Baisingen Friedhof 154.jpg (62551 Byte)  Segnende Hände der Kohanim auf einem Grabstein in Baisingen


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Fulda (Kreisstadt)
Texte/Berichte zur jüdischen Geschichte der Stadt 
Seite 2: Berichte aus dem jüdischen Gemeinde- und Vereinsleben

Die nachstehend wiedergegebenen Texte mit Beiträgen zur jüdischen Geschichte in Fulda wurden in jüdischen Periodika gefunden. 
Bei Gelegenheit werden weitere Texte eingestellt. Neueste Einstellung am 18.11.2014.  
  
Hinweis: einige Artikel konnten noch nicht abgeschrieben werden, bei Interesse zum Lesen Textabbildungen anklicken.  
   
 
  
Übersicht:  

Berichte aus dem jüdischen Gemeinde- und Vereinsleben (in chronologischer Reihenfolge)    
Erinnerung an den Judenpogrom im Dezember 1255 (innerhalb eines Betrages von 1892)  
-  Reisebericht über die jüdische Gemeinde Fulda (1852)   
-  Testamentarische Verfügung des verstorbenen bischöflichen Generalvikars Freiherr von Kempff zugunsten der jüdischen Gemeinde (1853)  
-  Verschiedene Mitteilungen, darunter Empfehlung des talmudgelehrten Lehrers Philipp Stern (1859)   
-  Gedenkreden zur Erinnerung an die Oberrabbiner Lüpschütz und Oettinger (1860)  
Über die antisemitischen Angriffe in der Presse der Ultramontanen (1875)    
-  Konflikt zwischen der jüdischen Gemeinde und den Metzgern der Stadt (1880)   
-  Ein Hirtenbrief des neuen Bischofs ruft zur Achtung vor Andersgläubigen auf (1882)   
-  Über die Institutionen der Israelitischen Gemeinde in Fulda (1891)   
-  Aus der Arbeit des Talmudvereins (1901)    
-  Ein neues jüdisches Hotel wurde eröffnet (1903)  
-  Einweihung einer Tora-Rolle (in Hünfeld) und weitere Ereignisse im Gemeindeleben (1904)    
-  Abendunterhaltung des Jungfrauen-Vereins zugunsten der russischen Juden (1906)   
-  Eine Ortsgruppe des Vereins der Sabbat-Freunde soll gegründet werden (1906)   
-  Eine Ortsgruppe des Vereins der Sabbat-Freunde wird gegründet (1906) 
-  Erste Mitgliederversammlung der zionistischen Ortsgruppe (1907)   
-  Vortrag in der zionistischen Ortsgruppe (1908)   
-  Chanukkafeier der zionistischen Ortsgruppe (1908)  
-  Über die Arbeit des "Fortbildungsheimes jüdischer junger Kaufleute" (1911)   
-  Neue Aktivitäten der Aguda-Gruppen (1921)  
-  Generalversammlung des Vereins "Jeschurun" (1922)   
-  Bezirkstag der Agudas-Jisroel - Jugendgruppen in Alsfeld (1922)  
-  Bericht über die jüdische Abteilung im Kreissiechenhaus in Fulda (1926)  
V
ersammlung der Agudas Jisroel (1927) 
B
ezirkstagung der hessischen Agudas-Jisroel-Jugendgruppen (1927)  
-  Koscherküche im Landeskrankenhaus (1927)   
-  Über die hebräischen Handschriften der Landesbibliothek in Fulda (1928) 
Esraführertagung in Fulda (1928)    
-  Vortrag von Rabbiner Dr. Merzbach aus Darmstadt (1929)   
-  Bezirksversammlung der Agudas Jisroel (1929)  
Jahresversammlung des "Jeschurun" in Fulda (1930)  
Vortragsabend der Agudas Jisroel mit Lehrer Oppenheim aus Rhina (1930)  
-  5 Jahre jüdische Abteilung im Kreissiechenhaus (1930)  
-  Ein jüdisches Altersheim soll eröffnet werden (1931)   
-  Über das Misrachi-Lehrgut Gehringshof bei Hattenhof (1927 noch in Rodges / 1932)  
Jüdische Viehhändler werden schikaniert (1934)    
-  Provinzialrabbiner Dr. Leo Cahn empfiehlt Sabbatöfen (1935)  
-  Der jüdische Viehhandel wird "restlos ausgeschaltet" (1936)  
-  Bitte des Jüdischen Lehrgutes Gehringshof (1936)  
-  Bericht von Provinzialrabbiner Dr. Leo Cahn über seine Palästinareise (1937)  
-  Kinderspeisung in der jüdischen Gemeinde (1938)  

