Baisingen Friedhof 154.jpg (62551 Byte)  Segnende Hände der Kohanim auf einem Grabstein in Baisingen


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Bierstadt mit Erbenheim, Igstadt, Kloppenheim (alle Stadt Wiesbaden)
Jüdische Geschichte / Synagoge

Übersicht: 

Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde  
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde   
Allgemeiner Bericht zur Geschichte der jüdischen Gemeinde  
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Zur Geschichte der Synagoge   
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Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english version)  
   
In Bierstadt bestand eine jüdische Gemeinde bis 1938/42. Ihre Entstehung geht in die Zeit des 18. Jahrhunderts zurück, doch sollen bereits seit dem späten 16. Jahrhundert Juden am Ort gelebt haben. Seit 1780 sind Schutzbriefe für jüdische Familien am Ort bekannt.  
  
Im benachbarten Igstadt (Quelle: Website des Heimat- und Geschichtsvereins Igstadt e.V.) lassen sich seit dem 16. Jahrhundert jüdische Personen nachweisen (1569 und 1570 werden die Juden Abraham und Dreutle genannt, die damals ein Schutzgeld von je 12 fl. an den Landgrafen zu zahlen hatten). 1594 werden Davids Witwe und Mendel in Igstadt genannt. Nach dem Dreißigjährigen Krieg wird 1665 ein jüdische Einwohner in Igstadt genannt. Ab der Mitte des 18. Jahrhunderts sind zwei Familien am Ort nachweisbar (Familie von Heyum Samuel, geb. 1731, gest. in Igstadt 1800 und die Familie von Isaac Eleasar (geb. 1739, gest. 1804; Vorfahr der Familie Löwensberg). Bis Anfang des 19. Jahrhunderts orientierten sich die jüdischen Familien Igstadts nach Wallau, wo auch die verstorbenen jüdischen Einwohner Igstadts beigesetzt wurden (teilweise bis zum 20. Jahrhundert, so Leopold Löwensberg, gest. 1913 in Igstadt und beigesetzt im jüdischen Friedhof Wallau).    
  
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner in Bierstadt wie folgt: 1843 41 jüdische Einwohner, 1871 56 (3,6 % von insgesamt 1.553 Einwohnern), 1885 70 (3,4 % von 2.077), 1895 65 (2,6 % von 2.529), 1905 71 (1,9 % von 3.870). Zur jüdischen Gemeinde gehörten auch die in einigen umliegenden, seit 1928 alle zu Wiesbaden eingemeindeten Ort lebenden Juden: in Erbenheim (1843 17, 1905 10, 1924 37, 1932 35 jüdische Einwohner; nach dem Bericht von 1857 s.u. L. Herz aus Erbenheim wohl Vertreter der hier lebenden jüdischen Familien; 1914 nennt sich die jüdische Gemeinde "Jüdische Gemeinde Bierstadt-Erbenheim" siehe Bericht unten), in Igstadt (1843 14, um 1900 ca. fünf Familien, 1924 7, 1932 5 jüdische Einwohner) und in Kloppenheim (1843: 18 jüdische Einwohner).  

An Einrichtungen bestanden eine Synagoge (s.u.), eine Religionsschule, ein rituelles Bad und seit 1890 ein eigener Friedhof (zuvor Beisetzungen in Wiesbaden). Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war ein Lehrer angestellt, der zugleich als Vorbeter und Schochet tätig war. In besonderer Erinnerung ist der seit 1905 in Bierstadt angestellte Lehrer Jakob Rosenberg, der nach der Deportation mit Frau und Tochter in Auschwitz ermordet wurde. Die Gemeinde gehörte zum Rabbinatsbezirk Wiesbaden.   
 
Im Ersten Weltkrieg fielen aus der jüdischen Gemeinde Theodor Abraham (geb. 13.9.1880 in Bierstadt, gef. 28.9.1918), Isaak Rothschild (geb. 5.7.1896 in Alsfeld, gef. 26.9.1917) und aus Erbenheim Karl Barmann (geb. 18.4.1891 in Erbenheim, gef. 21.8.1914). Bei der Wiedereinweihung der Synagoge nach der Renovierung 1927 wurde in der Synagoge eine Gedenktafel für die Gefallenen angebracht (siehe Bericht unten). Außerdem ist gefallen: Moritz Levy (geb. 18.12.1889 in Bierstadt, vor 1914 in Stuttgart wohnhaft, gef. 5.7.1915).    
 
Um 1924, als zur Gemeinde 72 Personen gehörten (1,6 % von insgesamt 4.380; 17 Familien), waren die Vorsteher der Gemeinde Gustav Kahn, E. Brandt und L. Goldschmidt. Als Lehrer, Kantor und Schochet war seit 1905/1908 Jakob Rosenberg tätig. Er erteilte im Schuljahr 1923/24 elf Kindern den Religionsunterricht. An jüdischen Vereinen bestand der Wohltätigkeitsverein Chewra Kadischa (1924 unter Leitung von Gustav Kahn und L. Goldschmidt). 1932 waren die Gemeindevorsteher Gustav Kahn (1. Vors.), L. Goldschmidt (2. Vors.) und Hugo Rosenthal (3. Vors.). Lehrer Rosenberg hatte im Schuljahr 1931/32 noch fünf Kinder in Religion zu unterrichten. 
 
