In dem bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts zur Kurpfalz gehörenden
Sinsheim lebten Juden bereits im Mittelalter; möglicherweise kam es zur
Bildung einer Gemeinde. Quellen liegen für die Zeit Anfang des 14. bis Ende des
15. Jahrhunderts vor.
Die Entstehung der neuzeitlichen Gemeinde geht in das 18.
Jahrhundert zurück. 1705 waren zwei jüdische Familien in der Stadt, 1722 und 1743
waren es jeweils neun Familien. 1782 wurden 121 jüdische Personen gezählt.
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner
wie folgt: 1825 75 jüdische Einwohner (2,8 % von insgesamt 2.649), 1852 121
(4,2 % von 2.854), 1871 135, 1890 149, 1900 119 (4,0 % von 3.011), 1910 95 (2,9
% von 3.327).
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde eine Synagoge (s.u.), eine
Religionsschule, ein rituelles Bad und einen eigenen Friedhof.
Seit 1827 war Sinsheim Sitz eines
Rabbinatsbezirkes für etwa 20 Gemeinden der Umgebung (insbesondere Grombach,
Hoffenheim, Hüffenhardt,
Neckarbischofsheim, Waibstadt,
Neidenstein, Obergimpern,
Bad Rappenau, Rohrbach,
Siegelsbach, Steinsfurt,
Wollenberg). Auf die Stelle des
Bezirksrabbiners wurde David Geißmar ernannt (siehe unten). Seit 1875 übernahm der
Bezirksrabbiner von Heidelberg die Rabbinatsfunktionen in Sinsheim. Neben
dem Rabbiner gab es am Ort einen Religionslehrer, der zugleich als Vorbeter und
Schochet tätig war. Als Religionslehrer und Vorbeter sind bekannt (Angaben
unsicher, da sich mehrere Angaben bei W. Bauer s.Lit. mit den Presseartikeln
s.u. zu den Lehrern teilweise nicht in Übereinstimmung bringen lassen):
1790-1818 Wolff Heidenheimer, 1818 bis 1823 Jacob Link, 1823-1870 David
Gundelfinger, 1871 - vor 1885 Hermann Oppenheimer (?), bis 1885 kurzzeitig A.
Hubert, 1885-1890 Samuel Steinfeld (siehe Bericht unten), 1891-1896 (?) Moses Lippmann, 1896 -1926
Maier Rosenberger (zuvor in
Unteraltertheim), 1930-1934 Arthur Auerbach.
Im Ersten Weltkrieg fielen aus der jüdischen Gemeinde zwei junge
Männer, die beide Julius Weil hießen: Julius Weil (geb. 15.1.1888 in
Steinsfurt, gef. 14.5.1915) und Unteroffizier Julius Weil (geb. 28.7.1892 in
Weiler, gef. 12.7.1917). Außerdem ist gefallen: Samuel Strauß (geb. 31.5.1883
in Sinsheim, vor 1914 in Mannheim wohnhaft, gef. 9.3.1915).
Um 1924, als 72 Personen der jüdischen Gemeinde angehörten (2,2 % von
insgesamt etwa 3.400 Einwohnern), waren die Vorsteher der Gemeinde Moritz
Ledermann, Julius Beer, Josef Michel und Max Adler. An jüdischen Vereinen
gab es: den Israelitischen Wohltätigkeitsverein (1924 20 Mitglieder,
Leiter M. Ledermann), den Israelitischen Frauenverein (1912 20 Mitglied,
Leiterinnen Frau Bär und Frau Ledermann), den Talmud-Toraverein (1924 20
Mitglieder, Leiter Lehrer Rosenberger), den Verschönerungsverein (1924
20 Mitglieder, Leiter M. Ledermann) und den Begräbnisverein (1924 20
Mitglieder, Leiter M. Ledermann). 1932 waren die Vorsteher der Gemeinde
Gustav Bauer (1. Vors.), Julius Beer (2. Vor.), Moritz Ledermann (3. Vors.). Als
Lehrer und Kantor war inzwischen Arthur Auerbacher tätig (bis 1934; vgl.
unten). Er unterrichtete im
Schuljahr 1931/32 17 Kinder in Religion. Zur Gemeinde Sinsheim gehörten
inzwischen auch die noch in Rohrbach
lebenden jüdischen Personen (1932: 3).
Die im
Besitz jüdischer Familien befindlichen Gewerbebetriebe spielten eine wichtige
Rolle im wirtschaftlichen Leben der Stadt. An
ehemaligen, bis nach 1933 bestehenden Handels-
und Gewerbebetrieben
sind bekannt: Weinhandlung Max Adler (Muthstr.13, Initialen "MA" an Türsturz),
Hadernsortieranstalt Jacob und Julius Beer (Jahnstraße 9, abgebrochen),
Textilwarengeschäft Max Kohn (Hauptstraße 106, bis zur Deportation 1940),
Feinkost- und Lebensmittelgeschäft Gebr. Krell (Bahnhofstraße),
Landesproduktenhandlung Albert Ledermann (Freitagsgasse), Lebens- und
Futtermittelhandlung Ledermann (Ladestraße), Moritz Ledermann (Muthstraße 11,
bis zur Deportation 1940), Schreibwarengeschäft Gustav Münzesheimer (Hauptstraße),
Mehl- und Getreidehandlung Gebr. Oppenheimer (bis 1920, Bahnhofstraße 7), Bäckerei
Leopold Reinach (Hauptstraße), Textilwarengeschäft Max Scherer (Bahnhofstraße
23/25), Bäckerei Moritz Scherer (Hauptstraße 82), Manufakturwarengeschäft und
Auswandereragentur Abraham Seligmann (Hauptstraße 88, abgebrochen), Öl- und
Fetthandlung Julius Wertheimer (Weihergäßchen mit Lagerhalle in der Langen
Gasse).
1933 wurden noch 71 jüdische Einwohner in Sinsheim gezählt.
Durch die mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten einsetzende
Entrechtung, die Folgen des wirtschaftlichen Boykotts und die zunehmenden
Repressalien verließ alsbald ein Teil von ihnen die Stadt oder wanderte aus.
1935 wurde Juden das Zuzugsrecht nach Sinsheim untersagt. Die Teilnahme an
öffentlichen Veranstaltungen, Märkten, Versteigerungen usw. wurde verboten.
Sie durften keine Grundstücke mehr erwerben und erhielten keine
Gemeindeaufträge mehr. Bis 1938 kamen alle jüdischen Geschäfte zum Erliegen.
Emigrieren konnten in die USA 27 Personen, nach Palästina 5, Frankfurt 3,
Holland und England je 1. 1938 wohnten nur noch zwei jüdische Familien in der
Stadt. Beim Novemberpogrom 1938 wurde die Synagoge zerstört, später abgebrochen. Am 22. Oktober 1940 wurden die letzten sechs jüdischen Einwohner
Sinsheims in das KZ Gurs in SÜdfrankreich deportiert.