  
  
Berichte aus dem jüdischen Gemeinde- und Vereinsleben (in chronologischer Reihenfolge)    
  
Erinnerung an den Judenpogrom im Dezember 1255 (innerhalb eines Beitrages von 1892)
        

Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 29. Juli 1892: "In Fulda wurden im Dezember 1255 fünf junge Söhne eines Müllers außerhalb der Stadt erschlagen. Obgleich man keine Spur von den Mördern gehabt, hatte man sich doch nicht entblödet, die Juden zu verdächtigen, um das lügenhafte Gerückt zu verbreiten, dieselben hätten den Kindern das Blut abgezapft und es in Säcken gesammelt für das Pessachfest aufbewahrt. Die frommen Kreuzzügler beeilten sich sofort, zur 'Ehre Gottes' einen edlen Akt der Rache auszuüben. Am 28. Dezember überfielen sie die Gemeinde von Fulda und töteten vierunddreißig Männer und Frauen. Es wären bei dieser Gelegenheit noch viel mehr Märtyrer gefallen, wenn nicht der Magistrat von Fulda sich der Juden in echt humaner Weise angenommen hätte. Als die Juden beim Kaiser Friedrich II. sich darüber beschwerten, während ihre Gegner sie bei ihm wegen Meuchelmord anklagten, sagte dieser zu Letzteren: 'Wenn die Kindlein gestorben sind, so lasset sie begraben', ein schlagender Beweis, dass der einsichtsvolle Fürst gar bald von der Schuldlosigkeit der Juden, wie von der Bosheit und Ruchlosigkeit ihrer Ankläger überzeugt war. Um jedoch den Sturm, der sich in Folge dessen gegen ihn, den Kaiser nämlich, erhob, unterdrücken zu können, sah er sich veranlasst, eine Untersuchungskommission von gelehrten Männern einzusetzen, die die Frage: ob die Juden tatsächlich Christenblut am Pessachfeste zu rituellen Zwecken benötigen, beantworten sollen. Die Entscheidung fiel selbstverständlich zu Gunsten der Juden aus."        


Reisebericht über die jüdische Gemeinde Fulda (1852)   

Fulda AZJ 08111852.jpg (80128 Byte)Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 8. November 1852: "Der Postwagen führte mich durch Fulda, die Bischofstadt - wie sie Heinrich König in seinem neuesten Buche nennt. Dass die hiesige Israelitengemeinde mit zu den ältesten gehört; dass sie im Mittelalter große Verfolgungen auszustehen hatte - es wurden damals 600 auf einmal erschlagen - die auch in späterer Zeit sich noch wiederholten; dass sie mitunter sehr berühmte Rabbinen besaß, ist männiglich bekannt. Der gegenwärtige Provinzialrabbiner Herr Dr. Rosenberg, ein in der jüdischen Literatur sehr bewanderter Mann, von streng religiösem und rechtlichem Charakter, hat, wie schon in diesen Blättern gemeldet, die hiesige Stelle aufgegeben, um eine weit bessere in der niederländischen Provinzialhauptstadt Groningen anzutreten. Unter drei zur Abhaltung von Probepredigten Aufgeforderten soll er am meisten gefallen haben. - Möge der hiesige Rabbinatssitz nicht lange verwaist bleiben! Möge die Gemeinde in ihrem künftigen Seelsorger einen klugen und energischen Mann finden, der mit umsichtigen Händen den mitunter sehr steinigen Weinberg des Herrn zu bestellen versteht. L-n."     

