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Grosslangheim (Marktgemeinde,
Kreis
Kitzingen)
Jüdische Geschichte / Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english
version)
In Großlangheim bestand eine jüdische Gemeinde bis
1938/42. Ihre Entstehung geht in die Zeit des 17. Jahrhunderts zurück.
Erstmals wird 1572 Joel Jud zu Großlangheim genannt; auch 1590
werden Juden am Ort genannt. 1675 gab es sechs jüdische
Haushaltungen am Ort. 1726 waren es 36 jüdische Einwohner.
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner
wie folgt: 1814 65 jüdische Einwohner (6,2 % von insgesamt
1.054), 1837 70 (5,7 % von insgesamt 1.223), 1867 64 (5,2 % von 1.234), 1880 49
(4,1 % von 1.204), 1900 37 (3,6 % von 1.034), 1910 23 (2,2 % von 1.038).
Bei der Erstellung der Matrikellisten 1817 werden in Großlangheim auf
insgesamt 13 Matrikelstellen die folgenden jüdischen Familienvorstände
genannt (mit neuem Familiennamen und Erwerbszweig): Hirsch Eisig Gutmann
(Spezerei- und Ellenwaren-, dann Branntwein- und Essighandel), Baruch Isaac Atto
(Schmusen), Maennlein Wolf Wolfheimer (Handel mit Sämereien und dürren
Zwetschgen), Joseph Abraham Fromm (Getreide- und Heuhandel, Schlachten), Simon
Hirsch Gutmann (Spezerei- und Ellenwaren-, dann Branntwein- und Essighandel),
Hirsch Joseph Fromm (Viehhandel), Koppel Mottel Marx (Ellenwarenhandel), Joseph
Hirsch Gutmann (Ellenwarenhandel), Jacob Levi Jondorf (Viehhandel), Isaac Jondel
Sondenell (Schmusen und Schlachten), Koppel Mottel Rindskopf (Viehhandel und
Schlachten), Süssel Mottel Marx (Vieh- und Getreidehandel), Naendel, Witwe des
Mottel Abraham Marx (Ellenwarenhandel). Nicht in die Liste aufgenommen wurde der
Lehrer Abraham Seligmann.
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde eine Synagoge
(s.u.), eine Religionsschule in einem Gemeindehaus mit Lehrerwohnung und ein rituelles Bad.
Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war zeitweise ein
Religionslehrer angestellt, der zugleich als Vorbeter und Schochet tätig war
(vgl. den bereits 1817 in der Matrikelliste genannten Lehrer Abraham Seligmann). Die Gemeinde gehörte zum Bezirksrabbinat Kitzingen.
Die Toten der Gemeinde wurde auf dem jüdischen Friedhof in Rödelsee
beigesetzt.
Im Ersten Weltkrieg fiel aus der jüdischen Gemeinde Gefreiter Karl Fromm
(geb. 6.9.1893 in Großlangheim, gef. 26.3.1918). Sein Name steht auf dem mit einer Madonna bekrönten Gefallenendenkmal
in der Ortsmitte.
1933 lebten noch 13 jüdische Personen in Grosslangheim. Die meisten
nichtjüdischen Einwohner pflegten zu ihren jüdischen Mitbürgern noch ein
offenbar gutes Verhältnis, sodass im Mai 1936 der Regierungspräsident
von Unterfranken bei der bayerischen Staatregierung darüber klagte, dass die
Einwohner von Grosslangheim noch weit davon entfernt seien, die
"Judenfrage" zu begreifen. Ein ortsansässiger Jude, Frontkämpfer des
Ersten Weltkrieges, sei damals noch mit militärischen Ehren beigesetzt worden.