Von den in Sinsheim geborenen und/oder längere Zeit am Ort
wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Hermann Apfel (1854), Josef Apfel (1885), Arthur
Auerbacher (1898, Lehrer der Gemeinde, "Stolperstein" in
Weinheim), Herbert Auerbacher (1931,
"Stolperstein" in Weinheim), Jakob Auerbacher (1865),
Johanna Auerbacher geb. Freund (Frau von Lehrer Arthur Auerbacher;
"Stolperstein" in Weinheim), Selina Auerbacher (1897), Abraham
Bodenheimer (1873), Johanna Freund geb. Blum (1878), Dora Fuchs geb. Weil (1867), Adelheid
van Hessen geb. Weil (1894), Mathilde Hirsch (1872), Emilie Kohn geb. Blum
(1871), Max Kohn (1865), Alfred Krell (1897), Anne Krell geb. Kapustin (1907),
Moritz Ledermann (1865), Rosel (Rosa) Levy geb. Oppenheimer (1884), Jakob
Marx (1874), Sofie Meier geb. Rolland (1878), Hannchen Neu geb. Reinach (1882,
"Stolperstein" in Weinheim), Alfred
Oppenheimer (1882), Bertha
Oppenheimer geb. Münzesheimer (1874), Flora Oppenheimer geb. Beer (1895),
Julius Oppenheimer (1889), Luise Palm geb. Kohn (1897), Ella (Elly) Reinach (1885), Julius Reinach (1878),
Arthur Rosenberger (1904), Rosa Rosenberger geb. Wimpfheimer (1889), Johanna Rosenfeld (1870), Alice (Alisa) Scherer (1913), Josef Scherer (1906), Kurt Scherer (1908), Mathilde Scherer (1868), Regina Sommer (1898),
Alfred Strauss (1910), Martha Strauss geb. Odenheimer (1875), Adolf Weil (1879),
Julie Weil (1878), Hedwig Wertheimer geb. Ledermann (1901), Moritz Wimpfheimer
(1884), Therese Wimpfheimer geb. Würth (1855).
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 15. Februar 1840: "Frankfurt am Main, 17. Januar
(1840). Das hiesige deutsche Journal gibt folgenden Artikel: 'Sinsheim.
Im Monat Mai vorigen Jahres haben sich, durch Anregung des hochwürdigen
Herrn Bezirks-Rabbinen Geismar dahier, sämtliche Lehrer und
Vorsänger im diesseitigen Rabbinate vereinigt: sich gegenseitig nach
Kräften zu unterstützen, um tüchtig zu werden, den religiösen Gesang
in Schulen sowohl, als auch in Synagogen auszuführen. Die Wichtigkeit und
die wohltätigen Folgen eines solchen Vereins erkennend, zeigt auch jedes
Mitglied den regesten Eifer, und ein unermüdetes Streben nach
Vervollkommnung im Musikalischen; schon bei der ersten Zusammenkunft am 7.
November vorigen Jahres wurden in der Synagoge dahier (sc- Sinsheim)
mehrere Stücke jüdischer Ritualgesänge wohlgelungen ausgeführt.
Das rege Streben und Mühen der Herrn Lehrer und Vorsänger in der
Ausbildung der Musik sowohl, als auch die wiederholt stattgefundenen Filial-Zusammenkünfte,
wo auch jedes Mal die besseren Sänger aus den Schulen zugezogen wurden,
lassen erwarten, dass bei der nächsten General-Zusammenkunft am 20.
dieses Monats die ausgeschriebenen Choralgesänge mit dem besten Erfolg
ausgeführt werden! - Und gewiss kann bis Ostern in den Synagogen
diesseitigen Bezirkes der Choralgesang eingeführt werden, was auch der
allgemeine Wunsch der Gemeinden ist. Ehre und Ruhm, Dank und Anerkennung
unserem vielgeliebten, hochwürdigen Herrn Bezirks-Rabbinen Geismar,
dessen rastlose Tätigkeit in zeitgemäßen Anordnungen für die Jugend,
sowie für den Kultus im Allgemeinen als Vorbild dienen möge! -
G...r".
25-jähriges Ortsjubiläum des
Religionslehrers/Vorsängers D. Gundelfinger (1858)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 18. Oktober 1858:
"Aus Baden, im August (1858). Am Schabbat Ekew (31. Juli 1858)
waren es 25 Jahre, dass D. Gundelfinger, ein geborener Württemberger, bei
der Gemeinde Sinsheim als Religionslehrer und Vorsänger angestellt,
respektive aufgenommen wurde. Die Gemeinde ergriff diese Veranlassung um
ihrem gewissenhaften und beliebten Lehrer ein äußeres Zeichen ihrer
Liebe und Hochachtung zu geben. In dem israelitischen Gasthause 'zur
Pfalz' in Gegenwart der Schuljugend, der meisten Männer und Frauen der
Gemeinde überreichte an genanntem Sabbate der Synagogenrat mit einer
angemessenen Ansprache dem Gefeierten einen prächtigen silbernen Pokal.
Derselbe sprach mit Bezug auf Vers 1 des 111. Psalms in seiner Antwort
seinen Dank gegen Gott, gegen die Gemeinde aus mit näherer Bezeichnung
der Pflichten, Mühen und Beschwerlichkeiten eines Lehrers.
Wie in den jüngsten Jahren, prüfte auch dieses Jahr Herr Oberrat
Altmann, als landesherrlicher Kommissär, Schulen, und zwar die
öffentlichen auch im weltlichen Unterrichte. Es wäre zu wünschen, wenn
derselbe auf seinen Reisen auch anderen Gemeindeverhältnissen seine
Aufmerksamkeit schenkte, denn diese stehen nicht selten in den Händen von
indifferenten und egoistischen Vorständen und lassen gar Vieles zu
wünschen übrigen. Die meisten Herren Rabbinen, deren Feld dies
eigentlich ist, tun dann meistens nur etwas, wenn sie dazu angeregt werden
oder nicht ausweichen können.
Ein allgemeines Interesse namentlich in der Lehrerwelt Badens hat
gegenwärtig die in Ausführung zu bringende vom letzten Landtage
beschlossene Gehaltserhöhung derselben. Unterlehrer- und
Religionslehrer-Gehalte sollen von 140 Gulden zu 175 Gulden erhöht und
die Stellen der Hauptlehrer teils durch Gehaltserhöhen, teils durch
Personalzulagen und Liegenschaften aufgebessert werden."