   
Testamentarische Verfügung des verstorbenen bischöflichen Generalvikars Freiherr von Kempff zugunsten der jüdischen Gemeinde (1853)  
Anmerkung: dazu wird über die Gründung des 'Israelitischen Frauen-Kranken-Unterstützungsverein' berichtet sowie über die Arbeit des Provinzialvorsteheramtes in der 1853 rabbinerlosen Zeit. Dazu wird die damalige politische Stimmung in Kurhessen als den Israeliten gegenüber wenig freundlich beschriebem    

Fulda AZJ 17051853.jpg (180282 Byte)Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 17. Mai 1853: "Fulda, 6. Mai (1853). In einer Zeit, wie die gegenwärtige, wo man überall die Juden zurückzusetzen beginnt, wo man die alten verrosteten Waffen der Intoleranz und des Hasses gegen sie auf's Neue wieder hervorsucht: ist es doppelt erfreulich, Züge wahrer Menschenliebe und Humanität berichten zu können. Ich ersuche Sie deshalb folgende Mitteilung in Ihr geschätztes Blatt aufnehmen zu wollen.   
Dieser Tage starb dahier im hohen Alter der Domdechant und bischöfliche Generalvikar Freiherr von Kempff. Er verfügte über seinen Nachlass, welcher zwar nicht bedeutend war, indem er sein ganzes Einkommen während seiner Lebens zu milden Zwecken verwendete, folgendermaßen: 3/10 desselben sollte die katholische Stadtpfarreigemeinde, ebenso viel die katholische Dompfarreigemeinde, 2/10 die evangelische und eine gleich große Summe die jüdische Gemeinde für ihre Armen erhalten. So stellte er de jüdische Gemeinde den übrigen nach Verhältnis der Größe ganz gleich. Der Verblichene trug die Bruderliebe nicht auf der Zunge, sondern im Herzen; dabei war er im Leben so anspruchslos und bescheiden, dass er sich in derselben letztwilligen Verfügung alles Gepränge bei seinem Leichenzuge, sowie die Abhaltung einer Leichenrede verbat. Gesegnet sei sein Andenken! Friede seiner Asche!
Toleranz und Freisinnigkeit zeichneten übrigens den hiesigen Klerus zu jeder Zeit aus. So war es auch einer der hochgestelltesten Geistlichen hiesiger Stadt, der als Testamentsvollstrecker in eigener Person den erwähnten Betrag an den an der Spitze der jüdischen Verwaltung stehenden Mann überbrachte und die Gelegenheit benutzte, zugleich seine innigste Freude und höchste Befriedigung über die Handlungsweise des Verewigten auszudrücken. Ich erinnere ferner noch an die Adresse zum Zwecke der Gleichstellung aller Konfessionen, die seinerzeit ebenfalls von einem sehr hochgestellten Geistlichen im Auftrage des Volksrates verfasst wurde, und die ich damals diesen Blättern als ein Denkmal der Brüderlichkeit und Humanität zur Veröffentlichung mitteilte. (Anmerkung: man vergleiche Nr. 27 vom 26. Juni 1848). 
Der verflossene Winter hat in der hiesigen jüdischen Gemeinde eine herrliche Blüte zur Reife gebracht, die ihre Düfte über gar manches Krankenlager ausbreiten und ihre Wohlgerüche in die Wohnungen der Armut senden wird. Es hat sich nämlich unter den hiesigen Frauen ein Verein gebildet unter der Benennung: 'Israelitischer Frauen-Kranken-Unterstützungsverein', der, wie schon der Name besagt, kranke Mitglieder durch wöchentlich zu verabreichende Geldbeträge, deren    
