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in Stadtlengsfeld
Stadtlengsfeld (Wartburgkreis)
Texte/Berichte zur jüdischen Geschichte der Stadt
Die nachstehend wiedergegebenen Texte mit
Beiträgen zur jüdischen Geschichte in Stadtlengsfeld wurden in jüdischen Periodika
gefunden.
Bei Gelegenheit werden weitere Texte eingestellt.
Übersicht:
Allgemeiner Beitrag
Zur
Geschichte der jüdischen Gemeinde in Stadtlengsfeld (Artikel von Oberlehrer
Willy Katz, 1928)
Artikel
in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Hessen und
Waldeck" vom 7. September 1928: "Aus vergangenen Tagen.
Stadtlengsfeld in der Rhön. Von Oberlehrer i.R. Willy Katz.
Das Schicksal dieser kleinen Judengemeinde ist so typisch, dass wir dafür allgemeines Interesse voraussetzen dürfen. Die Redaktion.
Die jüdische Gemeinde zu Stadtlengsfeld ist, wie alle jüdischen Landgemeinden in den ehemaligen reichsritterschaftlichen Orten, auf Grund der Reichspolizeiverordnung von 1548 entstanden, in der der deutsche Kaiser der gesamten Reichsritterschaft und allen
" |
einzelnen Mitgliedern derselben wie den übrigen Reichsständen das Recht zusicherte, Juden auf ihrem Gebiet zu
'halten' und von ihnen das Schutz- und Schirmgeld zu erheben. Die ersten Juden wurden von den
Freiherren von Boyneburg hier sowie in dem benachbarten Gehaus gegen Ende des 16. Jahrhunderts aufgenommen und zwar je acht Familien. Stärker durfte die Zahl der Juden nicht anwachsen, daher wohnten in beiden Orten bis 1735 nur je acht Judenfamilien. In diesem Jahre kauften die
Freiherren von Müller die Hälfte des Gutes, und da auch diese das Schutz- und Schirmgeld erheben wollten, so nahmen sie gleichfalls Juden auf, und die Judenschaft von Stadtlengsfeld vermehrte sich von 1735 bis 1768 von 8 auf 72 Familien, bis 1823 auf 145 Familien. (In
Gehaus bis 1823 von 8 auf 64 Familien).
Anfang des 17. Jahrhunderts erwarben sie ein Stückchen Land am Fischbacher Weg zu einem
Begräbnisplatz, für das sie jährlich 4 Gulden 30 Kreuzer als Lehnsbekenntnis zahlen mussten. 1729 kaufte die dortige Judenschaft zur Erweiterung ihres Begräbnisses ein Stück Acker für 65 Gulden rheinisch mit lehnsherrlichem Konsens hinzu
'und weil solches ad manus mortuas kommt, mit der Kondition und dem Vorbehalt, alle 12 Jahre einen Lehnsfall zu bezahlen und das Lehen aufs neue zu empfangen. Und so nun der ganze Begräbnisort, so alt als neu, ein Frei-Lehn, indem sie nicht die geringsten weitern onera als das jährliche Lehnsbekenntnis und quasi Schutzgeld dem Lehnsherrn davon zu entrichten haben, mithin muss solches nicht mit 7, sondern mit 10 pro Centum verlehnrechtet werden. Und so nun das Stück, alt und neu zusammen für 150 Gulden rechnet, tut auf jeden Fall und alle zwölf Jahre 15 Gulden, und weil sie den alten Begräbnisplatz bereits über 100 Jahre besessen und mittlerweile keine Lehnsrenovation stattgefunden, so wären wenigstens 8 Lehnsfälle und also 120 Gulden Lehnsgeld noch rückständig und
nachzuzahlen.' (Eine Verjährung gab’s also nicht). Im Laufe der Zeit musste der Friedhof noch mehrfach vergrößert werden, zuletzt 1920. Eine weitere Vergrößerung ist für die Zukunft ausgeschlossen, da die Stadt über ihn hinausgewachsen, er ringsum von Häusern umgeben ist.
1762 erkaufte die Judengemeinde ein den Freiherren von Müller zu Lehn gehendes Haus für 264 Gulden rheinisch zu einer
'Judenherberge vor die armen Judengäste' mit der Bedingung, 'alle Hochzeiten, Beschneidungen und dergleichen Ehrengelage darin und das erforderliche Getränk in der herrschaftlichen Brauerei und Brennerei zu kaufen, jährlich 10 Gulden für Dienstgeld, Huhn und Hahne, auch Gänse, Erbzins und Schutzgeld zu
zahlen' und das Lehen alle 15 Jahre zu erneuern.
Die Synagoge wurde Mitte des 17. Jahrhunderts gebaut. Sie war den Grafen von Boyneburg zu Lengsfeld mit 16 Gulden 50 Kreuzern rheinisch, den Gulden zu 60 Kreuzern gerechnet, lehnpflichtig, und nachdem die Grafen von Boyneburg
'als Lehnherrschaft der hiesigen Judenschule höchst missfällig vernommen, dass Unserer
Lehnherrsch. Gerechtsame schnurstracks zuwider sich, wie Wir seit kurzem in Erfahrung gebracht, verschiedene Juden eigenmächtig unterstanden, ohne Unser expresses Vorwissen und Consens ihre Uns sowohl als die Schule selbst zu Lehn gehenden Ständer zu vertauschen, zu verkaufen oder zu verpfänden; Wir aber nicht gemeinet sind, diesen Unserm Lehnsrecht höchst nachteiligen Unfug länger nachzusehen und zu gestatten; als wird ein solches der sämtlichen Judenschaft und einem jeden derselben bei Verlust des Ständers öffentlich verboten, und soll diese Unsere Verordnung sämtlichen Juden in der Schule öffentlich bekannt gemacht und in ihr Kaals-Buch eingetragen und auch jedem künftig neu eintretenden Juden von dem Rabbiner wissend und deutlich gemacht
werden.' (25. Januar 1770).
Als 1803 die Reichsritterschaft aufgehoben wurde, kam Stadtlengsfeld an Kurhessen und einige Jahre später wurden die bisherigen Schutzjuden
'musaische Bürger' des Königreichs Westfalen. Nach Auflösung dieses Königsreichs kam es im Wiener Kongress an das Großherzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach, und
die 'musaischen' Bürger wurden im Staate Karl Augusts und Goethes wieder Schutzjuden, bis sie 1823 Bürger des Großherzogtums |
wurden, allerdings mit sehr beschränkten Rechten und sehr vielen Pflichten.
Am 4. September 1825 feierte die Gemeinde das 50-jährige Regierungsjubiläum Karl Augusts nach folgender Vorschrift:
1. Morgens um 9 Uhr begeben sich die sämtlichen Herren Schullehrer, die männliche und weibliche Schuljugend, ledige Mannspersonen und Frauenzimmer, die verheirateten Frauenzimmer, die sich dem feierlichen Zuge anschließen wollen, die verheirateten Männer nebst dem Gemeindevorstand und Vorbeter, alle in festlicher Kleidung, vor die Synagoge.
2. Der Zug setzt sich in folgender Ordnung in Bewegung: Voraus gehen die beiden Schullehrer Wolf Mößler und Juda Adler, welchen die männliche Schuljugend paarweise folgt. Die 6 ersten Paare tragen kleine Fahnen. Jetzt folgen die beiden Lehrer Hofmann und Friedmann und hinter ihnen dir weibliche Schuljugend, sämtlich in weißen Kleidern und Blumenkränze tragend. Hierauf folgen die unverheirateten erwachsenen Mannspersonen, wovon das erste Paar eine große Fahne trägt. Nun folgen die ledigen erwachsenen Frauenzimmer, wovon die vier vorderen eine Blumen-Girlande tragen. Alle sind weiß gekleidet mit roten Bändern um den Leib. Jetzt folgen die verheirateten Frauenzimmer, sodann die verheirateten Männer, der Vorbeter und der Gemeindevorstand, Zuletzt der Rabbiner in der Mitte zwischen den beiden Vorstehern.
3. Ist der Festzug in oben beschriebener Ordnung am Angel angekommen, so stellt er sich daselbst in einem Halbkreis, dem christlichen Zuge gegenüber auf, hört das Dankgebet, und so wie sich der christliche Zug vom Angel nach der Kirche begibt, so geht der jüdische nach bezeichneter Ordnung durch die erbaute Ehrenpforte in die Synagoge.
4. Nach vollendetem Gottesdienste begibt sich der Zug wieder nach dem Angel und verweilt daselbst, bis die versammelten Christen auseinander gehen, womit dann die kirchliche Feier beendigt ist und die große Fahne in der Synagoge aufbewahrt wird.
Die 1827 eingerichtete staatliche zweiklassige jüdische Elementarschule wurde von 98 jüdischen Kindern besucht, und da später eine Anzahl christlicher Eltern ihre Kinder in die jüdische Schule statt in die christliche schickte, so wurde sie am 1. Oktober 1859 die
zweiklassige jüdische Schule mit der zweiklassigen christlichen Schule zu einer Simultanschule vereinigt. Die damaligen jüdischen
Lehrer waren Liebmann Adler, der aber 1854 nach Chicago auswanderte und daselbst die Gemeinde ohel jaakob
gründete, deren geistiger Führer er bis zu seinem Tode blieb, und Julius Löwenheim, der 1874 von der Schule Abschied nahm, nach Eisenach übersiedelte und da die Redaktion der national-liberalen
'Eisenacher Zeitung' übernahm, die er zu hoher Blüte brachte.
In den 40er-Jahren des vorigen Jahrhunderts begann die Abwanderung der Juden von Stadtlengsfeld, und der erste, der abwanderte, war der Landrabbiner Dr. Heß, der 1839 seinen Wohnsitz von Stadtlengsfeld nach
Eisenach verlegte, wo damals noch keine jüdische Gemeinde bestand, sondern nur wenige jüdische Familien wohnten. Sein Nachfolger,
Landrabbiner Dr. Kroner, später Kirchenrat in Stuttgart, musste 1871 seinen Wohnsitz wieder in Stadtlengsfeld nehmen, und da ihm trotz wiederholter Bitte vom Ministerium nicht erlaubt wurde, in Eisenach zu wohnen, vertauschte er 1880 die Stelle des Landrabbiners mit der des Gemeinderabbiners von
Erfurt. Ihm folgten bald die reichen Handelsherren, die sich teils ebenfalls in Eisenach, teils in süddeutschen Großstädten niederließen, und minderbemittelte Gemeindemitglieder, die ihr Glück jenseits des großen Wassers suchten. Heute zählt die jüdische Gemeinde in Stadtlengsfeld noch sieben jüdische Familien; zwei jüdische Kinder besuchen noch die Schule, und Ostern 1926 wurde der letzte jüdische Lehrer an der Simultanschule in den Ruhestand versetzt. Sic
transit…". |
Aus der Geschichte des
Landrabbinates
Rabbiner
Dr. Mendel Heß ist Herausgeber der Zeitschrift "Der Israelit des 19.
Jahrhunderts (1840)
Titelblatt
der Zeitschrift "Der Israelit des neunzehnten Jahrhunderts":
"Ein Wochenblatt für die Kenntniß des israelitischen Lebens,
besonders in religiös-kirchlicher Beziehung.
Herausgegeben von Dr. M. Heß, Land-Rabbinen zu Stadtlengsfeld, im
Großherzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach.
Nr. 1 Sonntag, den 4. Oktober 1840 II. Jahrgang.
Motto: Entschieden, freisinnig, mutvoll und wahr...." |
|
Titelblatt
der Zeitschrift "Der Israelit des neunzehnten Jahrhunderts" vom
6. Dezember 1840. |
Rabbiner Dr.
Mendel Heß möchte ein Erziehungsinstitut
eröffnen (1841)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 3. Januar 1841: "Avertissement.
Mit dem 1. Mai 1841 wird der Unterzeichnete ein Institut eröffnen, das
die höhere Bildung des künftigen Kaufmannes, des Künstlers und
überhaupt aller derer, welche dereinst in einen solchen Beruf, der keine
eigentlichen Universitätsstudien erfordert, treten wollen, zum Zwecke
hat.
Die Unterrichtsgegenstände werden daher sein: Religion und Erklärung der
Bibel, die neueren Sprachen, kaufmännische Buchhandlung, Arithmetik,
Geometrie, Statistik, Naturwissenschaften, Technologie, Zeichnen und
Musik, sowie für diejenigen, welche sich dem Universitäts-Studium widmen
wollen, griechische und lateinische Sprache, wo weit, dass sie später in
die ersten Klassen eines Gymnasiums eintreten können. Die auswärtigen
Zöglinge erhalten zugleich Kost, Logis und Wäsche, und zahlen hierfür,
wie für den sämtlichen Unterricht, (mit Ausnahme der Musik) im Ganzen
nur 200 Reichstaler preuß. Cour. jährlich, in viertel-jährigen
Raten.