Über die Wirksamkeit des Rabbiners David Jakob Geißmar (1867)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 13. November 1867:
"Sinsheim (Baden). Die großen Verdienste des würdigen,
hochgelehrten greisen Rabbiners Geißmar in Sinsheim um Schule und
Synagoge sind schon zum Öfteren in öffentlichen Blättern rühmlichst
erwähnt und anerkannt worden; und will man durch dieses nur auf die
gediegenen, lehrreichen und erbaulichen Vorträge, die dieser Rabbiner
bereits seit zwei Jahren jeden Sabbat abhält, aufmerksam machen und zur
Sprache bringen, wie diese Vorträge eine Fülle von Gelehrsamkeit
enthalten, erbauend und belehrend sind, sodass sie jedem der Anwesenden zu
kurz vorkommen. Es wäre zu wünschen, dass diese Vorträge durch den
Druck Verbreitung fänden. Möchte sich daher Herr Rabbiner Geißmar durch
diese Zeilen veranlasst sehen, diesem unserem Wunsche zu
entsprechen."
Foto
links (März 2010 erhalten von Renate Rosenau, Alzey): Grabstein im
jüdischen Friedhof in Alzey für
Bezirksrabbiner David Jacob Geißmar (Geissmar; geb. 1797 in Breisach, gest. 22.12.1879 in Alzey). David Geißmar hatte in Fürth
studiert und wurde 1823 Rabbiner in Breisach, ab etwa 1824 Rabbiner in
Eppingen, ab 1827 in Sinsheim. Er war mit Jette geb. Falkenau,
einer Tochter des Dajan Josua Moses Falkenau verheiratet (geb. 1799, gest.
1861).
Aus der Ehe gingen mindestens acht Kinder hervor. Rabbiner Geißmar war
seit 1848 Mitglied in der Religionskonferenz des Oberrates der Israeliten
in Baden. Er war ein gemäßigter Befürworter der Reform, doch gegen die
Einführung der Orgel in der Synagoge. Rabbiner Geißmar lebte die letzten
drei Jahre bei seiner Tochter Johanna Levinthas in Alzey, wo er im
Dezember 1879 gestorben
ist.
Ein 1828 geborener Sohn Joseph Geißmar wurde Rechtsanwalt in Mannheim;
eine Enkelin war die in Auschwitz ermordete Ärztin Johanna Geißmar
(1877-1942).
Todesanzeige
für Rabbiner David Geismar (nur mit einfach "s"
geschrieben, auf Grabstein mit zwei "s").
Quelle: Werner L. Frank: Legacy. The Saga of a German-Jewish Family
- Across Time and Circumstance. Bergenfield N.J. 2003. S. 192.
In dieser Publikation ausführliche Informationen zu Familie Geismar/Geissmar.
Ausschreibung der Religionslehrerstelle (1885)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 30. März 1885:
"Auskündigung einer Religionsschul-Stelle. Nr. 261. Die mit dem
Vorsänger- und Schächterdienst verbundene Religionsschulestelle in der
israelitischen Gemeinde Sinsheim (Amtsstadt) wird hiermit auf Antrag des
Synagogenrats zur Neubesetzung ausgeschrieben. Der feste Gehalt beträgt
700 Mark, das Nebeneinkommen etwa 800 Mark ausschließlich des
gesetzlichen Schulgelds und ausschließlich eventueller Vergütung
für den israelitischen Religionsunterricht an der höheren Bürgerschule.
Wahrscheinlich kann dem Inhaber der Stelle wie seither auch fortan der
Religionsunterricht in einer benachbarten Gemeinde gegen besondere,
angemessene Bezahlung übertragen werden.
Seminaristisch gebildete Bewerber, welche im Stande sind, die Stelle in
tüchtiger Weise auszufüllen, wollen ihre Meldungen unter Anschluss ihrer
Zeugnisse binnen drei Wochen anher gelangen zu lassen.
Heidelberg, 23. März 1885. Die Bezirks-Synagoge."
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" am 23. März 1885: "An
alle nichtbadischen Lehrer. Demnächst wird die hiesige Lehrerstelle von
der Bezirks-Synagoge (nicht von der Gemeinde) zur Neubesetzung
ausgeschrieben. Im Interesse aller nichtbadischen Kollegen, die sich
hierbei melden würden, mache ich diesen aufmerksam, dass nur badische
Bewerber Aussicht für diese Stelle haben.
Sinsheim, im März 1885. A.
Hubert, Lehrer (ein gebürtiger Bayer) (Bisheriger Verwalter der Stelle).
Trotz der "Warnung" wurde 1885 der
aus dem hessischen Josbach stammende
Samuel Steinfeld eingestellt (siehe nächsten Bericht).
Über den Lehrer Samuel Steinfeld (in Sinsheim von
1885-1890), später Oberkantor in Augsburg (Bericht zu seinem Tod
1933)
Artikel
in der "Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom 15.
April 1933: "Samuel Steinfeld - er ruhe in Frieden -.
Am 13. März (1933) verschied unser lieber Freund und Kollege, der wegen
seiner hohen geistigen Qualitäten und seiner Friedensliebe allgemein
geschätzte Oberkantor und Lehrer i.R. Samuel Steinfeld.
Samuel Steinfeld seligen Andenkens war am 6. Juli 1863 in Josbach
in Hessen geboren. Seine Ausbildung empfing er im Lehrerseminar in Köln
und genoss dann die Freuden und Leiden des jungen Lehrers in den Gemeinden
Meckenheim, Gailingen und Sinsheim
(Baden). Hier schloss er den Bund der Ehe mit einer
gleichhochstrebenden Frau. Aus der überaus glücklichen Ehe entsprossen
sieben Kinder.
Im Jahre 1890 wurde der Verblichene als zweiter Kantor nach Karlsruhe
berufen. Hier war ihm die Möglichkeit gegeben, auf dem Konservatorium
seinen sonoren Bariton schulen zu lassen, und es ist sicherlich dieser
ausgezeichneten Stimmbildung mit zuzuschreiben, dass der Sänger bis zum
Lebensende bewundernswert durchhalten konnte.
1895 wurde ihm von der Kultusgemeinde Augsburg
unter 60 Bewerbern die Stelle eines 1. Kantors und Lehrers übertragen. Er
waltete hier bis zur Erreichung der Altersgrenze in segensreichster Weise,
im Nebenamt auch als Schofarbläser, gewissenhafter Mohel und
zuverlässiger Verwalter der Armenkasse.
Dem gab am Tage der Beerdigung, die unter großer Anteilnahme der
Gesamtgemeinde in ehrenvollster Weise sich vollzog, Herr Bezirksrabbiner
Dr. Jakob, in tief gefühlten Worten Ausdruck. Unter ehrenden Worten
sprach sodann der erste Vorsitzende des Vorstandes, Herr Justizrat Dr. Strauß,
dem pflichttreuen Beamten den Dank und die Anerkennung der Verwaltung und
der Gesamtgemeinde aus und schloss mit der Versicherung, dass man hier
seiner stets in Ehren gedenken werde. Feierlich umrahmt waren die beiden
Nachrufe durch ein Quartett 'Enoch' von Lewandovsky und durch das 'El
mole Rachamim', tief empfunden und künstlerisch vollendet gesungen
vom Ortskollegen, Herrn Oberkantor Heimann.