Die ehemaligen jüdischen Familien waren Anfang der 1930er-Jahre u.a. in Bierstadt: Familie Abel (Igstadter Straße), Gisbert Abraham (Tuchgeschäft in der Langgasse, heute Raiffeisenstraße), Samuel Elias Braude und Frau Henriette geb. Ackermann (Tabakwarengeschäft in der Langgasse - Raiffeisenstraße), Aron Goldschmidt und Hette geb. Ackermann (Wilhelmstraße - Limesstraße), Herr/Familie Jacobi (Tapezierer in der Hintergasse - Schwarzgasse), Gustav und Mina Kahn (Langgasse - Raiffeisenstraße 27, gemeinsam mit Familie Löwenberg Fa. Kahn - Löwenberg), Hirsch Kanter und Pauline geb. Ackermann (Geschäft für landwirtschaftliche Geräte und Öfen), Siegfried Lazarus (Viehhandlung), Arthur Levy (Metzgerei an der Ecke Schulgasse - Venatorstraße / Kirchbornstraße), Familie Mayer (wohnte ebd.), Familie Rosenthal (Schuhgeschäft in der Vordergasse - Schultheißstraße), Familie Seligmann (Geschäft für Futtermittel und Saatgut in der Rathausstraße - Poststraße), 

1933 lebten in Bierstadt noch ca. 48 jüdische Personen. In Igstadt lebten noch 13 jüdische Personen (nach den Recherchen des Heimat- und Geschichtsvereins Igstadt e.V.: Hermine Löwensberg, Witwe von Max Löwensberg [gest. 1925]; Hugo Löwensberg [gest. 1937] mit Frau Bella und den Kindern Rosa und Martha; Sophie Löwensberg; Hellmuth Löwensberg [Sohn von Sophie und Leopold, letzterer gest. 1913] mit Frau Elsa und den Kindern Edda und Leopold; ebenso die drei Mitglieder der Familie Schiffer: Josef, Martha und Herbert [bis 1936].  
  
In den folgenden Jahren ist ein Teil der jüdischen Gemeindeglieder auf Grund der zunehmenden Entrechtung und der Repressalien weggezogen beziehungsweise ausgewandert. Letzter Gemeindevorsteher war Hirsch Kanter. Beim Novemberpogrom 1938 wurde die Synagoge verwüstet. 
  
Von den in Bierstadt geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Lina Barton geb. Buxbaum (1880), Rina Brilling geb. Mayer (1909), Heinrich Forster (1930), Markus Gross (1897), Mathilde Haas geb. Ackermann (1868), Bella Kahn (1900), Joseph Kahn (1905), Bela Kanter geb. Ackermann (1871), Gusti Krotoschin geb. Rosenzweig (1905), Eugenie Kraut geb. Stark (ca. 1900), Anne Levy geb. ? (), Arthur Levy (1900), Lucy Levi (1935), Fanny Lilienfeld geb. Levy (1868), Hermina Löwensberg geb. Scheuer (1870), Julius Löwensberg (1872), Meta Löwenstein (1898), Eva Plotke geb. Horencyk (ca. 1890), Jakob Rosenberg (1876), Sophie Rosenberg geb. Kleinmann (1897), Lea Rosenberg (1922), Franziska Simons geb. Goldschmidt (1871), Lina Still geb. Turner (1898). 
Anmerkung: die Angaben von Yad Vashem sind teilweise unsicher; auf den Seiten des Bundesarchives ("Gedenkbuch...") lässt sich keine Recherche mit dem Ortsnamen "Bierstadt" durchführen. Um präzisere Angaben bittet der Webmaster ortskundige Personen: Adresse siehe Eingangsseite
     
Aus Igstadt sind umgekommen (Angaben auf Grund des Recherchen des Heimat- und Geschichtsvereins Igstadt e.V.): Bella Löwensberg geb. Strauß (1889), Hermine Löwensberg geb. Scheuer (1876), Julius Löwensberg (1875), Kätchen Löwensberg geb. Stern (1853), Herbert Schiffer (1928), Josef Schiffer (1889), Martha Schiffer geb. Fried (1894; zu Familie Schiffer vgl. Erinnerungsblatt des Aktiven Museums Spiegelgasse).       
     
     
     
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde   
    
Allgemeiner Bericht zur Geschichte der jüdischen Gemeinde 
"Zur Geschichte der Jüdischen Gemeinde Bierstadt" von dem Lehrer der jüdischen Gemeinde Jakob Rosenberg (1932)   

