Baisingen Friedhof 154.jpg (62551 Byte)  Segnende Hände der Kohanim auf einem Grabstein in Baisingen


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Streitberg (Marktgemeinde Wiesenttal, Kreis Forchheim)
Jüdische Geschichte 
(Seite erstellt unter Mitarbeit von Jürgen Hanke, Kronach) 

Übersicht:  

bulletZur jüdischen Geschichte in Steitberg 
bullet Dokumente und Abbildungen/Fotos zur jüdischen Geschichte in Streitberg   
-
  Anzeigen der "Israelitischen Restauration" von Marx Oppenheimer (bzw. Witwe Oppenheimer) in "Bad Streitberg" (1868-1874)  
Dokumente zur Restauration von Marx Oppenheimer 
Der Nürnberger Fabrikant Ignaz Bing, die "Binghöhle" und weitere Erinnerungen in Streitberg - Dokumente und Fotos
Weitere Mitteilungen zur jüdischen Geschichte in Streitberg  
bullet Erinnerungsarbeit vor Ort - einzelne Berichte  
bulletLinks und Literatur   

   

Zur jüdischen Geschichte in Streitberg          
    
In Streitberg gab es zu keiner Zeit eine jüdische Gemeinde, doch lebten zeitweise einzelne jüdische Personen am Ort:
   
In den 1860er-Jahre eröffnete Marx Oppenheimer (1807-1870) eine "Israelitische Restauration" am Ort, die er jeweils für einige Monate im Sommer betrieb. Nach seinem Tod 1870 wurde die Restauration noch einige Jahre von seiner Witwe Jeanette geb. Löwenstein (1819-1878) weiterbetrieben. 
      
Eine besondere Beziehung zu Streitberg entwickelte der Nürnberger Fabrikant Ignaz Bing (geb. 29. Januar 1840 in Memmelsdorf; gest. 24. März 1918 in Nürnberg) und seine Familie. Den Luftkurort Streitberg (damals "Bad Streitberg") im Wiesenttal besuchte Bing vermutlich erstmals in den 1860er Jahren, möglicherweise nachdem die jüdische Restauration von Marx Oppenheimer bestand.
   
Zur Firmengeschichte der Gebr. Bing: 1863 gründeten Ignaz und Adolf Bing die Fa. Gebr. Bing als reines Handelsunternehmen zum Vertrieb von Spiel- und Haushaltswaren. 1879 begann die Errichtung eines eigenen Werks, das zwei Jahre später in Betrieb ging ("Nürnberger Spielwarenfabrik Gebr. Bing"). Anfang 1890 wurden weitere Produktionsstätten errichtet ("Nürnberger Metall- und Lackierwaarenfabrik vorm. Gebr. Bing"). Ab 1919 zeichnete das Unternehmen als "Bing-Werke AG". Um 1923 waren die Bing-Werke die größte Spielzeugwarenfabrik der Welt mit ca. 23.000 Beschäftigten. Nach Turbulenzen in der Weltwirtschaftskrise 1932 wurde die "Bing Spielwaren GmbH Nürnberg" 1934 aufgelöst und liquidiert.
Link zur Firmengeschichte mit zahlreichen Abbildungen von Katalogen usw.    Genealogie: https://www.geni.com/people/Ignaz-Bing/6000000022554092470
Wikipedia-Artikel über "Bing (Unternehmen)"      Historisches Lexikon Bayerns zur Firma Bing      Seite zu den Bing-Werken bei Nuernberginfos.de   Link zum Spielzeugmuseum in Freinsheim.
  