Nach der Beerdigung gab im Trauerhause der langjährige Amtsgenosse Dr. E.
Fränkl in einem 'Lernen' der großen Trauer des engeren Freundeskreises
Ausdruck und versprach im Namen und im Auftrage der Standesorganisationen
(Jüdischer Lehrerverein für Bayern, Bezirkskonferenz Schwaben und
Allgemeiner deutscher Kantorenverband) dem treuen Kollegen Treue um Treue.
Möge von jedermann Gottesverehrung und Menschenliebe in gleicher
Vorbildlichkeit geübt werden! (hebräisch und deutsch:) 'Möge unser Ende
dem seinen gleichen!' Dr. E.F."
"Die Badenser wehren sich" - ein Aufruf jüdischer Lehrer - Initiative
von Lehrer Maier Rosenberger, Sinsheim und Lehrer F. Hanauer, Steinsfurt
(1903)
Zum Tod der Frau von Lehrer Rabbinowitz geb. Scherer (1912)
Artikel
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 28. Juni 1912:
"Sinsheim (Baden). Die Frau unseres Lehrers Rabbinowitz - geb.
Scherer -, eine Esches Chajil (wackere Frau) im schönsten Sinne des
Wortes, ist im jugendlichen Alter von 30 Jahren einem schweren Leiden
erlegen."
Lehrer Maier Rosenberger referiert bei der Bezirkslehrerkonferenz in Heidelberg
(1914)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 31. Juli 1914:
"Heidelberg, 24. Juli (1914). Am 5. dieses Monats tagte hier unter
dem Vorsitz des Bezirksrabbiners Herrn Dr. Pinkuß die Lehrerkonferenz aus
den Bezirken Heidelberg, Ladenburg und Sinsheim. Nach den herzlichen
Begrüßungsworten des Herrn Vorsitzenden erledigten sich zwei Referenten
ihrer Themen mit großer Meisterschaft. Herr Rosenberger - Sinsheim
sprach über die Genesis (= 1. Buch Mose) und den Aufbau des Schmone Esreh
(=18-Bitten-Gebet) nach dem bekannten Werke des Dozenten Elbogen - Berlin
und wusste die Aufmerksamkeit seiner Zuhörer durch eine Fülle neuer
Gesichtspunkte und durch die mit Bienenfleiß zusammengetragenen
Belegstellen geistreich zu fesseln. Der Ganz durch die Jahrzausende
unseres Gebetes, die Etymologie der Begriffe Tefilo, Siddur, Machsor und
seiner Paitanim - alles dieses entstand vor de Auge der Zuhörer und kristallisierte
sich zu der unumstößlichen Zugkraft unserer Gebete, aus denen wieder
andere Bekenntnisse ihre Anleihen gemacht haben. - Herr Herz - Wollenberg
behandelte die 'Methodik beim biblischen Geschichtsunterricht nach
Herbert-Zimmerschen Grundsätzen in interessanter, belehrender Weise und
verstand es, dem Thema viele begehungswerte Wege vorzuzeichnen, deren
Einschlagung große Erfolge verwirklichen werden. Der Vorsitzende dankte
den Rednern für ihre vorzüglichen Arbeiten, deren Veröffentlichung von
großen Interesse auch für die Allgemeinheit sei, und konstatierte aus
dem großen Beifall das allseitige Einverständnis, dass die erzielte
Wirkung auf die Zuhörer bekundete, die auch von einer eigentlichen
Diskussion Abstand nahmen. Bei dem angeschlossenen Mittagessen wurde
manches geistreiche Wort gewechselt, das in der Hauptsache auch das
schöne Verhältnis des Vorsitzenden zu seinen Lehrern erörtert."
Anzeige von Lehrer Maier Rosenberger (1919)
Anzeige im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt"
vom 21. Februar 1919:
"Noch 2-3 Knaben finden vorzügliche Pflege, individuelle
Erziehung und sichere Förderung bei
M. Rosenberger,
Lehrer an der Realschule in Sinsheim bei
Heidelberg".
Zum Tod von Lehrer Maier Rosenberger (1929)
Artikel
in der "CV-Zeitung" vom 29. Oktober 1929: "Maier
Rosenberger, der über 40 Jahre lang das Amt eines Lehrers und Vorbeters
in Sinsheim innehatte, ist vor kurzem einem arbeitsreichen Leben entrissen
worden. Sein Andenken wird bei allen seinen jüdischen und christlichen
Freunden, die seinen hohen Idealismus und seine stete Hilfsbereitschaft
kannten, weiter fortleben."
Links: Grabstein
für Lehrer Maier Rosenberger (1870-1929) und Emma Rosenberger geb. ?
(1869-19..)
im jüdischen Friedhof in Sinsheim
Erinnerung an Lehrer Arthur Auerbacher
Lehrer Arthur Auerbacher ist am 17. Juni 1898 in
Kippenheim geboren. Er war als
Nachfolger von Lehrer Maier Rosenberger Lehrer in Sinsheim. Er war
verheiratet mit der Kindergärtnerin Johanna geb. Freund (geb. 24.
September 1896 in Mannheim-Feudenheim). Die
beiden hatten zwei Kinder: Bertold Julius (geb. 1927 in
Kippenheim) und Herbert (geb.
1931 in Sinsheim). Im Juli 1934 wechselte Auerbacher als Lehrer, Kantor und
Vorbeter nach Weinheim, wo er bis zur
Deportation der ganzen Familie 1942 nach Izbica/Polen blieb. Alle
Familienmitglieder wurden ermordet. Für sie wurden in Weinheim in der
Hauptstraße 17 "Stolpersteine" verlegt.
Quelle (mit Foto):
http://www.juden-in-weinheim.de/de/personen/a/auerbacher-arthur.html
Arthur Auerbacher ist am 17. Juni 1898 in
Kippenheim geboren.
Anzeige in
der "Karlsruher Zeitung" vom 16. März 1848: "Sinsheim.
Erklärung.
Nach Nr. 85 des Landtagsboten wird von dem Herrn Abgeordneten Bassermann
unter den Ortschaften, wo Gewalttätigkeiten gegen Juden vorgekommen sein
sollen, auch Sinsheim genannt. Ob nun Dieses einem Versehen irgend
zuzuschreiben ist, oder ein falsches Gerücht zum Grunde hat, erachten sich
die Unterzeichneten zur Ehre der hiesigen Einwohnerschaft, sowie zur
Beruhigung ihres sehr verehrten Herrn Abgeordneten Bassermann zu folgender
Kundgebung verpflichtet:
Hier in Sinsheim ist nicht das mindeste Beklagenswerte vorgefallen, und auf
keine Weise das gute Einvernehmen der hiesigen Bürgerschaft unter Christen
und Juden einen Augenblick gestört worden. Im Gegenteil ist der gute Sinn
der hiesigen Einwohnerschaft nicht genug anzuerkennen. Vom ersten
Augenblicke an wurden die möglichsten Einleitungen getroffen und zwar unter
gemeinschaftlicher Mitwirkung von allen Konfessionsangehörigen, jedem
Versuche von Ruhestörung jeder Art aufs kräftigste zu begegnen. Überhaupt
hat man in hiesiger Nähe,
Neckarbischofsheim und Richen
ausgenommen nicht die geringste unangenehme Vorfallenheit zu beklagen.