Ihrer Erziehung, wie ihrer Bildung, wird die möglichste Sorgfalt gewidmet
werden, und um diesen Zweck vollständig zu erreichen, und die Zöglinge
schon nach wenigen Jahren für ihren künftigen Beruf zu befähigen,
werden einige tüchtige und erprobte Lehrer der Anstalt vorstehen,
während diese selbst nur auf eine verhältnismäßig geringe Anzahl von
Schülern beschränkt bleiben soll.
Das Haus (ein früheres adeliges Schloss), in welchem der Unterzeichnete
wohnt, bietet die nötigen Räumlichkeiten auf das Bequemste und
Anständigste dar, und die erforderlichen literarischen Hilfsmittel
können jederzeit billig und prompt von den benachbarten Städten Eisenach
und Meiningen bezogen werden.
Alle diejenigen Eltern, welche ihre Kinder dieser Anstalt anvertrauen
wollen, werden daher ersucht, die desfallsigen Anmeldungen (auf welche die
näheren Bedingungen noch mitgeteilt werden) baldmöglichst und
spätestens vor dem ersten März 1841 zu bewirken, da sie später nicht
auf die Annahme derselben rechnen können.
Stadt-Lengsfeld (im Großherzogtum Weimar).
Dr. M. Heß. Großherzlicher Weimarscher Land-Rabbiner". |
Schwierigkeiten
mit Rabbiner Dr. Mendel Heß (1846)
Artikel
in der Zeitschrift "Der treue Zionswächter"
vom 20. Oktober 1846: "Weimar.
St. Lengsfeld, den 9. Oktober (1846). Ich kann nicht umhin, Ihnen,
w. H. R., gegenwärtig meinen Dank für den unaussprechlichen Genuss
auszudrücken, den Sie durch Ihre Zeitung, 'der treue Zions-Wächter'
bereiten. Mit wahrer Sehnsucht sehe ich jedes Mal Ihrem geschätzten
Blatte entgegen, und noch größer wird mir diese Freude dadurch, dass
unser bekannter Rabbiner, Dr. H. (sc. Heß) nur zu oft schon sein Bedauern
ausdrückt, wie der Zions-Wächter sehr viel schade. Ich erspare daher
keinen Fleiß, um dieses geschätzte Blatt so viel als möglich hier zu
verbreiten, und bezweifle nicht, dass es auch für unser wahres Judentum
nur heilbringend ist.
Ihnen durch die Tat zu beweisen, wie sehr ich von dem Nutzen dieser
Blätter durchdrungen, übersende ich Ihnen hierbei für die Armen im
Land Israel beifolgende kleine Beisteuer, um deren Besorgung ich Sie
höflichst bitte. Möchte dieses Scherflein neben den vielen größeren
auch seinen Segen bringen.
Von unserem Rabbinen übrigens kann ich Ihnen nichts Bezeichnenderes
mitteilen, als dass das 'Verlegen' seine Haupt-Leidenschaft ist. Er hat
verlegt, laut Protokolle, den Schabbat auf weiter hinaus; ferner
hat er verlegt seinen Wohnsitz von seiner Gemeinde nach Eisenach, wo
bekanntlich keine Juden wohnen, endlich seine Neujahrs-Predigten
von Lengsfeld nach der Leipziger Messe, wo er selbige bereits 3 Jahre
nacheinander feilbietet. Ich könnte Ihnen noch Mehreres über 'Verlegen'
mitteilen, doch mag das Gesagte für diesmal genügen." |
Zum
Tod von Landrabbiner Dr. Mendel Heß (1871)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 24. Oktober
1871: "Eisenach, 1. Oktober (1871). Am 21. September verstarb
der seit vielen Jahren hier wohnhafte großherzoglich weimarische
Landrabbiner, Herr Dr. M. Heß, der sein Amt über 43 Jahre
bekleidet. Er war 1807 geboren, erreichte also ein Alter von 64 Jahren.
Bekanntlich gehörte er der äußersten Reformpartei an, in welchem Sinne
er auch eine Zeit lang eine Zeitschrift herausgab. Außerdem sind von ihm
Predigten veröffentlicht worden. Längere Zeit hindurch war er die
Zuflucht für Brautpaare gemischter Konfession. Viele Jahre leidend, hielt
er sich während des letzten Stadiums seines Lebens von der
Öffentlichkeit zurückgezogen." |
Auszeichnung für Landrabbiner Dr.
Theodor Kroner
auf Grund seiner Verdienste um die Stadt (1877)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 12. September 1877: "Aus Thüringen. Wenn man von
dem, an der Werrabahn gelegenen Badeorte Salzungen aus seine Schritte
südwestlich nach dem Rhöngebirge zuwendet, erreicht man, die sich auf
Umwegen dahinschlängelnde Landstraße vermeidend, auf schönem schattigen
Waldpfade das an der Vorderrhön in romantischer, aber nicht sehr
fruchtbarer Gegend gelegene Städtchen Stadtlengsfeld, zum Großherzoglich
Weimar'schen Oberlande gehörig, welche letztere Bezeichnung bei den
übrigen Bewohnern des Großherzogtums Weimar einen etwas sibirischen
Beigeschmack hat. Indessen ist der Temperaturunterschied nicht so arg und
es lässt sich ganz gemächlich alldort leben. Auch haben sich schon vor
uralten Zeiten in Stadtlengsfeld viele Israeliten angesiedelt, welche bald
zu einer sehr ansehnlichen Gemeinde anwuchsen, die sich aber in neuerer
Zeit durch Wegzug wieder bis auf etwa 60 Familien vermindert hat. In
früheren Zeiten wurde dort viel 'gelernt', was auch in neuerer Zeit
daselbst wieder sehr in Aufnahme gekommen ist. In diesem Städtchen zeigte
sich im Laufe dieses Sommers ein eigenartiges Schauspiel. Es wurde alldort
ein Volksfest gefeiert und von den Stadtbewohnern waren so ziemlich alle
auf dem Festplatze vorhanden. Auch die Spitzen der Stadt und der dort
befindlichen Behörden waren anwesend. Nur der Landrabbiner fehlte; denn
es war in der Tischa-beAw-Woche (9. Aw), in welcher derselbe sich
von dergleichen Vergnügen fern zu halten für geboten erachtete. Da
betrat der Bürgermeister plötzlich eine Art Tribüne und verlas unter
allgemeinem Aufhorchen ein Schreiben Ihrer Königlichen Hoheit der
Großherzogin von Weimar. Er hatte kaum geendet, als ungeheurer Jubel die
Luft erfüllte, dessen erstem Ausbruche der allgemeine Ruf folgte: 'Der
Landrabbiner soll herbei!'. Wirklich wurde eine Deputation an denselben
entsandt, und er musste dem Volkswillen nachgeben und erscheinen. Kaum
erschienen und von einer freudig bewegten Schar umringt, hieß es:
'Sprechen!' Auch diesem wurde nachgegeben und der Landrabbiner hielt eine
Ansprache. Nachdem dieses geschehen war, erschien eine Deputation eines Damenkomitees
und überreichte ihm einen prachtvollen Blumenstrauß. Außerdem wurde er
noch bekränzt und mit Blumen überschüttet. Was war aber den Leutchen
nur angekommen, das zu solchem Gebaren sie trieb? Die Sache hat folgenden
Zusammenhang: Stadtlengsfeld erfreut sich keines besonderen Wohlstandes.
Der größte Teil des zur Stadt gehörigen, ohnedies nicht sehr
fruchtbaren Ackerbodens ist im Besitze zweier Rittergüter, sodass die
Bürger nur sehr geringen Feldbau betreiben können. Der von dortigen
Israeliten entwickelte Fabrikbetrieb und der durch diesen und das
Amtsgericht vermittelte Verkehr der Landbewohner bilden die
Hauptnahrungsquelle der Bewohner der Stadt. Durch den Wegzug einiger
israelitischer Fabrikanten hat diese Ernährungsquelle einigen Schaden
gelitten. Durch die geplante neue Gerichtsorganisation sollte auch das
Amtsgericht in Wegfall kommen, ohne dass irgendeine Ersatzbehörde an
dessen Stelle treten sollte. Das erregte Besorgnisse schwerwiegender Art.
Es wurden Vorstellungen und Deputationen, unter Letztern auch einmal der
Land-Rabbiner nach Weimar gesendet; aber ohne allen Erfolg. In der Stadt
besteht seit Jahren schon unter der Protektion der Großherzogin ein
'Verein zur Beförderung des Wohlstandes' usw. Nachdem alle
eingeschlagenen Wege nciht zum Ziele geführt hatten, machte der
Landrabbiner, Herr Dr. Kroner, der außer seiner vielseitigen geistlichen
Tätigkeit sich sich auch in sehr hervorragender Weise in gemeinnützigen
Angelegenheiten rührig zeigt, den Vorschlag, man sollte sich in der
fraglichen Angelegenheit seitens des Vereins an die Großherzogin wenden.
Der Vorschlag fand Beifall, und Herr Dr. Kroner wurde mit der Abfassung
des betreffenden Bittgesuches beauftragt. Fünf oder sechs Tage nach
stattgefundener Absendung desselben schon wurde dem Bürgermeister seitens
der Großherzogin die Mitteilung gemacht, dass nach Allerhöchstem
Entschlusse das neu zu errichtende Justizamt seinen Sitz in Stadtlengsfeld
haben werde. Der Bürgermeister war bereits einige Tage im Besitze des
Allerhöchsten Schreibens, hatte dasselbe aber verheimlicht, um bei dem
stattfindenden Feste die Bürgerschaft mit dieser erfreulichen Nachricht
zu überraschen. So geschah es. Nach dem ersten Freudenausbruche war es
dem Volksgefühlte Bedürfnis, dem Urheber dieser glücklichen Wendung
dankbare Anerkennung darzubringen. Daher diese öffentliche Auszeichnung
des Herrn Dr. Kroner, welcher sich des Morgens noch ein musikalisches
Ständchen sämtlicher in der Stadt bestehender Vereine anreihte. Der aus
diesem Vorgang resultierende Beweissatz, wenn es eines solchen etwa noch
bedarf, ist, dass man ein sehr orthodoxer Rabbiner sein und doch für
gemeinnützige, Bürgerwohlfahrt fördernde Angelegenheiten ein warmes
Herz haben, oder, um Alles in Allem zu sagen, ein guter Patriot sein
kann!" |
Auf
die Stelle des Landrabbiners wurde Rabbiner Dr. Moses Salzer gewählt (1883)
Anmerkung: Dr. Moses Salzer (geb. 1841 in Ermershausen, gest. 1902): war Sohn
des Lehrers Jakob Salzer; studierte seit 1863 in Würzburg und Berlin, wurde in
Halle promoviert; 1870 bis 1883 Distriktsrabbiner in Schnaittach, seit 1883
Landesrabbiner in Stadtlengsfeld.
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 8. Mai 1883:
"Bonn, 27. April (1883). Man schreibt aus Weimar vom
21. April: Im Weimarischen ist die Stelle eines Landrabbiners, die den
Charakter eines Staatsamtes hat, seit zwei Monaten unbesetzt; das
Präsentationsrecht zu dieser Stelle steht den jüdischen
Religionsgemeinden zu und haben dieselben durch ihre Vorstände heute den
bayerischen Distriktsrabbiner Dr. Salzer einstimmig
gewählt." |
Zum Tod von Landrabbiner Dr. Moses Salzer
(1902)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 3. März 1902: "Stadtlengsfeld, In der Nacht vom Freitag
zum Schabbat Paraschat Tezaweh (Schabbat mit der Toralesung Tezaweh,
d.i. 2. Mose 27,20 - 30,10; das war am 22. Februar 1902) verschied
plötzlich in Folge Herzschlages der Großherzogliche Sächsische
Landrabbiner Dr. Moses Salzer im begonnenen 61. Lebensjahre, nach fast neunzehnjähriger
Wirksamkeit im Großherzogtum Sachsen Weimar (hebräisch und deutlich aus
2. Mose 33:): 'Und als das Volk diese schlimme Kunde hörte, da
hüllten sie sich in Trauer und keiner legte seinen Schmuck an.' Wie
hoch angesehen der Verstorbene bei Hoch und Niedrig, Juden und Christen,
dem ihm unterstellten Vorständen und Lehrern, sowie seiner vorgesetzten
Behörde gewesen, hat die ungemein zahlreiche Beteiligung bei seiner
Montag, den 24. Februar dieses Jahres, erfolgten Bestattung erweisen.
Außer dem Gemeinderat und Schulvorstande und sämtlichen städtischen
Beamten, waren von auswärts erschienen der Großherzogliche Geheime
Regierungsrat Bezirksdirektor Schmith, sowie Herr Schulrat Kögler.
Sämtlich israelitischen Lehrer und Vorsteher des Landes, sowie mancher
Bekannte aus der Nachbarschaft war im Leichengefolge zu erblicken. Unsere
Stadt hat wohl seit vielen Jahrzehnten ein solch zahlreiches
Leichenbegängnis nicht gesehen.