Nach seinem ersten Besuch in den 1860er-Jahren kehrte Ignaz Bing immer wieder in die Fränkische Schweiz zurück. Kurz vor der Jahrhundertwende erwarb er ein Grundstück am Rand des Streitberger Dorfplatzes und ließ das dortige Gebäude, das er "Villa Marie" (nach seiner jüngsten Tochter) nannte, ausbauen. Streitberg wurde für ihn eine zweite Heimat. Von 1899 bis 1918 hatte er in Streitberg seinen zweiten Wohnsitz. Die Villa befindet sich zwischen dem "Posthotel" (außer Betrieb, heute Flüchtlingsunterkunft) und dem ehrwürdigen Gasthof und Hotel "Schwarzer Adler" am Ende einer kleinen Gasse. Auffällig sind der Turmartige Anbau sowie die Geweihe an der Fassade des Haupthauses. Zu seinem Anwesen ließ er eine Wasserleitung legen und als Gegenleistung für die Wasserentnahme im Ort im Jahr 1900 einen Brunnen errichten. 1903 wurde Ignaz Bing zum Ehrenbürger der Gemeinde Streitberg ernannt. 1904 spendete er den "Prinz-Rupprecht-Pavillon" in Streitberg auf Grund eines Besuches des Prinzen in Ebermannstadt und Streitberg 1901. Auf der Suche nach prähistorischen Artefakten entdeckte er 1905 eine Tropfsteinhöhle. Er kaufte das Grundstück am Höhleneingang, ließ die Höhle erforschen und touristisch erschließen.
   
In der NS-Zeit ging 1935 die Binghöhle in den Besitz der Gemeinde Streitberg über und wurde in "Streitberger Höhle" umbenannt. 1945 wurde die Höhle in "Binghöhle" rückbenannt. Heute erinnert am Eingang zur Binghöhle eine Hinweis- und Erinnerungstafel.   
      
      
      
Dokumente und Abbildungen/Fotos zur jüdischen Geschichte in Streitberg          
Anzeigen der "Israelitischen Restauration" von Marx Oppenheimer (bzw. Witwe Jeanette Oppenheimer) in "Bad Streitberg" (1868 - 1877)  
Anmerkung: Marx (Mordechai) Oppenheimer ist am 27. März 1807 in Fürth geboren als Sohn von Hirschel Oppenheimer und seiner Frau Sara geb. Ullmann. Er war verheiratet mit Jeanette geb. Löwenstein, die am 14. Januar 1819 in Fürth geboren ist als Tochter von Jakob Löwenstein und seiner Frau Breindl. Die beiden hatten einen Sohn Leo, der am 24. August 1848 in Fürth geboren ist (gest. 11. September 1914). Marx Oppenheimer starb am 30. November 1870 in Fürth, seine Frau Jeanette am 28. August 1878 ebd. Genealogische Informationen nach https://www.geni.com/people/Mordechai-Oppenheimer/6000000071035119130 und von dort weitere Links.    

Bad Streitberg Israelit 20051868.jpg (53413 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 20. Mai 1868: "Bad Streitberg - Errichtung einer israelitischen Restauration. Eröffnung am 20. Mai (1868). Hiermit bringe ich zur Kenntnis, dass ich im Bad Streitberg (fränkische Schweiz) eine 'Israelitische Restauration' errichtet habe, welche am 20. Mai eröffnet wird. Feine Küche und prompte Bedienung zusichernd, ladet zu freundlichem Besuch ergebenst ein
Marx Oppenheimer
aus Fürth."   
Obige Anzeige erschien auch in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 26. Mai 1868.   
 
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 21. April 1869: "Bad Streitberg. Einem geehrten Publikum die ergebene Anzeige, dass ich im Bad Streitberg (fränkische Schweiz) auch in dieser Sommer-Saison wieder meine Israelitische Restauration errichtet habe.
Für feine Küche, hübsch eingerichtete Zimmer, nebst prompter Bedienung ist bestens gesorgt. Eröffnung am 2. Mai
Marx Oppenheimer aus Fürth."    
 
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 4. Mai 1870: "Bad Streitberg. Einem verehrlichen Publikum die ergebene Anzeige, dass ich meine Israelitische Restauration im Bad Streitberg (fränkische Schweiz) am 15. Mai a.c. eröffnen werde.
Für feine Küche, hübsch eingerichtete Zimmer und prompte Bedienung ist bestens gesorgt. Zu zahlreichem Besuche ladet ergebenst ein
M. Oppenheimer aus Fürth."       
 
Anzeige in der "Israelitischen Wochenschrift" vom 17. Mai 1871: "Bad Streitberg (fränkische Schweiz) Eröffnung am 18. Mai 1881 (statt 1776). Israelitische Restauration. Feine Küche, hübsche Zimmer und prompte Bedienung.
Achtungsvollst M. Oppenheimer's Witwe aus Fürth."  
 