Bierstadt JWz Nassau 08011932.jpg (231566 Byte)Artikel in der Jüdischen Wochenzeitung für Nassau vom 8. Januar 1932: "Zur Geschichte der Jüdischen Gemeinde Bierstadt. Von Jakob Rosenberg, Bierstadt. Von der Geschichte der Juden Bierstadt ist nur wenig bekannt. Die Gemeinde teilt darin das Schicksal der benachbarten großen Gemeinde Wiesbadens. Im Jahre 1927 wurde bekanntlich das 100-jährige Bestehen der Synagoge gefeiert. Zur Zeit der Errichtung des Gotteshauses im Jahre 1827, um die Wende des 18. Jahrhunderts, muss also eine größere Anzahl von jüdischen Familien hier gewohnt haben, die in der Lage waren, zur Befriedigung ihrer religiösen Bedürfnisse ein eigenes Gebäude zu errichten. Die meisten Juden waren wohl von Wiesbaden nach Bierstadt zugezogen. Im Zivilstandsregister der Jahre 1817-1878 sind 16 verschiedene jüdische Familien genannt. Bei dreien sind ihre Herkunftsorte angegeben: Diefenzell, Medenbach und (eine ganze Familie) aus Schwabach
Es existieren noch 2 Urkunden, sogenannte Schutzbriefe, von den souveränen Herzogen von Nassau, einer aus dem Jahre 1780 und einer aus dem Jahre 1831 darüber, dass die betreffenden zwei Personen in den landesherrlichen Schutz nach Bierstadt aufgenommen wurden. Da der 2. Schutzbrief aus dem Jahre 1831 stammt, muss man annehmen, dass damals noch keine Freizügigkeit für die Juden bestand. Bei den Namen der Frauen ist meistens der Herkunftsort der Trägerinnen ausdrücklich angeführt. Sie stammten aus: Wehrheim, Kloppenheim, Weisenau, Okriftel, Saul-Schwabenheim, Schwabach, Holzappel, Fürth i.B., Sonnenberg, Straßburg, Köppern und Nordenstadt. Drei Familienoberhäupter nahmen neue Namen an, und zwar nannten sich Loef Loeser Leopold Ackermann, Josef, David Levy: Levy, Samuel Meyer: Mayer. Bei den letzten beiden ist es ganz klar, dass sie den zweiten Teil ihres Namens, also wohl den Rufnamen des Vaters, als Familiennamen annehmen.
Dass das Handwerk auch unter den Juden unserer Gegend damals schon verbreitet war, zeigt der Umstand, dass von diesen 16 Familienoberhäuptern zwei Schuhmacher und zwei Schneider waren. 
Im Jahre 1928 zählte man in Bierstadt 17 Haushaltungen, in Erbenheim, und Igstadt, deren Juden gleichfalls zur Gemeinde Bierstadt gehören, 11 Haushaltungen; im ganzen also 28 Haushaltungen. Seit 1890 hat Bierstadt einen eigenen jüdischen Friedhof.  
Zu Bierstadt gehörten, solange vorhandene Aufzeichnungen zurückreichen, schon immer außer den oben genannten Gemeinden Igstadt und Erbenheim noch die Gemeinde Kloppenheim. Über sie wissen wir etwas Näheres. Es wohnten dort um 1800 8 Familien. Vier waren zugezogen aus Springen, Sonnenberg, Hettenheim und Rüdesheim. Einer, Jakob Landau, wurde in der Synagoge Bierstadt getraut. Ein anderer, Hirsch Meyer, 1812 oder 1813 in Kloppenheim geboren, nahm im Jahre 1841 den Namen Kahn an. 
Dasselbe Verhältnis wie in Bierstadt war auch in Kloppenheim in Bezug auf das Handwerk vorhanden. Von den 8 jüdischen Familien waren zwei Handwerber (Schuhmacher). - Heute wohnen keine Juden in Kloppenheim mehr, wogegen die Niederlassungen in Erbenheim und Igstadt, wo um die Wende des 18. Jahrhunderts je 1-2 jüdische Familien saßen, sich erheblich vergrößert haben."  

  
Gemeindebeschreibung (1936!)   

Artikel im "Gemeindeblatt der Israelitischen Gemeinde Frankfurt" vom Juni 1936 S. 359:  "Wiesbaden-Bierstadt, 
ziemlich alte Judensiedlung, heute nur noch wenige Familien. In dem schon erwähnten Gedichtband des Heimatdichters C. C. Wendel ist eine noch im Volksmunde lebendige Sage vom Bierstadter Judenhause des Selig festgehalten, der nach langem Zögern mitten im Winter seinen guten Ofen einreißt, weil ihn das Bild des Gekreuzigten daran beunruhigt, und der unter dem Schutt des Ofens einen Goldschatz findet..."       

 
    
Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer   
Zum Tod des Lehrers Josef Stern (1917, fast 50 Jahre Lehrer und Vorbeter in Bierstadt)   

Bierstadt Israelit 09021917.jpg (107681 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 9. Februar 1917: "Wiesbaden. Jüngst verschied hier im Alter von 75 Jahren Josef Stern, der beinahe ein halbes Jahrhundert als Lehrer und Vorbeter in Bierstadt wirkte. Lehrer Stern war ein echter Jehudi, dessen ganzes Leben von ungekünstelter Frömmigkeit begleitet war, der seinem Berufe nur Ehre machte. Und wie er die Religion lehrte, liebte er auch besonders alle jene, in denen er die Verkörperung der Tora erblickte, die Bné Tora (Toragelehrte). Ebenso gut jüdisch war auch sein Gmilluß Chassodim (seine Wohltätigkeit). Er scheute keine Mühe und keine Zeit, wenn es galt, irgend jemand eine Gefälligkeit zu erweisen, irgend jemand aus der Not zu befreien. Vom gleichen harmonischen Geist war sein häusliches Familienleben durchdrungen, voll Gottvertrauen, Bescheidenheit und Zufriedenheit. Nie hörte man Klagen über seine Lippen kommen, 'Gott wird schon helfen', war sein Wahlspruch. Von seiner großen Beliebtheit legte die letzte Ehrung beredtes Zeugnis ab. Rabbiner Dr. Kahn widmete ihm von Herzen kommende und zu Herzen gehende Worte des Gedenkens und des Abschieds. Für den Nassauischen Lehrerverein hielt Oberkantor Nußbaum einen tief empfundenen Nachruf." 