Sinsheim, den 13. März 1848. Der Synagogenrat: H. Freidenberger. S.
Reinach. A. Zimmern." .
Brand in Sinsheim - Handelsmann S. Grünhut (Neckarbischofsheim) und Amtsbote
Günter können größeren Schaden verhindert (1891)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 25. Mai 1891:
"Sinsheim, 14. Mai (1891). Hier fand ein großer Brand statt; aus dem
Berichte über denselben im hiesigen 'Landboten' sei Folgendes mitgeteilt.
Wir sind in der Lage zweier auswärtiger Männer rühmend zu gedenken,
durch deren tatkräftiges und besonnenes Eingreifen Herr Küfermeister
Müller, dessen Werkstätte sich in dem brennenden Gebäude befand, vor
großem Schaden bewahrt wurde. Es sind dies die Herren Amtsbote Günter
von Untergimpern und Handelsmann S. Grünhut von Neckarbischofsheim,
welche noch vor Ertönen der Feuersignale kurz nacheinander in die mit
erstockendem Raum erfüllte Werkstätte eindrangen und deren rastloser
Tätigkeit es gelang, die darin aufgespeicherten 30 Fässer sämtlich
herauszuschaffen, hierbei erlitt Herr Grünhut an der einen Hand ziemlich
erhebliche Quetschungen und Brandwunden. Ehre den beiden wackeren
Männern!"
Artikel in
der Zeitschrift "Der Israelit" vom 1. Dezember 1884: "Wiesloch.
Schon wieder ist ein guter Jehudi von hinnen gegangen. Am
vergangenen Schabbat Kodesch Paraschat Toledot (= am Heiligen Schabbat
mit der Toralesung Toledot, d.i. 1. Mose 25,19 - 28,9, das war am 22.
November 1884(hauchte unser geliebtes Gemeindemitglied Herr
KaufmannScherer nach achtwöchentlichem, schweren Leiden im 50.
Lebensjahr seine edle Seele aus. Ein Leichenbegängnis, wie die hiesige
Stadt noch selten ein solches gesehen, lieferte den Beweis, in welch hoher
Achtung und Beliebtheit der Verstorbene stand, sowohl bei seinen
Glaubensgenossen von hier und der Umgegend, als auch bei der politischen
Gemeinde; denn seinem Sarge folgten alle Konfessionen, alle Stände
hiesiger Stadt waren vertreten und von auswärts kamen Viele, um ihrem
Freunde die letzte Ehre zu erweisen. Am Grabe wusste Herr Bezirksrabbiner
Dr. Eschelbacher aus Bruchsal, gestützt
auf die ersten Verse der Sidra Wajeze (sc. Wajeze war die
Toralesung am Schabbat, 29. November 1884), in meisterhafter Rede das
Leben des Dahingeschiedenen zu schildern und den Hinterbliebenen Worte des
Trostes zu spenden.
Der Verstorbene war in Sinsheim geboren und widmete sich dem
Lehrerfache. Nach erstandener Prüfung versag er einige Jahre die
Religionsstelle in Jöhlingen und im
Jahre 1858 wurde ihm die Religionslehrer- und Vorsängerstelle hier
übertragen, welche er mit großem Berufseifer und zur vollkommenen
Zufriedenheit seiner Gemeinde und der ihm vorgesetzten Behörde bis zum
Jahre 1869 versah.
Er trat dann aus dem Lehrfache aus, widmete sich dem Kaufmannsstande und
erwarb sich bald durch seine Reellität und Aufrichtigkeit eine
ausgebreitete Kundschaft, die gerne mit ihm arbeitete.
Besonders darf erwähnt werden, dass unsere Heilige Tora für ihn
ausgesprochen wichtig war; denn so oft er freie Zeit hatte, wusste er
keine bessere Beschäftigung, als zu forschen in der Heiligen Tora.
Oft hat er als Vorsänger ausgeholfen, und immer war er bereit, an
den ehrfurchtgebietenden Tagen je eine Tefila zu
übernehmen.
Mit Eifer und Gewissenhaftigkeit versag er seine Ehrenämter als
Synagogenrat, Mitglied des Vorstands, des Begräbnis- und
Wohltätigkeitsvereins. Manche gute Einrichtung hat er schaffen
helfen.
Und so verliert die hiesige Kultusgemeinde in ihm ein schwer zu
ersetzendes Mitglied, die politische Gemeinde einen wackeren Mitbürger,
die tiefgebeugte Gattin, die erst vor einigen Wochen verehelichte Tochter
und deren Mann einen treuen, braven und guten Gatten, Vater und Schwiegervater,
die Geschwister und sonstigen Verwandten einen lieben Bruder und
Freund.
Der Allmächtige möge den Verewigten aufnehmen in den Bund des ewigen
Lebens, die tieftrauernden Hinterbliebenen trösten und uns vor jedem
Ungemach ferner bewahren. Ackermann, Lehrer."
Artikel
im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 12. April
1911: "Frankfurt am Main. Mit Beginn dieses Monats
schied Herr Jakob Scherer, Lehrer am Philanthropin, aus seiner
54-jährigen Lehrtätigkeit, um in den wohlverdienten Ruhestand zu treten.
In Sinsheim (Baden) im Jahre 1838 geboren, besuchte er die dortige
höhere Bürgerschule und bezog hierauf das Karlsruher Lehrerseminar. Nach
bestandener Lehrerprüfung wirkte er seit 1857 in Gernsbach
und Freiburg in Baden, später an
der israelitischen Stadtschule und dem Großherzoglichen Gymnasium in Karlsruhe.
Von dort wurde er 1875 als ordentlicher Lehrer an die Realschule der
israelitischen Gemeinde zu Frankfurt berufen, welcher er während 36
Jahren mit voller Hingebung seine ganze Kraft und sein großes
Lehrgeschick widmete. Zahlreiche Schülergenerationen sind ihm in treuer
Anhänglichkeit dankbar, und auch früher schon wurde ihm die öffentliche
Anerkennung seines ersprießlichen Wirkens durch Verleihung des
Kronenordens 4. Klasse zuteil aus Anlass der Einweihung des neuen
Schulgebäudes des Philanthropins im Herbste 1908.
