Baisingen Friedhof 154.jpg (62551 Byte)  Segnende Hände der Kohanim auf einem Grabstein in Baisingen


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Ebersbach an der Fils (Kreis Göppingen)
 Jüdische Geschichte 
  

Übersicht:  

bulletZur jüdischen Geschichte in Ebersbach 
bulletBerichte zur jüdischen Geschichte in Ebersbach   
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bulletLinks und Literatur   

   

Zur jüdischen Geschichte in Ebersbach           
     
In Ebersbach an der Fils gab es zu keiner Zeit eine jüdische Gemeinde. Im 19./20. Jahrhundert gab es wenige jüdische Personen, die zeitweise in Ebersbach lebten. Bei den Volkszählungen zwischen 1806 und 1933 wurden nur 1875 / 1880 / 1885 und 1910 jeweils eine Person jüdischen Glaubens in Ebersbach festgestellt. Nach 1874 war August Nathan aus Laupheim am Ort, Teilhaber der Zementfabrik.
  
Bei August Nathan handelt es sich sehr wahrscheinlich um Isac August Nathan, der am 4. April 1853 in Laupheim als Sohn von Samuel Nathan (1807-1890) und der Regine geb. Hirschfeld (1817-1890) (Familienregister Laupheim: http://www.landesarchiv-bw.de/plink/?f=1-445959-131) geboren ist. Familie Samuel Nathan lebte seit 1869 in Ulm (Familienregister Ulm: http://www.landesarchiv-bw.de/plink/?f=1-446811-126).  August Nathan war seit 1890 (in Nürnberg) verheiratet mit Pauline geb. Neu (geb. 1868 Wilhermsdorf) und lebte später mit ihr (nach der Zeit in Ebersbach) - als Fabrikant, dann Privatier - in Bad Cannstatt, wo beide gestorben sind (August Nathan am 9. September 1925, Pauline Nathan am 15. Juli 1924; Familienregister Cannstatt: http://www.landesarchiv-bw.de/plink/?f=1-439989-47) und im jüdischen Teil des Steigfriedhofes Bad Cannstatt begraben sind.  
Zur Geschichte der Zementfabrik in Ebersbach siehe Seite https://www.ebersbach.de/zementherstellung.html.  
 
Zwischen dem 1. Oktober 1926 und dem 9. August 1929 war die Familie Julius Cronheim in der Martinstraße 60 in Ebersbach wohnhaft. Cronheim war Direktor der Schwäbischen Textilwerke AG, Baumwollspinnereien und -webereien. Zur Geschichte siehe https://www.industriekultur-filstal.de/orte/ebersbach-an-der-fils/martin-und-soehne-schwaebische-textilwerke.html. 1929 verzog die Familie nach Ettlingen, wo Julius Cronheim Direktor der Gesellschaft für Spinnerei & Weberei in Ettlingen wurde. Julius und seine Frau Gertrud Cronheim wurden nach der Deportation 1940 (zunächst nach Gurs, 1942 Rivesaltes, dann über Drancy nach Auschwitz) im Vernichtungslager Auschwitz ermordet.    

Dokumente zu Familie Cronheim (Quelle: Familienregister der Stadt Ebersbach) 

Julius Cronheim ist am 15. Februar 1882 in Sadke (polnisch Sadki) in der Provinz Posen geboren als Sohn des Kaufmanns (in Nakel an der Netze) Louis Cronheim und der Rosalie (Rosa) geb. Lesser. Er heiratete am 9. September 1920 in Breslau Betti Katharine Gertrud geb. Kretschmer. Sie ist am 17. Januar 1897 in Essen geboren als Tochter des Zahnarztes (in Breslau) Gustav Kretschmer und der Selma geb. Scheinmann. Die beiden hatten zwei Kinder: Ruth (geb. 9. Juli 1921 in Mönchen-Gladbach, gest. 1938) und Ludwig Wolfgang (geb. 11. Februar 1923 in Mönchen-Gladbach). Am 1. Oktober 1926 ist die Familie aus Mönchen-Gladbach nach Ebersbach gezogen und am 9. August 1929 nach Ettlingen verzogen. Ab 1933 wohnte die Familie in Karlsruhe. Nach den Ereignissen am Novemberpogrom 1938 wurde Julius Cronheim mehrere Wochen im KZ Dachau festgehalten.