Am Grab hielt, nach dem Vortrage der Liturgie durch Lehrer Röthler
- Gotha, der benachbarte Herzogliche
Landrabbiner Dr. Fränkel - Meiningen die Gedächtnisrede. In beredten
Worten verglich der gewandte Redner den Entschlafenen mit dem
Hohenpriester Aaron, insbesondere betonend, dass derselbe es verstanden,
während seiner Amtstätigkeit den Frieden innerhalb der Gemeinde im
volslten Sinne des Wortes zu pflegen und zu erhalten.
Tief ergriffen rief alsdann Lehrer Baumgart - Stadtlengsfeld
dem ihm so plötzlich entrissenen Lehrer und Freunde herzliche Worte des
Abschiedes und des Dankes noch namens seiner Gemeinde und der jüdischen
Vereine des Ortes. Derselbe verglich den Heimgegangenen mit unserem
großen Lehrer Moscheh, rühmte seine hohe Bescheidenheit und dass er
stets die Menschen nach ihrer günstigsten Seite zu beurteilen
pflegte.
Als dritter Redner schilderte Lehrer Meyer - Eisenach
den Entschlafenen als einen wahren Lehrerfreunde, dankte ihm auch Namens
des Vereins israelitischer Lehrer Mitteldeutschlands für seine
mehrjährige Tätigkeit als Vorsitzender desselben.
Mit dem Vortrage der üblichen Gebete endigte der ergreifende Akt und die
Strahlen der Sonne beschienen den frischen Grabeshügel eines treuen
Seelsorgers in Israel. Das Andenken des Gerechten sei zum Segen.
Bgrt (= Lehrer Baumgart)." |
Einführung von Landrabbiner Dr.
Joseph Wiesen
(1902)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 14. November
1902: "Eisenach, 1. November (1902). Die Einführung des neuen
Landrabbiners unseres Großherzogtums fand am 14. vorigen Monats in
feierlicher Weise in Stadtlengsfeld statt. Die würdige Feier, zu der die
verschiedenen Staats- und städtischen Beamten sowie die
Gemeindevertretungen und Lehrer aus allen Kultusgemeinden eingeladen und
erschienen waren, machte auf alle Anwesenden einen tiefen Eindruck. Unter
Führung des großherzoglichen Bezirksdirektors Herrn Geheimen
Regierungsrat Schmidt aus Dermbach und des Kultusvorstehers Herrn Jakob
Huhn aus Stadtlengsfeld bewegte sich der Zug von der Wohnung des Herrn
Landrabbiners Dr. J. Wiesen in die festlich geschmückte Synagoge, wo der
festliche Akt vollzogen wurde. - Nach vorausgegangenem Minchagebet hielt
Herr Dr. Wiesen eine treffliche Antrittspredigt. Er entwickelte in zu
Herzen gehender Rede sein Programm und legte zum Schlusse das Gelöbnis
ab, sein Amt nciht nur als eine Würde, sondern auch als einen Dienst
aufzufassen, dem er alle seine Kräfte widmen wolle. - Nun ergriff der
Herr Bezirksdirektor das Wort, um unter Vorlesung der Bestellungsurkunde
Herrn Dr. Wiesen in sein neues Amt einzuführen. Besonders anerkennende
und ehrende Worte widmete der Herr Bezirksdirektor dem verewigten
Landrabbiner Dr. Salzer, den er als einen Mann von seltener Herzensgüte,
von reinem und makellosem Charakter in mehr denn 20-jähriger gemeinsamer
Arbeit schätzen und lieben gelernt habe. Nachdem Herr Landrabbiner Dr.
Wiesen den Segen für das Fürstenhaus, für Kaiser und Reich gesprochen
hatte, schloss die Feier mit dem Gesange: Lobe den Herren. - Im Anschluss
an obigen Bericht referiere ich gleichzeitig über die am Freitag, den 31.
Oktober und Sonnabend, den 1. November stattgehabte Feier in der
Gemeinde Eisenach. Am Freitag, nach vollzogenem Minchagebet, wurde der
Herr Landrabbiner von dem Vorsteher der hiesigen Gemeinde, Herrn Leopold
Kuh, und den Deputierten vom Sitzungszimmer aus nach seinem Platze in der
Synagoge geleitet. Der Synagogenchor begrüßte den Herrn Landrabbiner mit
dem 'Boruch habo'. Alsdann ergriff Herr Leopold Kuh das Wort, um als
erster Vorsteher namens der Gemeinde Herrn Dr. Wiesen als neuen
Landrabbiner herzlich zu begrüßen. Dr. Wiesen dankte in bewegten Worten
für die ihm erwiesenen Aufmerksamkeiten und Ehrungen. In besonders
herzlicher Weise betonte der Redner, dass er mit vollem Herzen den
Gemeinden entgegenkomme; dass er Vertrauen und Liebe mitbringe und solches
auch wieder zu finden hoffe. - Der Abendgottesdienst gestaltete sich unter
Mitwirkung des Synagogenchores besonders feierlich. Am Sabbath hielt dann
der Herr Landrabbiner seine Antrittspredigt, die nach Form und Inhalt
vorzüglich war und tiefen Eindruck bei allen Zuhörern machte. Der
neuernannte Landrabbiner hat sich im Fluge die Herzen der Israeliten im
Großherzogtum erobert. Man sieht in ihm den wahren und berufenen
Nachfolger des unvergesslichen Landrabbiners Dr. Salzer, einen echten Schüler
Ahrons, der den Frieden liebt und ein treuer, friedlicher Seelenhirte
allen Gemeinden des Großherzogtums sein
wird." |
Aus der
Geschichte der jüdischen Lehrer und der Schule
Ein neues israelitisches Schulhaus wird eingeweiht
(1840)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit des 19. Jahrhunderts"
vom 29. November 1840: "Geschichte des Tages. Die Geschichte
des Tages eröffnet heute der Wohnort des Herausgebers, das kleine
Städtchen Lengsfeld. Aber auch das Kleine wird groß, nimmt einen
Platz in der Geschichte der Menschheit ein, wenn Großes und Menschliches
dort gefördert wird, wenn es mitarbeitet zur Weiterführung der
Geschichte, zur Veredlung und Heiligung des Menschengeschlechtes. Das ist
auch in dem kleinen Lengsfeld durch den Aufbau eines neuen israelitischen
Schulhauses geschehen. Zwar ein Schulhaus an und für sich, wenn
vielleicht auch mehr nützend, als ein Schloss und ein Theater, kann darum
doch nicht eine Stelle in einem öffentlichen Blatte finden. Schulhäuser
werden tagtäglich gebaut; Schulhäuser gibt es fast in allen Dörfern und
Flecken, und wenn die öffentlichen Blätter immer erzählen wollten, wann
und wo ein solches gebaut worden ist, so würden sie kaum einen Platz für
die Weltereignisse übrig behalten. Aber, meine verehrlichen Leser! mit
dem Schulhause in Lengsfeld ist es doch was Anderes. Rühmt euch immer ihr
Großstädter der prachtvollen Stätten, welche ihr in der neuesten Zeit
dem Gottesdienste und dem Unterrichte der Jugend erbaut habt; der Schulbau
in dem kleinen Lengsfeld, dieser reiche und schöne Bau in dem sonst weder
reichen, noch schönen Städtchen, überstrahlt weit euren Ruhm, zeugt,
dass unsere größte und |
heiligste
Angelegenheit, dass die Fürsorge für die Erziehung und Bildung unserer
Jugend, unendlich weit fortgeschritten ist, so weit fortgeschritten ist,
dass selbst die nicht bemittelte Gemeinde einer kleinen Stadt ihr große,
rühmliche Opfer gebracht hat. Das ist es, was jenen Bau wichtig macht,
was seine am 15. Oktober stattgefundene Einweihung zu einem
geschichtlichen Ereignis erhebt.
Nicht minder zieht aber auch die Teilnahme, welche die ganze christliche
Bevölkerung des Ortes dieser Feier bewies, die Aufmerksamkeit jedes
Menschenfreundes auf sich; denn diese Teilnahme beweiset, dass das, was
die deutschen Regierungen, was namentlich die großherzogliche Weimarsche
(Anm.: Der Großherzog gab selbst eine bedeutende Unterstützung zum Bau
des Schulhauses) für die Bildung der israelitischen Untertanen getan,
auch Anklang im deutschen Volke gefunden, dass das Volk es fühlt, wie die
Hebung des bisher so sehr vernachlässigten israelitischen Erziehungswesens,
seine Sache, Sache der nur durch Bildung aller ihrer Glieder glücklichen
Menschheit sei. Dem Zuge schlossen sich darum nicht nur die sämtlichen Honoratioren
der Stadt, sondern auch eine große Volksmenge an. An dem neuen Gebäude
angelangt, ertönte unter Begleitung der Musik ein feierlicher
Choralgesang; nach welchem der Beamte des Ortes, als dirigierendes
Mitglied der Aufsicht über das israelitische Kirchen und Schulwesen,
vortrat und eine Rede hielt, wie sie würdig war des hellen Geistes der
Zeit, würdig der Stellung, die ihm als Beamte eines, auch von Israeliten
bedeutend bevölkerten Bezirkes anvertraut ist. 'Und so steht nun' (so
schloss der Redner) 'der Neubau da, freundlich und gelungen nach den
gegebenen Vorschriften, und entsprechend den billigen Anforderungen,
welche man an ein tüchtiges Schullokal machen kann, für Jahrhunderte
eine bleibende Stätte und eine stille Wohnung des Unterrichts und der
Erkenntnis für Herz und Geist. - Ja ich begrüße seine Schwelle mit
wahrhafter Freude und bin überzeugt, dass die bedeutenden Opfer, welche
es der Gemeinde und ihren Gliedern kostet, auch mit Freude getragen
werden, da ja alle die Hoffnungen, welche die Eltern in der Gemeinde auf
ihre heranwachsenden Kinder, die ganze Bürgerschaft auf ihre zukünftigen
Genossen, ja der Staat auf seine künftigen Untertanen setzt, in diesem
Hause die Mittel zur Verwirklichung finden. Somit übergebe ich denn den
Schlüssel zum Baue dem achtbaren Vorstande und durch ihn der Gemeinde,
unter der Ermahnung, dass, wie Sie bisher für alle Schulzwecke mit
Bereitwilligkeit tätig waren, Sie nun durch Vollendung des Werkes einen
neuen Antrieb finden werden, den Pflichten der Gemeinde gegen die Schule
stets zu genügen, und ihr in aller Weise das zu gewähren, was sie zu
ihrem Fortbestande bedarf, wie ich selbst mit meinem Herrn Kollegen immer
mit Liebe und Beständigkeit den Schutz ihr angedeihen lassen werde,
welcher uns von dem Staate anvertraut ist, und mit dem innigen Wunsche,
dass alle Ihre eifrigen Bestrebungen zum Besten der Schule reife Früchte
für die Gegenwart und Zukunft tragen mögen. dazu helfe der Allvater
droben, den ich darum bitte, und unter dessen Schutz wir nun zum erstenmal
dieses Haus betreten, um es feierlich seiner Bestimmung zu übergeben.'
Nach diesen Worten, die als der Ausdruck der edleren Richtung der Zeit es
wohl |
verdienen,
in diesem ihrem Organe aufbewahrt zu werden, begab sich die Versammlung in
das Innere des Schulhauses, wo der Herausgeber dieser Blätter die
Weihrede hielt, nach deren Beendigung die Feier mit dem vom christlichen
und jüdischen Chore gemeinschaftlich vorgetragenen Hallelujah des
Hamburger Tempels geschlossen ward.
Mittags vereinigten sich die Honoratioren, sowie viele israelitische und
christliche Einwohner der Stadt, zu einem Festmahle, bei welchem
Herzlichkeit und Frohsinn alle Teilnehmer beseelte. Den ersten Toast
brachte der Superintendent und Kirchenrat Dr. Schreiber auf die
Staatsregierung aus, welche, ohne die wesentlichen Grundsätze der
israelitischen Religion zu verletzen, mit so rühmlichem Eifer für die
Hebung des israelitischen Gottesdienstes und Schulwesens Sorge trage.
Dieses gab dem Herausgeber Veranlassung in einem zweiten Toaste auf die
Verdienste des Dr. Schreiber aufmerksam zu machen, dessen Wirken als
Mitglieder der vorhinnigen israelitischen Kultuskommission die
Forschritte, welche die Israeliten des Großherzogtums in ihrer
gottesdienstlichen Einrichtung, wie in ihrem Schulwesen gemacht,
hauptsächlich zuzuschreiben sind. Sprach der Herausgeber, wie dieses
schon der Beamte in seiner Rede getan, hierdurch die tief gefühlten Dank
der israelitischen Gemeinde gegen den würdigen Geistlichen aus, so darf
er zugleich die öffentliche Erwähnung hievon als einen Tribut ansehen,
welchen das ganze höherstrebende Israel, ja jeder Freund des
Fortschrittes und der Humanität dem hochverdienten Geistlichen, dessen
Wirksamkeit auf diese Weise sich weit über seine eigenen Gemeinden
erstrecket, bringt. Zu gleichem Danke werden sich alle Gutgesinnten dem
Beamten des Ortes verpflichtet fühlen, dem dieses fröhliche Zusammensein
von Christen und Israeliten Veranlassung gab, auf das fernere friedliche
und wohlwollende Vernehmen beider Konfessionen einen Trinkspruch auszubringen.