Bad Streitberg AZJ 14051872.jpg (65935 Byte)Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 14. Mai 1872: "Bad Streitberg (Fränkische Schweiz). Eröffnung am 12. Mai 1872. Israelitische Restauration. Eröffnung am 12. Mai (1872). Feine Küche, hübsche Zimmer und prompte Bedienung. Marx Oppenheimers Witwe aus Fürth."   
 
Bad Streitberg AZJ 05051874.jpg (87498 Byte)Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 5. Mai 1874: "Bad Streitberg (Fränkische Schweiz). Eröffnung am 15. Mai 1874. Israelitische Restauration. Eröffnung am 15. Mai 1874. Feine Küche, hübsche Zimmer und prompte Bedienung. M. Oppenheimers Witwe aus Fürth."   
 
Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 18. April 1877: "Eröffnung am 10. Mai.
Bad Streitberg (fränkische Schweiz). Israelitische Restauration, feine Küche, hübsche Zimmer, prompte Bedienung.
M. Oppenheimers Witwe aus Fürth." 

    
Dokumente zur Restauration von Marx Oppenheimer    

  Dokumente zur Israelitischen Restauration
 von Marx Oppenheimer in Streitberg
 (Staatsarchiv Bamberg) 
     
Anmerkung: Jürgen Hanke (Kronach) erkundigte sich im Staatsarchiv Bamberg nach Dokumenten zur Israelitischen Restauration von Marx Oppenheimer in Streitberg. Nach Auskunft des Staatsarchives vom 16. Februar 2021 fand sich In den archivierten Unterlagen des Bezirksamts/Landratsamts Ebermannstadt unter der Aktenrubrik "Konzession für Gaststätten- und Beherbergungsgewerbe" eine Schankerlaubnis für Oppenheimer, Marx, Streitberg (1868). Von den etwa 25 Seiten sind oben drei Seiten abgebildet.  

 
 
 
Der Nürnberger Fabrikant Ignaz Bing, die "Binghöhle" und weitere Erinnerungen in Streitberg - Dokumente und Fotos     

Die Firma von Ignaz Bing: die Nürnberger
Metallwarenfabrik Gebr. Bing (1888)
  
(erhalten von J. Hanke, Kronach)
   
   Die obige Rechnung der Firma Gebr. Bing mit einer Darstellung der Firmengebäude wurde am 7. Februar 1888 an Eduard Griebel in Eisfeld geschickt.
     
  Werbemarke der Gebr. Bing,
Nürnberg (undatiert)
 
(erhalten von J. Hanke, Kronach)
   
     
     
     
 Historische Fotos der Binghöhle 
(Quelle: Peter Karl Müller, Kirchheim/Ries)
Nuernberg Bing D010a.jpg (199659 Byte) Nuernberg Bing D010.jpg (68117 Byte) Nuernberg Bing D010b.jpg (169490 Byte)
   1905 wurde durch Ignaz Bing eine Tropfstein-Galerie-Höhle in Streitberg entdeckt. Er ließ sie als Schauhöhle ausbauen und beleuchten. Die Höhle heißt seitdem "Bing-Höhle" (in der NS-Zeit "Streitberger Höhle").   
  
  Fotos zur Binghöhle im Dezember 2020
(Fotos: J. Hanke, Kronach)
   
    Die Hinweistafel enthält den Text: "Ignaz Bing (1840-1918). Jüdischer Unternehmer in Nürnberg und Besitzer der größten Spielwarenfabrik war ein großer Gönner, Förderer und Ehrenbürger von Streitberg und entdeckte 1905 die nach ihm benannte Höhle". Rechts ein Foto des 1938 vollendeten Ausganges.    
     
 Die "Villa Marie" - historisches Foto und
 Foto vom Dezember 2020
(erhalten von J. Hanke, Kronach;
Repro links von Manfred Franze)
   
   Die Villa Marie, die Ignaz Bing um 1900 in Streitberg baute und in der er zu Weihnachten die Kinder des Ortes beschenkte. Am oberen Bildrand ist der "Prinz Rupprecht-Pavillon" zu sehen; etwas rechts über der Giebelspitze der "Villa Marie" im Wald (auf Foto nicht zu sehen) befindet sich die Bing-Höhle. 
     