Fulda AZJ 17051853a.jpg (230521 Byte)Größe nach den Verhältnissen des Hilfsbedürftigen zu bemessen ist, unterstützen will. Jedes Mitglied zahlt einen monatlichen Beitrag von 5 Sgr. Später Hinzutretende haben noch ein Einkaufsgeld zu entrichten, dessen Höhe der zeitige Vorstand zu bestimmen hat. Erst nachdem der Verein ein Jahr bestanden, sollen die statutenmäßigen Unterstützungen verabreicht werden, damit derselbe Gelegenheit habe sich zuvor einen eisernen Fonds bilden zu können. Geschenke und Vermächtnisse zum Besten der Anstalt werden zu jeder Zeit dankbar entgegen genommen. Alle 5 Jahre findet eine Revision der Statuten statt. Der Vorstand ist auf 3 Jahre gewählt und steht gegenwärtig die auch in weiten Kreisen bekannte und sehr geachtete Frau Jacobson als Präsidentin an dessen Spitze, ihr zur Seite vier andere, sehr würdige Frauen. Möge dieses Institut in allen Gemeinden Israels Nachahmung finden!  
Die hiesige Gemeinde steht jetzt ziemlich verwaist da: ihr fehlt der Rabbiner, der Vorsänger und der Schächter. Es wäre zum Heil und Frommen der Gemeinde, namentlich der jüngeren Gesellschaft, sehr zu wünschen, dass de beiden erstgenannten Stellen recht bald mit religiösen aber auch zeitgemäß gebildeten Männern besetzt würden. Hier bietet sich ein großes Feld der Tätigkeit und des Verdienstes für einen Rabbiner dar.  
Im Laufe dieser Woche ist das hiesige Provinzialvorsteheramt um zwei Mitglieder - junge, hoffentlich auch tatkräftige Männer - de Herren S. Hesdörffer und D. Jüdell vermehrt worden. Dasselbe besteht nunmehr aus 5 Personen: dem Präsidenten desselben, Herrn S. Epstein - der zu allen Zeiten - vor und nach 1848 - sowohl von seinen jüdischen als christlichen Mitbürgern mit Ehrenämtern betraut wurde -, den Herren S. Oppenheimer, S. Trepp und den Erstgenannten. - Diese Behörde hat gegenwärtige eine Aufgabe von großer Tragweite zu lösen: die Wiederbesetzung der Provinzial-Rabbinerstelle, so wie sie überhaupt zu jederzeit den größten und wohltätigsten Einfluss auf alle Gemeinde-, Synagogen- und Schulverhältnisse der Provinz ausüben kann. Das Gesetz hat das Vorsteheramt mit genügender Machtvollkommenheit hierzu ausgerüstet.  
- Der politische Himmel zeigt sich gegenwärtig den Israeliten Kurhessens ebenso, wie anderswo, sehr getrübt und umwölkt. Ob wohl die Sonne die Wolken bald wieder verscheuchen und freundlich und beruhigend auf uns herabblicken wird? - Durch die erfolgte Suspension des hiesigen Landtagsdeputierten Herrn Dr. Weinzierl haben wir vielleicht einen Verteidiger unserer Rechte weniger in der Ständekammer; denn derselbe beabsichtigte, dem Vernehmen nach, allen etwa beantragt werdenden Ausnahmegesetzen gegen die Juden sich widersetzen zu wollen. Dieser Deputierte war es auch, der in der aufgelösten Ständeversammlung sich der jüdischen Lehrer kräftig annahm, als es sich darum handelte, ob dieselben an einer von der Staatsregierung zur Aufbesserung der Gehalte der Volksschullehrer verwilligten Summe von - wenn ich nicht irre - 58.000 Taler partizipieren sollen. Leider blieb sein humanes Bemühen erfolglos. Man ging von dem Grundsatze aus: die jüdischen Lehrer seien keine Volksschullehrer, und so erhielten sie - nichts. Gott besser's! L-n."        