Ausführlich zur Familie im Gedenkbuch der Karlsruhe Juden:   http://gedenkbuch.informedia.de/index.php/PID/12/name/567/suche/C.html  (zu Familie Cronheim, siehe Fotos von Julius und Gertrud Cronheim rechts)
Im Gedenkbuch Neckarzimmern (für die nach Gurs Deportierten):
http://mahnmal-neckarzimmern.de/gedenkbuch/cronheim.138 (für Gertrud Cronheim) und
http://mahnmal-neckarzimmern.de/gedenkbuch/cronheim.139 (für Julius Cronheim) 

  
In der NS-Zeit war das Ebersbacher Pfarrhaus Büchenbronner Straße 34 für mehrere jüdische Personen ein zeitweiser Zufluchtsort. Pfarrer Hermann Diem und seine Frau Anneliese sowie die Vikarin Ilse Härter gingen das große Risiko ein, diese Menschen vor Verhaftung und Deportation zu bewahren. Unter den versteckten Personen war die schließlich in die USA geflüchtete Anita Will geb. Schröder, die in ihren 2014 in den USA erschienenen Lebenserinnerungen von ihrem Aufenthalt 1943 im Ebersbacher Pfarrhaus berichtete. Drei Monate vor ihr waren die aus Eschwege stammenden Franziska Neumann und ihre beiden Söhne Ludwig und Wolfgang im Pfarrhaus versteckt. Ihr Aufenthalt wurde verraten: im April 1943 wurden sie von der Gestapo verhaftet und im Juni 1943 von Stuttgart aus in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert und ermordet. 
   
   
Von den in Ebersbach zeitweise wohnhaften beziehungsweise in der Zeit des Zweiten Weltkrieges in Ebersbach im Pfarrhaus versteckten Personen sind in der NS-Zeit umgekommen (Angaben nach den Listen von Yad Vashem, Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945"): Gertrud Cronheim geb. Kretschmer (1897), Julius Cronheim (1882), Franziska (Fränze) Neumann geb. Müller (geb. 1909 in Themar), Ludwig (Lutz) Neumann (geb. 1934 in Gießen), Wolfgang Neumann (geb. 1936 in Gießen). Für die Mitglieder der Familie Neumann wurden 2018 "Stolpersteine" verlegt (siehe Pressebericht unten).    
    
    
    
Berichte aus der jüdischen Geschichte in Ebersbach           

November 2018: Für die jüdische Familie Franziska, Ludwig und Wolfgang Neumann wurden in Ebersbach "Stolpersteine" verlegt   
Links: Ludwig, Franziska und Wolfgang Neumann. Foto aus der Pressemitteilung der Stadt vom 31. Oktober 2018: "Pressemitteilung der Stadt Ebersbach an der Fils:
Drei Stolpersteine für Ebersbach an der Fils
. Seit 1992 fertigt der Künstler Gunter Demnig so genannte 'Stolpersteine'. Sie erinnern an Mitbürger, die während des NS-Terrors ermordet wurden. Unter dem Aspekt der Hilfeleistung für Verfolgte ist dieses Thema in Ebersbach an der Fils durch die Pfarrhauskettevertreten, in der sich das Pfarrerehepaar Diem und die Vikarin Ilse Härter mutig engagierten. Wie viele Menschen im Ebersbacher Pfarrhaus versteckt gelebt hatten ist unbekannt, bislang sind zwei Beispiele bekannt. In ihren 2014 in den USA erschienenen Lebenserinnerungen 'Passing. Growing up in Hitler’s Germany' erzählt Anita Witt, wie sie vorübergehend im Pfarrhaus lebte, bevor man einen ständigen Aufenthaltbei einer Ebersbacher Familie arrangierte. Die jüdische Herkunft ihrer Mutter war ihr 'lebensgefährliches Geheimnis'. Nach umfangreichen Recherchen kann nun auch das Schicksal einer dreiköpfigen Familie genauer geschildert werden, die knapp ein Viertel Jahr vor Anita Witt für einige Wochen im Ebersbacher Pfarrhausversteckt gelebt hatte. Franziska Neumann und ihrer Söhne Ludwig und Wolfgang gehören leider zu denjenigen, deren Versteck verraten wurde. Die Gestapo verhaftete Sie Ende März/Anfang April 1943 im Ebersbacher Pfarrhaus. Am 17. Juni 1943 wurden sie von Stuttgart aus ins KZ Auschwitz deportiert, wo sie den gewaltsamen Tod fanden. Vor dem Pfarrhaus werden nun drei Stolpersteine für die versteckt gelebte Familie verlegt.Die drei Stolpersteine werden von Gunther Demnig am 14. November 2018 ab 14 Uhr Uhr in der Büchenbronner Straße 34 vor dem evangelischen Pfarrhaus verlegt. Die Feier wird musikalisch durch das Duo Köster und Reil begleitet. Lesungen und andere Kurzbeiträge sind geplant. Zur Steineverlegung werden auch zwei lebende Verwandte der Familie Neumannaus Dänemark erwartet. Im Anschluss besteht für die Gäste dieMöglichkeit bei Kaffee und Tee in den Seminarräumen der VHS im Kirchberg (Stadtbibliothek) mit Gunter Demnig zu sprechen.Am Abend vor der Stolpersteinverlegung findet am Dienstag 13. November2018 eine Informationsveranstaltung im Evangelischen Gemeindesaal der Veitskirche statt. Beginn ist um 19 Uhr Uhr. Helga Wittler-Morgen und Uwe Geiger erzählen die Geschichte der jüdischen Familie Neumann, die als 'Bombenflüchtlinge' getarnt, einige Wochen in Ebersbach lebte." . 
 