      
Über den Lehrer Jakob S. Rosenberg (geb. 1876 - gest. Ende 1942 oder wenig später in Auschwitz)  

Der langjährige Lehrer Jakob S. Rosenberg war nach Angaben bei Paul Arnsberg Bd. I S. 74 als "aktiver zionistischer Propagandist" tätig und als solcher auch in Frankfurt am Main und in Wiesbaden bekannt. Bereits 1907 war er Nationalfonds-Kommissar der Zionistischen Organisation. Nach der Darstellung in "1075 Jahre Bierstadt" und dem "Erinnerungsblatt Rosenberg" des "Aktiven Museums Spiegelgasse" ist Jakob Rosenberg 1876 in Wiesnitz in der Bukowina geboren. Er kam nach seiner Ausbildung am jüdischen Lehrerseminar in Köln als Kantor und Lehrer 1905 nach Bierstadt (Anstellung als Religionslehrer 1908) und wohnte nach der Heirat mit Sophie geb. Rosenberg (ca. 1918) und den Kindern Mischael (Mischa, Mischon, geb. 1919, gest. 1986 in Jerusalem) und Lea (geb. 1922) in der Wiesbadener Straße 12 (heute Patrickstraße). Mischa konnte April 1939 nach Palästina emigrieren, wo er später als Lehrer und Beamter im Sozialministerium tätig war. 
Jakob und Sophie Rosenberg wurden in das Ghetto Theresienstadt deportiert und wurden später wie auch die Schwester Lea in Auschwitz ermordet.  



Aus dem jüdischen Gemeindeleben 
Der Vorsteher Levi wird seines Amtes enthoben (1857)
Hintergrund des Berichtes und des beschriebenen Vorfalles sind die damaligen Spannungen zwischen dem Wiesbadener Rabbiner, der Reformen im gottesdienstlichen Leben wie die Einführung einer Konfirmation nach evangelischem Vorbild durchsetzen wollte. Dabei stieß er auf den entschiedenen Widerstand konservativ-orthodoxer Kreise, insbesondere in den Dörfern seines Bezirkes. 

Bierstadt Jeschurun 071857.jpg (265247 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Jeschurun" im Juli 1857: "Bierstadt, im Herzogtum Nassau, 17. Juni (1857). Gestern wurde der hiesige israelitische Vorsteher Levi vor das herzogliche Verwaltungsamt nach Wiesbaden beschieden und hierselbst auf eine erhobene Anklage des Rabbiners Süßkind wegen Störung des Gottesdienstes seines Dienstes enthoben und mit einer Geldbuße von 5 Gulden belegt. Rabbiner Süßkind begab sich nämlich am Samstag den 6. Juni nach Bierstadt, um die israelitische Schuljugend zu konfirmieren. In der Synagoge erklärte der Vorsteher, der Herr Rabbiner solle eine Prüfung der Jugend nach Beendigung des Gottesdienst vornehmen, da die Eltern ihre Kinder nicht konfirmiert haben wollten, worauf Herr Süßkind erwiderte: ÄAn diesem Platze habe ich zu gebieten; jetzt wird dieser Akt vorgenommen und am Schlusse gebetet.' Auf dieses verließ der Vorsteher Levi die Synagoge. Dem Vernehmen nach wird derselbe gegen das Straferkenntnis rekurrieren. Dass übrigens Vorsteher Levi nicht nach eigenem Willen die Konfirmation vornehmen zu lassen verweigerte, erhellt aus nachstehendem Protokoll, welches die Eltern der Kinder 14 Tage früher bei ihm unterzeichneten und wovon Herr Süßkind Mitteilung hatte. Es lautet wörtlich: 'Es erschien Daniel Abraham von hier und L. Herz von Erbenheim und erklärten: Wir wollen unsere Kinder nach der neuen Methode des Herrn Dr. Süßkind nicht konfirmieren lassen, vielmehr nach dem Ministerialgesetz ad Nro. 24,721 vom 9. August 1854, wo es heißt, dass ein Zwang der Konfirmation nicht stattfinden soll, behandelt sein. Wir haben nun Folge geleistet und unseren Kindern den Konfirmationsunterricht erteilen lassen, werden aber eine Konfirmation nicht zugeben'. (Mitt. Z.)
Wir geben vorläufig diesen Vorfall wie er in der oben angeführten Zeitung berichtet wird. Wann endlich werden unsere Brüder, namentlich in den Landgemeinden, aus ihrer Erschlaffung erwachen, in welche sie eine in Israel unerhörte Gestaltung der Dinge eingeschüchtert! Wann werden sie sich zusammen erheben und sich das unveräußerliche Recht der Gewissensfreiheit aus den Händen einer Geistlichkeit zurückerobern, die in gänzlicher Verkennung ihrer Befugnisse selbst in die geheiligtsten Elternrechte der sittlichen und religiösen Erziehung ihrer Kinder mit so empörender Rücksichtslosigkeit eingreifen? Nach welchem Rechte steht dem Rabbiner die Ausübung eines solchen Zwanges zu? Nach dem hier eigentlich in letzter Instanz entscheidenden jüdisch-religiösen Rechte sicherlich nicht. Aber auch die Regierungen und Behörden, in deren Namen und mit deren Beihilfe man solchen Gewissensdruck auszuüben wagt, sind sicherlich nicht über den wahren Sachverhalt gehörig aufgeklärt, sonst würden sie nimmer ein solches Gebaren geschehen lassen. 
Man erzählt, nach beendigtem Aktus habe sogar der Konfirmator die Kinder gegen den Willen der Eltern zum Schwören aufgefordert. Die Eltern hätten ihnen mit nachdrücklichem Ernste die Eidesleistung untersagt. Gleichwohl habe man den Eid von ihnen gefordert und ihnen die Eidesformeln vorgesagt. Die Kinder währen dem Elterngehorsam treu geblieben und hätten den Eid versagt. Sie verstummten und währen nicht zum sündhaften 'Ja' zu bewegen gewesen. 
Welchen Erfolg erwarten die Herren von einer solchen angeblich religiösen Weihe der Kinder? Wir erwarten den allerheilsamsten. Wir erwarten, dass solche Vorgänge den tiefsten Eindruck auf das Gemüt der Kinder machen und sie mit einem unvertilgbaren Abscheu gegen eine Richtung erfüllen werden, die den sittlichen Wert ihrer Bestrebungen durch solche Ausschreitungen selbst einem Kindesgemüte fassbar zum Bewusstsein bringt."   

