Baisingen Friedhof 154.jpg (62551 Byte)  Segnende Hände der Kohanim auf einem Grabstein in Baisingen


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Walsdorf (VG Stegaurach, Kreis Bamberg)
Jüdische Geschichte / Synagoge

     
Übersicht:

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Zur Geschichte der Synagoge   
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Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english version
 
In dem in früheren Jahrhunderten unter der Herrschaft der Freiherren von Crailsheim stehenden Walsdorf bestand eine jüdische Gemeinde bis 1907. Ihre Entstehung geht in die Zeit des 17. Jahrhunderts zurück. Erstmals wird mit "Menlein Jud zu Walsdorf" 1609 ein jüdischer Einwohner genannt. Er handelte mit Geld und Schmuck. 1672 werden im Crailsheimischen Salbuch inzwischen acht jüdische Familien am Ort genannt: die Familienvorsteher waren Schlamm Jud, Heß Jud, Seligmann Jud, Mosch Jud, Gutkind Jud, Aaron Jud, Nathan Jud). Wenige Jahre später hatten sie auf Grund der kriegerischen Ereignisse den Ort verlassen. 
  
Erst Ende des 17. Jahrhunderts erfährt man wieder von einem ortsansässigen Juden. Er war als "Begräbnisjude" der jüdischen Gemeinde in Bamberg für den Friedhof in Walsdorf zuständig. 1699 wird berichtet, dass dieser jüdische Einwohner bei ausgebrochenen Tumulten im Schlosshof untergebracht werden musste. Nach 1700 werden wieder drei jüdische Familien genannt. In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts konnten sich mit Erlaubnis der Herrschaft derer von Crailsheim mehrere jüdische Familien am Ort niederlassen. Die Ortsherrschaft ließ zwischen 1724 und 1733 drei zweistockige Häuser am Schafberg (später "Judengasse" genannt) für sie erbauen. Dadurch entstand ein eigenes jüdisches Viertel, von den Häusern der christlichen Familien aus gesehen jenseits der Aurach, oberhalb der Mühle. 1740 wurden 12 jüdische Familien am Ort gezählt, 1748 15, 1757 17, 1764 18, 1769 21, 1792 22 Familien, bis 1804 waren es 28 jüdische Familien mit etwa 120 Personen.

An Einrichtungen waren eine Synagoge (s.u.), eine Religionsschule, ein Gemeindehaus, ein rituelles Bad und ein
Friedhof vorhanden. Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war ein Lehrer angestellt, der zugleich als Vorbeter und Schächter tätig war. Die jüdischen Kinder besuchten von 1826 bis 1869 die Religionsschule in KolmsdorfDie jüdische Gemeinde gehörte zum Distriktsrabbinat in Burgebrach.
Als Lehrer werden genannt: Salomon Meier aus Kutten Blau in Böhmen (1743ff), Nathan Gerst (bis 1756), Moses Nathan (1761), Götz Jonathan Uffenheimer (1802-1822), Joseph Loeb (1840-1885), Joseph Neu (Ney, 1828-1833), Dr. Nathanael Braun (war von Beruf Chirurg und Landarzt und übernahm in dieser Zeit auch verschiedene Aufgaben in der jüdischen Gemeinde, 1833-1840).
 
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner wie folgt:  1811/12 155 jüdische Einwohner (20,9 % von insgesamt 551 Einwohnern), 1824/25 115 jüdische Einwohner in 25 Haushaltungen in 15 Häusern, 1840 114 jüdische Einwohner, 1852 83 (13,6 % von insgesamt 609 Einwohnern), 1867 58 (8,8 % von 659), 1880 53 (7,6 % von 700), 1890 41 (6,7 % von 613), 1900 31 jüdische Einwohner (5,0 % von 617). Die jüdischen Familien lebten bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts fast ausschließlich vom Handel mit Vieh, Spezerei- und Schnittwaren, Hausier- und Trödelwaren. Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts kamen auch einige Handwerksberufe dazu. Die Familien lebten in folgenden – zumeist heute noch bestehenden - Häusern (mit heutiger Adresse): Schafberg 2, 5, 7, 9, 11, 13, 14, 15, 17, 19, 21 26, Brunnenweg 12, 14, Laurentiusweg 2.
  