Bis November 1937 verzogen allerdings sieben der jüdischen Einwohner in
andere Orte (drei nach Würzburg, je zwei nach Bingen und Stuttgart). Beim
Novemberpogrom 1938 wurden zwei jüdische Männer verhaftet und über Kitzingen
in das KZ Dachau verbracht. Anfang 1942 lebten noch vier jüdische
Personen am Ort, von denen zwei im März 1942 über Würzburg nach Izbica, die
beiden anderen im September 1942 über Würzburg in das Ghetto Theresienstadt
deportiert wurden.
Von den in Grosslangheim geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Meta Döll geb. Fromm (1889), Ella Fromm
(1865), Max Fromm (1908), Ernestine Jacob (1881, war verheiratet mit
Lehrer Raphael Jacob, siehe Seite zu
Heidelberg), Karl Künstler
(1904), Ignaz Rindskopf (1871), Sigmund Rindskopf (1877),
Moses Sonn (1878), Rebekka Sonn (1871), Rösle Sonn (1871), Therese Sonn (1875), Zerline Sonn (1873), Julchen Stiefel geb. Löwenstern
(1887), Gerda Luise Weikersheimer (1922), Cilly Weikersheimer geb. Künstler
(1892).
Persönlichkeiten:
Anmerkung: aus der
jüdischen Familie Fromm in Großlangheim stammt auch der
Psychoanalytiker Prof. Dr. Erich Fromm
(1900-1980). Sein Vater war Naftali Fromm (1869 in Bad Homburg - 1933 in
Frankfurt; verheiratet mit Rosa geb. Krause), sein Großvater Rabbiner Seligmann Fromm (geb. 1822 in
Großlangheim, gest. 1898 in Frankfurt am Main, verheiratet mit Rachel geb.
Bamberger). Dieser war Rabbiner u.a. in Bad
Homburg und Frankfurt am Main. (Foto links: Quelle
- © Erich Fromm Estate)
Genealogische Zusammenhänge siehe Einstieg über https://www.geni.com/people/Seligmann-Fromm-twin/4154424164760121565
Hinweis: Rolf Hofmann hat ein Familienblatt erstellt: "Fromm
Family of Grosslangheim" - basic ancestral display (pdf-Datei) |
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Über
den jüdischen Lehrer Dr. Siegmund Rindskopf (geb. 10. Juni 1877 in
Großlangheim als Sohn kurz vor seiner Geburt verstorbenen Viehhändlers
Jacob Rindskopf und der Jeanette geb. Friedlein). 1878 zog die Witwe mit den
drei älteren Brüdern Siegmunds - Moritz, Isaak und Ludwig - nach Würzburg.
Hier machte Siegmund sein Abitur. Er studierte anschließend in Würzburg und
München Deutsch, Geschichte und Geographie. Unterrichtete als Lehrer u.a. in
Harburg (HH), Seesen (Jacobsonschule), Würzburg (Realgymnasium) und ab 1920
an der Gisela-Oberrealschule in München. 1935 als Jude aus dem Schuldienst
entlassen. Danach Tätigkeit an der jüdischen Hochschule München. Im Krieg
Zwangsarbeit bis zur Deportation - mit seiner Frau Hedwig und der Tochter
Johanna - nach Piaski. Alle drei wurden ermordet. Siehe Gedächtnisblatt von
Lisa Hollerith (ehem. Schülerin Franz-Marc-Gymnasium in Markt Schwaben:
https://www.bllv.de/projekte/geschichte-bewahren/erinnerungsarbeit/lehrerbiografien/siegmund-rindskopf/) |
Aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Berichte zu einzelnen
Personen aus der Gemeinde
Zum 100. Geburtstag von Gitel Wiesengrund (1900)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom
31. Oktober 1900: "Dettelbach, Bayern, 24. Oktober (1900). Der
heutige Tag wird vielen in unserer Gemeinde unvergesslich bleiben. Frau
Gitel Wiesengrund, die hier 65 Jahre gelebt und nun bei ihren Verwandten