Artikel von Margit Haas im "Teckboten" vom 17. November 2018: "Zwischen Neckar und Alb. Versteckt, verraten, deportiert, ermordet
Stolperstein Franziska Neumann und ihre Söhne Wolfgang und Ludwig wurden Opfer des Nazi-Terrors.

Ebersbach. Arne und Poul Müller hatten Glück: Ihr Vater konnte vor Ausbruch der Zweiten Weltkrieges nach Dänemark fliehen. Ihre Tante Franziska Neumann und ihre Cousins Ludwig und Wolfgang dagegen wurden Opfer des NS-Terrors. Als kürzlich in Ebersbach 'Stolpersteine' in der Büchenbronner Straße 34 für sie verlegt wurden, waren sie eigens dafür aus Dänemark angereist. Uwe Geiger referierte am Dienstagabend im Gemeindesaal der Veitskirche über den tragischen Lebensweg von Franziska, Ludwig und Wolfgang Neumann. 'Mithilfe der Pfarrhauskette versteckt, gelebt, verraten, verhaftet, deportiert, 1943 ermordet in Auschwitz', so hatte der Stadtarchivar seinen Vortrag überschrieben. Franziska, Ludwig und Wolfgang Neumann lebten etwa drei Wochen in Ebersbach. Dem Ehemann und Vater Erich war es gelungen, mit einem falschen Visum nach England auszureisen. Franziska sollte folgen, zog mit den Kindern nach Berlin, 'hoffte, in der Großstadt als Jüdin nicht aufzufallen'. Als sie 1943 den Stellungsbefehl zur Deportation erhielt, konnte sie dank der Pfarrer der Bekennenden Kirche fliehen. 'Mehr als 40 Pfarrhäuser und deren Vertraute bildeten die württembergische Pfarrhauskette. Über eine Zwischenstation in einem Pfarrhaus kamen sie und ihre beiden Söhne wohl Anfang April 1943 in Ebersbach an' - getarnt als Bombenflüchtlinge. Bürgermeister Gustav Seebich, der eingeweiht war, wollte den Aufenthalt legalisieren, um die Gefahr für Flüchtlinge und Helfer abzuwenden. Aber die Familie wird denunziert und 'vom örtlichen Gendarmeriemeister Hans Strohm in Begleitung eines weiteren Polizisten im Pfarrhaus in der Büchenbronner Straße 34 verhaftet'. Sie werden nach Auschwitz deportiert und ermordet.
Im Anschluss an den Vortrag referierte Helga Wittler-Morgen von der Evangelischen Erwachsenenbildung über den Antijudaismus der Kirche. Er begann bereits im Mittelalter, fand in Martin Luther einen lautstarken Vertreter und mündete letztendlich in einer Kirche, die der Massenvernichtung nicht widersprach. Anders der Ebersbacher Pfarrer Hermann Diem. Er gehörte zu einer ganzen Reihe von Pfarrern, die jüdische Familien versteckten und so dem Zugriff der Nazi-Schergen entzogen. Helga Wittler-Morgen hob aber auch hervor, dass die Evangelische Landeskirche bereits 1988 die 'Erklärung zur Verbundenheit von Christen und Juden' verabschiedet habe und es gerade evangelische Geistliche sind, die den jüdisch-christlichen Dialog pflegen.
Info Auf www.ebersbach.de/stolpersteine  findet sich der komplette Aufsatz von Uwe Geiger. "
Link zum Artikel    
Vgl. Artikel von Harald Beck in der "Stuttgarter Zeitung" vom 14. November 2018: "Stolpersteine in Ebersbach. Versteckt, verraten, deportiert und ermordet..."
Link zum Artikel  

      
     
 
Fotos  

 Die vor dem Pfarrhaus Büchenbronner Str. 34
verlegten "Stolpersteine"
  (Foto: Stadt Ebersbach)
   
     

    

     
Links und Literatur   

Links:  

bulletWebsite der Stadt Ebersbach an der Fils  mit einer Seite über die "Stolpersteine" in Ebersbach    

Literatur:  

bulletRainer Brüning: Nur ein Augenblick, Jüdische Passanträge aus der NS-Zeit im Generallandesarchiv Karlsruhe. In: Staatsanzeiger - Momente 1/2009. S. 10-12.

 
   

                   
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Stand: 15. Oktober 2013