Sein Abschied von der Schule und der Lehrtätigkeit nach mehr als einem
halben Jahrhundert, gestaltete sich zu einer erhebenden Familienfeier, an
der alle, die zu dieser Schule in Beziehung stehen, herzlichen Anteil
nahmen. In warmen, herzlich empfundenen Worten gab Direktor Adler den
Gefühlen Ausdruck, die in erster Linie die Kollegen und Schüler des
greisen Lehrers bewegen, der - trotz seiner 73 Jahre - noch ungebeugt von
den Beschwerden des Alters, sich in den im wahren Sinne wohlverdienten
Ruhestand zurückzieht, um jüngeren Kräften Raum zu geben. Indem der
Direktor ferner auch den Dank und die Anerkennung des Vorstandes und des Schulrates
der israelitischen Gemeinde aussprach, überreichte er dem verdienten
Pädagogen die ihm vom Kaiser verliehene Auszeichnung, den Roten
Adlerorden 4. Klasse, als weitere Anerkennung für den schon mit dem
Kronenordnen Ausgezeichneten, dabei dessen weitere Verdienste um die
Gemeinde wie auch auf sozialem Gebiete hervorhebend. Die warme
Anhänglichkeit der gegenwärtigen, wie der früheren Schüler des
Gefeierten brachten ein paar kräftig herausgeschmetterte Worte eines
Sextaners sowie die Ansprache eines Vertreters des Vereins der ehemaligen
Schüler des Philanthropins zum Ausdruck. Für alle diese Ehrungen dankte
der Scheidende mit bewegten Worten des Abschieds an Schule, Kollegen und Schüler."
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 27. Dezember 1900:
"Ein junger Mann,
mit besserer Schulbildung aus achtbarer Familie, für mein
Manufakturwaren- und Konfektionsgeschäft gesucht.
Abraham Seligmann, Sinsheim a.d.E."
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 4. Juni 1908:
"Tüchtige Verkäuferin
für Manufaktur und Konfektion
gesucht. Offerten nebst Gehaltsansprüchen bei freier Station
erheben. Abraham Seligmann Sinsheim a.d.E., Baden."
Hochzeitsanzeige von Alfred Krell und Anna
geb. Kapustin (1931)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 29. Januar 1931: "Gott
sei gepriesen.Alfred Krell - Anna Krell geb. Kapustin.
Vermählte. Sinsheim (Elsenz) Wilhelmstraße 88 - Ladenburg
a.N. Sonntag, 1. Februar 1931 - 14. Schewat 5691. Trauung:
so Gott will, 1 Uhr, August-Lamey-Loge. Mannheim C
4.12".
Die Karte von
Jacob Beer, Betreiber einer Hadernsortieranstalt in Sinsheim, wurde am
6.
Februar 1882 aus Sinsheim nach Buxweiler
(Bouxwiller) im Elsass verschickt.
Sonstiges Erinnerungen an die Auswanderungen im 19. Jahrhundert:
Grabstein in New York für Mina Reinach
aus Linz (1827-1903) und Marx Reinach aus Sinsheim (1827-1887)
Anmerkung: das Grab befindet sich in einem jüdischen Friedhof in NY-Brooklyn;
der Geburtsname von Mina Reinach wird nicht mitgeteilt. .
Grabstein für Mina Reinach
(Reiner)
A Loving Wife and an Affectionate Mother
Born in Linz, Prussia Feb. 9th
1827
Died July 6th 1903" und für
"Marx Reinach (Reiner)
A Faithful Husband and a Devoted Father
Born in Sinsheim, Baden December 24th 1827
Died October 3rd 1887".
Ende des 18. Jahrhundert und bis
1818 befand sich ein Betsaal im Haus Joseph Marx (Rosengasse 10). Als
dieser 1818 starb, wollten seine Kinder nicht, dass in ihrem Haus weiterhin die
Gottesdienste gefeiert werden. Damals genügte dieser Betsaal auch nicht mehr,
nachdem die jüdische Gemeinde über 70 Gemeindeglieder hatte. Ein neuer
Betsaal konnte 1818 im Haus von Liebmann und Joseph Freudenberger
eingerichtet werden (Hauptstrasse 103). Doch war die Gemeinde mit diesem Betsaal
auch nicht zufrieden, da er sich insgesamt in einem schlechten Zustand befand
und das Verhältnis zu den Vermietern nicht immer das Beste war.
Die Pläne, eine eigene Synagoge zu bauen, gehen
bereits auf die Zeit Anfang des 19. Jahrhunderts zurück. Mit einer "Verordnung
der Judenschaft dahier" vom 27. April 1808 gründeten die Sinsheimer Juden
eine Stiftung zum Bau einer Synagoge. Elf Familien verpflichteten sich mit
dieser Verordnung, wöchentlich einen bestimmten Betrag in eine gemeinsame Kasse
einzuzahlen. Außerdem wurde genau festgelegt, für welche Geschäftshandlungen
(zum Beispiel beim Kauf oder Verkauf von Vieh) ein bestimmter Betrag in den
Synagogenfond zu bezahlen war. Jahrelang hat man auf diese Weise einen
finanziellen Grundstück für die Baukosten der Synagoge angespart. Seit 1827
wurden die Planungen intensiviert. Die Judenschaft bat am 11. Dezember 1827 den
Rat und Bürgerausschuss der Stadt um kostenlose Überlassung von Bauholz an die
Synagoge. Die Bitte wurde mit der Begründung abgelehnt, dass die Stadt selbst
große finanzielle Sorgen habe. Immerhin einen "ordentlichen Stamm eichenen
Holzes" wollte man aus dem Stadtwald zur Verfügung stellen. Der ablehnende
Bescheid der Stadt zog den Bau wiederum in die Länge. Auch sträubten sich
Liebmann und Joseph Freudenberger, in deren Haus der Betsaal war, gegen den Bau
einer Synagoge, da sie für die Benutzung des Betsaales eine Gebühr von der jüdischen
Gemeinde erhielten. Doch konnten sie schließlich umgestimmt werden. Nachdem
seit 1831 Anträge zum Bau der Synagoge an das Bezirksamt Sinsheim geschrieben
wurden und viele Fragen zu klären waren, erfolgte am 22. Mai 1835 die
Genehmigung von Seiten der Regierung des Unterrheinkreises. Baumeister Friedrich
Wundt aus
Heidelberg hatte die entsprechenden Pläne mit Kostenvoranschlag gefertigt und
diese von dem Gutachter und Hofbaumeister Künzle genehmigen lassen. Der
Kostenvoranschlag belief sich auf 3.300 Gulden ohne das Grundstück, das die
Gemeinde in der "Kleinen Grabengasse" bereits seit einiger Zeit
gekauft hatte. Nun lag dem Bezirksamt Sinsheim daran, dass umgehend mit dem Bau
begonnen wurde. Dieser ging dann auch zügig voran und bereits im Mai 1837
erfolgte die Abnahme durch die Großherzogliche Bauinspektion Heidelberg, die
noch einige Mängel zu beanstanden hatte. Einen Teil der nicht vom
Synagogenbaufonds abgedeckten Bausumme erbrachte die Versteigerung der
Synagogenplätze, für den Rest musste man ein Darlehen aufnehmen, dessen
Tilgung aus kleinen, wöchentlich zu entrichtenden Beiträgen aller jüdischen
Familien geschah.