in dem nahen Großlangheim weilt, wurde 100 Jahre alt. Das seltene Fest
des 100. Geburtstages wurde würdig begangen. Zu der noch rüstigen
Greisin eilten fast sämtliche hiesige Verwandten. Die politische Gemeinde
entsandte Herrn Stadtkämmerer Mann mit Glückwunsch und Ehrengeschenk,
die jüdische Gemeinde überreichte durch ihren 2. Vorsteher Herrn
Weichselbaum die von Herrn Lehrer Mannheimer kunstvoll ausgestattete
Adresse nebst Ehrengabe. In dem festlich geschmückten Hause der
Jubilarin, die sich nach den persönlichen und familiären Verhältnissen
aller Gratulanten und Bekannten erkundigte, nahm die einfache Feier einen
schönen Verlauf. Zahlreiche Telegramme und Briefe liefen ein, z.T. aus
weiter Ferne. Rührend war, als die Gefeierte mitteilte, sie habe letzten
Versöhnungstag ausgezeichnet den ganzen Tag gefastet, in der Tat eine
seltene Sechiah. Möge der, der dem Müden Kraft gibt (Jesaja
40,29) der Jubilarin noch viele Jahre in Gesundheit und Rüstigkeit
verleihen bis 120 Jahre. Amen." |
Landwirtswitwe Weikersheimer rettet einem Kind das Leben (1936)
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 25. Juni 1936:
"Großlangheim (Unterfranken), 22. Juni (1936). Das
'Würzburger Volksblatt' brachte in seiner Nr. 141 vom Samstag, den 20. Juni,
folgendes: 'Hoch klingt das Lied von einer braven Frau! Das Kind des
Arbeiters Mauckner von hier lief in Abwesenheit seiner Mutter auf die
Straße, gerade, als zwei Autos heranfuhren. Das Kind wurde von den
Fahrern wohl nicht bemerkt. In dem Augenblick, als ein Unglück
unabwendbar schien, warf sich die Landwirtswitwe C. Weikersheimer, die
gerade von der Feldarbeit kam, zwischen die Fahrzeuge und rettete unter
Einsatz ihres eigenen Lebens das Kind. Der eine Autolenker, der, um die
Frau nicht zu überfahren, stoppen musste, entstieg seinem Wagen und warf
der braven und tapferen Frau eine Partie Grobheiten an den Kopf. Ist das
der Lohn für die mutige Tat?'
Wir möchte unsererseits hinzufügen, dass es sich um die Witwe des vor
einigen Wochen verstorbenen Leo Weikersheimer seligen Andenkens handelt.
Er hatte bei seiner großen Ökonomie bis zuletzt 3-4 Chaluzim, war
Teilnehmer des Weltkrieges mit Auszeichnungen und wurde jüngst unter
großer, ehrenvoller Beteiligung nach Rödelsee bei Kitzingen zu Grabe
getragen." |
Anzeigen
jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen
Anzeigen der Landesproduktenhandlung
Abraham Sonn in Großlangheim (1860/1861)
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Anzeige in der Zeitschrift
"Der Israelit" vom 26. Dezember 1860 |
Anzeige in der Zeitschrift
"Der Israelit" vom 2. Januar 1861 |
"Unterzeichneter
beehrt sich einem hochverehrten jüdischen Publikum anzuzeigen, dass man
bei ihm dürre Zwetschgen, chemischen- und Wein-Essig und echten
Zwetschgen-Branntwein etc. - auch zu den hohen Feiertagen an Pessach - zu
gebrachen, haben kann. Um meine geehrten Abnehmer von dem strengsten Kaschrut
(Reinheit) bei mir, und dass bei meinen hier offerierten Waren überhaupt
keine Befürchtung im Blick auf eine Säuerung zu besorgen ist, zu
überzeugen, bitte ich, sich auf mich bei allen orthodoxen Rabbinen
Unterfrankens zu erkundigen. Großlangheim bei Kitzingen am Main in
Bayern. Abraham Sonn."
