsozialisten geschändet. Dieses Mahnmal erinnert an die verfolgten und ermordeten jüdischen Bürgerinnen und Bürger.'
Vom ursprünglichen Bau waren nach mehrfacher Veränderung zuletzt nur noch so spärliche Spuren vorhanden, dass sich eine Rekonstruktion darauf nicht hätte stützen können. Die Gedenkstätte, sagte Landrat Banzer (CDU) solle statt dessen die heuten Lebenden an das Schicksal ihrer einstigen Mitbürger erinnern, zugleich an ihre Verantwortung, die Wiederholung solcher Gräuel unmöglich zu machen. 
Landesrabbiner Chaim Lipschitz, der das Totengebet sang, begründete die persönliche Verantwortung eines jeden mit den Worten der Bibel: 'Kain, wo ist dein Bruder Abel?' Die Botschaft vom Blut des Erschlagenen, das zum Himmel schreit, stehe im hebräischen Urtext als Plural. Das Blut eines jeden Menschen sei 'das Blut meines Bruders'.
Für den Hochtaunuskreis, der die Gedenkstätte herrichten ließ, fügte sich die Enthüllung in den Besuch von 15 jungen Israelis aus dem Partnerdistrikt Gilboa. Dan Shahan von der israelischen Botschaft wandte sich an die jungen Landsleute, hier würden sie Zeugen dessen, was einst passierte, zugleich Zeugen eines neuen Deutschland und einer neuen Generation. Er, Shahan, freue sich immer, wenn er jungen Deutschen begegne, die die Verantwortung aufrechterhielten. 
Der Schmittener Bürgermeister Josef Braun (parteilos) berichtete von vielen Fragen vor allem jüngerer Menschen, die ihm im Zusammenhang mit der Gedenkstätte gestellt worden seien. Auch die ältere Generation werde nachdenklich, was noch an Erinnerung übrig sei an die ehemaligen jüdischen Bürger außer dem Judenfriedhof mit den Namen der Hess, Löwenstein, Rosenberg oder Strauß. Durch nationalsozialistische Bedrängnis und Auswanderung sei die jüdische Gemeinde schon 19376 bis auf eine einzige vierköpfige Familie aus Schmitten verschwunden gewesen. 
Die jüdische Kultusgemeinde Schmitten war immer recht klein, hat die Historiker Erhard Bus in Erfahrung gebracht, den der Hochtaunuskreis mit Nachforschungen zur Geschichte der Synagoge beauftragte. Von 1880 bis zur Machtergreifung der Nationalsozialisten zählte die Gemeinde nie mehr als 25 bis 30 Personen. Die ehemalige Synagoge, ein eingeschossiger Fachwerkbau mit Schieferdach, 1844 geweiht, verfügte über Bänke aus Tannenholz. Als die Inneneinrichtung in der Reichspogromnacht zerstört wurde, war die Synagoge bereits geschlossen. Was damals mit den Kultgegenständen geschehen ist, ob sie geschändet wurden oder ob abwandernde Juden sie vorher schon mitgenommen hatten, ließ sich nicht mehr aufklären."  

   
   
Adresse/Standort der SynagogeWiegerstraße 1 (vormals Synagogenstraße)  
   
    
Pläne/Fotos
(Quelle: Grundrisse aus Bus s. Lit. S. 219; sw-Fotos von 1985 aus Altaras s. Lit. 1988 S. 144)

Schmitten Synagoge 120.jpg (103282 Byte) Schmitten Synagoge 121.jpg (103278 Byte)  
Grundriss des Erdgeschosses mit 
52 eingezeichneten Männerplätzen  
Grundriss auf Höhe der Empore mit 
24 eingezeichneten Frauenplätzen
 
     
Schmitten Synagoge 120.jpg (84552 Byte) Schmitten Synagoge 121.jpg (87995 Byte)  
Die ehemalige Synagoge in Schmitten, Ansicht von der Wiegerstraße 
(September 1985)  
Die ehemalige Synagoge von Osten gesehen. Es sind Spuren
 von zwei ehemaligen hohen Rundbogenfenster erkennbar.  
 
        
Neue Fotos des Grundstückes mit dem Mahnmal werden noch ergänzt; 
über Zusendungen freut sich der Webmaster von Alemannia Judaica, Adresse siehe Eingangsseite.
 