  
Spendenaufrufe für ein jüdisches Gemeindeglied in Igstadt (1903) 
Anmerkung: nach Auskunft des Heimat- und Geschichtsvereins (HGV) Igstadt (vom 11.3.2014) handelt es sich um die ostjüdische (aus dem Gebiet der Ukraine stammende) Familie von Moses Münz und seiner Frau Klara geb. Birnbaum. Die Familie war mit fünf in der Ukraine geborenen Kindern nach Igstadt gekommen, drei weitere Kinder sind in Igstadt geboren (zum Zeitpunkt der Anzeige war das jüngste Kind noch nicht geboren). Der Heimat- und Geschichtsverein Igstadt steht in Kontakt mit Nachkommen der Familie.     

Igstadt FrfIsrFambl 18121903.jpg (113959 Byte)Anzeige im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 18. Dezember 1903: "Bitte. Ein Familienvater hiesiger Gemeinde, israelitischer Religion, mit 7 noch unerzogenen Kindern - das älteste Kind 12 Jahre, das jüngste 7 Monate alt - ist durch überaus harte Schicksalsschläge in große Not geraten. Die Frau ist am 3. September dieses Jahres plötzlich irrsinnig geworden und musste in einer Heilanstalt untergebracht werden. Die Unterhaltungskosten (pro Tag 2,50 Mark) liegen dem völlig vermögenslosen Manne ob, der ein kleines Milchgeschäft betreibt, das auch unter gewöhnlichen Verhältnissen die zahlreiche Familie nur sehr dürftig erhalten konnte. Durch das Gehlen der in so überaus trauriger Weise der Familie entrissenen Hausfrau und Mutter sind dem hart betroffenen Vater noch weitere bedeutende Unkosten entstanden, die er auch unter den größten Entbehrungen unmöglich erschwingen kann. An Stelle der Hausfrau mussten fremde Hilfskräfte eingestellt werden (pro Monat 31 Mark). Das jüngste 7 Monate alte Kind wurde anderweitig untergebracht (pro Monat 20 Mark). Der Mann befindet sich in der allerschwersten Notlage und wendet sich deshalb durch den Unterzeichneten um Hilfe an seine Glaubensgenossen. 
Ich bin Bereit, für den braven und fleißigen Mann Gaben in Empfang zu nehmen und in diesem Familienblatte darüber zu quittieren. 
Igstadt
bei Wiesbaden, 4. Dezember 1903. Petry, Pfarrer." 
  
Igstadt Israelit 21121903.jpg (105304 Byte)Dieselbe Bitte erschien in der Zeitschrift "Der Israelit" am 21. Dezember 1903.
  
Die eingegangenen Spenden wurden in der Zeitschrift "Der Israelit" quittiert, hier die abschließende Quittung vom 24. März 1904: "Quittung. Seit der letzten Quittung vom 14. Januar dieses Jahres über die Gaben für den hiesigen bedrängten, israelitischen Familienvater gingen noch folgende Spenden ein: Sammlung durch Lehrer Sulzbacher in Biebrich am Rhein 24 M., N.N. in Stuttgart -25, Sim. Herrmann in München 10 M., Julius W. Gans in Göttingen 3.05 M., B. Jacoby in Sayn 5 M., N.N. durch V. Metzger in Wiesbaden 2 M., Sigm. Löb in Mannheim 4 M., H. Herzog in Osthofen am Rhein 3 M.  
Bei der Geschäftsstelle direkt gingen ein: M.L. in T. 5 M., J. Strauß in Mergentheim 2 M., N.N. in Mühlen am Neckar 3 M., S. und M. Hamburger in Dinkelsbühl 5 M., J. Cohn in Berlin 10 M., Adolf Rosenblatt in Regensburg 50 M., N.N. in Mainz 5 M., Em. Adler in Burgpreppach 3 M., N.N. in Burgpreppach 2 M., A.C. in Frankfurt a.M. 3 M., Frau Marx in Mainz 5 M., H.R. in W. 3 M., ungenannt in Weinheim 5 M., N.N. in B. 2 M., D.St. in Frankfurt am Main 1 M., J. Lilienstein in Usingen 1 M. 50 Pf., Frau A. Schweig in Bretzenheim (Nahe) 3 M., Jacob Bernheimer in Ichenhausen 2 M., S.J. in Kirtorf 5 M., Israelitischer Frauenverein in Ottensoos 3 M., ungenannt 1 M, J.M.B. in Brieg 3 M. Eug. Fribourg in Metz 3 M. 
Ich schließe hiermit die Sammlung für diesen Zweck mit dem innigsten Dank für die reichlich geflossenen Spenden. 
Gott vergelte allen Gebern, was sie an der armen Familie zur Linderung ihrer großen Not getan haben und schenke dem dankerfüllten Familienvater die Freude, dass die Mutter seiner Kinder bald wieder gesund in ihre Haushaltung zurückkehren kann.
Igstadt, 20. März 1904. Petry, Pfarrer."       