Erst spät ging die Versammlung auseinander und nicht nur sie, sondern die
ganze Bevölkerung der Stadt erhoben sich zu der schönen Hoffnung, dass
die Feier des Tages, dass die laute und allgemeine Freude über die
endliche Vollbringung eines dem Heile der Jugendgewidmeten Gebäudes noch
lange, lange, reichen Segen zurücklassen werde." |
Zur Vereinigung der christlichen und jüdischen Schulen zu
einer Bürgerschule (1850)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 12. August 1850: "Aus Thüringen, im Juli (1850).
Eine Schöpfung des weimar'schen Ministers von Wydenbrugk ist jetzt
auch die Zusammenschmelzung der christlichen und jüdischen Schulen in der
Stadt Lengsfeld, zu einer Kommunalschule, an welcher die Lehrer aus
beiden Konfessionen den jüdischen und christlichen Kindern Unterricht
erteilen." |
|
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 28. Oktober 1850: "Weimar, 13. Oktober (1850).
In der Stadt Lengsfeld bei Eisenach, wo viele Juden wohnen, sind
auf Anregung unseres Ministeriums und mit Zustimmung der christlichen und
jüdischen Gemeinde, jetzt die christliche und jüdische Schule zu einer
Anstalt verschmolzen worden, wo nun, mit Ausnahme des
Religionsunterrichts, die Kinder beider Konfessionen ebenso wohl von
christlichen als jüdischen Lehrern unterrichtet werden. Am 6. Oktober
wurden die sechs Lehrer (drei christliche und drei jüdische) feierlich in
ihr Amt von dem Superintendenten Dr. Schreiber und dem Landrabbiner Dr.
Heß, welche mit dem Justizamtmann die Schulinspektion bilden,
eingeführt." |
|
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 25. November 1850: "Weimar, im Oktober (1850). Die 'Didaskalia'
enthält folgenden Artikel: Sie haben bereits in Ihrem Blatte der in
unserem Großherzogtum, und zwar zunächst in der Stadt Lengsfeld
vollbrachten Vereinigung der christlichen und jüdischen Schule zu einer
Bürgerschule, wo, mit Ausnahme des Religionsunterrichtes, die
christlichen und jüdischen Lehrer den Kindern beider Konfessionen
Unterricht erteilen, gedacht. Am letzten Sonntage fand nun die Einführung
sämtlicher Lehrer (drei christliche und drei jüdische) und zwar mit
Zustimmung beider Gemeinden in der Kirche statt. Bei dieser Gelegenheit
sprachen sowohl der als Kanzelredner, wie als Dichter rühmlichst bekannte
Superintendent Schreiber, wie der Landrabbiner Dr. Heß aus
Eisenach, eindringende Worte über die große und humane Bedeutung der
Vereinigung. Von beiden Reden dürfte nur die des Letzteren deshalb
eine Stelle in Ihrer der Förderung der Humanität gewidmeten Didaskalia
finden, als sie wahrscheinlich die ersten von einem jüdischen
Geistlichen in einer christlichen Kirche gesprochenen Worte sind:
Wenn ich mir - begann der Redner - gestatte, zu dem treffenden Vortrage
unseres Herrn Superintendenten einige Worte hinzuzufügen, so geschieht es
nur, um im Namen der religiösen Gemeinschaft, die ich vertrete, um im
Namen der jüdischen Kirche, die Empfindungen der Freude und des Dankes
gegen Gott auszusprechen, welche auch uns beim Anblick der heutigen Feier
beseelen! Ja, es hat die neue Zeit Großes und Edles hervorgebracht,
große und heilige Gedanken in der Brust des deutschen Volkes geweckt.
Aber unter allen diesen Gedanken ist doch keiner größer, erhabener,
edler, heiliger, als der 'der Gleichheit aller Menschen vor dem Gesetze
ohne Unterschied des Standes, der Geburt und vor Allem des Glaubens und
der Religion', denn diese Gleichheit riss auf einmal die Scheidewand
nieder, welche die Irrtümer und Vorurteile einer früheren Zeit zwischen
Menschen und Menschen errichtet. Diese Gleichheit brachte Gottes Gesetz,
das kein Ansehen der Personen kennt, zur Herrschaft, auch in menschlichen
Kreisen, diese Gleichheit macht das Gebot der Liebe, welches Kirche und
Synagoge als ihr Grundgesetz betrachten, erst zur Wahrheit, zur
lebensvollen Wirklichkeit in der göttlich menschlichen Ordnung, die uns
im Staate und der bürgerlichen Gesellschaft gegeben. Sollte diese
Wahrheit aber so recht Wurzel fassen, sollte sie nicht bloß in dem
politischen Katechismus der Gegenwart stehen, sondern ihren Weg in das
Gemüt finden, dem kommenden Geschlechte ein Heiligtum bleiben, so musste
sie vor Allem bei der Bildung des künftigen Geschlechts, bei den
Anstalten der Erziehung und des Unterrichts, zur Anwendung kommen, so
musste der Staat hier sein großes Erlösungswort sprechen, und diese
bisher einseitig dem kirchlichen Verbande gehörenden Anstalten zu den
Seinigen erheben, damit schon frühzeitig die Jugend verschiedenen
Bekenntnisses sich als Menschen einig fühle, als Solche als
Gleichberechtigte eines und desselben Vaterlandes sich achten und lieben
lernen. - Das nun, meine Zuhörer, ist Dank der göttlichen Vorsehung in
unserem engeren Vaterlande zur Ausführung gekommen, es sind die beiden
getrennten Schulen dieser Stadt zu einer einigen Anstalt der Bildung und
Gesittung verbunden worden, und es ist dies nicht etwa durch Zwang von
oben geschehen, nein! nur die Anregung kam von oben, die Bereitschaft zur
Ausführung aber trugen beide Gemeinden der Staatsbehörde entgegen. Es
sah die christliche Gemeinde hinweg von dem Vorrechte ihres Alters und
ihrer größeren Zahl, und zeigte sich bereit zu dem Gleichheitsbund mit
ihrer jüdischen früher kaum geduldeten Schwester; es sah aber auch die
jüdische Gemeinde von dem Bedenken hinweg, welches manche Strenggläubige
in ihrer Mitte haben mochten, sah auch nicht darauf, dass sie durch das
glücklichere Verhältnis der Lehrenden zu der bescheidenen Zahl der
Lernenden gegenwärtig im Vorteile war, sondern |
nahm
freudig die angebotene Bruderhand an; es setzte mit einem Worte eine jede
Gemeinde das, was ihr noch sonst lieb und worauf sie stolz sein möchte,
ein zum Besten der gemeinsamen Sache, zum Besten der Verbindung und
Verbrüderung der bisher getrennten Schulgemeinden. - Von dieser schönen
echt menschlichen Tat legt nun die Feier an dieser Stätte Zeugnis ab. Wir
sehen in ihr die Lehrer der Kirche und Synagoge nebeneinander stehen, sich
die Hand zu gemeinsamem amtlichen Wirken an der einen Pflegeanstalt
geistiger und sittlicher Bildung reichend; wir sehen in dem zur nächsten
Leitung der Angelegenheiten der Schule berufenen Vorstand Genossen beider
Religionen zu gleichem schönen Zweck verbunden, und wir sehen an diesem
Orte, der sonst nur dem religiösen Bedürfnis der christlichen Gemeinde
geweiht, jetzt zahlreiche Glieder beider Gemeinden versammelt, mit
Brudersinn und Bruderliebe aufeinander blickend und im Stillen sich
zurufend: 'Wir haben uns geeinigt in den Herzen unserer Kinder, wir wollen
einig sein und einig bleiben in allem, was unser und unserer Kinder Heil
betrifft'. Da aber, meine Zuhörer, wo solcher Sinn lebt, bedarf es nicht
erst der Ermahnung und Ermunterung, da gestalten sich von selbst die
Wünsche und Hoffnungen, die Hoffnungen zur frommen freudigen Zuversicht.
Und so dürfen wir denn dem glücklichen Gedanken uns überlassen, dass
zur Förderung unserer vereinigten Schule Alles sich die Hände reichen
werde, damit sie, geschützt von dem Arme des Staates, aber getragen und
gepflegt von der Liebe beider Gemeinden, eine wahrhafte Heilanstalt werde,
die da in diese noch an manchen Wunden leidende Stadt heraufführt eine schönere
und glücklichere Zeit, wo Handel und Gewerbefleiß blühen und die
Tugenden der Mäßigkeit, der Biederkeit, der Rechtlichkeit und vor Allem
des gemeinnützigen, echt vaterländischen Sinnes heimisch sein werden,
bei unseren Männern, wie bei unseren Jungfrauen, in dem stillen Kreise
unserer Familien, wie im öffentlichen Leben und Wirken, und das, was wir
jetzt geschaffen, die Anerkennung aller Guten noch in späten Tagen finden
werde, dass sie rühmen das Werk unserer Hände und wir uns desselben
freuen können vor Menschen und vor unserem Schöpfer und Vater da droben.
Amen." |
Über die Simultanschule in Stadtlengsfeld
(1877)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 2. Mai 1877: "Die Simultanschule in Stadtlengsfeld.
–s. 'Wie sollen die israelitischen Gemeinden ihre Schulen in unserer Zeit einrichten? Wie soll der Religionsunterricht der israelitischen Schüler in den öffentlichen Schulen dem Stundenplan eingefügt und erteilt werden? Sind öffentliche
Konfessionsschulen oder Simultanschulen für die Israeliten das Ziel, wonach sie zu streben
haben?' Diese und ähnliche Fragen hört man heutzutage gar vielfach ventilieren und diskutieren. Wir wollen in gegenwärtigem Aufsatz nicht etwa obige Fragen entscheidend beantworten, sondern nur denjenigen, die über dieselben nachdenken oder gar berufen sind, an der Entscheidung darüber mitzuarbeiten und einen Einfluss auszuüben, etwas Material darbieten. Mag sich dann jeder Leser sein Urteil selbst bilden.
Wir wollen eine Schilderung einer bestehenden Simultanschule geben und zwar einer solchen, in welcher Protestanten und Israeliten vereinigt sind. Wir schicken voraus und glauben, dass der geneigte Leser am Schluss der Lektüre dieser Schilderung uns zustimmen wird: Die zu schildernde Simultanschule ist ein
Unikum. Sie steht einzig da sowohl hinsichtlich ihres Alters, als auch hinsichtlich der Art ihrer Einrichtung und ihrer Leistungen.
Der Ort, der diese Schule aufzuweisen hat, heißt Stadtlengsfeld und liegt im Eisenacher Kreis der Großherzogtums
Sachsen-Weimar-Eisenach.
Es war im Jahre 1850, als sich in genanntem Orte das Bedürfnis herausstellte, regierungsseitig für das Schulwesen des Ortes etwas zu tun. Es bestand am Orte eine zweiklassige christliche (protestantische) und eine ebenfalls zweiklassige jüdische Schule. Für die christlichen Kinder reichten zwei Lehrer nicht aus; der Ort war zu arm, um die Besoldung für einen dritten christlichen Lehrer aufzubringen; die Regierung wurde um Hilfe angegangen. Zu dieser Zeit befand sich aber im Kulturdepartement des Großherzoglichen Staatsministeriums ein sehr einsichtsvoller, tüchtiger Mann, der (inzwischen verstorbene)
Geheime Justizrat Zwez. Derselbe war zu Anfang seiner Dienstzeit in Stadtlengsfeld Justizamtmann gewesen und kannte die Verhältnisse der Stadt sehr genau. Dieser Mann wurde als Kommissar von der Staatsregierung nach Lengsfeld geschickt und zwar mit dem Auftrage, den Lengsfeldern zu erklären, die Regierung werde sich nur dann einer besonderen Verbesserung des hiesigen Schulwesens annehmen, wenn eine Vereinigung der bisherigen christlichen mit der bisherigen israelitischen Schule des Ortes erfolge und zwar so, dass eine fünfklassige vereinige Bürgerschule daraus werde.
Es wurde eine Kommission aus christlichen und jüdische Bürgern der Stadt erwählt, mit welcher der genannte Großherzogliche Kommissar verhandelte. Es würde zu weit führen, die Verhandlungen hier ausführlicher zu schildern. Dass dieselben nicht so ganz glatt vonstattengingen, lässt sich denken; jede Gemeinde musste sich möglichst vorsehen, bei dem Vereinigungsvertrage nicht in Nachteil zu kommen. Aber der Geheime Justizrat Zwez hatte sich einmal vorgenommen, die Vereinigung zustande zu bringen und – sie kam zustande.