     
     
Erinnerungsarbeit vor Ort - einzelne Berichte 

Oktober 2009: Führung auf den Spuren der jüdischen Geschichte in Schmitten  
Pressemitteilung in "Usinger Land extra" (Artikel) vom 2. Oktober 2009: "Führung zu den jüdischen Stätten
Schmitten.
Am Sonntag, 4. Oktober, um 14 Uhr, begibt sich der Schmittener Geschichtsverein Hochtaunus auf die Spuren der ehemaligen jüdischen Gemeinde in Schmitten..."    
    
November 2009: Diskussions- und Informationsabend zur jüdischen Geschichte in Schmitten und zu den "Stolpersteinen"  
Artikel im "Usinger Anzeiger" vom 11. November 2009 (Artikel): 
"Stolpersteine und jüdisches Leben
SCHMITTEN - Diskussionsabend zum 9. November 1938 in Schmitten.
 
(mg). Am 12. Oktober wurden in Schmitten vor dem Haus Seelenberger Straße 10 zum Gedenken an die Judenverfolgung drei Stolpersteine des Künstlers Gunter Demnig verlegt. Nicht ganz ohne Kritik der Anwohner, die Schmierereien an der Hauswand befürchteten und Ängste vor Rechtsradikalen äußerten. Zudem hätten diese sich vor der Aktion gewünscht, angehört zu werden. Doch für einen anderen Termin konnte Demnig nicht verpflichtet werden und zu diesem Zeitpunkt hatte der Schmittener Gemeindevorstand bereits die Verlegung beschlossen..."    
  
November 2019: Gedenkstunde zur Erinnerung an die Einweihung der Synagoge Schmitten 1844   
Artikel im "Usinger Anzeiger" vom November 2019: " Gedenken an Synagoge in Schmitten
Vor 175 Jahren wurde die Einweihung der Synagoge in Schmitten gefeiert. Am 15. November wird bei einer Gedenkfeier vor Ort daran erinnert.
SCHMITTEN
- Am 15. November findet um 15 Uhr eine Gedenkfeier "175 Jahre Synagoge in Schmitten" statt. Vor 175 Jahren wurde am 15. November 1844 in Schmitten Einweihung der jüdischen Synagoge gefeiert. Die damals lebendige jüdische Gemeinde füllte die Synagoge viele Jahrzehnte zusammen mit Kurgästen aus Frankfurt und ganz Deutschland mit Leben. Die jüdische Gemeinde selbst bestand 1843 aus 27 und 1890 aus 20 Personen. In den 1920er Jahren schloss sich die jüdische Gemeinde mit der aus Usingen zusammen. Nachdem um 1930 einige jüdische Familien Schmitten verlassen hatten, wurden keine Veranstaltungen mehr dort gefeiert. 1937 wohnte nur noch eine vierköpfige jüdische Familie in Schmitten. Am 9. November 1938 wurde auch die Synagoge in Schmitten durch die Nazis geschändet. 1945 hatten die Nationalsozialisten alle Juden Schmittens ermordet. Die Synagoge wurde für 200 Reichsmark von der Gemeinde erworben und für 600 Reichsmark einem Privatmann verkauft.
Nach wechselvollen Jahren, in denen das Gebäude verkauft und unterschiedlich genutzt wurde, musste es schließlich 1995 abgerissen werden. Trotz Denkmalschutz war es nicht mehr zu restaurieren. Eine Gedenktafel vor Ort erinnert an den Standort am Anfang der Wiegerstraße. Zum 175. Jahrestag der Einweihung wird dort in der Wiegerstraße hinter dem Hotel Ochs eine Gedenkfeier gestaltet von Vertretern des Geschichtsvereins und der drei ökumenischen Kirchen Schmittens. Die Veranstaltung ist öffentlich, es wird herzlich dazu eingeladen."
Link zum Artikel   
Artikel von "asy" im "Usinger Anzeiger" vom 18. November 2019: " Schmittener Juden: Einen steinernen Weg gegangen.
1844 wurde in Schmitten die jüdische Synagoge eingeweiht, an deren Errichtung man sich am vergangenen Freitag erinnerte. Knapp 100 Jahre später wurde die jüdische Bevölkerung auch in Schmitten Opfer der Verfolgung.
SCHMITTEN
- Während am vergangenen Freitagnachmittag ein paar Vögel von den Dächern zwitscherten und der Himmel hellblau strahlte, fand sich vor der Gedenktafel der ehemaligen Synagoge in Schmitten eine kleine Menschenmenge zusammen, um der Einweihung 175 Jahre zuvor am 15. November 1844 zu gedenken. Eine kleine weiße Laterne war aufgestellt worden, in der eine Kerze flackerte. In der Luft hing nur ein leises, andächtiges Raunen, da die Gedenkfeier, zu der Vertreter des Geschichtsvereins Hochtaunus und die drei ökumenischen Kirchengemeinden in Schmitten geladen hatten, auch an die schrecklichen Taten zur Zeit des Nationalsozialismus erinnern sollte. Denn wo vor 175 Jahren die gesamte Gemeinde Schmitten in Eintracht die Einweihung der Synagoge mit einem rauschenden Fest gefeiert hatte, sollte sich 90 Jahre später ein ganz anderes Bild abzeichnen. '1844, das war zur Zeit der jüdischen Emanzipation' trug Wolfgang Breese, Vertreter des Geschichtsvereins, vor. Denn leicht hatten es die jüdischen Glaubensvertreter nie. Schon immer hatten sie gesonderte Abgaben und Zölle zahlen müssen und waren aufgrund ihrer Religion vor dem Gesetz keineswegs gleichgestellt. Nachdem bereits zu Beginn der 1930er Jahre einige Mitglieder der jüdischen Gemeinde verzogen oder emigriert waren, wurde die Synagoge nicht mehr genutzt. In der Reichspogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 wurde die Inneneinrichtung des Gebäudes zerstört, das 1995 aufgrund seines Zustandes abgerissen werden musste. Doch schon vor dieser Nacht wurde der kleinen Glaubensgemeinschaft, die bereits seit fünf Generationen in Schmitten lebte, deutlich gemacht, welche Geisteshaltung sich auch in der Schmittener Gemeinde breitgemacht hatte. Das Ortsschild war mit der Aufschrift 'Hier sind Juden unerwünscht' versehen und auch der Zugang zum Schwimmbad wurde ihnen verwehrt. An die Deportation und Ermordung der Familie Strauß erinnern noch heute die Stolpersteine, die vor dem ehemaligen Wohnhaus der Familie verlegt wurden. Dass solche Gedenkfeiern wichtiger denn je sind, das machten Pastorin Cornelia Trick, Pfarrer Paul Lawatsch und Rosemarie Fischer-Gudszus mit ihren mahnenden Worten deutlich."
Link zum Artikel  
 

