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 zu den Synagogen in
Baden-Württemberg
 Merchingen  (Stadt
Ravenstein) mit Osterburken (Neckar-Odenwald-Kreis)
 Jüdische Geschichte / Betsaal/Synagoge
    Übersicht:
    Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english
version)         
 In dem bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts als Besitz der
Herren von Berlichingen zum Ritterkanton Odenwald gehörenden Merchingen bestand
eine jüdische Gemeinde bis 1938. Ihre Entstehung geht in die Zeit des 17.
Jahrhunderts zurück. Bisweilen angestellte Vermutungen, dass bereits im
Mittelalter Juden am Ort lebten (während einer Verfolgung von Krautheim nach
Merchingen geflohene Personen), ließen sich bislang nicht bestätigen.
 
 1740 lebten 40 jüdische Familien am Ort (210 Personen).
 
 Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner wie
folgt: 1809 31 jüdische Familien, 1812 68 Familien, 1825 250 jüdische
Einwohner (26,0 % von insgesamt 962 Einwohnern), 1849 Höchstzahl mit 325
jüdischen Einwohnern, 1875 218 (19,5 % von insgesamt 1.116), 1900 101 (10,4
% von 967), 1910 74 (8,1 % von 910).
 
 An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde eine Synagoge (s.u.), eine
jüdische Schule (bis zur Einrichtung einer gemischt-konfessionellen Schule 1869
eine Elementarschule), ein rituelles Bad (in einem kleinen zweigeschossigen
Häuschen bei der Schafbrücke, Ulmenstraße 5, um 1960 abgebrochen, in einer
angebauten Remise wurde ein Sargwagen aufgewahrt) und einen Friedhof. Zur Besorgung
religiöser Aufgaben der Gemeinde war (neben dem Bezirksrabbiner) ein Lehrer
angestellt, der zugleich als Vorbeter und Schochet tätig war. Bei der
Einteilung der badischen Rabbinatsbezirke wurde Merchingen Sitz eines Bezirksrabbinates, dem im Laufe der Zeit bis zu 19 jüdische Gemeinden angehörten,
darunter Adelsheim, Walldürn und Buchen.
Seit 1886 wurde das Rabbinat Merchingen vom Bezirksrabbinat Mosbach 
aus versehen. Das
Rabbinatsgebäude stand neben der Synagoge (zuletzt als Wohnhaus genutzt, 1965
abgebrochen, heute Garten bei der Synagoge).
 
 Als  Bezirksrabbiner in Merchingen amtierten: Zacharias Staadecker (1832-1857),
Dr. Julius Fürst (1858-1860), Baruch Hirsch Flehinger (1861-1886) sowie - noch
unter Bezirksrabbiner Flehinger als Rabbinatsvikar (bzw. Rabbinatsverweser) Dr. Louis
Heilbut (1883-1884). 1884 wurde die Stelle noch einmal ausgeschrieben
(s.u.), 1885 jedoch gemeinsam mit dem Bezirksrabbinat in Wertheim und wenig
später mit dem seit 1886 in Mosbach tätigen und
von dort aus auch für die Rabbinatsbezirke Wertheim und Merchingen tätigen Rabbiner Dr.
Leopold Löwenstein besetzt (vgl. dazu unten im Bericht zum Tod von Abraham
Strauß).
 
 Unter den Lehrern in Merchingen sind zu nennen: Lehrer D. Callner (Kallner;
1882-1909, siehe Artikel unten), Bravmann (1909 oder bereits zuvor bis 1938).
 
 Neben Vieh- und Fruchthandel betrieben die Merchinger Juden Ladengeschäfte oder
betätigten sich als Handwerker.
 
 Auf dem  Gefallenendenkmal 1870/71 und 1914/18  beim Schloss und auf einer Wandtafel im Rathaus finden sich auch die Namen und Bilder der jüdischen Gefallenen und Kriegsteilnehmer aus Merchingen.
Im Ersten Weltkrieg sind aus der jüdischen Gemeinde gefallen: Nathan
Kahn (geb. 4.5.1880 in Oberaltertheim, gef. 13.10.1916), Jakob Ostheimer (geb.
27.10.1882 in Merchingen, gest. 26.8.1914 in Gefangenschaft), Martin (Morton)
Rhonheimer (geb. 20.9.1893 in Merchingen, gef. 18.4.1918). Außerdem ist
gefallen: Philipp Kallner (geb. 21.7.1892 in Merchingen, vor 1914 in Mainz
wohnhaft, gef. 28.7.1915)
 
 1924 wurden noch 68 jüdische Einwohner gezählt (7,5 % von insgesamt etwa
900 Einwohnern). Damals waren die Vorsteher der Gemeinde Nathan Ostheimer,
Julius Fleischhacker und Albert Rödelsheimer. Als Religionslehrer, Kantor und
Schochet war Heimann Bravmann tätig. Er unterrichtete an der Religionsschule
der Gemeinde sieben Kinder. Unter den jüdischen Vereinen wird der
Wohltätigkeitsverein Chewra schel Poale touw (Verein der Werke des
Guten) genannt (1924 unter Leitung von Nathan Ostheimer).  Zur
jüdischen Gemeinde in Merchingen gehörten auch die 1924 in Osterburken
lebenden acht jüdischen Personen (1896 wird als der Bezirksälteste des 
Rabbinatsbezirkes Mosbach Herr Strauß aus Osterburken genannt; 1932 sieben). 1932 gehörten der
jüdischen Gemeinde 62 Personen an, weiterhin unter dem Vorsitz von Nathan
Ostheimer. Auch Lehrer Bravmann war noch in der Gemeinde. Er hatte im Schuljahr
1931/32 neun Kinder in Religion zu unterrichten.
 
 An ehemaligen, bis nach 1933 bestehenden Handels- und Gewerbebetrieben sind bekannt: Schuhgeschäft Simon Falk
(Eichenstraße 2), Metzgerei und Schächterei Adolf Fleischhacker (Eichenstraße
7, abgebrochen), Einzelhandels- und Lebensmittelgeschäft Nathan Fleischhacker
(Akazienstraße 3), Lebensmittelgeschäft Fam. Götz (Kastanienweg 2, Buchenweg 1/3 abgebrochen), Textilgeschäft Hermine Kahn
(Eichenstraße 12), Textilgeschäft Fam. Levi (Eichenstraße 18), Viehhandlung Fam. Mai (Holunderweg 4), Haferflockenherstellung und Grünkernerzeugung Fa. Rhonheimer (Birnbaumweg 1), Viehhandlung Max Rhonheimer (Buchenweg 17), Schuhgeschäft Albert Rödelsheimer
(Eichenstraße 4).
 
 1933 lebten noch 38 jüdische Personen in Merchingen (4,7 % von insgesamt
827 Einwohner). Auf Grund der Folgen des wirtschaftlichen Boykotts, der auch in
Merchingen zunehmenden Repressalien und der Entrechung sind in den folgenden
Jahren die meisten jüdischen Einwohner abgewandert oder ausgewandert. 19
konnten in die USA, England und Palästina emigrieren. Die letzten drei
jüdischen Einwohner (Julius und Selma Fleischhacker, Thekla Ullmann) wurden am 
22. Oktober 1940 von Merchingen nach Gurs deportiert.
 
 Von den in Merchingen geborenen und/oder
längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind  in der NS-Zeit
umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad
Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"):  Emilie Adler
geb. Strauß (1869), Jette Buxbaum (1873), Joel (Julius) Emrich (1867, vgl.
Kennkarte unten), Karoline Emrich
(1871), Wolf Emrich (1855), Emil Fleischhacker (1910), Gustav Fleischhacker
(1907), Ida Fleischhacker geb. Weil (1891), Julius Fleischhacker (1880), Nathan
Fleischhacker (1887), Selma Fleischhacker geb. Fleischhacker (1886), Siegmund
Fleischhacker (1883), Emma Grünebaum geb. Ullmann (1871), Emil Gutmann (1870),
Sophie Jacob (1870), Betty Löwenthal geb. Stadecker (1876), Babette Mai (1868),
Bertha Mai geb. Reis (1868), Max Mai (1872), Gerda Meierhof geb. Kuder (1899),
Lina Ostheimer (1874), Lina Rosenthal (1873), Baruch Rothschild (1859), Max
Strauß (1874), Julius Thalheimer (1869), Berta Tänzer geb. Strauß (1876),
Leon Ullmann (1873), Thekla Ullmann geb. Wertheimer (1866), Thekla Woll geb.
Levy (1894).
 