Am 6. Oktober des Jahres 1850 wurde das Lehrerkollegium der vereinigten Schule durch die Schulinspektion, zu welcher auch der Landrabbiner gehörte,
verpflichtet, und damit war die Vereinigung perfekt.
Das Lehrerkollegium bestand aus drei christlichen Lehrern und zwei israelitischen, Der erste christliche Lehrer und Rektor war der jetzige Königlich Preußische Kreisschulinspektor
Dr. Gustav Fröhlich zu St. Johann (bekannt durch schriftliche Arbeiten auf pädagogischem Gebiet), zweiter christlicher Lehrer war der jetzige Eisenacher
Seminarlehrer Pickel und der dritte der jetzige Rektor der Schule,
Schleichert. Die beiden israelitischen Lehrer waren: Der (inzwischen verstorbene) auf jüdisch-wissenschaftlichem Gebiete sehr tüchtige, auch durch einige Schriften bekannte
Hirsch Löwenheim und der jetzige Prediger in Chicago: Liebmann
Adler.
Die Geschichte der Simultanschule hat für weitere Kreise des Interessanten nicht viel; wir übergehen dieselbe deshalb und gehen zur Schilderung der
Einrichtung der Schule über, wie sie nach fast siebenundzwanzigjährigem Bestehen heute sich darbietet.
Die Schule ist, wie erwähnt, fünfklassig. Je zwei Jahrgänge bilden eine Klasse; in den zwei letzten Jahren werden Knaben und Mädchen getrennt, in den übrigen Klassen kombiniert unterrichtet. |
Der erste Lehrer ist Rektor der Leiter der Schule.
Einer der fünf Klassenlehrer ist ein israelitischer. (Da die Zahl der israelitischen Kinder mit der Zahl der Gemeindemitglieder leider bedeutend abgenommen hat, so genügt jetzt ein israelitischer Lehrer, während zu Anfang deren zwei waren.)
Am begierigsten werden die Leser sein, zu erfahren, in welcher Weise der Religionsunterricht erteilt und wie die
Sabbat- und Festtage beider Konfessionen berücksichtigt werden. Und das ist allerdings einer derjenigen Punkte, wegen deren unsere Simultanschule ein Unikum genannt zu werden verdient. Es hat diese Schule eben gezeigt, dass
bei gutem Willen diese Schwierigkeiten sich auf die einfachste Weise lösen lassen. Der jüdische Religionsunterricht wird hier nicht nebenher an Tagen und Stunden erteilt, welche sonst unterrichtsfrei sind; jüdische Kinder sind nicht etwa nur
'auf besonderen Antrag der Eltern' vom Unterricht an Sabbat- und Festtagen dispensiert, sondern der ganze Stundenplan ist eben auf dem Prinzip der
vollständigen Gleichstellung aufgebaut.
Der israelitische Lehrer der Schule ist Klassenlehrer einer vereinigten Schulklasse (und rückt selbstverständlich gleich seinen christlichen Kollegen mit dem Dienstalter klassenweise auf); gleichzeitig ist er aber
Religionslehrer für die israelitischen Schüler aller Klassen. Die erste Stunde eines jeden Schultages ist für alle Klassen
Religionsstunde. Die die israelitische Religionsklasse bildenden Kinder haben dieselbe natürlich bei dem israelitischen Lehrer und in dessen Klassenlokal; die christlichen Kinder aus der Klasse des israelitischen Lehrers haben während dieser Zeit ihren Religionsunterricht bei einem der vier christlichen Lehrer, der dadurch frei wird, dass die sonst in Knaben und Mädchenklassen getrennten Oberklassen im Religionsunterricht wieder vereinigt werden. – Nach der Religionsstunde tritt eine kleine Pause von etwa 5 Minuten ein, während welcher die israelitischen Schüler sich in ihre verschiedenen Klassen verteilen und die christlichen Schüler der Klasse des israelitischen Lehrers, wie auch die jetzt wieder getrennten Oberklassen sich in ihre Klassenlokale begeben. Von jetzt an ist während des ganzen Tages Simultanunterricht.
Am Sonnabend haben nur christliche Lehrer und Schüler Unterricht, und zwar in der Weise, wie in den Religionsstunden der Woche, jedoch mit der ausdrücklichen Bestimmung, dass
nur in Religion und kirchlichem Gesang unterrichtet wird, die israelitischen Schüler also nichts versäumen. Am
Sonntag dagegen hat die israelitische Religionsklasse bei ihrem israelitischen Lehrer ebenfalls nur
Religions-, respektive hebräischen Unterricht und zwar jetzt drei Stunden, sodass mit den fünf Stunden der Wochentage auf den israelitischen Religions- und hebräischen Unterricht zusammen acht Stunden kommen.
Betreffs derjenigen Festtage, die nicht in die Ferien fallen, ist es ähnlich eingerichtet, wie am Sonnabend und Sonntag. An den
jüdischen Festtagen haben nur die christlichen Kinder bei ihren Religionslehrern Unterricht mit der Bestimmung, dass im Lehrgang nicht fortgefahren, sondern nur repetiert werden darf; an
christlichen Festtagen dagegen hat die israelitische Religionsklasse bei ihrem Religionslehrer Unterricht. Die Störung, die der Gang des Unterrichts durch diese Unterbrechungen erleidet, scheint auf den ersten Anblick sehr schädlich zu sein, hat sich aber in der Praxis als sehr unbedeutend herausgestellt.
So besteht die Schule in Stadtlengsfeld nun bald 27 Jahre. Keine der beiden vereinigten Gemeinden würde auf Befragen eine Aufhebung des Vereinigungsvertrags wünschen; denn es stellen sich mit jedem Jahre mehr die Vorteile der Einrichtung heraus. Das gute Einvernehmen zwischen Christen und Juden ist sichtlich gestiegen seit dem Bestehen der Schule. Jeder einsichtsvolle Bürger muss sich sagen: Das kleine Städtchen hat nicht viel Bemerkenswertes aufzuweisen außer seiner Schule; wer seinen Kindern auch an irdischen Gütern nicht viel hinterlassen kann, dem ist durch die vereinigte fünfklassige Bürgerschule doch Gelegenheit geboten, ihnen eine Ausbildung geben zu lassen, wie sie ohne dieselbe niemals möglich wär. Die Anerkennung der beaufsichtigenden Behörden hat denn auch der Schule niemals gefehlt.
Freilich hat die Schule auch stets das Glück gehabt, Rektoren und Lehrer zu besitzen, die vom richtigen Simultangeiste beseelt waren und sind, sodass von
'Rischus´ (Antisemitismus) niemals eine Spur zu entdecken; namentlich gebührt in dieser Beziehung dem jetzigen Rektor wohlverdiente Anerkennung.
In neuester Zeit sind nun in der Simultanschule noch zwei Einrichtungen angefügt worden, die derselben nur zum Nutzen gereichen werden. Es sind das zwei fakultative Unterrichtsanstalten: Die eine unterrichtet ihre Schüler in den
fremden Sprachen: Lateinisch, Französisch und Englisch und hat sich zur Aufgabe gestellt, ihre Schüler für die Tertia der Gymnasien etc. vorzubereiten. Die andere ist eine fakultative
hebräische Unterrichtsklasse. In ihr unterrichten der Herr Landrabbiner und der israelitische Lehrer der Simultanschule in
Pentateuch mit Raschi, in hebräischer Grammatik, Mischna und Talmud. Beide Klassen haben erst ein Jahr ihres Bestehens hinter sich und haben in diesem Jahre zu Ostern zum
. |
ersten Male
öffentlich Zeugnis von ihrer Tätigkeit abgelegt. Der Bericht über die
Prüfung der fremdsprachlichen Klasse gehört nicht in dieses Blatt, während die
Prüfung der hebräischen Unterrichtsklasse auch die Leser der 'Israelit' interessieren dürfte. Es wurde in allen obengenannten Gegenständen geprüft. In
Pentateuch mit Raschis Kommentar wurden mehrere Verse aus den Sidra’s: Wajezeh und Wajischlasch durchgenommen, und zwar gelesen, übersetzt und ihrem Inhalt und Zweck nach gründlich besprochen. In der
hebräischen Grammatik zeigten die Schüler die Kenntnis der persönlichen Fürwörter nebst ihrer Deklination, ferner die Konjugation des regelmäßigen Zeitwortes; den Schluss bildete ein Diktat in der heiligen Sprache (Hebräisch). Die Prüfung in Mischnah zeigte zunächst die Kenntnis von dem Verfasser der Mischnah, der Zeit ihrer Abfassung, von … Hierauf wurden verschiedene Mischnoth aus Babah Meziah gelesen, übersetzt und ihrem Inhalte nach ausführlich besprochen. Ähnlich wurde es mit der Prüfung im Talmud gehalten. Hier kam Traktat Bezah, fol. 25, pag. 1 und pag. 2 zur Vorführung. Die Schüler zeigten sich in allen Gegenständen gut unterrichtet und machte die Prüfung auf das anwesende Publikum sichtlich einen freudigen Eindruck. Da ein derartiger Unterricht hier lange Zeit geschlummert hatte, so wurde das Erwachen desselben mit der freudigen Hoffnung begrüßt, dass er weiter gedeihen möge!
So besitzt denn das kleine Städtchen Lengsfeld eine Schule, wie sie ein so kleiner Ort sich nicht besser wünschen kann, und wir haben sicher nicht zu viel gesagt, wenn wir behaupteten, sie stehe in ihrer Art einzig da.
Möge sie der Stadt wie bisher so auch ferner mit ihren neuen Einrichtungen zum Segen gereichen!
Zu wünschen wäre freilich, dass eine solche Anstalt auch weiteren Kreisen zugänglich würde, und möchte es vielleicht mancher jüdische Vater freudig begrüßen, wenn der Landrabbiner und der israelitische Lehrer des Ortes sich bereits erklären würden,
auswärtige Zöglinge gegen entsprechende Pension bei sich aufzunehmen und ihnen so die Segnungen einer guten Schule auf nicht zu kostspielige Weise darzubieten, wie denn auch wirklich schon einige israelitische Schüler von benachbarten Dörfern die Schule
besuchen." . |
Rabbiner
und Pfarrer sind gemeinsam im Schulvorstand (1891)
Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 27. März 1891: "Stadtlengsfeld, 20. März (1891). In dem
Artikel 'Die Rabbiner der Zukunft' in Nr. 11 heißt es: Wir wissen
nicht, ob ein solches Verhältnis (dass im Schulvorstand neben den
christlichen Geistlichen ex officio ein Rabbiner sitzt) schon irgendwo auf
der Erde existiert.' Ein solches Verhältnis besteht seit dem 1. Januar
1875 in Sachsen-Weimar, auf Grund des Gesetzes über das Volksschulwesen
im Großherzogtum Sachsen vom 24. Juni 1874. Die betreffende Bestimmung
lautet: 'Der Schulvorstand besteht a) aus dem Bürgermeister und dessen
Stellvertreter, b) aus dem oder den Geistlichen des Ortes, in deren
Konfession Unterricht in der Volksschule erteilt wird; wo mehr Geistliche
einer solchen Konfession im Orte sind, bestimmt die oberste Schulbehörde
usw.'. So sitzt denn hier seit 16 Jahren der Rabbiner neben einem evangelischen
Pfarrer im Schulvorstand, aber die Schwierigkeiten, welche in dem
genannten Artikel befürchtet werden, sind bis heute noch nicht
eingetreten. Es haben weder persönliche Reibungen zwischen dem jüdischen
und dem christlichen Geistlichen stattgefunden, obgleich seit Einführung
jenes Gesetzes der zweite Rabbiner und der dritte Pfarrer dem
Schulvorstand angehören, noch kommt es vor, dass die beiden Geistlichen
gemeinschaftlich Front gegen die übrigen Mitglieder des Schulvorstandes
machen. Es ist ein einträchtiges Zusammenwirken aller Mitglieder
wahrzunehmen. Die Beobachtung der Schulgesetze seitens des Rabbiners und
die Art und Weise seines Studiums der jüdischen Theologie haben sich
dabei nicht als störend und hinderlich erwiesen. Ja noch mehr. Seit dem
Jahr 1833 bildet der Rabbiner dahier als großherzoglicher Landesrabbiner
mit dem Direktor (Landrat) eines jeden Verwaltungsbezirks, in welchem
Israeliten wohnen, die 'Großherzogliche Aufsichtsbehörde über die
israelitischen Angelegenheiten'. Diese Behörde hat über die ganze Verwaltung
der israelitischen Kultusgemeinden, die israelitischen Armenanstalten und
milden Stiftungen die Aufsicht zu führen, die Rechnungen zu prüfen, die Gemeindewahlen
zu bestätigen und die Gewählten zu verpflichten, über Beschwerden,
Streifälle etc. innerhalb der Gemeinden zu entscheiden, überhaupt alle
ihre Angelegenheiten zu beaufsichtigen, soweit sie nichtkirchliche Dinge
im strengsten Sinne betreffen, diese gehören unter Oberaufsicht der
Regierung vor den Landesrabbiner allein. Aber auch bei diesen oft schwierigen
und peinlichen Amtsgeschäften ist uns von Reibungen zwischen dem weltlichen
und dem geistlichen Mitgliede der Aufsichtsbehörde nichts bekannt
geworden, auch nicht, nachdem auf einen über vier Jahrzehnte fungierenden
Rabbiner der radikalsten Glaubensrichtung, dem ersten, der jenes Staatsamt
bekleidete, Männer mit konservativen Grundsätzen gefolgt waren.