 Der Eingang zur "Villa Marie"  
(Fotos: J. Hanke)
   
   Eingang zur "Villa Marie" am Dorfplatz 5 / 5A  "Villa Marie" über dem Eingang
     
     
 Der von Ignaz Bing gestiftete Marktbrunnen (1900)
(Fotos: J. Hanke)  
   
  Der Brunnen steht am Dorfplatz (Ecke Bahnhofstraße / Streitberger Berg)    
     
 Prinz-Rupprecht-Pavillon mit Hinweistafel
(Fotos: J. Hanke) 
   
   Hinweistafel mit dem Text: "Prinz-Rupprecht-Pavillon - Zur Erinnerung an den Besuch des Prinzen Rupprecht von Bayern in der Fränkischen Schweiz im Jahre 1900. Erbaut im Auftrag von Kommerzienrat Ignaz Bing durch den Streitberger Zimmerermeister J. Martin. Die Restaurierung des Pavillon wurde vom Fränkischen Schweiz-Verein Streitberg und ehrenamtlichen Helfern getragen. Liebe Besucher. Anlage bitte reinhalten, auf Malereien und Schnitzereien zu verzichten. 2003." 
     
 Grab von Ignaz Bing, seiner Frau und Tochter in
Nürnberg, israelitischer Friedhof
(Fotos: J. Hanke)
   
   Grabstein mit Eintragung von Ignaz Bing (1840-1918), seine Frau Ida (geb. Ottenstein, 1844-1919)
und der Tochter Anna verh. Kuhn (1877-1925).  

     
Verlobung von Marie Bing mit Leo Benario (1907)  
Anmerkung: Genealogische Informationen siehe https://www.geni.com/people/Marie-Benario/6000000022734495582: Marie geb. ist am 2. Oktober 1886 in Nürnberg geboren und am 1. Februar 1976 in England gestorben. Ihr Mann Leo (Lyon) ist am 5. Juli 1875 in Obernbreit geboren und 1947 in Nice / Frankreich gestorben. Leo Benario war Journalist, Hochschullehrer, Wirtschafts- und Zeitungswissenschaftler.  http://blexkom.halemverlag.de/leo-benario/              

Anzeige in der "Neuen jüdischen Presse" vom 30. August 1907: "Verlobte...
Marie Bing, Streitberg/Nürnberg - Redakteur Leo Benario, Frankfurt".    

     
Kommerzienrat Ignatz Bing wird Ehrenbürger der Stadt Grünhain (1911)   
Anmerkung: Ignatz Bing war auch in Grünhain Inhaber einer großen Fabrik für Blechwaren vgl. http://www.emgr.de/start.php?menu=untern&lang=de&vw=geschichte.    

Mitteilung in "Der Gemeindebote" vom 18. August 1911: "Dem Geheimen Kommerzienrat Ignatz Bing in Nürnberg überreichte dieser Tage in seiner Villa in Streitberg eine Kommission des Gemeinderates Grünhain i.Sa. unter Führung des Bürgermeisters Nestlers die ihm aus Anlass seiner Ernennung zum Ehrenbürger der Stadt Grünhain ausgefertigte Ehrenurkunde."   

      
      
Weitere Mitteilungen zur jüdischen Geschichte in Streitberg     
Meta Lehmann-Lewin grüßt aus dem Ulrike Norwitzky-Haus (1915)  
Anmerkung: es liegen bislang keine weiteren Informationen zu Meta Lehmann-Lewin und ihrem Aufenthalt in Streitberg vor; unklar ist auch, ob sich "Streitberg" auf das oberfränkische Streitberg bezieht. Vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Streitberg   Jemenitenhäuser gab es in Palästina, vielleicht hieß eines Streitberg???  

Mitteilung in der "Jüdischen Rundschau" vom 3. Dezember 1915: "Arbeiterheimstätten. (Yemenitenhäuser).
Ulrike Norwitzky-Haus
: Meta Lehmann-Lewin, z.Zt. Streitberg, Chanukahgruß an Heinrich Maier, Kowno."     
  
Mitteilung in der "Jüdischen Rundschau" vom 14. Januar 1916: "Arbeiterheimstätten. (Yemenitenhäuser).
Ulrike Norwitzky-Hau
s: Frau Norwitzky dankte Lewins in Königsberg und Meta Lehmann in Streitberg."      