 Im Mai 2012 wurden vor dem Haus Akazienstraße 4 "Stolpersteine"
für das Ehepaar Nathan Fleischhacker und Ida geb. Weil verlegt, die im Hause
gegenüber in der Akazienstraße 3 lebten (vgl. Link zum Pressebericht
unten).
 
 Aus Osterburken werden in den genannten Listen keine Personen genannt.
 
 
 
 Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
 
 Aus der Geschichte des Bezirksrabbinates in Merchingen
 Zum Tod von Bezirksrabbiner Zacharias Staadecker (Stadecker, 1857)
 
  
    |  Artikel in
      der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 28. September 1857: "Merchingen,
      im Großherzogtum Baden, im August (1857). Nekrolog. Nach längerem Leiden
      starb am 25. August, in einem Alten von 58 Jahren, Bezirksrabbiner
      Zacharias Staadecker von hier, nachdem derselbe dem diesseitigen Rabbinate
      ein Vierteljahrhundert vorgestanden. Derselbe gehörte entschieden der
      Klasse der strenggläubigen Rabbiner an, war aber auch in vielen anderen
      Beziehungen ein höchst achtenswerter Charakter. Er suchte zu belehren, zu
      überzeugen und seine religiöse Anschauung zu verbreiten; ließ sich aber
      da, wo seine lehren keinen Eingang, keinen fruchtbaren Boden fanden, weder
      von leidenschaftlichen Ausbrüchen noch gar von Verfolgungen hinreißen.
 Nächst
      der Toleranz zeichneten ihn Bescheidenheit, Demut und Genügsamkeit aus,
      ein Dreigestirn, das wir in unserer Zeit so selten vereinigt finden!
 Sein
      umfassendes rabbinisches Wissen veranlasste ihn nie zu jener orthodoxen
      Arroganz, die viele seinesgleichen kennzeichnet. Auch auf hierin minder
      befähigte Kollegen sah er nie gering schätzend herunter, wusste vielmehr
      das anderweitige Wissen jener gebührend zu würdigen.
 Aber trotz seiner
      streng talmudischen Denkens und Lebens, war er den Anforderungen der Zeit
      nie entgegen getreten, sobald er die Überzeugung gewonnen, dass das
      religiöse Leben dadurch nicht beeinträchtigt oder gefährdet werde.
 Mit
      diesen Eigenschaften ausgerüstet, stand er unermüdet, ja oft nur mit zu
      großer Ängstlichkeit seinem Berufe vor. Sein Leichenbegängnis bekundete
      die Anhänglichkeit nicht nur der seiner geistlichen Obhut anvertrauten
      Gemeinden, sondern sogar von zehnstündiger Entfernung eilten Leute
      herbei, um ihm den letzten Liebesgang zu erzeigen. Sämtliche angrenzende
      Orte Württembergs waren zahlreich vertreten. Noch nie ist hier und in der
      Umgegend ein größerer und feierlicherer Leichenzug gesehen worden. Erschütternd
      war insbesondere der Moment, als die Leiche in die Synagoge getragen und
      an der Stelle niedergesetzt wurde, von der der Verstorbene so oft sein
      mahnendes Wort ertönen ließ.
 Zuerst trat ein intimer Freund der
      Verstorbenen, Herr Rabbiner Hirsch Berlinger von Berlichingen, auf und
      hielt einen rabbinischen Vortrag. Nach ihm sprach noch Herr
      Bezirksrabbiner Löwenstein von  Tauberbischofsheim und Herr
      Bezirksrabbiner Weil von Mosbach. Ersterer in der Synagoge, letzterer auf
      dem Friedhofe. Beide Redner forderten mit eindringlichen Worten die
      Umstehenden auf, die Liebe zu dem Entschlafenen auf dessen Hinterlassenen
      zu übertragen. Derselbe hinterlässt nämlich eine kranke Witwe mit 8
      Kindern, von denen 6 noch unmündig, das jüngste erst 3 Jahre alt ist. 
      R."
 |    Das Bezirksrabbinat wird mit Dr. Julius Fürst besetzt (1858)
 Anmerkung: Dr. Julius Fürst (geb. 1826, gest. 1899 Mannheim; Sohn des
Rabbiner Salomon Fürst): Rabbiner in Endingen/Schweiz
1854 bis 1858, danach in Merchingen,  Bayreuth und
Mainz, 1880-1899 Rabbiner an der Klaus in  Mannheim (gab 1890 ein
"Glossarium Graeco-Hebraeum" heraus, in dem er die im rabbinischen Schrifttum enthaltenen
griechischen und lateinischen Worte verzeichnete und ihre Bedeutung in Midrasch und Talmud erforschte).
 
  
    |  Artikel in
      der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 15. März 1858: "Aus dem
      Rabbinatsbezirke Merchingen (Baden), im März (1858). Das Rabbinat
      Merchingen ist nun wieder definitiv besetzt. Bei der am 27. Dezember
      vorigen Jahres stattgehabten Beratung der 17. Vorsteher des Bezirks wurde
      Herr Dr. Julius Fürst, zur Zeit Rabbiner in  Endingen in der Schweiz,
      einstimmig zum diesseitigen Bezirksrabbiner gewählt, welche Wahl nun auch
      bereits Großherzoglicher Oberrat und hohes Ministerium genehmigt hat. Diese Wahl hat im ganzen Lande Sensation erregt, denn man glaubte
      sicher, dass der diesseitige Bezirk einen Mann von altem Schrot und Korn,
      d.h. der  nur Lamden und  Chusid  (sc. frommer
      Talmudgelehrter) ist, wählen würde. Allein das alte
      lateinische Sprichwort: die Zeiten ändern sich und mit ihnen ändern auch
      wir uns, hat sich auch hier wieder bewährt. Jede Zeit macht ihre
      Anforderungen geltend, und dringt, trotz aller Hindernisse, endlich durch.
      Auch bei uns ist man zur Überzeugung gelangt, dass ein Rabbiner mehr als
      Talmud kennen muss, wenn er seiner hohen Aufgabe zeitgemäß entsprechen
      soll.
 In dem Gewählten
      glauben wir den Mann gefunden zu haben, der mit gediegenen talmudischen
      Kenntnissen auch ein anderweitiges gründliches Wissen verbindet, und der
      bei seinem sanften Charakter, so Gott will, recht segensreich wirken wird,
      wozu ihm ein weites Feld geboten ist."
 |      Über das Wirken des Bezirksrabbiners Dr. Fürst (Bericht von 1859)
 