Meinungsverschiedenheiten können selbstverständlich unter mehreren Mitgliedern
einer Behörde nciht ganz ausbleiben, und bei solchen entscheidet das
Ministerium im Weimar als zweiten und letzte Instanz. Persönliche
Reibungen unter Mitgliedern einer Körperschaft kommen unleugbar hier und
da vor, Friktionen gab es schon im Schoße der höchsten Staatsbehörde,
und Takt- und Pflichtgefühlt werden auch den Rabbiner der alten Schule
und von streng ritueller Lebensführung in einem Kollegium mit andersgläubigen
Geistlichen oder Bürgern und Beamten den rechten Weg finden
lassen." |
Zum Tod von Religionslehrer Jacob Salzer
(1894)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 31. Dezember 1894: "Stadtlengsfeld. Und Jakob ging
seinen Weg. Am 24. Dezember (26. Kislev) verstarb hier im Alter von
nahezu 83 Jahren der emeritierte Religionslehrer Jacob Salzer, Vater
unseres verehrten Herrn Landrabbiners Dr. Salzer - sein Licht leuchte.
Der Verblichene hat 47 Jahre lang in Ermershausen
(Bayern) als Kultusbeamter gewirkt und in reichem Maße Gottesdienst,
Tora und Wohltätigkeit ausgeübt und so konnte es nicht fehlen, dass
ihm für seine Tätigkeit die Liebe und Anerkennung seiner Gemeinde zuteil
wurde. Auch im hiesigen Orte, wo er im Hause des Sohnes die Zeit seines
Ruhestandes verbrachte, gewann sich der jugendliche Greis gar bald de
Herzen aller, die ihm nahe standen. Zu seiner heute erfolgten Beerdigung
hatten sich viele Freunde und Kollegen aus der Umgegend eingefunden, um
dem geschätzten Toten die letzte Ehre zu erweisen; auch waren viele
christliche Bekannte, darunter der Pfarrer des Ortes und der Rektor der
Schule, dem Leichenbegängnisse gefolgt. Tief ergriffen hielt Herr
Landrabbiner Dr. Salzer dem geliebten Vater die Gedächtnisrede und dankte
dem Dahingeschiedenen für die gute Erziehung, die er seinen Kindern habe
angedeihen lassen, sodass sie alle, unter ihnen auch 2 in Amerika lebende
Söhne als gesetzestreue Israeliten das Erbe des Vaters heilig halten. So
kann auch auf den Verschiedenen das Wort der Schrift vom Erzvater Jakob
Anwendung finden: 'Der Geist ihres Vaters Jacob lebt fort in seinen
Kindern!' Das Andenken an den Gerechten ist zum Segen!' Baumgart." |
Lehrer Willi Katz tritt in den Ruhestand
(1926)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 29. März 1926: "Stadtlengsfeld. Nach 30-jähriger
Tätigkeit an der hiesigen simultanen Stadtschule ist Lehrer Willi Katz
in den Ruhestand getreten. Die erledigte Stelle wird kaum wieder durch
einen jüdischen Lehrer besetzt werden, da die Zahl der jüdischen Kinder
sehr zurückgegangen ist." |
|
Artikel
in der "Jüdisch-liberalen Zeitung" vom 5. März 1926: "Stadtlengsfeld
(Pensionierung). Nach 30-jähriger Tätigkeit an der hiesigen
simultanen Stadtschule trat Lehrer Willi Katz in den Ruhestand. Da die
Zahl der jüdischen Kinder stark zurückgegangen ist, wird die erledigte
Stelle kaum wieder durch eine jüdische Lehrkraft besetzt
werden". |
Berichte aus
dem jüdischen Gemeinde- und Vereinsleben
Eine Gruppe in der Gemeinde sorgt für massive Unruhe
im gottesdienstlichen Leben
(1847)
Artikel
in der Zeitschrift "Der treue Zionswächter"
vom 19. Januar 1847: "
Hinweis zum Inhalt des Artikels: Der Artikel ist offenbar auf Grund von damals sehr starken Spannungen in der Gemeinde um die Frage nach gottesdienstlichen Reformen geschrieben worden. Diese Reformen waren von Landrabbiner Dr. Heß 1833 angeordnet und seit 1837 durchgeführt worden. Sie betrafen vor allem die Einführung eines deutschen Gottesdienstes in der Synagoge, doch unter gleichzeitiger Tolerierung eines hebräischen Psalmengottesdienstes. In Stadtlengsfeld hatte sich nach dem Verfasser des Artikels damals eine
"Sekte" gebildet, "die weder zu den orthodoxen Juden, noch zu den fortgeschrittenen gehörte, da sie weder einen Funken religiösen Sinnes, noch viel weniger zeitgemäße Bildung
besitzen". An der Spitze der Gruppe, die sich weiße Juden" nannte, stand ein
"Fuhrmann, der drei Pferde hat, die das ganze Jahr (auch an Schabbat und Feiertagen) arbeiten müssen, ohne dass demselben das vierte Gebot (Schabbatgebot) im Wege steht und im Übrigen einen demgemäßen religiösen Lebenswandel führt". Dieser Fuhrmann brachte seine Vorstellungen in den Gottesdiensten sehr aggressiv gegen den Protest des größten Teile der Gemeinde vor. In einem Gottesdienst konnte sich auch der zuständige Vorbeter nicht gegen ihn und die Gruppe wehren,
"da er von dessen (sc. des Fuhrmanns) Anhängern Schläge zu erwarten gehabt hätte) und dadurch entstand ein solches Lärmen, dass der Gottesdienst geschlossen werden
musste…". "Nach dem Feiertag gingen sämtliche Anhänger der neuen Sekte unter dem Scheine des Fortschritts vor Gericht und begannen eine Angeberei, die ihresgleichen in der Geschichte nicht noch einmal findet. Die Folge davon war, dass seit jener Zeit kein Psalmgottesdienst mehr ist, folglich auch kein deutscher Gottesdienst außer Schabbat (dennoch war an Chanukka einmal Frühgottesdienst, wo deren Anhänger, der Lehrer A. [gemeint wohl Lehrer Liebmann Adler], den Gottesdienst
leitete…". "Diese sich ‚weiße Juden‘ Nennenden gehen in die Synagoge, in der sie jedoch alles andere mehr treiben, als wahre Andacht. Ein Teil lacht, ein Teil schläft… so verbringen sie für sich zum Spott und für andere zum Ärger die Zeit des Gottesdienstes. Fragt sie jemand, aus welchem Grunde sie diese Taten begingen, so antwortet der eine: ‚ich weiß selbst nicht, es ist eine Reiberei‘ der Andere: ‚ich will keinen deutschen Gottesdienst, es soll nur ein wenig untereinander gehen, der Landrabbiner soll hierher!‘
und dergleichen mehr. Unter solchen Motiven heucheln sie der Behörde Treue der Gottesdienstordnung und wollen emanzipiert sein… So steht es jetzt um unsere Gemeinde. Zehn Menschen ruinieren den ganzen
Ort…" " |
Beitrag zum Thema "Kultusreform"
(1853)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 19. September 1853:
Zum Artikel Kultusreform von Schullehrer Liebmann Adler in Stadtlengsfeld (war nach seiner Auswanderung
1854 Prediger in Chicago).
Er vergleicht die zu seiner Zeit übliche großherzoglich weimarische Gottesdienstordnung mit derjenigen in anderen jüdischen Gemeinden, die er – nach Durchführung mancher Reformen – vor allem in Frankfurt (Rabbiner Stein), aber auch in Walldorf oder in Kassel vorgefunden hat und kommt zum Resultat (Schluss des Artikels):
'Allein ich fand es weder in Walldorf noch in Frankfurt noch in Kassel besser als hier (sc. Stadtlengsfeld). In Walldorf fand ich mehr Ordnung, mehr Beteiligung, in Kassel mehr Glanz, in Frankfurt mehr Fortschritt, hier aber mehr praktischen Sinn in der Anordnung und Rücksicht auf das Synagogale, Damit will ich aber nicht sagen, dass die Reise weiter keine Ausbeute geliefert habe, als die Selbstzufriedenheit. Ich habe auf meinen Ausflügen Manches gehört und wahrgenommen, was mir, als Liturg,
zustatten kommt. Ich bin in den Besitz sehr brauchbarer Musikalien gelangt, die mir sonst unbekannt geblieben wären.'
Bei Interesse bitte Textabbildungen anklicken. " |
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Artikel
in der
"Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 10. Oktober 1853: |
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Artikel
in der
"Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 17. Oktober 1853: |
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Brandkatastrophe in Stadtlengsfeld
(1878)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 6. November 1878: "Hilferuf!
Ein schweres, schreckliches Unglück ist plötzlich über die Stadt Lengsfeld hereingebrochen. In einer großen, alten, gefüllten Scheune, welche innerhalb der Stadtmauer an der westlichen Seite der Stadt gelegen, brach in der Mitternachtsstunde vom 26. zum 27. dieses Monats, vermutlich von Frevlerhand angelegt, eine Feuersbrunst aus, welche von starkem Sturme getrieben, in fabelhaft kurzer Zeit sich über die Hälfte der Stadt verbreitete und bis zum Tagesanbruch einige 80 Gebäude, darunter das Amtsgebäude, das Rathaus, eine Schule, die Post, die Kinderbewahranstalt in Asche legte und die Synagoge, eine zweite Schule und viele Privatgebäude beschädigte. Trotz der angestrengtesten Tätigkeit gelang es erst nach 24 Stunden, das Feuer zu bekämpfen.
Diese Feuersbrunst hat in dem ohnehin armen Rhönstädtchen mit seiner dermalen beschäftigungslosen Weberbevölkerung namenloses Elend angerichtet. Wer jemand die Schauer eines so plötzlich eintretenden Unglücks mit angesehen oder bar miterlebt hat; wer von Menschenliebe und Wohltätigkeitssinn erfüllt ist; wer überhaupt in der Lage ist, etwas zur Milderung dieses Unglücks beitragen zu können; an den richtet sich unsere dringende Bitte um schleunige Hilfe in schwerer Not gewiss nicht vergeblich.
Stadt Lengsfeld, am 28. Oktober 1878.
Das Hilfskomitee:
v. Thüna, Bezirksdirektor in Dermbach, Cuyrim, Bürgermeister. Dr. Rosztock, Physikus.
Hißbach, Pfarrer. Schleichert, Rektor. Bock, Amtsassessor.
Pechmann, Kantor, Dr. Kroner, Landrabbiner. Dannenberg, Kaufmann,
Rudolph, Amtsregistrator. Fuchs, Lehrer.
Die Expedition des 'Israelit' ist gern bereit, milde Gaben in Empfang zu nehmen und durch die Spendenlisten zu veröffentlichen." |
Urteil gegen den Holzhauer Johann Trender auf Grund
seines Überfalls auf das Haus eines jüdischen Getreidehändlers in Gehaus
(1894)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 6. August 1894: "Lengsfeld, 28. Juli (1894). Der Holzhauer Johann Trender war vom Schöffengericht in Lengsfeld zu einer Woche Gefängnis verurteilt worden, weil er es nachgewiesenermaßen gewesen war, der am Abend des 4. März dieses Jahres einem jüdischen Getreidehändler in
Gehaus ohne irgendwelche Veranlassung zwei Fensterscheiben eingeschlagen hatte. Trender legte gegen dieses Urteil Berufung ein, über welche das Landgericht in Eisenach vor Kurzem verhandelte. Staatsanwalt Blüher führte aus, dass nach den seinerzeit angestellten Ermittlungen zweifellos konstatiert worden sei, dass ein anderer als Trender derjenige gewesen, der die Sachbeschädigung ausgeführt habe. Es sei in letzterer Zeit überhaupt des Öfteren vorgekommen, dass jüdischen Einwohnern in
Gehaus von Leuten, welche jedenfalls durch die antisemitische Bewegung aufgehetzt worden sind, die Fenster eingeworfen wurden. Man sei sogar so weit gegangen, dass man Grabdenkmäler auf dem jüdischen Friedhofe zerschlagen habe. Derartige Schandtaten könnten nicht genug geahndet werden! Habe man nun bei den vielfachen Bubenstreichen gerade einen der Übeltäter erwischt, so müsse dieser denn auch gehörig gestraft werden. Er beantragte daher, die Berufung als vollständig unbegründet zu verwerfen. Der Gerichtshof entschied im Sinne der Ausführungen des Staatsanwaltes und verwarf die Berufung." |
Kultusminister von Pawel besucht die jüdische
Gemeinde - Vorsteher Jakob Huhn I erhält die silberne Verdienstmedaille
(1898)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 27. Juni 1898: "Stadtlengsfeld (Sachsen-Weimar). In voriger Woche bereiste der
Kultusminister Exzellenz von Pawel in Begleitung des Großherzoglichen Bezirksdirektors und des Bezirksschulinspektors das Eisenacher Oberland. Bei ihrem Aufenthalte in hiesiger Stadt beehrten die Herren auch den Großherzoglichen Landrabbiner Dr. Salzer mit ihrem Besuche. Derselbe führte die Herren auf Wunsch in die hiesige Synagoge, woselbst sie mit sichtlichem Interesse die kulturellen Einrichtungen in Augenschein nahmen. Dem langjährigen Vorsteher der hiesigen Synagogengemeinde Herrn Jacob Huhn I. wurde von Seiner Königlichen Hoheit, dem Großherzoge von Sachsen die silberne Verdienstmedaille verliehen." |
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Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 8. Juli 1898:
Dieselbe Mitteilung wie oben im "Israelit"
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Berichte
zu einzelnen Personen aus der jüdischen Gemeinde
Über Lehrer Jakob Levi Müller aus Stadtlengsfeld,
Lehrer in Pretzfeld (um 1811/18)
Lehrer
Jakob Levi Müller, um 1811/18 (vermutlich auch noch in den folgenden
Jahren) "Rebba, Vorsinger, Schächter" in Pretzfeld. Die
Bildunterschrift lautet übersetzt: "Dies ist ein Bildnis des
vornehmen (Ehrentitel: Kazin) Jakob, Sohn des ehrenwerten Alexander
Müller Segal aus der Heiligen Gemeinde Stadtlengsfeld,
derzeit Vorbeter und Treuhänder in der Heiligen Gemeinde
Pretzfeld".