  
Verschiedene Mitteilungen, darunter Empfehlung des talmudgelehrten Lehrers Philipp Stern (1859)   

Fulda AZJ 20061859c.jpg (141818 Byte)Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 20. Juni 1859: "Unter den in Fulda in Garnison befindlichen Soldaten befinden sich auch ungefähr 40 Israeliten, welche n Fulda sämtlich von Privaten koscher verköstigt werden. Ein nicht unbedeutendes Opfer, welches die Fuldaer Israeliten hierdurch bringen. Überhaupt ist in dieser Gemeinde, die viele sehr ehrenwerte Mitglieder zählt, noch viel religiöser Fond und ein sehr reger Wohltätigkeitssinn. In Verbindung mit dem talmudgelehrten und auch sonst sehr gebildeten Herrn Philipp Stern wirkt der Provinzialrabbiner Dr. Enoch auch eifrig für die Vorbereitung talmudischer Studien und haben diese beiden gelehrten Männer eine ganze Schar wissbegieriger Knaben und Jünglinge um sich versammelt, welchen sie in hebräischen Fächern gründlichen Unterricht erteilen. Herr Philipp Stern widmet mit bewundernswerter Aufopferung täglich 6-8 Stunden dieser Wirksamkeit, was umso anerkennenswerter ist, als dieser Unterricht von beiden Herren gratis erteilt wird, obgleich Herr Stern selbst pekuniär nicht glänzend gestellt ist Unwillkürlich drängte sich mir der Gedanke auf, welch ein Gewinn es für unser Lehrerseminar in Kassel wäre, wenn für das hebräische Fach für dasselbe ein Mann von dem Wissen und Lehreifer des Herrn Stern an die Stelle des unlängst verstorbenen Lehrers Lasson gewonnen werden könnte. Es würde sicher dazu beitragen, demselben einen neuen Aufschwung zu geben und die Gemeinden würden eine solche Erwerbung für das Seminar nur freudig begrüßen.  B.H."   

   
Gedenkreden zur Erinnerung an die Oberrabbiner Lüpschütz und Oettinger (1860)  
Anmerkung: es geht beim Erstgenannten Oberrabbiner um Israel Lipschitz (1782-1860, vgl. englischer Wikipedia-Artikel "Israel Lipschitz"

Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 19. Dezember 1860: "Fulda, im Dezember (1860). Die alte, schöne Sitte der Trauerrede um bedeutende Dahingeschiedene, die ja nicht nur ihrem Kreise, sondern der ganzen Judenheit angehört haben, wird immer seltener, und doch ist Nichts so sehr imstande, die Liebe zum Torastudium, zu aufopferungsvollem Wirken und zur religiösen Pflichterfüllung so sehr zu erwecken, wie de gerechte Würdigung dieser hohen Eigenschaften an Verstorbenen. Davon uns zu überzeugen, gab uns der am 3. dieses Monats von Herrn Provinzial-Rabbiner Dr. Enoch bei vollem Gotteshause abgehaltene Trauerrede um zwei Große (unserer) Generation, die seligen Oberrabbiner Lüpschütz und Oettinger, Gelegenheit. Der beredte Herr Rabbiner gab uns in ergreifender Sprache ein Lebensbild jener Männer, das einen nachhaltigen Einfluss auf das Gemüt seiner zahlreichen Hörer haben wird. (Auch in der Synagoge der israelitischen Religionsgesellschaft zu Mainz wird der Herausgeber dieses Blattes am kommenden 10. Tewet, nachmittag 3 Uhr, eine Trauerrede halten, und zwar um die Obengenannten und die anderen Großen Israels, deren Dahinscheiden bereits in dieser Zeitung erwähnt ist."     