  
    |  Artikel in
      der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 1. Januar 1859: "Merchingen, im November (1859). Erlauben Sie mir, jetzt, nach
      Verlauf von dreiviertel Jahren, in Kurzem das Wirken unseres neuen
      Bezirksrabbiners Herrn Dr. Fürst zu zeichnen. Um zunächst vom
      Gottesdienste zu beginnen, so hat es alle Freunde der Religion gefreut,
      dass unser Rabbiner sogleich sein Augenmerk darauf gewendet, und sowohl
      hier wie in den sämtlichen Gemeinden des Bezirks durch angemessene
      Ordnung, Einführung von Gesang und angemessenen Vortrag der Gebete, auch
      hier und da durch Einfügung deutscher Gebete den Gottesdienst zu heben
      versuchte. Erleichtert wurde ihm dies durch das bereitwillige
      Entgegenkommen erleuchteter Synagogenräte und namentlich der Lehrer und
      Vorbeter. Ich erwähnte hier namentlich ein Zirkular unseres
      Bezirksrabbiners über den |  
    |  Gottesdienst
      am Jom Kippur (? hebräische Buchstaben nicht lesbar), dann die Einführung der Konfirmation hier und in den übrigen
      Gemeinden; letztere fand hier am Wochenfeste statt und hatte durch die
      herrliche Predigt den erhebendsten Eindruck auf die zahlreichen Zuhörer
      gemacht. Schon im Hinblick auf die Ankunft unseres Rabbiners hatte sich
      ein Männergesangverein gebildet, welcher alsdann den Herrn Rabbiner
      mittelst eines Schreibens ersuchte, die Stelle als Ehrenpräsident
      anzunehmen. Dieser Verein hat schon ebenfalls durch seine Produktionen
      viel zur Verherrlichung des Gottesdienstes beigetragen. Im laufe des
      Sommers erfreuten wir uns an solchen Sabbaten, wo Herr Dr. Fürst nicht in
      auswärtigen Gemeinden war, um die Schulen zu inspizieren und zu predigen,
      einer Predigt, und statt des bisher eingeführten Schiur
      (Lernstunde) am Nachmittag einer Homilie in der Synagoge, in den Wintermonaten wird
      meist bloß eine Homilie abgehalten. Dieselben werden mit großem Eifer
      gehört und erfreuen sich des größten Beifalls. Die gleich Sorge wie dem
      Gottesdienst wendet er dem Schulweisen zu; wöchentliche mehrere Male
      besucht er die hiesige Schule, und sucht bei Behörden wie bei Gemeinden
      zur Verbesserung des Schulwesens zu wirken. Es sind z.B. in dem Bezirk
      drei Gemeinden zu mittellos zur Besoldung eines Religionslehrers; während
      die Kinder für den Elementarunterricht die christliche Ortsschule
      besuchen, müssen sie eine Stunde weit gehen in die Religionsschule des nächsten
      Ortes. Herr Fürst forderte daher in jeder seiner Gemeinden zur Gründung
      eines Bezirksvereins auf, damit allmählich solchen mittellosen Gemeinden
      zur Besoldung eines Lehrers beigesteuert werden könne. Bei jeder
      Festmahlzeit wird zu diesem Behufe kollektiert, und unterziehen sich meist
      die Lehrer der Sammlung der ständigen Beiträge. Es wird wohl einige
      Jahre dauern, bis der Zweck erreicht werden kann; allein besser spät als
      gar nicht, und ist das Unternehmen unseres Rabbiners umso löblicher, dass
      er sich durch die späte Erfüllung nicht abhalten lässt. In ähnlicher
      Weise hat derselbe bei der Behörde für diesen Zweck gewirkt. Es werden nämlich
      nach einer Verordnung des höchstseligen Großherzogs Karl Friedrich vom
      Jahre 1809 aus hierzu erhobenen Steuern sämtlicher Israeliten des Landes
      eine Anzahl junger Leute jährlich zur Erlernung eines Handwerks unterstützt
      und außerdem arme Israeliten mit kleineren Gaben jährlich bedacht. Die
      Rabbiner haben jährlich über die eingehenden Gesuche durch die Ämter an
      die Kreisregierungen zu berichten. Herr Rabbiner Fürst nahm hiervor
      Anlass, in seinem Berichte darzustellen, dass die aus jenen Unterstützungsgeldern
      an Arme verabreichten Gaben zu klein seien, um wirksam helfen zu können,
      dass sie oft zu einer Zeit kommen, wo es der Arme weniger bedarf und
      verbraucht, während es im Fall dringender Not fehle. Hier wüssten die
      Ortsvorgesetzten besser Zeit und Verhältnisse abzuwägen, und man möge
      diesen die Sorge für ihre Armen ganz überlassen; diese Gelder, wie sie
      jetzt verteilt wären, seien meist nutzlos vergeudet. Dagegen schilderte
      er die Übelstände solcher Gemeinden, welche zu arm sind, um Lehrer zu
      besolden, deren es im ganzen Lande sicherlich viele gebe, und bat schließlich,
      dass dahin gewirkt werde, dass diese Unterstützungsgelder zur Anstellung
      von Lehrern in armen israelitischen Gemeinden verwendet werden; diese könnten
      dann umso eher für ihre Armen selbst sorgen. Der zur Unterstützung
      israelitischer Handwerkslehrlinge bestimmte
      Teil solle fortwährend diesem Zwecke dienen; aber man müsse hier dem oft
      eintretenden Falle entgegentreten, dass israelitische Handwerker oft ihren
      gewählten Beruf verlassen. Mit Rücksicht darauf, dass solche Fälle
      weniger in der Stadt vorkommen, als auf dem Lande, sei zu erwägen, dass
      auf dem Lande ein Handwerker von seinem Gewerbe allein ohne Landbesitz
      sich nicht nähren könne, da christliche Handwerker auf dem Lande meist
      ererbten Grundbesitz haben. Daher sei dem israelitischen Handwerker, der
      seinen Wohnsitz nicht wählen könne, wie er sich für die Betreibung
      seines Gewerbes am meisten eigne, oft zu jenem Wechsel des Berufes genötigt.
      Solle daher der wohltätige Zweck Carl Friedrichs nicht illusorisch
      werden, so müsse man die Hindernisse dazu wegräumen, und es müsse dem
      Israeliten gleichfalls das Recht gewährt sein, in jedem Ort des Großherzogtums
      sich nach gehörigem Ausweis das Bürgerrecht zu erwerben. Am Schluss wird
      die Hoffnung ausgesprochen, dass das Werk Carl Friedrichs durch die
      hochherzige Gesinnung seines Enkels in derselben humanen und gerechten
      Weise auch zu Ende geführt werde. Zu wünschen ist, dass sämtliche
      Rabbinen, welche ja jährlich Gelegenheit dazu haben, ebenfalls diese Anträge
      stellen; alsdann ist zumal bei dem jetzigen Systemwechsel in Preußen, der
      auch auf die kleineren Staaten von Einfluss sein wird, eine Besserung in
      diesen Beziehung zu hoffen. Wir freuen uns indes, das unser
      Bezirksrabbiner den |  
    |  Anfang
      hierzu gemacht und offen den Behörden die Nachteile dargelegt hat, wie
      sich denn derselbe mit Eifer und großer Uneigennützigkeit dem Wohle
      seiner Gemeinden und der Förderung der religiösen Interessen widmet. So
      erteilt derselbe mehreren jungen Leuten, die sich hier für das Schulfach
      oder das Studium der Theologie vorbereiten, unentgeltlich zwei Stunden täglich
      Unterricht im Talmud. So entfaltet er nach allen Seiten seine ersprießliche
      Tätigkeit und gratulieren wir uns aufrichtig, Herrn Dr. Fürst seinem
      Vaterlande und unserem Bezirke gewonnen zu haben, und nehmen wir mit Vergnügen
      wahr, dass derselbe ebenfalls gern unter uns weilt. 
    Aron Rosenfeld, Hauptlehrer." |      Zur Rabbinerwahl in Merchingen (1860)
 
  
    |  Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
      vom 24. April 1860: "Aus dem Rabbinatsbezirke Merchingen (in
      Baden). Der Schluss des Artikels in No. 14 dieser Zeitung datiert:
      'Mannheim, den 11. März', konnte leicht zu der Ansicht führen, als
      hätte Herr Rabbiner Löwenstein bei der jüngsten Rabbinerwahl in
      Merchingen (am 1. März) während des Wahlaktes einen Kandidaten der
      Würzburger Schule zur Wahl vorgeschlagen. Dem ist aber nicht so. Herr
      Rabbiner Löwenstein hat während der Wahlhandlung keinen Bewerber namhaft
      gemacht. Allein dass der Erfolg der Wahl den Herrn Wahlkommissar sehr
      unangenehm berührt hat, dass er viel lieber einen Bewerber aus der
      hyperorthodoxen Würzburger Schule gewählt gesehen hätte, daran wird
      niemand zweifeln, der die vor der Wahl gehaltene Rede mit angehört, und
      die Richtung des Herrn Rabbiner Löwenstein kennt. Bei der Ernennung desselben zum Wahlkommissar gab man sich von gewisser
      Seite der süßen und sichern Hoffnung hin, dass nunmehr die Wahl eines
      Hyperorthodoxen gesichert sei, selbst wenn er nicht einmal korrekt Deutsch
      zu schreiben vermöge. Allein die Herren Vorsteher des Bezirks dachten
      anders als die beiden Herrn Bezirksältesten. Die große Mehrheit der
      Gemeinden sich zu der Überzeugung gelangt, dass ein Rabbiner der
      Jetztzeit mehr als Talmud kennen muss, wenn er seinen Bezirk nach innen
      und außen würdig und segensreich vertreten soll. Was von der Zeit einmal
      als Bedürfnis anerkannt ist, das dringt auch in die äußersten
      Schichten, und nur eine kranke Phantasie kann sich das Veraltete als eine
      neue Zukunft vormalen.
 Zur Wiederbesetzung unserer Rabbinatsstelle haben bereits drei
      Besprechungen, respektive Wahlen stattgefunden. Bei den zwei letzten hat
      Herr Rabbiner Flehinger von Meisenheim
      jedes Mal die Majorität der Stimmen erhalten. Bei der letzten sogar von
      17 Stimmen 15; denn nach dem jüngsten Beschlusse Großherzoglichen
      Oberrats vom 10. Februar dieses Jahres No. 123, hat der bei der Wahl
      persönlich zu erscheinende Synagogenrats-Vorsteher nicht etwa seine
      subjektive Ansicht, sondern vielmehr die seiner Gemeinde auszusprechen.
      Von den fünf Gemeinden, deren Vorsteher nicht für Flehinger gestimmt,
      hat aber die Majorität dreier Gemeinden die Erklärung abgegeben: dass
      sie mit der Wahl ihrer Vorsteher nicht einverstanden sind, sie ihre Stimmen
      vielmehr ebenfalls für Flehinger abgeben.
 Wir wollen nun ruhig abwarten, ob unser Großherzoglicher Oberrat den 2
      Stimmen mehr Rechnung trägt, als den 15. Dem Gerückte, dass derselbe
      eine 4te Wahl anordnen werde, können wir kaum Glauben
      schenken."
 |   Werbeanzeigen für eine Publikation von Bezirksrabbiner
Flehinger (1880)
      Spendenaufruf von Bezirksrabbiner Flehinger für eine in Not geratene Familie
(1882)
 