     

   
Links und Literatur

Links:  

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Website der Gemeinde Schmitten  

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Website des Geschichtsvereins Hochtaunus e.V.  

bulletWebportal HS 010.jpg (66495 Byte)Webportal "Vor dem Holocaust" - Fotos zum jüdischen Alltagsleben in Hessen mit Fotos zur jüdischen Geschichte in Schmitten 

Literatur:  

bulletPaul Arnsberg: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang - Untergang - Neubeginn. 1971. Bd. II S. 281-282 und Bd. II S. 317-319 (innerhalb des Abschnittes zu Usingen).
bulletThea Altaras: Synagogen in Hessen. Was geschah seit 1945? 1988 S. 144-145.
bulletdies.: Das jüdische Rituelle Tauchbad und: Synagogen in Hessen. Was geschah seit 1945 Teil II. 1994. S. 133.
bulletdies.: Neubearbeitung der beiden Bände. 2007² S. 322-323.
bulletStudienkreis Deutscher Widerstand (Hg.): Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der Verfolgung 1933-1945. Hessen I Regierungsbezirk Darmstadt. 1995 S. 192.
bulletErhard Bus: Die Synagoge in Schmitten. Ein verschwundenes Gotteshaus im Usinger Land. In: Jahrbuch Hochtaunuskreis (hg. vom Hochtaunuskreis - Der Kreisausschuss. Bad Homburg vor der Höhe) 1997 S. 215-221.
bulletChronik des Hochtaunuskreises vom 01.10.1995 bis 30.09.1996 in: Jahrbuch Hochtaunuskreis (hg. vom Hochtaunuskreis - Der Kreisausschuss. Bad Homburg vor der Höhe) 1997. 

    
     n.e.

                   
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Stand: 15. Oktober 2013