      
Spendenaufrufe für ein jüdisches Gemeindeglied in Bierstadt (1904)  

Bierstadt FrfIsrFambl 25111904.jpg (170738 Byte)Anzeige im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 25. November 1904: "Herzliche Bitte! Ein israelitischer Bürger unserer Gemeinde ist durch Schicksale in Sorge und Not gekommen. Nach harter und entbehrungsreicher Jugend hatte er sich später ein kleines Geschäft gründen können, das ihm seinen Unterhalt bot. In zweiter Ehe verheiratet hatte er zuletzt viel zu tragen, sein Frau war während 5 Jahre schwer leidend und hat mehrere schwere Operationen durchmachen müssen, bis sie zuletzt gelähmt war und dann vor kurzem starb. 
Nun steht der alternde Mann (60 Jahre) allein, zurückgekommen in seiner Kraft, in seiner Gesundheit, in seinem Haushalt und seinem Geschäft. Wie er in der letzten Zeit eine Pflegerin haben musste, so muss er nun auch mit fremden Leuten hausen. Durch Sorge, Pflegeleistung und Entbehrung ist er seelisch und körperlich ganz gedrückt, seinem Geschäfte konnte er nicht recht abwarten und seinen Verpflichtungen nicht nachkommen. So hat sich, auch durch Krankenkosten, eine drückende Schuld gebildet. Er hat zwar ein eigenes Häuschen, aber es ist über die Hälfte mit Hypothek belastet. Der Mann hat einen guten Ruf in der Gemeinde und ist es wert, dass ihm geholfen werde.  
Wir glauben nur diese einfachen Tatsachen seinen Glaubensgenossen mitteilen zu brauchen, um ihre Herzen und Hände für ihren notleidenden und vor einer trüben Zukunft stehenden Bruder aufzutun. Es kann noch wieder gut werden. Aber dazu muss dem Manne Mut gemacht, ihm die Last erleichtert und für die nächste Zeit etwas unter die Arme gegriffen werden, sonst bricht er zusammen. 
Die Unterzeichneten sind gern bereit, Gaben für ihn (sein Name ist der Redaktion mitgeteilt) in Empfang zu nehmen, und werden darüber öffentlich quittieren. Auch die Redaktion ist zur Annahme und Übermittelung von Gaben bereit. 
Bierstadt bei Wiesbaden, im November 1904. Konsistorialrat Jäger, Dr. Pfaunmüller."   
   
Bierstadt Israelit 28111904.jpg (163853 Byte)Dieselbe Anzeige wie oben in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 28. November 1904. 

  
Engagement der Gemeinde im Ersten Weltkrieg (1914)  

Bierstadt Frf IsrFambl 18091914.jpg (15527 Byte)Meldung im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 18. September 1914: "Bierstadt. Die jüdische Gemeinde Bierstadt-Erbenheim schickte 11 Mann ins Feld und spendete 100 Mark fürs Rote Kreuz."

  
   
Berichte zu einzelnen Personen aus der Gemeinde 
     
Zum Tod des langjährigen Vorstehers der Gemeinde Moses Levy I (1916)   

Bierstadt FrfIsrFambl 22091916.jpg (174898 Byte)Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 22. September 1916: "Bierstadt. Am 15. Elul (= 13. September 1916) verstarb hier der langjährige Vorsteher der hiesigen jüdischen Gemeinde, Moses Levy I im 78. Lebensjahre. 
Mit ihm ist wieder einer von uns gegangen, der sein ganzes Leben nach Tora und Mizwaus (Geboten) einrichtete, einer von denen, die, namentlich auf dem Lande, immer seltener werden. Sein Familienleben war mustergültig harmonisch, und in echt jüdischem Geiste erzogen er und seine ihm im Tode vorangegangene Gattin ihre Kinder. Wer das Glück hatte, ihn in seinem Familienkreise die Sabbate und Festtage feiern zu sehen, der empfang mit von der Weihe, die über diesen ausgebreitet war, gemäß dem Satze 'Wekorosso loschabboß Auneg.'  
Die Mizwos Tefillah bezibbur (Gebote zum öffentlichen Gebet, d.h. Besuch der Synagoge) ging ihm über alles, und nichts konnte ihn davon zurückhalten, diese Mizwoh nach Möglichkeit auszuüben. 
Und wie in der Familie alles von harmonischer Eintracht beseelt war, so war sein Amt als Vorsteher der Gemeinde uneigennützig, nur auf das Wohl der Gemeinde gedacht und Emeß we Scholaum (Wahrhaftigkeit und Frieden) waren die guten Engel, die ihn stets dabei leiteten. In den 20 Jahren seiner Vorstandschaft war Wahrheit und Gerechtigkeit allen gegenüber sein Grundsatz, von dem er niemals abwich. Er verstand es aber, als ein echter Ahronsschüler die strenge Gerechtigkeit versöhnlich und versöhnend anzuwenden, dass niemand sich dabei verletzt fühlen konnte und alle gerne sich seiner selbstlosen Führung anvertrauten. 
So war denn die Trauer bei seinem Hinscheiden eine allgemein echte, was bei der Lewajoh (Beerdigung) zum Ausdruck kam. Von nah und fern eilten sie herbei, Verwandte, Bekannte und Verehrer, um so ihre Verehrung für den Verstorbenen zu bekunden. Die beiden Rabbiner schilderten in meisterhafter Weise seine Persönlichkeit als Jude und Mensch, als Familienoberhaupt und Gemeindevorsteher. Mögen die Hinterbliebenen, die sein Leben in seinem Geiste fortzusetzen gewillt sind, in der allgemeinen Teilnahme Trost finden, und möge sein Wirken für Familie und Gemeinde ihm beistehen. Rg."  