  
    |  Anzeige
      in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 6. Dezember 1882: "Aufruf
      und dringende Bitte! Ich erlaube mir, die israelitischen Glaubensgenossen um ihre
      Mildtätigkeit anzurufen.
 Vor einigen Jahren starb einer unserer Glaubensbrüder des diesseitigen
      Bezirks, welcher als ein ehrenhafter, frommer Mann vielfach bekannt war.
      Er hinterließ eine greise, gebrechliche Witwe, welche leider nunmehr sehr
      wenig Augenlicht besitzt. Ferner noch einen stets arbeitsunfähigen Sohn,
      welche beide auf immer den Beistand ihres Sohnes und Bruders bedürfen.
      Auch dieser wurde nach dem Tode seines Vaters von harten Schicksalen und
      Krankheit so heimgesucht, dass nach Verlauf von bereits 1 Jahr sein
      Geschäft gerichtlich verkauft wurde. Um nunmehr wieder ein Geschäft
      gründen zu können, wodurch die schwer geprüfte Familie den weiteren
      Unannehmlichkeiten und vielleicht gar noch der Obdachlosigkeit entrissen
      werden kann, bedarf es den Anspruch um baldige Hilfe und bitte daher
      dringend um wohlwollende Beiträge, die ich anzunehmen und
      weiterzubefördern gern bereit bin.
 Merchingen, am 23. November 1882. Großherzoglicher Badischer
      Bezirksrabbiner Flehinger.
 Wir sind gern bereit, Gaben in Empfang zu nehmen und weiterzubefördern.
      Die Expedition des 'Israelit'."
 |      Zum Tod von Rabbiner Baruch Hirsch Flehinger (1890)
 
  
    |  Artikel in
      der Zeitschrift "Der Israelit" vom 27. Februar 1890: "Darmstadt.
      Vor kurzem starb hier der pensionierte Bezirks- und Konferenz-Rabbiner B.
      H. Flehinger im Alter von 80 Jahren. Derselbe war früher Rabbiner in Meisenheim
      und in Merchingen im Großherzogtum Baden. - Als Konferenz-Rabbiner war er
      auch Mitglied des Großherzoglichen Oberrats der Israeliten. Er war
      Verfasser zweier biblischer Geschichtsbücher, wovon das für die
      ‚kleinere Jugend’ 20 und das für ‚reifere Jugend’ 5 Auflagen
      erlebte." |  
    |  |  
    |  Artikel
      in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 28. Februar 1890:
      "Karlsruhe, 20. Februar (1890). Der frühere Bezirksrabbiner
      Dr. Flehinger von Merchingen, bekannt als Herausgeber eines
      Geschichtsbüchleins für die israelitische Jugend, ist, 80 Jahre alt, in
      Darmstadt gestorben." |    Zum Tod von Bezirksrabbiner (Rabbinatsverweser) Dr.
Louis Heilbut (1884)
 Dr. Louis Heilbut (geb. 1849 in Altona, gest. 1884 in Merchingen): studierte bei
Rabbiner Jakob Ettlinger in Altona, dann bei Dr. Esriel Hildesheimer in Berlin:
zunächst Prediger in Tarnowitz, dann in Frankfurt am Main und Biblis,
seit 1883 für ein Jahr bis zu seinem plötzlichen Tod Rabbinatsvikar (noch
unter Rabbiner Flehinger) / rabbinatsverweser in Merchingen und Tauberbischofsheim.
 
  
    |  Artikel
      in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 28. August 1884: "Merchingen,
      24. August (1884). Herr Dr. Heilbut, unser allbeliebter Rabbiner, wurde
      gestern plötzlich im blühendsten Mannesalter vom Tode dahingerafft. Der
      Verstorbene war ein Schüler Dr. Hildesheimers, war anfangs in Tarnowitz
      Prediger und wurde schließlich hier als Rabbiner angestellt. Seine wahre
      Frömmigkeit, seine gediegene wissenschaftliche Bildung sowie sein
      liebenswürdiger Charakter werden ihm in den Herzen aller, die ihn
      kannten, ein unauslöschliches Andenken bewahren." |  
    |  |  
    |  Artikel
      in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 4. September 1884 (der Abschnitt
      wird leicht abgekürzt zitiert): "Merchingen
      (Baden).  Am Tag des Heiligen Schabbat, dem 2. Elul (= Schabbat,
      23. August 1884). Eine tief traurige
      Veranlassung ist es heute, die mich bitten lässt, die Spalten Ihrer geschätzten
      Zeitung zu benützen, um einen unersetzlichen Verlust, den die  Gesamtheit
      (= das Judentum) leider erlitten, zu registrieren, mehr noch das
      Bewusstsein dieses Verlustes wach zu erhalten. Unser geliebter Führer, Herr Dr. Louis Heilbut – das Andenken an
      den Gerechten ist zum Segen – weilt seit dem  Vortag zum 1. Elul (=
      Donnerstag, 21. August 1884) nicht
      mehr unter uns – denn  Gott hat ihn genommen – Seit einem Jahre als
      Verweser der Bezirksrabbinate Merchingen und  Tauberbischofsheim tätig,
      ist es ihm durch sein segensreiches, pflichttreues Wirken gelungen, sich
      die allseitige Liebe, Verehrung und Hochachtung weit über die Marken
      seines Amtskreises in seltener Weise zu erringen, was die äußerst
      zahlreiche Beteiligung von nahe und ferne, trotz  Freitag (Vortag vor
      Schabbat), bei seiner heute stattgefundenen Beerdigung bekundete. Die
      nichtjüdische Bevölkerung; der Gemeinderat in corpore, die verehrliche
      Geistlichkeit, Lehrer und Schüler der Kommunalschulen nahmen den gleichen
      Anteil und es dürften nur wenige Augen tränenleer bei dem unabsehbaren
      Trauerzuge geblieben sein. ... – Eine gesetzestreue Jugend heranzubilden war
      die Zielscheibe seines unablässigen Strebens.
 Bei Herrn Bezirksrabbiner
      Dr. L. Heilbut - unser Lehrer, der Herr und unser Meister, Herr Jehuda,
      das Andenken an den Gerechten ist zum Segen - fand der  Segensspruch unseres Vaters
      Jakob - Jehuda, die preisen deine Brüder (1. Mose 49,8) - die wahrhaftigste Verwirklichung.
 In Altona geboren, war er zehn Jahre lang der Schüler des  Großen
      Gaon, unseres Lehrers, unseres Herrn und Meisters Jakob Ettlinger seligen
      Andenkens, dann
      begann und vollendete er seine akademischen Studien in Berlin, wo er das
      Rabbinerseminar des Herrn Rabbiner Dr. Hildesheimer –  sein Licht leuchte
      
      – frequentierte, und bei diesem, seinem hochverehrten Lehrer, in
      doppelter Weise, als der Schüler eifrigsten einer und als Hauslehrer bei
      dessen Kindern sieben Jahre tätig war, was ein selten inniges
      Freundschaftsband mit dieser rühmlichst bekannten Familie bleibend zur
      Folge hatte. – Tarnowitz, Frankfurt am Main, Biblis,
 |  
    |  waren
      seine segensreichen Wirkungskreise, bis er seit einem Jahre die Verwaltung
      des hiesigen Bezirksrabbinates übernahm und in oben besagter Weise
      verwaltete, dem Worte des  Talmuds Jeruschalmi entsprechend… und nicht
      nur die junge, tief betrübte Gattin, seit 14 Tagen Wöchnerin mit einem
      zweiten Töchterchen, verliert einen treu hingebenden Gatten; die
      Schwiegereltern einen Sohn im wahrhaftigsten Sinn des Wortes und der
      einzige Bruder den treuesten Ratgeber. Am  Heiligen Schabbat Paraschat Reeh
      (Schabbat mit der Toralesung Reeh = 5. Mose 11,26 - 26,17, das
      war Schabbat, 16. August 1884),
      nachdem er seine Predigt beendet und (etwa im Vorgefühl des nahenden
      Heimgangs -) den Vers 'bis hierher kommst du, und nicht weiter, und
      hier stehe es dem Trotze deiner Wogen':  darin
      erwähnte, ereilte ihn das Krankenlager und schon am Mittwoch kehrte seine
      reine Seele, nachdem sie nur 35 Jahre –  jung an Tagen, aber reich an
      Taten  – hienieder gewaltet, zu den lichten Höhen zurück. Herr Dr.
      Sondheimer aus  Heidelberg eilte hierher, dem Verewigten, obgleich am
      Monatsbeginn (Rosch Chodesch), doch einen warmen Nachruf zu widmen, und
      wer möchte sich nicht gerne dem von ihm ausgesprochenen Wunsche anschließen,
      dass  Gott die tief betrübten Hinterbliebenen trösten und sich der
      gebeugten jungen Witwe mit ihren unmündigen Kinderchen  in seiner großen
      Barmherzigkeit annehmen möchte!  Der Tod wird verschlungen auf
      ewig (Jesaja
      25,8) und seine Seele sei eingebunden in den Bund des Lebens. C.G."
 |             Ausschreibung der Stelle des Rabbinatsvikars (1884)
 