Das Bild wurde sehr wahrscheinlich - auf Grund des Monogramms AS - von dem
adligen Dilettanten August Graf von Seinsheim (1789-1869)
gezeichnet,
der 1816/17 im Nazarenerkreis in Rom war und aus der Familie Seinsheim
stammte, die zwischen 1764 und 1852 Eigentümer von Schloss Pretzfeld war.
Vermutlich hat der Maler den Dargestellten bei einem Besuch in Pretzfeld
kennengelernt und gezeichnet, als Erinnerungsbild oder als Freundesgabe.
Quelle: Privatbesitz; mit freundlicher Unterstützung durch Prof.
Dr. Michael Thimann, Georg-August-Universität Göttingen, Kunstgeschichtliches Seminar und
Kunstsammlung.
Zu August Graf von Seinsheim siehe Artikel
in der Deutschen Biographie. |
Zum Tod des Großherzoglichen Amtsphysikus und
Landgräflichen Philippsthälischen Hofrates Dr. Samuel Heß
(1838)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 10. März 1838: "Nekrolog.
Am 9. Dezember 1837 starb, in seinem 50. Lebensjahre, zu Stadt-Lengsfeld der Großherzogliche Amtsphysikus und Landgräfliche Philippsthälische
Hofrat Dr. Samuel Heß daselbst. Er war der Sohn des verstorbenen Großherzoglichen
Landrabbiners Isaak Heß Kugelmann und hatte seine medizinischen Studien in Würzburg und später in Wien gemacht. Auf der ersten Universität promovierte er auch und kehrte im Jahre 1813 nach seinem Geburtsorte
Stadt-Lengsfeld zurück. Dort gewann ihm seine Geschicklichkeit bald eine bedeutende Praxis und bewog unsere erleuchtete Staatsregierung, ihn schon im Jahre 1817 als Physikus des dasigen Amtsbezirkes anzustellen, auf welche Anstellung, einige Jahre später, als ein Beweis besonderen Vertrauens, die Ernennung als Provinzial-Accoucheur des Eisenacher Oberlandes erfolgte. Dieses Vertrauens zeigte sich der Verblichene denn auch im hohen Grade würdig. Was nur in seine amtliche Sphäre gehörte, ward von ihm mit seltener Gewissenhaftigkeit ergriffen und seinen Arbeiten hat die Anerkennung besonderer Tätigkeit Seiten seiner vorgesetzten Oberbehörde nie gefehlt. Ein tiefer Blick in das Wesen der Krankheit, eine seltene Ansicht in der Wahl und Anwendung der Mittel, beides gefördert durch eine rastlose wissenschaftliche Fortbildung, zeichnete ihn vor vielen seiner Kollegen aus, und um die letzte nie zu verabsäumen, machte er sich stets mit den besten und kotbarsten Werken in der medizinischen Literatur bekannt und hinterlässt eine Bibliothek, wie sie wohl kaum in der ganzen Gegend angetroffen wird. Mit diesen geistigen Vorzügen verband er am Krankenbette Geduld, Sanftmut und Leutseligkeit und andere Eigenschaften des Gemütes, die ganz dazu geeignet sind, dem Arzt das unbedingte Vertrauen des Publikums zu verschaffen. Kein Wunder, wenn daher die achtbarsten Häuser und hohen Herrschaften in der ganzen Gegend sich stets nur an ihn wendeten, wenn man selbst aus der Ferne nicht selten seine Hilfe suchte und die meisten seiner Kollegen in schwierigen und gefährlichen Krankheitsfällen auf seine Zuziehung drangen. Zu den erwähnten hohen Herrschaften gehörte auch das Haus Seiner Hochfürstlichen Durchlaucht des Herrn Landgrafen von Hessen Philippsthal, dessen ganze Familie mit unbeschränktem Vertrauen ihm ergeben war und der ihn daher auch zu seinem Leibarzte und Hofrat in den schmeichelhaftesten und ehrenvollsten Ausdrücken ernannte. Aber obgleich von den Hohen und Angesehensten gesucht, stand der Verewigte doch nie zurück, wenn ihn seine Pflicht in die Wohnstätten der Armut, in die Hütten des Elends und der Dürftigkeit rief; denn er war nicht nur
Arzt, sondern auch Mensch in des Wortes schönstem Sinne. Edelsinn und Biederkeit, Sanftmut und Herzensgüte, Leutseligkeit und Liebe krönten seinen Charakter, sein Leben. Dem Judentum angehörend und es in seiner wahren Bedeutung erfassend, setzte er in der Förderung alles Edeln und Guten, in der Verwirklichung des Reinmenschlichen, der Religion höchstes Ziel und wendete die Gemeinschaft mit seinen Glaubensgenossen besonders auch dazu an, auf ihre Erleuchtung und sittliche Erhebung zu wirken und durch eigenes Beispiel dazu beizutragen, dass die zu diesem Zwecke von unserer weisen Staatsregierung unternommenen Verbesserungen des Kultus- und Schulwesens der Israeliten bei diesen selbst immer mehr Eingang und Würdigung fänden.
Sein Segen wird auch in dieser Beziehung weit über sein Grab hinaus reichen und sein Andenken Allen, die ihn kannten, unvergesslich bleiben." |
Kommerzienrat Rosenblatt wird als Landtagsabgeordneter
gewählt (1867)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 19. November 1867: "Aus Thüringen, im November (1867). (Privatmitteilung). Dieser Tage wurde im Großherzogtum Sachsen-Weimar der erste Jude in des Person des
Kommerzienrates Rosenblatt aus Stadtlengsfeld als Landtagsabgeordneter gewählt; auch sein Gegenkandidat
Advokat Katzenstein aus Eisenach war Jude.
Wie weit die Hyperorthodoxie sich auch in unseren Tagen noch versteigt, das beweisen die Maßnahmen des gelehrten
Rabbiner Dr. Enoch zu Fulda, früherer Redakteur des Zionswächter seligen Andenkens. Derselbe verirrt sich in seinem frommen Eifer sogar in die Tanzsalons seiner ihm anvertrauten Gemeinden, indem er mit aller Strenge das talmudische Verbot des Tanzens an den Feiertagen aufrecht zu erhalten sucht, was in vielen Orten seines Bezirkes zu sehr ärgerlichen Auftritten führte und nicht geeignet ist, dessen Ansehen zu erhöhen. Die Welt lässt sich einmal in der Jetztzeit nicht mehr mit solchem rabbinischen Spuk bannen. – Wenn übrigens der genannte fromme Herr seine Aufmerksamkeit anstatt dem harmlosen Tanzvergnügen dem synagogalen Leben seines Distrikts zuwenden würde, so könnte er sich wahrlich größere Verdienste um sein geistliches Amt erwerben. Auf diesem Felde sieht es noch traurig aus; von einer Andacht, einer Würde, einer Ordnung ist an vielen Orten wenig Spur. Hier öfters zeitgemäße Anordnungen zu treffen, wäre heilsamer als die Revisionen der Schächtmesser, der Mazzmaschinen, die Untersuchungen der Mikwahs, der Erubim (Sabbatweggrenzen), was der fromme Mann zu seiner Lebensaufgabe gemacht zu haben scheint". |
Zum Tod des emeritierten Lehrers Hirsch
Hecht (bis 1871 Lehrer in Aschenhausen,
danach in Stadtlengsfeld im Ruhestand, 1877)
Artikel
in der "Israelitischen Wochenschrift für die religiösen und socialen
Interessen des Judentums" vom 21. Juni 1877: "Aus dem Großherzogtum
Sachsen. Anfangs Juni. Am 29. vorigen Monats hat zu Stadtlengsfeld
ein edles Lehrerherz aufgehört zu schlagen. Der emeritierte Lehrer Hirsch
Hecht, der früher als Kultusbeamter zu Aschenhausen eine
achtunggebietende Stellung einnahm, war im Jahre 1871 durch körperliche
Schwäche veranlasst seine Pensionierung zu erbitten, welche ihm auch in
ehrenvollster Weise gewährt wurde und nahm dann seinen dauernden Wohnsitz in
Lengsfeld. Unerwartet rasch erlag er dort einem Herz leiden. Derselbe
hatte es verstanden, durch ein musterhaftes Familienleben, durch treue
Anhänglichkeit an die Religion seiner Väter, durch Förderung aller
gemeinnützigen Bestrebungen, durch freundliches Entgegenkommen gegen alle
die mit ihm verkehrten, sich alle Herzen zu gewinnen. Seine Erkrankung und
sein hinscheiden riefen die aufrichtigste Teilnahme bei allen Konfessionen
und Berufsklassen des Ortes hervor. Die Sympathien, die der Verlebte
genossen, gaben sich durch ein zahlreiches Geleite zur letzten Ruhestätte,
am 31. vorigen Monats kund. Der Land Rabbiner Dr. Kroner verstand es
in meisterhafter Rede am Grabe des Treuen über einen braven Manne Ausdruck
zu geben und wählte hierzu, in gelungener Weise anknüpfend an den
Wochenabschnitt, das Bild der Menorah. Ein erhebender Grabgesang von den
Lehrern des Ortes und der Umgegend schloss in würdiger Weise die ernste
Feier. Das Andenken des wackeren Lehrers wird in Ehren fortleben!" |
Zum Tod des
Toraschreibers Loser Blüth
(1879)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 8. Januar 1879: "Stadtlengsfeld,
im November (1879). Vor Kurzem starb hier ein alter, ehrwürdiger, einem
großen Teil des Leserkreises dieses Blattes wohl bekannter Mann, der
Toraschreiber R. Loser Blüth, im Alter von 81 Jahren. Es sei uns
gestattet, demselben einen kurzen Nachruf zu widmen. Da seine Eltern
frühzeitig gestorben waren, so musste er von seinem 6. bis 13. Jahre von
Fremden erzogen werden. Mit seinem 13. Jahre kam er in die Lehre zu dem
Sofer R. Moscheh Mai in Raboldshausen, Kreis Hersfeld. Schon als
Lehrling war er überall, wo er für seinen Lehrherrn arbeitete, sehr
beliebt und erwarb sich gute Zeugnisse. In seinem 21. Jahre kehrte er nach
seiner Vaterstadt Lengsfeld zurück, wo er bis zu seinem Ende seinen
Wohlsitz hatte. Er arbeitete unter den Rabbinen R. Isak Heß - seligen
Andenkens - Dr. M. Heß und dem jetzigen Landrabbinen Dr.
Kroner. Aber
nicht nur bei diesen Rabbinen und in seinem Heimatlande, sondern auch in
einem großen Umkreise der Nachbarländer Hessen, Bayern und Thüringen
erwarb er sich durch seine Leistungen und sein angenehmes Wesen
Anerkennung und Beliebtheit. Er zeichnete sich aus durch Bescheidenheit,
Religiosität, Arbeitsamkeit, Genügsamkeit und Wohltätigkeit. Diese
Eigenschaften, verbunden mit selten getrübter Heiterkeit, zierten ihn bis
zu seinem Tode; noch am Tage vor demselben arbeitete er. Vor mehreren
Jahren erlebte er das seltene Fest der goldenen Hochzeit, bei welcher
Gelegenheit er u.a. vom Großherzog von Weimar ein vollständiges
Café-Service mit 12 silbernen Café-Löffeln zum Geschenk erhielt. Das
Andenken dieses Gerechten wird bei seinen zahlreichen Bekannten und guten
Freunden ein gesegnetes sein. Ein hier lebender Sohn führt das Geschäft
seines Vaters weiter." |
50-jähriges Jubiläum von Samuel Löb Rosenblatt als
Mohel (1885)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 19. Februar 1885: "Stadtlengsfeld, 17. Februar (1885).