Seit Mitte des 19. Jahrhunderts hatte - wie die Zahlen der jüdischen Einwohner zeigen - eine starke Ab- und Auswanderung der jüdischen Familien eingesetzt. Bereits um 1900 war es kaum mehr möglich, den zum Gottesdienst erforderlichen Minjan (Zehnzahl der jüdischen Männer) zu erreichen. Da keine Besserung mehr absehbar war, wurde die Gemeinde 1907 mit der Nachbargemeinde Trabelsdorf vereinigt, nachdem bereits längere Zeit ein gemeinsamer Lehrer angestellt worden war (vgl. die Anzeige von 1884 s.u.). 

1933 lebten noch 23 jüdische Personen in Walsdorf. Auf Grund der zunehmenden Repressalien und der Folgen des wirtschaftlichen Boykottes verließen in den folgenden Jahren 11 den Ort aus Auswanderung. Sieben jüdische Einwohner wurden im April 1942 über Bamberg nach Izbica bei Lublin (Polen) deportiert. Die einzige verbliebene jüdische Frau – Rosa Karl – starb im September 1942 auf dem Transport nach Theresienstadt.      
    
Von den in Walsdorf geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Selma Hofmann geb. Schlorch (1894), Adolf Israel Horwitz (1925), Carola Horwitz (1930), Kurt Horwitz (1900), Lothar Horwitz (1928), Sofie Horwitz geb. Karl (1899),  Gustav Karl (1906), Rosa Karl geb. Strauss (1871), Moses Kohn (1899), Rosa Rosenberg geb. Adelsdorfer (1874), Amalie Salomon geb. Bamberger (1870), Babette Schönfeld geb. Adelsdorfer (1868), Gitta (Getta) Silbermann geb. Bamberger (1875), Julius Silbermann (1867), Siegfried Silbermann (1880), Getta Sondhelm geb. Silbermann (1866), Klara Wormser geb. Adelsdorfer (1866).
   
   
   
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde 
  
Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer   
Ausschreibung der Lehrer-/Vorsänger- und Schochetstelle 1884

Walsdorf Israelit 03011884.jpg (46943 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 3. Januar 1884: "Die Kultusgemeinden Trabelsdorf und Walsdorf suchen zum sofortigen Eintritt einen seminaristisch geprüften Religionslehrer und Vorbeter. Der Gehalt beträgt 7-800 Mark bei freier Wohnung und Beheizung. 
Bewerber um diese Stelle wollen sich wenden an den Kultusvorstand Josef Kohn in Trabelsdorf bei Bamberg."

    
    
    
Zur Geschichte der Synagoge                  
    
1731 genehmigte die Gutsherrschaft den Bau einer Synagoge und einer Schule. Sie wurde 1732 auf Crailsheimschem Grundbesitz über dem ehemaligen herrschaftlichen Felskeller errichtet (alte Haus-Nr. 95 1/2, Plan Nr. 44). 1802 konnte am Schafberg ein Gemeindehaus (Schafberg 17) und ein rituelles Bad (Mikwe, "Tauche") erbaut werden. Das Gemeindehaus wurde bereits 1859 wieder verkauft, nachdem die Abwanderung jüdischer Familien eingesetzt hatte. 
  
Die Synagoge wurde 1862 umfassend umgebaut und war seitdem im Besitz der jüdischen Gemeinde. Von der Architektur her handelte es sich um einen massiven Saalbau mit flachem Satteldach und hohen Rundbogenfenstern. Die Einweihung der Synagoge war am 8./9. August 1862 durch Distriktsrabbiner Dr. Hartwig Werner aus Burgebrach:    