  
    |  Artikel
      in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 30. Oktober 1884:
      "Die in Folge Ablebens des Herrn Rabbiners Dr. Heilbut in Erledigung
      gekommene Stelle eines Rabbinatsvikars des Herrn Bezirksrabbiners
      Flehinger ist unter höherer Genehmigung wieder zu besetzen. Gehalt 1.500
      Mark nebst ziemlich bedeutenden Nebengefällen und freier Wohnung.
      Bewerber wollen sich innerhalb 4 Wochen unter Vorlage ihrer
      Qualifikationszeugnisse bei dem Unterzeichneten melden. Ledige Bewerber
      werden vorzugsweise berücksichtigt. Merchingen, den 27. Oktober 1884. Strauß, Bezirksältester."
 |      Ausschreibung der Stelle des Bezirksrabbinates Wertheim
- zusammen mit dem Bezirksrabbinat Merchingen (1885)
 
  
    |  Anzeige in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums"
      vom 27. Oktober 1885:  "Das Bezirksrabbinat Wertheim,
      mit welchem die Verwaltung des Bezirksrabbinates Merchingen
      verbunden ist, soll neu besetzt werden. Die festen Bezüge betragen 1800
      bis 2000 Mark neben freier Dienstwohnung. Die Akzidenzien in dem
      umfassenden Dienstbezirke (29 Gemeinden) sind nicht unerheblich. Die
      Bestallung erfolgt mit der Bedingung, dass der Inhaber der Stelle im Falle
      einer organisatorischen Änderung auf Verlangen der zuständigen Behörde
      seinen Wohnsitz von Wertheim nach Mosbach
      zu verlegen hätte. Bewerbungsgesuche sind unter Beifügung einer
      Darlegung des seitherigen Lebensganges, ferner der Nachweise über die
      allgemeine wissenschaftliche und fachliche Ausbildung, sowie über
      erlangte Autorisation zur Ausübung von Rabbinatsfunktionen und über die seitherige
      Berufstätigkeit binnen 6 Wochen bei der unterzeichneten Behörde
      einzureichen. Karlsruhe, den 15. Oktober 1885.
 Großherzoglicher Badischer Oberrat der Israeliten. Der
      Ministerial-Kommissär: Joos."
 |      
 Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer und der Schule
 Über die 1869 eingerichtete, gemischt-konfessionelle
Volksschule in Merchingen (1870)
 
  
    |  Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 4. Januar
      1870: "Merchingen (Baden), 15. Dezember (1870): Die 'Neue
      Badische Landeszeitung' schreibt von hier: Seit dem 23. vorigen Monats
      besteht hier eine gemischte Volksschule, hervorgehend aus der bisherigen
      evangelischen und öffentlichen israelitischen Volksschule. Ängstliche, vom Einflusse langjähriger Gewohnheit beherrschte Gemüter
      suchten noch in der zwölften Stunde gegen die Errichtung der einheitlichen
      Schule dadurch zu wirken, dass sie verbreiteten, es könne der
      Religionsunterricht und die Sabbatfeier im Lehrplan nicht diejenige
      Würdigung finden, wie solche im beiderseitigen Interesse der
      Konfessionsgemeinden gewünscht wird, auch müssten die Verhältnisse der
      bisher in getrennten Schulen unterrichten, aus verschiedenen Lebenskreisen
      entnommenen Schuljugend zu heterogen erscheinen, dass nicht Unbilden etc.
      daraus zu befürchten wären.
 Diese Befürchtungen haben sich nicht verwirklicht. Ich freue mich
      vielmehr konstatieren zu können, dass die kleine Schulbevölkerung in
      größter Eintracht beisammen lebt, dass eine neue Tätigkeit, ein
      Wissenseifer dieselbe beseelt, und viele der bis jetzt in getrennten
      Schulen gewesenen Schüler in den Freistunden sich aufsuchen, um ihre
      Aufgaben gemeinschaftlich zu machen.
 Die Lehrer, von der erhöhteren Bedeutung der gemischten Schule
      durchdrungen, wirken mit anerkennenswertem Gleiße und es gebührt endlich
      dem Ortsschulrate das Verdienst, den Lehrplan mit der Einsicht geordnet zu
      haben, dass der Religionsunterricht, ohne irgendwie zu stören, den beiden
      Konfessionsteilen gerecht wird.
 Dieses günstige Resultat der gemischten Schule hier, ist auch den
      aufmerksamen Freunden der Schule nicht fremd geblieben und stimmt
      dieselben zur Freude.
 Man kommt zur Einsicht, dass die gemischte Volksschule dem Prinzipe des
      Rechtsstaats gerecht wird, dass sie ein Fortschritt auf dem Gebiete des
      sozialen Lebens ist, welches 'gleiches Recht für Alle' zur Devise hat;
      dass dieses dem Kinde in der Schule eingepflanzte Rechtsbewusstsein
      geeignet ist, den Jüngling vor Vorurteilen zu schützen und dem Manne
      jene sittliche Kraft zu verleihen, welche ihn unbefangen in der
      menschlichen Gesellschaft das Wahre und Rechte erstreben lässt.
 Wir fügen diesem Artikel der 'Neuen Badischen Landeszeitung' hinzu, dass
      im Gegensatze hiervon die Verwaltung unseres Religionsschulwesens besseren
      Händen anvertraut sein müsste. Da herrscht eine Anarchie, bei Gemeinden
      wie bei Lehrern, wie sie zu des seligen Eppstein Zeiten nicht denkbar
      gewesen wäre. Die alte Bachurimsverdingzeit scheint im vollen
      Anzuge.
 Unsere sonstigen inneren Zustände, respektive die längst projektierte
      und allseitig ventilierte neue Kirchenverfassung, wird noch längere Zeit,
      ohne irgend Eines Verschulden, in ruhendem Zustande verbleiben
      müssen."
 |         Ausschreibung der Kantor- und Schochetstelle (1882)
 
  
    |  Anzeige
      in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 8. Juni 1881: "Die
      Kantor- und Schochetstelle dahier ist zu besetzen und werden Bewerber um
      dieselbe eingeladen, unter Vorlage von Befähigungs- und Sittenzeugnissen
      mit uns sich ins Benehmen zu setzen, mit dem Anfügen, dass solche
      Bewerber, welche sich gleichzeitig über ihre Befähigung zur Erteilung
      des Religionsunterrichts ausweisen können, zunächst Bevorzugung zu
      gewärtigen haben. Merchingen, den 6. Juni 1882.
 Der Synagogenrat. Strauss, Vorsteher."
 |     Zum Tod von Lehrer D. Callner (1909)
 