  
   
Anzeigen jüdischer Gewerbebetriebe und Privatpersonen      
Anzeige von Abraham Levy (1903)   

Bierstadt FrfIsrFambl 24071903.jpg (31558 Byte)Anzeige im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 24. Juli 1903: 
"Für meinen Sohn, 24 Jahre alt, Metzger, 
suche Stellung
bei einem Viehhändler. 
Abraham Levy, Bierstadt bei Wiesbaden."   

    
Anzeige von Leopold Löwensberg in Igstadt (1904)      

Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 14. April 1904: "Tüchtiges Mädchen 
für den Haushalt gegen hohen Lohn per sofort gesucht. 
Leopold Löwensberg, Igstadt, Bezirk Wiesbaden".     

           
 Verlobungsanzeige für Luise Sperber und Lehrer S.J. Rosenberg (1916) 

Bierstadt FrfIsrFambl 11101916.jpg (31313 Byte)Anzeige im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 11. Oktober 1916: 
"Statt Karten!  Luise Sperber - Lehrer S. J. Rosenberg. Verlobte.  
Wiesbaden - Bierstadt (Kreis Wiesbaden)."   

   
Lehrlingssuche des Getreide- und Futtermittelgeschäftes Kahn & Löwensberg (1921)  

Bierstadt Israelit 26051921.jpg (49972 Byte)Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 26. Mai 1921: 
"Wir suchen für unser Getreide und Futtermittelgeschäft 
einen Lehrling
. Samstags geschlossen. Kost und Logis im Hause. 
Kahn & Löwensberg, Bierstadt bei Wiesbaden."
    

     
Anzeige der Geflügelhandlung Hitzel (1929)     

Anzeige in der "Jüdischen Wochenzeitung für Wiesbaden und Umgebung" vom 8. März 1929: 
"Empfehle: Ia fette Enten, Gänse, Hühner, junge Hahnen, Kapaunen zu billigen Tagespreisen. 
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Donnerstag und Freitag
auf dem Wiesbadener Markt, Stand I."      

 
Verlobungsanzeige von Hedwig Kahn und Leo Kanter (1930)
  

Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 24. April 1930: 
"Statt Karten    Hedwig Kahn   Leo Kanter. Verlobte. 
Wiesbaden  -  Bierstadt. April 1930 - Nisan 5690."    

      
      
      
Zur Geschichte der Synagoge     
          
     
Zunächst war vermutlich ein Betraum in einem der jüdischen Häuser vorhanden. 1825/27 wurde eine Synagoge erbaut. Der Bereich für die Männer hatte 48, der Bereich der Frauen auf der Empore 25 Plätze. 1927 konnte das hundertjährige Bestehen des Synagoge gefeiert werden:  
    
Feier zum 100jährigen Bestehen der Synagoge (1927)  

Bierstadt Israelit 21071927.jpg (246499 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 21. Juli 1927: "Bierstadt- Wiesbaden, 11. Juli (1927). Die Gemeinde Bierstadt bei Wiesbaden kann auf ein 100jähriges Bestehen ihres Gotteshauses zurückblicken. Aus diesem Anlass wurde das Gotteshaus unter großen Opfern seitens auswärtiger Gönner, ehemaliger Bierstädter sowie der hiesigen Mitglieder zu einem seinem Range entsprechenden Raume hergerichtet. Auch die Frauen der Gemeinde trugen zur Verschönerung des Gotteshauses durch Stiftung eines Porauches (Toraschreinvorhang) bei. Am Samstag, den 9. Juli, wurde die Wiedereinweihung feierlich begangen. Schon am Freitagabend wurden die Torarollen feierlich unter den Klängen des Mahtouwo an ihre alte, heilige Stätte gebracht. Am Sabbat fand ein Festgottesdienst statt, bei welchem der Bezirksrabbiner, Herr Dr. Lazarus, Wiesbaden, die Festrede hielt. 
Am Sonntag, den 10. Juli, fand dann die Hauptfeier statt. Verbunden mit der Feier war die Enthüllung einer Gedenktafel für die im Krieg Gefallenen unserer Gemeinde. Der Vorsteher, Herr G. Kahn, begrüßte die Erschienenen, gedachte in bewegten Worten all derer, die in diesen 100 Jahren das Schifflein der Gemeinde steuerten sowie der Gefallenen und flehte Gottes Segen auf die Gemeinde herab. In einer groß angelegten Rede schilderte Herr Bezirksrabbiner Dr. Lazarus die Opferfreudigkeit und den Zukunftsglauben derjenigen, die vor 100 Jahren das Gotteshaus errichtet haben, sowie aller derer, die in diesen 100 Jahren in diesem Gotteshaus in Freud und Leid ihre Gebete gen Himmel richteten. Der Herr Landrat überbrachte die herzlichen Grüße der Behörden und ihre Anteilnahme an dieser Doppelfeier. Der Herr Bürgermeister Irrgang sprach für die politische Gemeinde und betonte ausdrücklich, dass er nicht etwa aus herkömmlicher Sitte bei solchen Gelegenheiten hier das Wort ergreife, sondern, dass es ihm ein Bedürfnis sei, das gute Verhältnis zwischen der jüdischen und nichtjüdischen Bevölkerung hier hervorzuheben. Dasselbe betonte auch der frühere Bürgermeister, Herr Hofmann, der rühmend erwähnte, dass die jüdischen Einwohner Bierstadts stets an erster Stelle standen, wo es galt, Opfer für die Gemeinde zu bringen. Der evangelische Pfarrer überbrachte freundschaftliche Grüße seiner Gemeinde. Herr Justizrat Marxheimer beglückwünschte unsere Gemeinde im Namen der Hauptgemeinde Wiesbaden. Herzliche Worte sprach der Rabbiner der altisraelitischen Kultusgemeinde Wiesbadens, Herr Dr. Ansbacher und erwähnte das stets gute Einvernehmen zwischen der Jubelgemeinde und der Gemeinde, die er vertritt. Die Vorsteher der Religionsgesellschaft Wiesbaden sowie der benachbarten Gemeinden Biebrich und Wallau überbrachten Grüße und Glückwünsche. 
Zum Schlusse sprach der Lehrer der Gemeinde, Herr S. J. Rosenberg. Gesänge, vom Wiesbadener Chor unter Leitung des Herrn Lehrer Hees, umrahmten die erhebende Feier, die auf alle einen ersichtlichen Eindruck machte."    
 