Walsdorf AZJ 23091862.jpg (96967 Byte)Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 23. September 1862: "Aus dem bayerischen Oberfranken, im August. Unser kleines Walsdorf war letzten Schabbat Nachamu (= 9. August 1862) sehr belebt. Freudige Veranlassung gab die Einweihung einer neuen Synagoge. Freitagnachmittag 4 Uhr bewegte sich der feierlich Zuge von dem improvisierten Bethause aus unter Musik und dem Zudrange vieler Fremden beider Konfessionen nach dem neuen freundlichen Tempel. War es ein dles Zeichen von Toleranz, dass der protestantische Orts- und ein benachbarter katholischer Geistlicher, den Distrikts-Rabbiner Herrn Dr. Werner beim Zuge in ihrer Mitte, dem ganzen Akte beiwohnten, so gebührt den Herren Lehrern derselben christlichen Konfessionen das Lob für ihr kräftiges Mitwirken bei den verschiedenen mehrstimmigen Gesängen, wodurch die Feier so viel an Bedeutung gewann. 
Herr Distrikts-Rabbiner Werner hielt vor überfülltem Hause eine dem Zwecke angemessene Rede und ein sehr tief ergreifendes Gebet."

1903 und 1930 wurde das Gebäude renoviert.
  
Beim Novemberpogrom 1938 kamen SA-Leute aus Bamberg nach Walsdorf, brachen die Synagoge auf und zerstörten Türen, Fenster und die Einrichtung. Letztere wurde vor dem Gebäude verbrannt. Ein Niederbrennen des Gebäudes selbst konnte verhindert werden, da die Nachbarn um ihre Häuser fürchteten. Nach den Aufzeichnungen des damaligen Ortspfarrers beteiligten sich Ortsansässige nicht an der Aktion.
Die Synagoge blieb bis 1940 im Besitz der jüdischen Gemeinde und wurde schließlich an eine nichtjüdische Familie im Ort verkauft. Sie wird als Abstell- und Lagerraum verwendet.   
   
   

Adresse/Standort der SynagogeBrunnenweg 12   
  
  
Fotos

Die ehemalige Synagoge
(Quelle: Archiv Bayrisches Landesamt für 
Denkmalpflege aus Aufsatz Daiss s.Lit.) 
Walsdorf Synagoge 105.jpg (96548 Byte)  
        
     
Die ehemalige Synagoge 2007      
Walsdorf Synagoge 200.jpg (84984 Byte) Walsdorf Synagoge 201.jpg (90634 Byte) Walsdorf Synagoge 202.jpg (75187 Byte)
 Informationstafeln zur Geschichte der jüdischen Gemeinde, der Synagoge und dem Friedhof 
   
Walsdorf Synagoge 209.jpg (72293 Byte) Walsdorf Synagoge 210.jpg (64933 Byte) Walsdorf Synagoge 205.jpg (78919 Byte)
 Blick auf die ehemalige Synagoge (unterer Anbau zu dem Gebäudekomplex)   Die Ostfassade - der Toraschrein befand sich
 im Inneren unter dem halbrunden Fenster 
    
      
Walsdorf Synagoge 206.jpg (95001 Byte) Walsdorf Synagoge 203.jpg (66708 Byte) Walsdorf Synagoge 204.jpg (74978 Byte)
 Rundfenster am Giebel der Ostfassade Nördliche Seitenwand   
     
Walsdorf Synagoge 207.jpg (84499 Byte) Walsdorf Synagoge 208.jpg (76972 Byte)   
 Eingang Ehemals hohe Rundbogenfenster   

   
    

Links und Literatur

Links:

Website der Gemeinde Stegaurach 
Ausführliche Darstellung der jüdischen Geschichte von Walsdorf auf der Website der VG Stegaurach 
Zur Seite über den jüdischen Friedhof in Walsdorf (interner Link)    

Literatur:  