  
    |  Artikel
      in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 25. März 1909: "Merchingen,
      Baden, 8. März (1909). Am 28. Februar wurde  Lehrer D. Callner unter
      großer Beteiligung zu Grabe getragen. Viele Freunde und Kollegen waren
      von nah und fern herbeigeeilt, um dem Toten die letzte Ehre zu erweisen.
      Der stattliche Trauerzug gab Kunde von der allgemeinen Beliebtheit des
      Verstorbenen. Neben der Gattin und den Kindern verliert auch die Gemeinde
      Merchingen in dem Heimgegangenen einen gewissenhaften, überzeugungstreuen
      Lehrer; einen seltenen Vorsänger, der durch seine klangvolle Stimme,
      getragen von wahrhafter Gottesfurcht, seine Gemeinde zu tiefster Andacht
      zu stimmen verstand; einen vorzüglichen gewissenhaften Schochet; einen
      bewährten Mohel (Beschneider), der als solcher in den entferntesten
      Kreisen bekannt war; einen großen Talmudisten und selbstlosen edlen
      Menschen. Am Grabe gab Herr Bezirksrabbiner Dr. Löwenstein der
      Anerkennung und Würdigung all dieser Eigenschaften besonders dadurch
      Ausdruck, dass er dem Heimgegangenen nachträglich den Ehrentitel Morenu
      ("unser Lehrer") verlieh. Herr Lehrer Scheuermann feierte im
      Auftrag der badischen Lehrer den Verstorbenen durch warme Abschiedsworte.
      Herr Lehrer Bravmann - Merchingen dankte namens der dortigen
      Gemeinde für die 27-jährige segensreiche Wirksamkeit. Zum Schlusse schilderte Lehrer E. Wertheimer als Spezialfreund des
      Verklärten dessen Lehrtätigkeit und segensreiche Wirksamkeit. Auf
      Anregung des Lehrers Wertheimer beschlossen die Bezirkskollegen, den
      Verklärten - er ruhe in Frieden - noch dadurch besonders zu ehren,
      dass sie während der Schloschim (Trauerzeit) einen Schiur
      für denselben lernen. Das Andenken an den Gerechten ist zum
      Segen."
 |        
 Berichte
zu einzelnen Personen aus der jüdischen Gemeinde
 Fahndung nach Isaak Fisch von Merchingen (1849)
 
  
    |  Anzeige im "Großherzoglich Badischen Anzeige-Blatt für den
      See-Kreis" vom 7. April 1849 (Quelle: Stadtarchiv Donaueschingen):
      "Karlsruhe. [Aufforderung] Der 16-jährige Isaak Fisch von
      Merchingen, Bezirksamtes Adelsheim, soll wegen verschiedener
      Unterschlagungen in Untersuchung gezogen werden; da dessen gegenwärtiger
      Aufenthaltsort unbekannt ist, so wird er hiermit aufgefordert, sich binnen
      drei Wochen anher zu stellen, um sich wegen des hier zur Last gelegten
      Verbrechens zu verantworten, widrigens lediglich nach Lage der Akten gegen
      ihn erkannt würde. Zugleich werden sämtliche Gerichts- und Polizeibehörden ersucht, auf
      Isaak Fisch, dessen Signalement hier beifolgt, zu fahnden und ihn auf
      Betreten mit Laufpass hierher zu weisen.
 Signalement. Große 2', Körperbau schwach, Gesichtsform rund, Nase
      und Mund klein, Haare und Augen braun, Zähne gut.
 Karlsruhe, den 26. März 1849. Großherzogliches Stadtamt."
 |   Hinweis auf den in Merchingen geborenen späteren
Oberrabbiner von Luxemburg Isaac Blumenstein (1843 - 1903)
 (eingestellt auf Grund einer Mitteilung von Holger
Hübner, Berlin)
 
  
    |  Links:
      Eintragung der Geburt und der Beschneidung von Isaak Blumenstein in einem
      jüdischen Personenstandsregister Merchingen: HStA Stgt J 386 Bü 348 Bild
      104, zugänglich über   https://www2.landesarchiv-bw.de/ofs21/olf/struktur.php?bestand=5632.
      Demnach ist Isaak Blumenstein als Sohn des Merchinger Schutzbürgers und
      Handelsmann Joseph Blumenstein und seiner Frau Adelheid am 26. September
      1843 in Merchingen geboren und wurde am 3. Oktober beschnitten; Zeugen der
      Geburt und Beschneidung waren Metzgermeister Hayum Fleischhacker und
      Handelsmann Abraham Heß; beurkundet von Bezirksrabbiner Zacharias Israel
      Staadecker. 
 Rabbiner Dr. Isaac Blumenstein (geb. 26. September 1843 in Merchingen, gest. 3.
      August 1903 in Luxemburg): Studium in Breslau; 1870 als Rabbinatskandidat
      in Mannheim; seit 1871 Großrabbiner in Luxemburg.
 Blumenstein hielt
      den viel und teilweise falsch überlieferten
      Feldgottesdienst zu Jom Kippur vor Metz im Deutsch-Französischen Krieg;
      siehe dazu den Beitrag von Holger Hübner: Der Feldgottesdienst zu
      Jom Kippur vor Metz 1870; erschienen in: Zeitschrift für Religions- und
      Geistesgeschichte Jg. 63 2011 (Heft 2, April 2011) S. 105-121.
 Hinweis: Zusammenfassung
      des Beitrages von Holger Hübner (eingestellt als pdf-Datei).
 |  
    |  |  |  
    | Darstellung des
      Jom-Kippur-Gottesdienstes vor Metz 1870 mit Rabbiner Dr. Blumenstein, wie er nach der Darstellung
 von Hermann Junker stattgefunden hat.
 (Quelle
      des Fotos)
 | Abbildung eines Erinnerungstuches an den
      legendenhaft ausgeschmückten Gottesdienst zu Jom Kippur vor Metz 1870 auf
 dem Buch von Nachum T. Gidal: Die Juden in Deutschland von
 der
      Römerzeit bis zur Weimarer Republik. Gütersloh 1988.
 |  
    |  |  
    |  Artikel
       zum Tod von Rabbiner Dr. Isaac Blumenstein in der Zeitschrift "Im
      deutschen Reich" vom August 1898 S. 298: "Luxemburg, 9.
      August (1898). Im eben vollendeten 60. Lebensjahr ist am 3. dieses Monats
      der Rabbiner Dr. I. Blumenstein plötzlich am Herzschlage verstorben. Als
      der einzige offizielle jüdische Feldprediger während des Krieges
      1870/71, war er es, welcher jenen jüdischen Feldgottesdienst abhielt,
      welcher durch das Bild 'Jom Kippur im Felde' weithin bekannt worden ist.
      In Anbetracht seiner Dienste während jenes Feldzugs wurde ihm das Eiserne
      Kreuz am weißen Bande verliehen. In Luxemburg, wo er 32 Jahre segensreich
      gewirkt hat, erfreute er sich allgemeiner Verehrung. Der hiesige nationalliberale
      'Volksbote' schreibt: 'Am Leichenzuge, der sich von der Synagoge aus
      bewegte, nahmen teil Vertreter der Regierung, des Staatsrates, der
      Deputiertenkammer, der Obergerichtshofes, des Bezirksgerichtes, der
      Staatsanwaltschaften, der Bureaus der Stadtrates, der Militärbehörden,
      der Presse usw. usw. Das Konsistorium war vollzählig erschienen; ebenso
      war die hiesige Loge, deren Mitglied er gewesen, sehr zahlreich vertreten.
      Eine vielhundertköpfige Menschenmenge aller Stände und aller
      Konfessionen angehörend, bildete den Schluss des Leichenzuges.' Der
      Bericht schließt mit den Worten: 'Sein Andenken wird nicht bloß bei
      seinen Religionsgenossen, sondern auch bei allen Andersgläubigen stets gesegnet
      bleiben!'" |  
    | Vgl. Online-Informationen
      über die Großrabbiner von Luxemburg |           Zum Tod von Abraham Strauß (1892)
 