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und Waldeck" vom 15. Juli 1927:
Ähnlicher Bericht wie in der Zeitschrift "Der Israelit" siehe oben; bei Interesse zum Lesen bitte Textabbildungen anklicken.         
Bierstadt JuedWZKassel 15071927a.jpg (171373 Byte)

Beim Novemberpogrom 1938 wurde die Synagoge (nach Berichten bereits am Abend des 8. November) geschändet und völlig verwüstet. Auf Grund der engen Bebauung wurde kein Feuer gelegt. Nach 1945 stand das Gebäude noch einige Jahre und wurde als Lagerraum genutzt. Zum Bau eines Geschäftshauses mit Garagen wurde das Gebäude 1971 abgebrochen.
 
An der linken Seite des Hauses Poststraße 7 erinnert seit 1980 eine Gedenktafel an die ehemalige Synagoge mit dem Text: "Hier stand seit 1827 die Synagoge der israelitischen Kultusgemeinde Bierstadt. Sie wurde durch politische Verblendung und verbrecherische Gewalttat am 9. November 1938 geschändet und als Gotteshaus unbrauchbar gemacht. Den Lebenden zur Mahnung - zukünftigen Generationen als Verpflichtung."
  
  
Adresse/Standort der Synagoge      Poststraße 5/Ecke Kirchbornstraße (früher Rathausstraße/Ecke Kirchgasse)  
  
  
Fotos
(Quelle: Aktives Museum Spiegelgasse; neue Fotos: Hahn, Aufnahmedatum 10.8.2008)  

Die Synagoge 
in Bierstadt
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   Die Synagoge an der 
früheren Rathausstraße
Blick zum 
Toraschrein  
        
Synagogengrundstück im Sommer 2008      
Bierstadt Synagoge 173.jpg (71365 Byte) Bierstadt Synagoge 172.jpg (76479 Byte) Bierstadt Synagoge 170.jpg (95152 Byte)
Auf dem Grundstück der ehemaligen
 Synagoge wurden neue Häuser erstellt
Gedenktafel mit Darstellung der Synagoge in Inschrift: "Hier stand seit 1827 die 
Synagoge der israelitischen Kultusgemeinde Bierstadt. Sie wurde durch politische
 Verblendung und verbrecherische Gewalttat am 9. November 1938 geschändet und 
als Gebetshaus unbrauchbar gemacht. Den Lebenden zur Mahnung -
 zukünftigen Generationen als Verpflichtung!"
 
 

    
      
Links und Literatur

Links:

Website der Stadt Wiesbaden hat Seiten zum Stadtteil Bierstadt   
Website des Heimatvereins Bierstadt e.V. u.a. mit Seite zum Heimatmuseum Bierstadt       
Website des Heimat- und Geschichtsvereins Igstadt e.V.   mit Seiten zu den jüdischen Familien in Igstadt    
Aktives Museum Spiegelgasse für Deutsch-Jüdische Geschichte in Wiesbaden e.V. 
Webportal HS 010.jpg (66495 Byte)Webportal "Vor dem Holocaust" - Fotos zum jüdischen Alltagsleben in Hessen mit Fotos zur jüdischen Geschichte in Bierstadt, Dotzheim usw. 

Literatur:  

Paul Arnsberg: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang - Untergang - Neubeginn. 1971. Bd. I S. 73-74.
bei Thea Altaras: Synagogen in Hessen. Was geschah seit 1945? 1988 und dies.: Das jüdische Rituelle Tauchbad und: Synagogen in Hessen. Was geschah seit 1945 Teil II. 1994. Keine Artikel, da Synagoge nach 1945 nicht mehr bestand.
Studienkreis Deutscher Widerstand (Hg.): Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der Verfolgung 1933-1945. Hessen I Regierungsbezirk Darmstadt. 1995 S. 348-361 passim.
Pinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany Volume III: Hesse -  Hesse-Nassau - Frankfurt. Hg. von Yad Vashem 1992 (hebräisch) S. 397-398.
Barbara Yurtöven: Leben und Leiden der Juden aus Bierstadt. In: 1075 Jahre Bierstadt.   Als pdf-Datei einsehbar 
Erinnerungsblatt an die Familie Rosenberg, hg. vom "Aktiven Museum Spiegelgasse":  Als pdf-Datei einsehbar
Heimat- und Geschichtsverein Igstadt e.V. (Hrsg.) Igstadter Geschichte(n). Chronik 1. Thorsten-Reiß-Verlag Wiesbaden 2008. 2009². 

    
     


 

Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the Holocaust". 
First published in 2001 by NEW YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad Vashem Jerusalem, Israel.

Bierstadt  Hesse-Nassau. Established in 1827, the community had members in three neighboring villages; it numbered 72 (2 % of the total) in 1925 and 48 in 1932. Jews who remained after Kristallnacht (9-10 November 1938), when the synagogue was vandalized, probably died in the Holocaust.  
   
    

                   
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Stand: 23. April 2016