Baruch Z. Ophir/Falk Wiesemann: Die jüdischen Gemeinden in Bayern 1918-1945. Geschichte und Zerstörung. 1979 S.151-152.   
Israel Schwierz:  Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens in Bayern. Eine Dokumentation der Bayerischen Landeszentrale für politische Bildungsarbeit. A 85. 1988 S. 223. 
Pinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany - Bavaria. Hg. von Yad Vashem 1972 (hebräisch) S. 238-239.  
Angela Daiss, Thomas Nitz und Kim Philipp Schumacher: Dörfer im Landkreis Bamberg VII - Walsdorf. Beitrag in: Heimat Bamberger Land. Jahrgang 10 1998.
Reinhold Luik: Das Leben der Landjuden in Walsdorf. Beitrag in: Heimat Bamberger Land. Jahrgang 10 1998. 
Klaus Guth (Hg.) u.a.: Jüdische Landgemeinden in Oberfranken (1800-1942). Ein historisch-topographisches Handbuch. Bamberg 1988. Zu Walsdorf S. 332-343 (mit weiteren Quellenangaben).  
Johann Fleischmann: Mesusa 2. Spuren jüdischer Vergangenheit an Aisch, Aurach, Ebrach und Seebach. Mühlhausen 2000.  
ders.: Mesusa 3.  Spuren jüdischer Vergangenheit an Aisch, Aurach, Ebrach und Seebach. Mühlhausen 2002 (hier zum jüdischen Friedhof in Walsdorf: S. 103-158.
ders.: Mesusa 4. Lebensbeschreibungen und Schicksale. Spuren jüdischer Vergangenheit an Aisch, Aurach, Ebrach und Seebach. Mühlhausen 2004. 
Mesusa 08 Lit 2011.jpg (88529 Byte)ders.: Mesusa 8. Aus der jüdischen Vergangenheit von Walsdorf, Lonnerstadt, Aschbach und anderen Orten Frankens. Mühlhausen 2011.  
Spuren jüdischer Vergangenheit an Aisch, Aurach, Ebrach und Seebach.  
Herausgeber: Johann Fleischmann 
Arbeitskreis "Jüdische Landgemeinden an Aisch, Aurach, Ebrach und Seebach" 
Mühlhausen: Selbstverlag REG, 2011    ISBN 978-3-933623-16-4 (gb)
Internet: www.mesusa.de   
 
Synagogengedenkbuch BY 01.jpg (49758 Byte)"Mehr als Steine...." Synagogen-Gedenkband Bayern. Band I: Oberfranken - Oberpfalz - Niederbayern - Oberbayern - Schwaben. Erarbeitet von Barbara Eberhardt und Angela Hager. Hg. von Wolfgang Kraus, Berndt Hamm und Meier Schwarz. Reihe: Gedenkbuch der Synagogen in Deutschen. Begründet und herausgegeben von Meier Schwarz. Synagogue Memorial Jerusalem. Bd. 3: Bayern. Kunstverlag Josef Fink Lindenberg im Allgäu
ISBN 978-3-98870-411-3.
Abschnitt zu Walsdorf S. 214-220 (die Forschungsergebnisse konnten auf dieser Seite von "Alemannia Judaica"  noch nicht eingearbeitet werden).

Michael Schneeberger: "Die Hüllen schlummern in Gräbern süß". Geschichte der Juden von Walsdorf bei Bamberg. Reihe: Jüdische Landgemeinden in Bayern. Nr. 26. In: Jüdisches Leben in Bayern. Mitteilungsblatt des Landesverbandes der israelitischen Kultusgemeinden in Bayern. 25. Jg. Nr. 113. September 2010. S. 31-38.     

    
     


 

Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the Holocaust". 
First published in 2001 by NEW YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad Vashem Jerusalem, Israel.

Walsdorf  Upper Franconia. The Jewish cemetery known from the 16th century served numerous communities. The community numbered 155 in 1812 and was united with Trabelsdorf in 1907. Twenty-three Jews remained in 1933 (total 602); 11 emigrated and four left for other German cities in 1933-38. The synagogue was vandalized on Kristallnacht (9-10 November 1938) and six Jews were deported to Izbica in the Lublin district (Poland) on 25 April 1942.    
     
       

                   
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Copyright © 2003 Alemannia Judaica - Arbeitsgemeinschaft für die Erforschung der Geschichte der Juden im süddeutschen und angrenzenden Raum
Stand: 07. November 2014