  
    |  Artikel
      in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 8. September 1892: "Merchingen,
      Anfang Elul. Tiefe Trauer bemächtigte sich unserer Gemeinde durch
      den plötzlichen Tod des Herrn Abraham Strauß. Er war bei Juden
      und Christen belliebt, hoch geachtet wegen seiner Einfachheit, seiner Hochherzigkeit
      und Mildtätigkeit, er war Jedem ein treuer Berater, ein neidloser,
      opferfreudiger Freund, ein Vater der Witwen und Waisen. Schmerzlich ist
      daher für uns dieser Verlust. Von seinem ersten Auftreten bis zu seinem
      Ende hat er sich um unsere jüdische und politische Gemeinde verdient
      gemacht. Schon früher, noch als junger Mann, zur Zeit der Vorstandschaft
      seines seligen Vaters, Lazarus Strauß - er ruhe in Frieden -
      führte er im gerechten Eifer für die Erhaltung des wahren Judentums die
      Feder siegreich gegen die Neologie, und später, als jener nach fünfzigjähriger
      kraftvoller, segensreicher Tätigkeit das Zeitliche segnete, wurde diese
      Einstimmung zum Leiter der Gemeinde und des Bezirks berufen. Seiner
      unermüdlichen Tatkraft verdankte unser Bezirk die Wahl der frommen
      Rabbinen, des Dr. Louis Heilbut - das Andenken an den Gerechten ist zum
      Segen - für Merchingen, und nach dessen frühem Hinscheiden die des
      jetzigen Bezirksrabbiners in Mosbach,
      Herrn Dr. Löwenstein, Erfolge. Solche glaubenseifrige Männer berief er
      an die Spitze der Bezirke in dem zielbewussten Streben, in den Gemeinden
      den religiösen, frommen Sinn unter den Lehrern und Haushaltsvorständen
      zu erhalten und aus den Kindern eine Generation heranzubilden, die im
      schweren Kampfe mit den Neuerungen der heutigen Zeit festhält an Tora und
      Gebot. So wird keiner der heiligen Gebräuche hier seitdem
      vernachlässigt, alle jüdischen Institutionen werden aufs äußerste
      beobachtet und aufrecht erhalten. War doch auf die Instandhaltung des Eruw,
      der Mikwe, der Schechita sein Augenmerk besonders scharf
      gerichtet. Dass diese Leistungen den besten Erfolg hier aufzuweisen haben,
      muss man dem Einfluss seiner Persönlichkeit zuschreiben, einer Macht, die
      er sich erworben durch seine Beliebtheit, seine gewissenhafte
      Pflichterfüllung, seine im tiefsten Innern empfundene Überzeugung, die
      eines jeden Gegners Widerspruch ausschloss und die Gesinnungstreuen nie
      ermüden ließ. Denn wie er im öffentlichen Leben wirkte, so war er auch
      im eigenen Hause strengstens einer, der sich genau an die Gebote hielt.
      Er war ein fleißiger Besucher unserer Synagoge und befolgte die Gebote
      ebenso streng und ernst, wie er sie seine Familie lehrte, und diese wusste
      und verstand seine Ansichten hochzuschätzen. War er ja der beste,
      liebevollste Gatte, der streng-gute Vater, der angenehme Verwandte, wie er
      sich denn überhaupt in seinem ganzen Leben durch seine offenkundige
      Liebenswürdigkeit ausgezeichnet. So hat denn Herr Dr. Löwenstein wohl
      mit vollem Recht in seiner tief empfundenen Rede am Grabe des Freundes dem
      Dahingeschiedenen nachgerufen: 'Die achtundsechzig Jahre Deines Lebens,
      teuerer Freunde, waren ein wahres 'Leben' eines echten Jehudi.
      Mögen die, die Dir nahe standen, Dir gleichen'. Seine Seele sei
      eingebunden in den Bund des Lebens. D.K." |    Zum Tod von Karoline Strauß (1907)
 
  
    |  Meldung im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 2.
      August 1907: "Merchingen. Hier starb im hohen Alter von 103 Jahren
      Frau Karoline Strauß. Sie war gesund bis ans Ende." |     Auszeichnung für Emanuel Strauß in Osterburken
(1908)
 
  
    |  Artikel
      in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 31. Dezember 1908:
      "Osterburken, 28. Dezember (1908). Der Großherzog von Baden verlieh
      dem Bezirksältesten, Herrn Emanuel Strauß hier, das Verdienstkreuz des
      Ordens vom Zähringer Löwen." |     60. Geburtstag des aus Merchingen
stammenden Landauer Kantors und Lehrers Willy Steinem (1928)
 
  
    |  Artikel
      in der "Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung" vom 15. Juni
      1928: "60. Geburtstag. Unser langjähriges, treu bewährtes
      Vereinsmitglied, Herr Oberkantor und Lehrer Willy Steinem in Landau
      (Pfalz), feierte am 18. Mai seinen 60. Geburtstag. Aus diesem Anlass
      wurden ihm seitens seiner dankbaren Gemeinde und anderer Korporationen
      wohlverdiente Ehrungen zuteil. Ist er doch nicht nur ein tüchtiger
      Schulmann, sondern, mit prächtigem Bariton ausgestattet, auch ein
      anerkannter Künstler auf dem Gebiete des synagogalen Gesanges. Steinems
      Wiege stand in Merchingen (Baden). Früh verwaist, wurde er im
      hause des Lehrers Oppenheimer in Arnstein
      (Unterfranken) erzogen, besuchte dortselbst die Präparandenschule,
      sodann das staatliche Schullehrerseminar in Würzburg. Nachdem er einige
      Jahre in Kirn an der Nahe und Wiesbaden amtierte, wurde er an die
      Kultusgemeinde Landau berufen, woselbst er nun über 3 Jahrzehnte
      segensreich wirkt. Weit über den Kreis seiner Amtstätigkeit hinaus ist
      er in allen Schichten der Bevölkerung als charaktervoller Mann geachtet
      und geehrt, ob seines sonnigen Gemüts und unverwüstlichen Humors,
      besonders von seinen Kollegen geschätzt und geliebt. A.St. –
      U."
 |     Max Mai beendet seine Tätigkeit als Bezirksältester (1936)
 
  
    |  Mitteilung
      im "Israelit" vom 4. November 1936: "Hainstadt 
	(Baden), 1. November (1936). Herr Synodalabgeordneter und Synagogenrat 
	Moritz Rosenbaum wurde anstelle des ausgeschiedenen Herrn Max Mai 
	- Merchingen zum Bezirksältesten ernannt." |    
 Anzeigen
jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen
 Anzeige des Manufaktur- und
Herrenkonfektions-Geschäftes von N. Kahn (1907)
 
  
    |  Anzeige im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt"
      vom 29. März 1907: "Für mein am Samstag und Feiertagen geschlossenes Manufaktur- und
      Herren-Konfektions-Geschäft suche ich per 1. Mai einen Lehrling
 aus achtbarer Familie mit guter Schulbildung.
 Gebrüder Eisinger Nachfolge. Inh. N. Kahn. Merchingen
      (Baden)."
 |         
 
  
    | Kennkarten
      aus der NS-Zeit |  
    |  |  
    | Am 23. Juli 1938 wurde
      durch den Reichsminister des Innern für bestimmte Gruppen von
      Staatsangehörigen des Deutschen Reiches die Kennkartenpflicht
      eingeführt. Die Kennkarten jüdischer Personen waren mit einem großen
      Buchstaben "J" gekennzeichnet. Wer als "jüdisch"
      galt, hatte das Reichsgesetzblatt vom 14. November 1935 ("Erste
      Verordnung zum Reichsbürgergesetz") bestimmt. Hinweis: für die nachfolgenden Kennkarten ist die Quelle: Zentralarchiv
      zur Erforschung der Geschichte der Juden in Deutschland: Bestände:
      Personenstandsregister: Archivaliensammlung Frankfurt: Abteilung IV:
      Kennkarten, Mainz 1939" http://www.uni-heidelberg.de/institute/sonst/aj/STANDREG/FFM1/117-152.htm.
      Anfragen bitte gegebenenfalls an zentralarchiv@uni-hd.de
 |  
    |  |  
    | Kennkarten
      des in Merchingen geborenen Joel Emrich
 |   |  |  
    |  | Kennkarte (Main 1939)
      für Joel (Julius) Emrich (geb. 9. Juni 1867 in Merchingen),
      Kaufmann, wohnhaft in Mainz; am 27. September 1942 deportiert ab Darmstadt in
      das Ghetto Theresienstadt,
 wo er am 18. März 1943 umgekommen ist
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 Zur Geschichte des Betsaales / der Synagoge
 
 1737 erwarben die jüdischen Familien das Haus einer nichtjüdischen Familie, das sie zu einer Synagoge umbauten. Damals gab es bereits 40 jüdische Haushaltungen am Ort mit zusammen 210 Personen. Mitte des 19. Jahrhunderts wurde das Gebäude umgebaut oder durch einen Neubau ersetzt. Akten zur Merchinger Synagoge konnten bislang nicht gefunden werden, sodass ihre Baugeschichte nicht nachgezeichnet werden kann.
 
 Einige Nachrichten von Interesse liegen aus der Zeit  Ende der 1850er-Jahre vor, als von Merchingen als Sitz des Bezirksrabbinates einige verändernde Impulse ausgingen, die das gottesdienstliche Leben in den Synagogen des Bezirks bestimmen sollten. Zunächst jedoch verhielt sich das Merchinger Rabbinat wie die meisten Landrabbinate gegenüber den in den größeren Städten durchgeführten Reformen sehr zurückhaltend. Bis zu seinem Tod im August 1857 war Zacharias Staadecker 25 Jahre lang Bezirksrabbiner in Merchingen. Er gehörte der Gruppe der strenggläubigen Rabbiner an, den ein umfassendes rabbinisches Wissen, aber keine Reformfreudigkeit auszeichnete. Darin war er sich einig mit dem im benachbarten württembergischen Berlichingen amtierenden, gleichfalls streng konservativen Rabbiner Hirsch Berlinger. Beide verband eine enge Freundschaft. Mit der Wahl des Nachfolgers von Staadecker am 27. Dezember 1857 sollte sich jedoch schnell einiges ändern. Die 17 Vorsteher des Rabbinatsbezirkes Merchingen sprachen sich einstimmig für den jungen, aus Heidelberg stammenden Rabbiner Dr. Julius Fürst aus. Diese Wahl wurde damals im ganzen Land als Sensation empfunden, da man annahm, der Merchinger Bezirk würde wiederum "einen Mann von altem Schrot und Korn" wählen. So war man nach Meinung der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" (15.3.1858) auch im Rabbinat Merchingen "zur Überzeugung gelangt, dass ein Rabbiner mehr als Talmud kennen muss, wenn er seiner hohen Aufgabe zeitgemäß entsprechen soll".
 