Vergangenen Schabbat beging der Kaufmann Samuel Löb Rosenblatt
dahier sein 25-jähriges Jubiläum als Mohel.
Der Vorstand und die Kultusdeputation der hiesigen Gemeinde
beglückwünschten den Jubilar Freitag Abends und dankten ihm im Namen der
Gemeinde für die Selbstlosigkeit und Opferfreudigkeit, mit welcher er
hier und im weiten Umkreis seine Funktion so lange ausgeübt und noch
ausübt. Zugleich überreichten sie ihm ein wertvolles Buch. Man
wusste, dass man den Jubilar, den großen Freund von Büchern und
der sich mit Torastudium fleißig beschäftig, nicht nur für sich, sondern
auch durch allsabbatliche Vorträge, mit nichts anderem inniger erfreuen
konnte.
Auch der Schwiegersohn des Jubilars, Herr Landrabbiner Dr. Salzer,
hielt es für Pflicht, in seinem Kanzelvortrage des Jubilars zu gedenken.
Möge es dem geehrten Jubilar vergönnt sein, noch recht lange mit
ungeschwächter Kraft sein heiliges Amt auszuüben. J.S." |
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Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 23. Februar 1885: |
Goldene Hochzeit von Kaufmann
Samuel Löb (=Sandel) Rosenblatt und
Minka geb. Huhn (1891)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 16. Februar 1891: "Stadtlengsfeld. Und ihr sollt
heilig halten das 50. Jahr. Mittwoch am 11. dieses Monats (3. Adar)
begingen der Kaufmann Sandel Rosenblatt - sein Licht leuchte -
und seine Gattin Minka geb. Huhn umgeben von einer zahlreichen
Schar von Kindern und Enkeln, unter allgemeiner inniger Teilnahme der
jüdischen wie christlichen Bevölkerung unserer Stadt ihr goldenes
Ehejubiläum. Von den vielen Deputationen, welche dem Jubelpaare ihre
Glückwünsche darbrachten, erwähnen wir die Deputation des städtischen
Gemeinderats, welcher Körperschaft Herr Rosenblatt seit dem Jahre 1850
mit einer nur dreijährigen Unterbrechung angehört, die Deputationen des
israelitischen Kultusvorstands und des Gewerbevereins. Der
Bikur-Cholim-Verein, in welchem der Jubilar schon seit Jahren
allsabbatlich Schiur-Vorträge hält, ließ durch seinen Vorstand ein
passendes Geschenk überreichen. Bei dem Nachmittags veranstalteten
Festmahle übergab der Schwiegersohn des Jubelpaares, Herr Landrabbiner
Dr. Salzer - sein Licht leuchte - im Auftrage Ihrer
Königlichen Hoheiten des Großherzogs und der Frau Großherzogin unter
einer höchst ergreifenden Ansprache das von dem erhabenen Fürstenhause
verehrte kostbare Geschenk. Nicht weniger rührend waren die herzlichen
Dankesworte des greisen Jubilars, der sowohl als Lamdan (Lehrender)
und eifriger Ben Tora (Toragelehrter) in unserer Gegend vereinzelt
dasteht, wie er auch stets Gottesdienst und Wohltätigkeit
in reichem Maße ausübt und jederzeit eine offene Hand für die Werke der
Gerechtigkeit zeigt. Jetzt noch, als Greis, versieht der Jubilar
die Stelle eines Vorbeters an Jom Kippur; ebenso fungiert er
noch als Mohel (Beschneider), nachdem er bereits vor mehreren
Jahren schon sein 50-jähriges Jubiläum als solcher feierte. Dass er sich
allen diesen Bemühungen in uneigennütziger Weise unterzieht, muss
besonders hervorgehoben werden. Der Jubeltag lieferte den besten Beweis
dafür, welch' hohe Achtung sich das Jubelpaar in allen Kreisen zu
erfreuen hat.
Möge Gott noch lange Jahre die beiden Ehegatten in Rüstigkeit
sich ihres frommen und segensreichen Wirkens erfreuen lassen!
J. Baumgart, Lehrer an der städtischen Bürgerschule".
|
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Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 26. Februar 1891: "In Stadtlengsfeld feierten am 11.
dieses Monats der Kaufmann Sandel Rosenblatt und dessen Ehefrau
Minka geb. Huhn das Fest der goldenen Hochzeit unter reger
Teilnahme der hiesigen Bevölkerung. Ehrenvolle Kundgebungen verschiedener
Art wurden dem Jubelpaar aus allen Kreisen von Nah und Fern
zuteil." |
Zum Tod von N. Hirsch Rothschild in
Völkershausen (1897)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 30. Dezember 1897:
"Völkershausen (Thüringen). Am 7. Chanukkatage verschied hier im
hohen Greisenalter von nahezu 93 Jahren N. Hirsch Rotschild. Die hiesige
jüdische Gemeinde, die leider sehr im Abnehmen ist, verliert in dem
Entschlafenen ein musterhaftes Beispiel aufrichtiger Religiosität. Stets
traf man den frommen Greis beschäftigt mit dem Lesen heiliger Schriften.
So lange es ihm seine Kräfte gestatteten, wohnte er dem Jom
Kippur-Katan- Gottesdienste in der Nachbargemeinde Lengsfeld
bei. Seine Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens. rt." |
70. Geburtstag von Kaufmann Jacob Huhn I
(1897)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 11. November 1897: "Stadtlengsfeld, 2. November
(1897). Heute feierte der Vorsteher der hiesigen israelitischen Gemeinde,
Herr Kaufmann Jacob Huhn I seinen siebenzigsten Geburtstag. Es
gestaltete sich dieser Tag zu einem Festtage, nicht nur für die Familie
und Verwandten, sondern auch für die gesamte Kultusgemeinde. Die vielen
Zeichen der Aufmerksamkeit, welche aus diesem Anlasse Herr Huhn erzeigt
wurden. bewiesen, welch hohen Ansehens sich derselbe bei der gesamten
Bürgerschaft unserer Ortes zu erfreuen hat. Seit dem Jahre 1872 wurde er
in neun nacheinander folgenden Wahlperioden als Vorsteher gewählt und hat
dieses Ehrenamt 23 Jahre hindurch zum Segen der Gemeinde und zur
Zufriedenheit seiner vorgesetzten Behörde bis zum heutigen Tage
verwaltet. Außerdem ist Herr Huhn schon seit einer langen Reihe von
Jahren Mitglied des städtischen Gemeinderats. Unter den vielen
Glückwünschen erwähnen wir nur einige. Herr Landrabbiner Dr. Salzer
gratulierte im Auftrage der Großherzoglichen Aufsichtsbehörde; der erste
Kultusdeputierte, Herr Kaufmann Moses Klaar, überreichte als
Zeichen der Dankbarkeit seitens der Synagogengemeinde eine sechsarmige
Hängelampe. Auch von Herrn Kirchenrat Dr. Kroner in Stuttgart,
einem langjährigen Freunde des Gefeierten , lief ein
Glückwunschschreiben ein. Möge die Erinnerung an diesen Ehrentag den
verehrten Herrn noch viele Jahre erfreuen! Lehrer Baumgart."
|
Zum Tod von Sara Huhn und der Frau von Landrabbiner Dr. Wiesen
(1905)
Artikel
in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
vom 10. März 1905: "Stadtlengsfeld (Sachsen-Weimar).
Zwei würdige Frauengräber haben auf dem hiesigen altehrwürdigen
Friedhofe sich aufgetan; am 10. vorigen Monats wurde Frau Sara Huhn,
die Gattin des Kultusvorstehers Jakob Huhn, in ihrem 68. Lebensjahre unter
zahlreicher Beteiligung seitens der Behörden und der gesamten
Bevölkerung zur letzten Ruhe bestattet. Sie war eine edle, durch
Wohltätigkeit und seltene Gastfreundschaft bekannte und allgemein
beliebte Frau. Der Landrabbiner Dr. Wiesen würdigte das Wirken der
Verewigten in tiefbewegten Worten. - Und schon am folgenden Tage folgte
ihr in noch jungen Jahren die beste Freundin in den Tod, die Frau
Landrabbiner Dr. Wiesen. Das Leichenbegängnis legte Zeugnis ab von
der Liebe und Verehrung, welche die junge Frau in allen Kreisen genossen.
Vertreter aus allen Gemeinden des Großherzogtums, die jüdische
Lehrerschaft desselben, die Behörden und Bürger der Stadt hatten sich
eingefunden. Landrabbiner Fränkel aus Meiningen entwarf in treffender
Weise das ergreifende Lebensbild der Verstorbenen und schilderte die
hervorragenden Eigenschaften ihres Geistes und Herzens." |
Auszeichnung
für Kultusvorsteher Jakob Huhn (1907)
Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt"
vom 18. Januar 1907: "Stadtlengsfeld (Sachsen-Weimar).
Dem seitherigen Kultusvorsteher Jakob Huhn wurde in Anerkennung
seiner 50-jährigen verdienstvollen Amtsverwaltung von Seiner Königlichen
Hoheit dem Großherzoge die goldene Verdienstmedaille
verliehen." |
Zum Tod von Salomon Rothschild
(1927)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 15. September 1927: "Stadtlengsfeld, 5. September (1927).
Gestern Nachmittag wurde Salomon Rothschild von hier zur
letzten Ruhestätte gebracht. Er war Kaufmann von Beruf, betätigte sich
aber auch als Mohel (Beschneider) und Schochet. Der Leichenzug war ein
ungemein langer, wie ihn unsere Stadt lange nicht gesehen hat. Beide
Konfessionen beteiligten sich gleich stark an dem Begräbnis. Am Grabe
sprach zuerst Herr Lehrer Katz von hier und dann Herr Pfarrer Kohlschmidt
aus Völkershausen, woselbst
Rothschild geboren ist und längere Zeit gewohnt hat. Seine Seele sei
eingebunden in den Bund des Lebens". |
Abschied von der Familie Nathan Ullmann
(1935)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 21. Februar 1935: "Stadtlengsfeld, 19. Februar (1935). Am
vergangenen Schabbat Tezawe wurde anschließend an den Gottesdienst
zu Ehren des nach Erez Jisrael übersiedelnden Herrn Nathan Ullmann und
Familie in der hiesigen Synagoge eine Feier abgehalten. Herr Wildmann
gedachte in seiner Abschiedsrede der Verdienste des Herrn Ullmann in
seiner 25-jährigen Wirksamkeit als Vorstand um den hiesigen Verein Bikkur
Cholim, ebenso der Frau Ullmann um den hiesigen Frauen-Verein. Die
hiesige Gemeinde verliert mit dem Weggang der allgemein beliebten Familie
sehr viel. M." |
Anzeigen
jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen
Anzeige
des Manufaktur- und Wäschefabrikations-Geschäftes L. M. Stiebel (1889)
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
12. Juni 1889: "Für mein Manufaktur- und Wäschefabrikations-Geschäft
suche ich zum baldigen Eintritt einige Lehrmädchen mit guter
Schulbildung, welche Lust haben, das Zuschneiden sämtlicher Wäschegegenstände,
sowie das Konfektionieren derselben zu erlernen.
Offerten mit Photographie nebst Angabe des Alters erbittet
L.M. Stiebel, Wäschekonfektion, Stadtlengsfeld (Sachsen-Weimar)."
|
Anzeige von Metzgermeister Ferdinand Müller
(1900)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Israelit"
vom 22. November 1900: "
Metzgerlehrling-Gesuch.
Suche per sofort oder Ostern unter günstigen Bedingungen für meine
Fleischerei und Wurstwarenversandgeschäft, einen kräftigen Lehrling,
Sohn achtbarer Eltern. Schabbat und Feiertag geschlossen.
Ferdinand Müller, Stadtlengsfeld in Thüringen."
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Nach
der Emigration: Geburtsanzeige für Marvin Irving Klaar (1944)
Anzeige
in der Zeitschrift "Der Aufbau" vom 11. Februar 1944:
"We are happy to announce the birth of our son
Marvin Irving
Martin and Bettina Klaar née Juengster
(formerly Stadtlengsfeld - Tann)
9205 Edmunds Avenue Cleveland, Ohio January 31st,
1944". |
Sonstiges
Wanderbuch für Moses Glückauf
(1861)
Anm.: aus der Sammlung der Urenkelin von Moses Glückauf: Prof. Dr. Joan
Gluckauf Haahr (USA), vgl.
Grußwort in Zwingenberg
Das Wanderbuch des Webers Moses Glückauf aus Lengsfeld, geb. 17. Juli
1844, wurde vom Gemeindevorstand in Lengsfeld am 23. Juli 1861 ausgestellt.
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