Bei der Synagoge, die auf dem heutigen Grundstück Kleine
Grabengasse 6 erbaut wurde (seitdem hieß diese Gasse bis 1933 "Synagogengasse"),
handelte es sich um einen
Backsteinbau ohne jeden äußeren Schmuck mit einfachem Verputz. Es war ein
zweigeschossiger Bau mit Speicher, der in späteren Jahren noch ausgebaut und in
den Jahren 1936 bis 1938 auch bewohnt wurde. Im Erdgeschoss war außer dem
Betsaal für die Männer das rituelle Bad, im Obergeschoss befand sich neben der
Frauenempore eine Schulstube.
Bis Ende der 1920er-Jahre wurde die Synagoge bestimmungsgemäß
benutzt. Nachdem jedoch die jüdische Gemeinde infolge der Abwanderungen immer
kleiner wurde, hat man die Frauenplätze in den Erdgeschoss unter die Empore
gelegt und das halbe Obergeschoss (mit Empore) sowie den Speicher als Wohnung
ausgebaut. Der Haupteingang befand sich auf der Westseite; das Gebäude war etwa
drei Meter nach Süden von der "Großen Grabengasse" zurückgesetzt.
Gegen die Große und die Kleine Grabengasse war das Grundstück durch eine etwa
1,50 m hohe Natursteinmauer abgeschlossen.
Beim Novemberpogrom 1938 wurde die Synagoge durch SA-Leute zerstört, später
abgebrochen (siehe den Bericht unten). Das Gelände ist neu überbaut
(Kleine Grabengasse 6). Erhalten blieb nur der einige Jahre später wieder
aufgefundene Grundstein der Synagoge
(im Heimatmuseum).
Im November 1988 wurde ein Gedenkstein
zur Erinnerung an die Synagoge an ihrem Standort aufgestellt.
Texte:
Die Zerstörung der Synagoge in der Pogromnacht 1938 nach
einem Augenzeugenbericht (Quelle: Wilhelm Bauer Art. "Nur bei Einbruch der Dunkelheit zu den
Juden" in: Rhein-Neckar-Zeitung vom 9.4.1984)
"In den frühen Morgenstunden des 10. November 1938 zog ein Trupp
Sinsheimer SA-Leute, nationalsozialistische Kampflieder singend zur Synagoge.
Zunächst wollten sie die Synagoge anzünden, jedoch die Anwohner protestierten
gegen dieses Vorhaben, da einerseits die Schreinerei Wirth, andererseits die
Waldmeister-Schick'sche Scheune voll Heu und Stroh standen, so dass leicht ein
großer Brand hätte entstehen können. Daraufhin kletterten einige SA-Leute auf
das Synagogendach, warfen die Ziegel herunter und zerschlugen die Dachsparren.
Andere zertrümmerten mit Äxten und Hämmern das Inventar. Stühle, Bänke,
Vorhänge, die Gebetsrollen und vieles andere wurde auf Wagen geworfen und zur
"Stadtwiese", die damals "Robert-Wagner-Platz" hieß,
abtransportiert. Dort wurde alles zu einem Haufen aufgestapelt und verbrannt.
Die Schüler der Sinsheimer Schulen mussten zum Platz marschieren, einen Kreis
um das Feuer bilden und nationalsozialistische Lieder absingen. An der
Synagoge selbst wurde das Zerstörungswerk fortgesetzt: Kleider, Wäsche und
Lebensmittel wurden von fanatisierten Einwohnern geplündert.
Beinahe hätten sich die Synagogenschänder noch ihr eigenes Grab gegraben,
denn in ihrem Zerstörungswahn begannen sie die hölzernen Stützpfeiler der
Empore durchzusägen, und wenn sie kein Zuschauer gewarnt hätte, wäre die
Empore samt der darauf gebauten Wohnung auf die Übeltäter gestürzt. Josef
Scherer und Alfred Krell, die zu diesem Zeitpunkt in der Synagoge wohnten,
wurden mit Schlägen und Fußtritten verjagt, noch am gleichen Tag verhaftet und
in das KZ Dachau gebracht. Sie wurden zwar im Januar 1939 wieder entlassen,
sollten aber ihrem schweren Schicksal nicht entgehen. Der damalige
Bürgermeister und Ortsgruppenleiter Eugen Rieg erschien selbst am Tatort und es
war die Rede davon, hier eine Milchsammelstelle zu bauen. Dem schob jedoch ein
Nachbar einen Riegel vor, indem er in einer schnellen Kaufverhandlung mit dem
damaligen Vertreter und Ortsvorsteher der nun nur noch aus zwei Familien
bestehenden jüdischen Gemeinde, Moritz Ledermann in der Muthstraße einen
Kaufvertrag abschloss, der auch gleich vom damals noch bestehenden Oberrabbinat
genehmigt wurde."
Die Einweihung des Gedenksteines für die
zerstörte Synagoge im November 1988:
Artikel
in der Rhein-Neckar-Zeitung vom 12./13. November 1988: "'Schuld
muss bindende Macht behalten'. Gedenkstein erinnert an frühere Sinsheimer
Synagoge.
Sinsheim. Über 100 Jahre hatte sie ihren Platz in der kleinen Grabengasse
in Sinsheim, ehe sie in den frühen Morgenstunden des 10. November 1938
zerstört wurde: die Synagoge der jüdischen Gemeinde Sinsheim. Am
ehemaligen Standort dieses Gotteshauses erinnert jetzt ein Gedenkstein an
das furchtbare Geschehen vor 50 Jahren, den Oberbürgermeister Dr. Sieber
am Donnerstag Nachmittag im Beisein zahlreicher Sinsheimer Bürgerinnen
und Bürger enthüllt.
Damals sei aber mehr zerstört worden, als nur die Synagoge, hielt das
Stadtoberhaupt vor Augen, nämlich auch die moralische Glaubwürdigkeit
unseres Volkes. Und diese Bürde laste heute noch auf uns und gebe Anlass,
der früheren jüdischen Mitbürger zu gedenken. Viele davon hätten im
gesellschaftlichen Leben Sinsheims eine Rolle gespielt. Dr. Sieber nannte
stellvertretend den Namen Sallo Ledermann, der im März 1933 zum
Vorsitzenden des SV Sinsheim gewählt, wenige Tage später aber wieder
abgesetzt wurde. OB Dr. Sieber begrüßte in diesem Zusammenhang zur
Feierstunde die noch einzigen jüdischen Mitbürger Sinsheims, Ludwig
Scherer mit Gemahlin, die mit die Anregung zur Errichtung dieses
Gedenksteins gegeben hätten. 'Mit Beschämung und Trauer erinnern wir uns
an das Geschehen vor 50 Jahren, das gleichzeitig auch eine Mahnung sein
soll, Konsequenzen für unser künftiges Verhalten und Handeln zu ziehen',
sagte Dr. Sieber.