   
Auch in Streitberg gibt es ein judenfeindliches Sanatorium (1927)     

Mitteilung in der "CZ-Zeitung" (Zeitschrift des 'Central-Vereins") vom 8. April 1927: "Verzeichnis der judenfeindlichen Erholungsorte, Hotels und Pensionen 1927. (Ohne Gewähr):   
Fränkische Schweiz: Streitberg.
Sanatorium Streitberg (leitender Arzt Dr. Dieckhof).

  
  
  
Erinnerungsarbeit vor Ort - einzelne Berichte     

Oktober 2010: Über die Binghöhle und ihre Geschichte 
Artikel in "Nordbayern.de" vom 10. Oktober 2010: "Die Binghöhle bei Streitberg. Hinab in die Unterwelt - der Hund darf mit..."  
Link zum Artikel  (auch eingestellt als pdf-Datei)  
 
August 2018: Presseartikel zur Geschichte der Familie Bing und der Binghöhle in Streitberg  
Artikel in "In Franken" vom 8. August 2018: "Streitberg. Enteignung. Kampf um Binghöhle war zäh.
Ignaz Bing war Fabrikant, Forscher und Streitberger Mäzen. Seine Nachkommen wurden von den Nazis gezwungen, seine Höhle zu verkaufen. Nach dem Krieg mussten die Überlebenden jahrelang um ihr Recht kämpfen.
Bis 1954 musste Kommerzienrat Ignaz Bings Familie vom Ausland aus prozessieren, um eine Entschädigung für die unrechtmäßige Enteignung der Binghöhle durch die Nazis zu bekommen. Zahlreiche seiner Nachkommen starben durch die Hände der Nazis.
Diese Aspekte werden in einem zweiten Teil unserer Miniserie beleuchtet. Die Streitberger Tropfsteinhöhle zieht seit über 100 Jahren Touristen aus nah und fern an. Ihre Entdeckung und Entschließung durch den Nürnberger Unternehmer Ignaz Bing (1840-1918) ist in vielen Publikationen dokumentiert und beschrieben worden. Weniger bekannt ist, wie die Schauhöhle in der Zeit des Naziterrors in den Besitz der Gemeinde Streitberg gekommen war.
Dieser Frage ist die Heimatforscherin Renate Illmann nachgegangen. Unter dem Titel "Die "Arisierung" der Binghöhle (Fränkische Schweiz) im Spiegel der Archivalien 1932-1938" hat sie 2015 Dokumente zusammengetragen, die sie im Staatsarchiv Bamberg, im Gemeindearchiv Wiesenttal und im Höhlenkataster Fränkische Alb fand. Sie zeigen, mit welchen Methoden und Maßnahmen die örtlichen nationalsozialistischen "Machthaber eine legal aussehende Herausgabe des Besitzes" durchsetzten, noch bevor von Berlin aus die Enteignung der Juden organisiert wurde.
Rückforderung. Nach Ende des Dritten Reichs forderten die überlebenden Bing-Erben vom Ausland aus über ihre Rechtsanwälte eine Entschädigung oder die Rückgabe ihres Eigentums. Die amerikanische Besatzungsmacht stellte die Streitberger Höhle - wie sie noch bis Anfang der 50er Jahre hieß - unter Kontrolle des Landesamts für Vermögensverwaltung und Wiedergutmachung und übergab die Finanzverwaltung einem Treuhänder.
Mit dem Militärregierungsgesetz Nr. 59 zur "Rückerstattung feststellbarer Vermögensgegenstände an Opfer der nationalsozialistischen Unterdrückungsmaßnahmen" begann zwischen der Gemeinde und den Bing-Nachfahren ein Rechtsstreit, der sich bis 1954 hinzog. In einer eigens zu diesem Thema einberufenen Bürgerversammlung sagte Bürgermeister Hans Gebhard im Januar 1949: Die Gemeinde habe "beim Erwerb der Höhle nicht aus unedlen Motiven gehandelt, sondern es sei im Interesse der Allgemeinheit versucht worden, das einzigartige Höhlenwunder arm und reich restlos zugängig zu machen. ... Der Erwerb der Höhle sei kein politisches Geschäft, sondern der Ausfluß moralischer Verpflichtung gewesen."
Anstrich von Legalität. Und ein Jahr später wieder in einer "öffentlichen Bürgerversammlung" zu diesem Thema betonte Kraus, "daß die Transaktion völlig legal abgewickelt wurde, weder Zwang noch Gewalttätigkeiten angewendet wurden". 1950 übernahm die Gemeinde zwar wieder die Verwaltung der Höhle, aber juristisch entschieden wurde der Rechtsstreit erst durch einen Vergleich im Mai 1954. Gegen eine zusätzliche Zahlung in Höhe von 45 000 DM an die Erben ging die Binghöhle in das Eigentum der Gemeinde Streitberg gegenüber.