   
Über die antisemitischen Angriffe in der Presse der Ultramontanen (1875)      

Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 7. September 1875: "Fulda, im August (1875). Das Rottenfeuer, welches die Presse der Ultramontanen gegen die Juden seit langer Zeit eröffnet hat und unterhält, hebt, wenn es an dem einen Orte verpufft ist, an einem anderen Orte wieder an. Nachdem in Würzburg alles Pulver verschossen ist, begann in Fulda der Angriff. Das Schlachtmanöver ist übrigens überall dasselbe. Es unterscheidet sich von der Fechtweise der protestantischen Schwarezn wesebtlich. Dies liebäugeln mit den sogenannten orthodoxen Juden und eifern gegen die, welche sie Reformjuden zu nennen belieben. Die Ultramontanen machen diesen Unterschied nicht. Sie rechnen auf das unwissende Volk. Sie erklären alle Juden für solche, welche jeden Buchstaben des Talmuds für göttlich ansehen, und nun häufen sie auf den Talmud die schamlosesten Schmähungen, sagen ihm die schändlichsten Lehren und Vorschriften nach und suchen so Judentum und Juden dem Volke aufs Tiefste verhasst zu machen. Hierzu hat ihnen der berüchtigte durchgegangene Prof. Rohling aus Münster (vgl. Wikipedia-Artikel "August Rohling") mit seinem 'Talmudjude' das Schiboleth ausgegeben und den Stoff geliefert. So oft dieser Schrift auch die Verdrehung und Fälschung von      
Fulda AZJ 07091875a.jpg (190011 Byte)  Talmudstellen, und dass die meisten seiner Zitate im Talmud garnicht existieren, nachgewiesen worden; hat man an dem einen Orte diese absichtlichen Fälscher zum Schweigen gebracht, erheben sie dieselbe kreischende Stimme an einem anderen. Dennoch dürfen wir nicht ermüden, ihnen immer von Neuem entgegenzutreten. Es versteht sich, dass dies an diesem Orte selbst geschehen muss, um das Gift an der Stelle zu neutralisieren, wo und wohin es ausgespritzt worden. Hier, in diesem Blatte, soll nur ein Referat gegeben werden, damit dem allgemeinen Publikum, sowie der Nachwelt der Zusammenhang gezeigt und ein charakteristisches Bild unserer Zeit gegeben wird. Die 'Fuldaer Zeitung' nahm die rohe Äußerung eines jüdischen Burschen, von der es jedoch sehr fraglich ist, ob sie wirklich von einem solchen getan worden, zum Vorwand, um die sämtlichen Juden mit den schwärzesten Farben zu malen. sie knüpfte hieran den Vorgang in Neu-Sandec (heute das südpolnische Nowy Sącz), wo der berüchtigte Halberstamm einen Juden in den Bann getan, wofür er jedoch vom dortigen Gerichte zu sechswöchentlichem Gefängnis verurteilt worden, um dem Judentume die furchtbarste Aktion zu insinuieren. War der erste Angriff unbeantwortet geblieben, so konnte man auf den zweiten nicht schweigen, und der hiesige Rabbiner Dr. Enoch tat dies der wirksamsten Weise, indem er dem priesterlichen Redakteur der Fuldaer Zeitung nachwies, dass seine Absicht nur sei, Hass und Zwietracht zwischen den Konfessionen auszusäen und einer Religion und einem Stamme Verachtung zu bezeugen, denen der Stifter des Christentums die größte Verehrung gezollt. Die allgemeine Billigung, welche diese Antwort fand, stachelte den Redakteur der 'Fuldaer Zeitung' umso mehr auf, sich seiner ganzen Wut zu entladen. Aus der Rüstkammer des gedachten Rohling holte er sich die alten Beschuldigungen des Talmuds, zeigte die heilige Schrift, Hass gegen Feinde zu lehren, und verbrämte dies mit Stellen von Fichte und Kant. Auch hierauf blieb ihm Dr. Enoch die Replik nicht schuldig. Er erklärte: 
'Sämtliche von der Fuldaer Zeitung unter Angabe der betreffenden Folien gebrachten Stellen aus dem Talmud, kommen in demselben gar nicht vor, sind demnach unwahr'.  
Ferner erklärt sich der Rabbiner gern bereit, die betreffenden Originalien einem jeden Sachkenner zur Einsicht vorzulegen; endlich sei er von einem Anzahl Gemeindemitglieder ermächtigt, für jede Nachweisung eines der 7 angegebenen Talmudzitate, falls solche, was er aufs Bestimmteste bestreite, als wahr befunden würden, zum Besten der hiesigen Armen die Summe von je 'hundert' Mark zu ersprechen.    
Bis jetzt ist der Versucht nicht gemacht worden, dieser Erklärung entgegen zu treten und den Beweis zu liefern, der den Armen ein so bedeutendes Benefiz gebracht hätte. Wir glauben, dass die Fuldaer Zeitung zwar nicht gebessert, aber doch zum Stillschweigen gebracht worden ist."   