Pfarrer Dr. Joachim Hahn, Stuttgart (statt Karlsruhe), beleuchtete
die Rolle der Christen in dieser jüdischen Tragödie, die vor 50 Jahren
auch geschwiegen hätten. Er erinnerte daran, dass im Jahre 388 in einer
mesopotamischen Stadt zum ersten Mal von Christen eine Synagoge niedergebrannt
und mit lästernden Kommentaren begleitet worden sei. Die Ressentiments
gegenüber jüdischen Mitbürgern seien auch eine Folge der antijüdischen
Hetze christlicher Prediger gewesen. Selbst Martin Luther sei in alte
Judenhetze verfallen, und die Nazis hätten sich auch auf ihn berufen. Es
habe lange gedauert, bis es innerhalb der Kirche zu einem Umdenken
gekommen ist, beklagte Dr. Hahn, und es sei beschämend, wie lange sich
dieser Prozess noch vollzieht. 'Die Schule muss ihre bindende Macht
behalten. Wir alle haften für die Folgen der schuldhaften Vergangenheit'.
Dr. Hahn äußerte aber die Hoffnung, dass Juden und Christen einen
gemeinsamen Weg in die Zukunft gehen können. Nachdem OB Dr. Sieber den
Gedenkstein enthüllt hatte, sprachen Vertreter der Jüdischen
Kultusgemeinde Heidelberg ein Totengebet."
2008 - Hinweis
auf einen Kalender 2008
"Spuren jüdischer Kultur" im Kraichgau
Sichtbare Spuren der Vergangenheit:
erkennen - erhalten"
Projekt "Denkmal aktiv" - Kulturerbe macht Schule Es kooperierten zu dem Projekt vier Schulen: Realschule Waibstadt - Adolf Schmitthenner-Gymnasium
Neckarbischofsheim - Wilhelmi-Gymnasium Sinsheim -
Harmanni-Gymnasium Eppingen
Januar 2023:
Projekt zum
Holocaust-Gedenktag
Das
Bauwagenfoto zum Graffiti- und Videoprojekt über Ruth Steinfeld
(Holocaust-Überlebende aus Sinsheim) wurde von der Rhein-Neckar-Zeitung zum
Bild des Tages gekürt.
DIE JUGENDARBEIT MOBIL (JUMO) SINSHEIM VERANSTALTET ZUM HOLOCAUST-GEDENKTAG
EIN GRAFFITI- UND VIDEOPROJEKT AM BEISPIEL VON RUTH STEINFELD, EINER
HOLOCAUST-ÜBERLEBENDE AUS SINSHEIM.
Vor 78 Jahren, am 27. Januar 1945, wurden die Überlebenden des
Vernichtungslagers Auschwitz befreit. Der 27. Januar gilt heute als
Gedenktag an die Opfer des Nationalsozialismus. Zeitgleich dient er dazu, um
die Erinnerung an die Verbrechen des Nazi-Regimes wachzuhalten. Aber wie
genau machen wir das? Wie gedenken wir der Opfer, ohne dass es zu einem
einstudierten Ritual wird – vor allem, wenn kaum noch Holocaust-Überlebende
unter uns sind?
Gemeinsam mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen aus Sinsheim, die den
Bauwagen-Treff am Skatepark, einem Angebot von JuMo Sinsheim, besuchen,
wurde dieser Frage nachgegangen. Um der 'Erinnerungsroutine' zu entgehen und
junge Menschen anzusprechen, sind neue Ansätze, um die Jugendliche
einzubinden und selbst aktiv werden zu lassen, wichtig. 'Da die Mehrzahl der
jungen Menschen keine Großeltern mehr haben, die die NS-Zeit selbst erlebt
haben, fehlt zunächst der persönliche Bezug. Daher gilt es, authentische
Orte und reale Personen aus der Lebenswelt der Jugendlichen aufzuzeigen, so
dass die jungen Menschen das Allgemeine im Kleinen finden können – es geht
um Geschichte in ihrem direkten Umfeld', so Laura Olbert, Sozialarbeiterin
von JuMo Sinsheim.
Das Projekt 'RUTH STEINFELD – GRAFFITI- UND VIDEOPROJEKT ZUM
HOLOCAUST-GEDENKTAG' stellt einen entsprechenden Versuch dar: Ausgehend vom
lokalen Bezug am Beispiel von Ruth Steinfeld (geb. Krell), die 1933 in
Sinsheim geboren wurde und Holocaust-Überlebende ist, wurde den jungen
Menschen am Bauwagen anlässlich des Gedenktages die Möglichkeit gegeben,
eigene Inhalte, Formen und Formate des Erinnerns zu entwickeln und zu
realisieren sowie eigene Impulse für die Erinnerungskultur zu setzen. Die
Auseinandersetzung mit dem 'jüdischen Leben in Sinsheim' am Beispiel der
Holocaust-Überlebenden Ruth Steinfeld schaffte einen emotionalen Zugang zum
Thema.
Entstanden ist ein multimediales Projekt – ein Mix aus Graffiti, Audio und
Video – das das Schicksal von Ruth Steinfelds aufzeigt. Ein kreatives
Zeichen gegen das Vergessen.
"Bild des Tages" in der
"Rhein-Neckar-Zeitung"
vom 28. Januar 2023
Artikel
"Ein blinder Fleck" in der "Rhein-Neckar-Zeitung"
vom 8. März 2023
Links:
REICHSPOGROMNACHT IN SINSHEIM - GRAFFITI GEGEN DAS VERGESSEN -
ERINNERUNGSPROJEKT ZUM 85. JAHRESTAG.
Ein multimediales Erinnerungsprojekt von JuMo Sinsheim
Text gelesen von: Melike Gülec, Demid Ignatov, Sam Przibylla und Laura
Olbert
Graffiti: Alexander Enns und MartA
Videos: Melike Gülec und Felix Falkner Fotos: Alexander Enns Videoschnitt:
Laura Olbert
Video zum Thema Antisemitismus (Erstvorstellung
am 27. Januar 2024 im Rahmen der Gedenkfeier in der Alten Synagoge
Steinsfurt! Veranstalter: Alte Synagoge Steinsfurt e.V.)
Sinsheim (in Jewish sources,
Zonsheim) Baden. A Jewish settlement existed in the second half of the
13th century. During the Black Death persecutions of 1348-49, Jews from Worms
and Speyer were given refuge there, but most were massacred. Few Jews were
present until the modern community began to develop in the 18th century. In
1827, Sinsheim became the seat of the district rabbinate with jurisdiction over
20 communities until it was attached to the Heidelberg rabbinate in 1875. In
1836 a synagogue was erected and the Jewish population reached 135 in 1871,
thereafter declining steadily to 71 in 1933. In the Nazi era, the Jews were
isolated socially and economically. Fifty-one emigrated, some after first
leaving for other German cities. Fifteen were deported to the camps, two
surviving. Another four were victims of euthanasia killings.
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