Verfolgung der Bing-Familie. 1903 verlieh die Gemeinde Streitberg Ignaz Bing wegen seiner großen Verdienste um den Ort die Ehrenbürgerwürde. Auf ihn ging nicht nur die Erschließung der nach ihm benannten Höhle zurück. Er stiftete in der Mitte des Orts den Brunnen, den Prinz-Rupprecht-Pavillon, der Volksschule die Bücherei und der Feuerwehr eine Spritze. Zu Weihnachten lud er die Kinder der Gemeinde zu sich in die Villa Marie ein und bescherte sie mit Geschenken.
Das alles zählte nicht, als die Nationalsozialisten an die Macht kamen. Ignaz Bing starb 1918, so dass er die antisemitische Hetze nicht mehr erlebte. Umso mehr aber litten seine Nachfahren unter dem Hass von Hitlers Rassefanatikern.
Rudolf Benario (1908-1933), Enkel von Ignaz Bing, legte im Wintersemester 1929/30 an der Universität Erlangen sein Examen als Diplom-Volkswirt ab. Im Januar 1930 nahm er als Vertreter der Fraktion "Freiheitliche Studenten" an einer Sitzung des Allgemeinen Studentenausschusses (AStA) teil. Seine Anwesenheit veranlasste die Mitglieder des Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbundes (NSDStB), geschlossen die Sitzung zu verlassen und sie platzen zu lassen.
Wegen seiner politischen Aktivitäten bei den Jungsozialisten und in der KPD wurde Benario unmittelbar nach Hitlers Machtübernahme am 10. März 1933 verhaftet. Schon einen Tag nach seiner Einlieferung ins KZ Dachau wurde er zusammen mit drei anderen jungen Männern am 12. April 1933 von drei SS-Wachtposten ermordet, die heute namentlich bekannt sind. Offiziell hieß es aber, er sei "auf der Flucht erschossen" worden.
Nazi-Hetze. Bei den Verhandlungen über die Arisierung der Binghöhle hob Regierungsamtmann Heinz Wirsching in einem Schreiben an die Ansbacher Regierung hervor, dass Marie Benario, eine der fünf Erben, die Mutter des bei einem Fluchtversuch in Dachau erschossenen "kommunistischer Studentenführers" sei.
Wirsching drängte auch schon ab 1934 darauf, die Bing-Villa in Streitberg zu beschlagnahmen, um die Verhandlungen über die Binghöhle zu beschleunigen. Mit Hilfe ihres Rechtsanwalts gelang es den Erben, sie privat zu verkaufen. Nach einer Meldung im Wiesent-Boten, ging die "Villa des früheren Kommerzienrates Bing im Verkaufswege von dessen Erben" für 22 000 Reichsmark im November 1935 an eine ortsansässige "Gasthofsbesitzerwitwe".
Viele Bing-Nachkommen starben durch das Terrorregime. Nach Auskunft der Polizei lebten 1934 alle Bing-Erben in Deutschland. Das änderte sich erst, als 1938 Rudolf Benarios Eltern zunächst die Staatsbürgerschaft entzogen und sie zwei Jahre später ausgebürgert wurden. Sie mussten nach Nizza emigrieren und überlebten in völliger Armut den Krieg. Rudolfs Vater Leo Benario, von Beruf Zeitungswissenschaftler, starb dort 1947. Seine Mutter übersiedelte danach zu ihrer Tochter Irene, verheiratete Nahon, und starb in den 50er Jahren.
Eine weitere Enkelin Bings - Gertrud Babette Hirschmann, geboren 1900 - kam 1931 in die Heil- und Pflegeanstalt Erlangen, wurde im September 1940 über München in die Tötungsanstalt Schloss Hartheim bei Alkoven in Oberösterreich gebracht und dort in der Gaskammer ermordet. Auch ihr Vater Heinrich Hirsch Hirschmann, verheiratet mit der ältesten Tochter Ignaz Bings und Teilhaber der Firma, fiel der nationalsozialistischen Vernichtung zum Opfer. Der 79-Jährige und seine 66-jährige Schwägerin Frieda Brüll, geborene Bing, wurden zusammen mit 531 weiteren alten Juden am 10. September 1942 von Nürnberg aus ins KZ Theresienstadt deportiert. Heinrich Hirschmann wurde dort am 12. März 1943 und Frieda Brüll am 29. September 1942 in Treblinka ermordet. Mit Friedas Tochter Dora Brüll, geboren 1899, verlor Ignaz Bing sein drittes Enkelkind. Dora Brüll wurde am 20. Oktober 1942 in Riga von den Nationalsozialisten ermordet. Ihr Sohn Otto Philipp Brüll kam mit 37 Jahre am 2. September 1942 in Auschwitz ums Leben.
Ignaz Bing, Ehrenbürger und Mäzen von Streitberg, Kommerzienrat und hochdekorierter bayerischer Unternehmer, verlor durch den nationalsozialistischen Holocaust eine Tochter, einen Schwiegersohn, drei Enkelkinder und einen Urenkel."
Link zum Artikel    
 