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Anzeige des Manufakturwaren-Geschäftes Sally Fromm
(1924)
Anzeige in der "CV-Zeitung" (Zeitschrift des
"Central-Vereins") vom 27. März 1924:
"Suche für meinen 15-jährigen Bruder
Lehrstelle,
möglichst Textilbranche, bei freier Station. Selbiger ist sehr
gewandt und frühzeitig als Reisender verwendbar. Angebote erbittet Sally
Fromm, Manufakturwaren-Geschäft, Großlangheim (Unterfranken)."
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Zur Geschichte der Synagoge
Zunächst bestand ein Betsaal beziehungsweise eine erste
Synagoge. Eine vermutlich neue Synagoge wurde 1837 erbaut. Sie war ein
Jahrhundert lang Mittelpunkt des jüdischen Gemeindelebens am Ort.
Beim Novemberpogrom 1938 wurde die Synagoge geschändet und das Inventar
mit den Ritualien und wertvollen Leuchtern vernichtet. Die Torarollen
wurden auf den Straßen und über den Stufen der Wohnung des Ortslehrers
ausgerollt und danach in das Bezirksamt Kitzingen gebracht. Das
Synagogengebäude selbst blieb erhalten.
Nach 1945 wurde die ehemalige Synagoge als Feuerwehrhaus
zweckentfremdet.
Nach Restaurierung Ende der 1990er-Jahre ist die ehemalige
Synagoge seit 2001 in den Neubau eines Kulturhaus des Ortes einbezogen
(rückwärtiger / östlicher Teil des Kulturhauses).
Adresse/Standort der Synagoge: Nähe Schlosshof
Fotos
(Aufnahmen in der oberen Zeile links und Mitte: Encyclopedia s.u.
Bd.1 S. 463; Innenaufnahme von Theodor Harburger, Aufnahmedatum
15. September 1931; Quelle: Central Archives for the
History of the Jewish People, Jerusalem; veröffentlicht in Th.
Harburger: "Die Inventarisation jüdischer Kunst- und Kulturdenkmäler in Bayern.
1998 Bd. 1 S. 230).
Historische Aufnahmen |
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Historische
Ansicht der Synagoge in Grosslangheim |
Innenaufnahme |
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Die ehemalige Synagoge nach
der Restaurierung und Einbeziehung
in den Neubau eines
"Kulturhauses" |
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Das Äußere des Gebäudes |
Das
"Kulturhaus" der Gemeinde, der ehemaligen Synagoge im Westteil
vorgebaut |
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Das Gebäude der
ehemaligen Synagoge, jetzt rückwärtiger Teil des Kulturhauses |
Die Gedenktafel |
Links und Literatur
Links:
Literatur:
 | Baruch Z. Ophir/Falk Wiesemann: Die
jüdischen Gemeinden in Bayern 1918-1945. Geschichte und Zerstörung. 1979
S. 308-309. |
 | Israel Schwierz: Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens in
Bayern. Eine Dokumentation der Bayerischen Landeszentrale für politische
Bildungsarbeit. A 85. 1988 S. 62. |
 | Pinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish
Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany -
Bavaria. Hg. von Yad Vashem 1972 (hebräisch) S. 449-450.
|
 | Dirk Rosenstock: Die unterfränkischen
Judenmatrikeln von 1817. Eine namenkundliche und sozialgeschichtliche
Quelle. Reihe: Veröffentlichungen des Stadtarchivs Würzburg Band 13.
Würzburg 2008. S. 176-177.
|

Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Grosslangheim Lower
Franconia. Jews are first mentioned in 1590. The Jewish population was 70 in
1837 (total 1.223) and 18 in the Nazi era. Seven left for other German cities by
November 1937 and another six left in the first half of 1939 after the synagogue
was wrecked on Kristallnacht (9-10 November 1938). The last four were
deported to Izbica in the Lublin district (Poland) and to the Theresienstadt
ghetto in 1942.

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