 Dr. Fürst sah nach seinem Dienstantritt auch sogleich einen besonderen Schwerpunkt darin, in den Gemeinden seines Bezirkes die Gottesdienste behutsam zu reformieren. Dazu gehörten die Einführung deutscher Gebete und des Gemeindegesangs sowie der "angemessene" Vortrag der Gebete. Auch die Konfirmation als gemeinsame Feier einer Jahrgangsgruppe befürwortete er in den Gemeinden. Am Wochenfest (Schawuot) Anfang Juni 1859 wurde eine solch gemeinsame Feier auch erstmals in der Merchinger Synagoge gefeiert. Die Merchinger Gemeinde machte Fürsts Reformen insgesamt gerne mit. Unterstützt wurde er auch von einem vor seinem Dienstantritt in Merchingen gegründeten jüdischen Männergesangverein. An den Schabbaten hielt er nachmittags eine deutsche Predigt, die von der Gemeinde gerne gehört wurde.
 
 Beim  Novemberpogrom 1938  wurde die Inneneinrichtung der Synagoge von auswärtigen Nationalsozialisten zerschlagen. Der jüdische Kantor Bravmann und seine Frau wurden schwer misshandelt, konnten aber bald darauf auswandern. Am 5. Februar 1940 kaufte die bürgerliche Gemeinde das Synagogengebäude für 2.400 RM, das danach als Behelfsturnhalle zweckentfremdet wurde.
 
 Nach 1945 wurde das Gebäude von alliiertem Militär beschlagnahmt und der Jüdischen Vermögensverwaltung (JRSO) übertragen. Da der Verkauf der Synagoge unter Zwang zustande kam, hatte die Gemeinde Merchingen auf Grund eines vor dem Amtsgericht Mannheim geschlossenen Vergleichs 1950 noch einmal 6.000 DM nachzuzahlen. Noch im selben Jahr wurde die ehemalige Synagoge für 4.000 DM an die katholische Kirchengemeinde Hüngheim verkauft, die hierin ihre Filialkirche in Merchingen einrichtete. Angebaut wurde ein kleiner Kirchturm mit zwei Glocken. 1951 wurde die Kirche eingeweiht. 1975 bis 1977 ist eine umfassende Erneuerung des Gebäudes vorgenommen worden. Hierbei fand man in der Dachverschalung eine Genisa mit Resten von religiösen Schriften, Schächtmessern und anderen Ritualien. Von den Funden blieb jedoch offenbar nichts erhalten.
 
 Auf Anregung der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit in Heidelberg (Initiator war Vorstandsmitglied Pfarrer Herbert Duffner) wurde am 6. November 1983 an der ehemaligen Synagoge ein Gedenkstein enthüllt, den der Osterburkener Künstler Bernhard Reißfelder geschaffen hat. Der damalige badische Landesrabbiner Dr. Nathan P. Levinson sprach von der jüdischen Seite. Wenige Wochen später wurde der Gedenkstein durch eine Bronzetafel ergänzt.
 
 
 Adresse der ehemaligen Synagoge:  
 Buchenweg 15
 
 
 Fotos
 Historische Fotos:
 
  
    | Historische Fotos sind nicht bekannt,
      Hinweise bitte an den Webmaster von "Alemannia Judaica",
      E-Mail-Adresse siehe Eingangsseite
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Fotos nach 1945/Gegenwart:
 
  
    | Foto um 1965: (Quelle:  Hundsnurscher/
      Taddey
 s. Lit. Abb. 148)
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    |  | Ehemalige Synagoge, jetzt Kirche: der Turm wurde erst Anfang der 1950er
      angebaut |  
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    | Fotos im Dezember 1983: (Fotos: Hahn)
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    |  | Aufnahme ähnlich wie oben | anderer Blickwinkel |  
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    | Innenaufnahme im Dezember 1983 (Weihnachtsbäume)
 | Blick nach Osten | Innenaufnahme |  
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    |  | Gedenktafel | Hinweistafel |  
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    | Fotos 2003: (Fotos: Hahn bzw.
      D. Bluthardt (B),
 Aufnahmedatum 2.9.2003)
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    |  | Blick vom jüdischen Friedhof
      zur ehemaligen Synagoge (B)
 | Die ehemalige Synagoge (B) |  
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    |  | Seitenansicht (von Süden) | Seitenansicht (von Norden) |  
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    |  | Gedenktafel | Hinweistafel |           
 Erinnerungsarbeit
vor Ort - einzelne Berichte
 
  
    | Dezember 2011:
      Pressebericht zur Erinnerung an die jüdische
      Gemeinde |  
    | Artikel von Walter Brecht in den
      "Fränkischen Nachrichten" vom 24. Dezember 2011: "FN-Serie
      Heimat: Ehemalige blühende jüdische Gemeinde Merchingen endete 1942 in
      Auschwitz / Anfänge im 13. Jahrhundert nicht nachzuweisen.  Juden
      und Christen lebten im Einklang...." Link
      zum Artikel.
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    |  |  
    | Mai 2012:
      In Merchingen werden "Stolpersteine" verlegt |  
    | Artikel in den "Fränkischen
      Nachrichten" vom 21. Mai 2012: "In Merchingen: 'Stolpersteine'
      für Ida und Nathan Fleischhacker verlegt / Geschichte der Familie kann
      bis 1720 zurückverfolgt werden. Große Kraft der Erinnerung in den
      Orten..." Link
      zum Artikel
 |  
    |  |      
 Links und Literatur  Links:        Quellen:    Literatur:          
	|  | Franz Hundsnurscher/Gerhard Taddey: Die jüdischen Gemeinden in Baden.
    1968. S. 198ff. |  |  | Merchingen
    1188-1988.
    Hg. Förderverein Schlossausbau e.V. Ravenstein 1988 (mit Abdruck von Karl
    Renz: Geschichte Merchingens. Adelsheim 1902), hierin Abschnitt "Die
    ehemalige Judengemeinde Merchingen" S. 209-216. |  |  | Joseph Walk (Hrsg.): Württemberg - Hohenzollern -
    Baden. Reihe: Pinkas Hakehillot. Encyclopedia of Jewish Communities from
    their foundation till after the Holocaust (hebräisch). Yad Vashem Jerusalem
    1986. S. 409-411. |  |  |  Joachim
    Hahn / Jürgen Krüger: "Hier ist nichts anderes als
    Gottes Haus...". Synagogen in Baden-Württemberg. Band 1: Geschichte
    und Architektur. Band 2: Orte und Einrichtungen. Hg. von Rüdiger Schmidt,
    Badische Landesbibliothek, Karlsruhe und Meier Schwarz, Synagogue Memorial,
    Jerusalem. Stuttgart 2007. |  |  | Rudolf Landauer, Reinhart Lochmann: Spuren jüdischen Lebens im Neckar-Odenwald-Kreis. Herausgegeben vom Landratsamt NOK, 2008, ISBN: 978-3-00-025363-8. 200 S., 284 Fotos, 19,90 Euro. |  
  
   
 Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
 First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
 Merchingen  Baden. The
first Jews settled after the Thirty Years War (1618-48) and by 1740 they
numbered 40 families. A synagogue was consecrated in 1737 and a cemetery opened
in 1768. A Jewish elementary school was in operation from the 1830s. In 1850,
the Jewish population reached a peak of 325. R. Dr. Y. Blumenstein served as one
of the two Jewish chaplains in the Franco-Prussian War of 1870-71. With
emigration and the exodus to the big cities, the Jewish population dropped to
101 in 1900 (total 967) and 39 in 1933. Under Nazi rule, 12 Jews emigrated by
1938 and six in 1939 after the synagogue was vandalized on Kristallnacht
(9-10 November 1938). Nine others left for other German cities. The last three
Jews (and three living in other cities) were deported to the Gurs concentration
camp on 22 October 1940; five perished in Auschwitz. 
 
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