     
       

Links und Literatur

Links: 

bulletWebsite der Marktgemeinde Wiesenttal
bulletWebsite www.binghoehle.de   
bulletWikipedia-Artikel https://de.wikipedia.org/wiki/Streitberg_(Wiesenttal)    

Literatur:    

bulletToni Eckert: Ignaz Bing - sein Leben in Streitberg. Forchheimer Reihe F. Streit. Forchheim 1995. ISBN 3-922716-11-3.
bulletIgnaz Bing: Aus meinem Leben. Wellhausen & Marquardt Medien. 2004.  ISBN 978-3-921844-72-4.  
bullet

Ilse Vogel: Emanzipation - und dann? Die Geschichte der jüdischen Familien Ottenstein und Bing über fünf Generationen. Verlag Ph.C.W. Schmidt 2019. ISBN 978-3-87707-163-2 Preise 29,00 €. Bestellbar über den Verlag: www.verlagsdruckerei-schmidt.de   E-Mail verlag@verlagsdruckerei-schmidt.de      Bestellseite
zum Inhalt des Buches: Ottenstein gab es ab 1817 in Pahres, auch in Diespeck und Neustadt an der Aisch, Bing kamen aus Scheinfeld und Memmelsdorf in Unterfranken - in Gunzenhausen begegneten sie sich zum ersten Mal. Bald lebten die Ottenstein in Bamberg, später in Fürth und Nürnberg, Bing etablierten sich ab 1865 in Nürnberg. Im heutigen Nürnberg erinnert nichts mehr an die Familien Ottenstein, Nachkommen leben in Holland, England und Schweden. Der Name Bing dagegen lebt weiter als Bingstraße in Zabo und als Binghöhle, der viel besuchten Tropfsteinhöhle in der Fränkischen Schweiz, Nachkommen gibt es unter anderem in USA und in Israel. Das Buch berichtet von der 200-jährigen deutschen Geschichte der jüdischen Familien Ottenstein und Bing: Ottenstein in Pahres - Religionslehrer und Cantor in Bamberg - Ottenstein in Fürth - Hopfenhandlung in Nürnberg - Gründer der Victoria Werke - Gebr. Bing, Blechspielwaren - Ignaz Bing als Höhlenforscher - Reise-Erinnerungen - Die Kriegsgeneration - Die Erbengeneration: Nachkommen - Antisemitismus - Entkommen - Der Kampf um Erstattung - Die Frauen der Ottenstein - Zerstörte Biographien. Inhaltsbeschreibung aus dem Flyer zum Buch

      
       

                    
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Stand: 30. Juni 2020