 
Konflikt zwischen der jüdischen Gemeinde und den Metzgern der Stadt (1880) 
vgl. hierzu unten den Artikel über die Institutionen der Israelitischen Gemeinde in Fulda von 1891     

Fulda AZJ 10081880.jpg (156554 Byte)Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 10. August 1880: "Fulda, im Juli (1880). In hiesiger Stadt findet ein Konflikt zwischen der jüdischen Gemeinde und den Metzgern statt, der von der (ultramontanen) 'Fuldaer Volkszeitung' folgendermaßen geschildert wird: 'Seither ließen eine Anzahl Metzger, welche von der israelitischen Gemeinde dazu bestimmt waren, wöchentlich eine gewisse Anzahl Vieh schächten und verkauften von diesem geschächteten Fleisch an die Juden. Soweit das Fleisch nicht an Juden abgesetzt werden konnte, wurde es an Christen verkauft. Dieses geschächtete Fleisch ließen dann die einzelnen jüdischen Familien in ihren Häusern durch den Schächter porschen d.h. sämtliche Blutadern aus demselben entfernen. Dieses Verfahren beliebte aber aus pekuniären Rücksichten nicht mehr den Juden, und so wurde denn am 22. Juni dieses Jahres für die hiesigen Metzger durch Zirkularbefehl des israelitischen Gemeindevorstandes bestimmt, dass von jetzt ab das koschere Fleisch vor dem Verkaufe im ganzen Viertel durch den Schächter Fleischhacker geporscht werden müsse. Dieses Schriftstück enthält gleichzeitig die Mitteilung, dass jeder, der sich dieser Anordnung nicht füge, von der Berechtigung zum Schächten ausgeschlossen sei. Fürwahr eine nette Zumutung an unsere Metzger. Also der Schächter porscht ein oder das andere Viertel, d.h. zerschneidet und zerreißt es für die jüdische Gemeinde, um sämtliche Blutadern auszuschneiden, und der Metzger sieht zu, wie viel von dem so traktierten und malträtierten Stück von den Juden gekauft werde. Um diesen jüdischen Ansprüchen entgegen zu treten, beziehungsweise um das christliche Publikum vor solch' unappetitlich zugerichteten Fleisch zu schützen, vereinigten sich hiesige Metzger in dem Entschlusse, das Schächten lieber einzustellen, als auf solche Zumutung einzugehen. Zugleich wurde vertragsmäßig eine Konventionalstrafe von 500 Mark festgesetzt, wenn einer einseitig das Schächten unter gegebenen Verhältnissen wieder aufnehmen würde.'"       

  
Ein Hirtenbrief des neuen Bischofs ruft zur Achtung vor Andersgläubigen auf (1882)   

Fulda Israelit 04011882.jpg (121427 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 4. Januar 1882: "Fulda, 29. Dezember (1882). Der neue Bischof von Fulda, Dr. jur. Georg Kopp (vgl. Wikipedia-Artikel "Georg von Kopp"), hat zwei Hirtenbriefe erlassen, einen in lateinischer Sprache an den Klerus, den anderen in deutscher Sprache an die Diözesanen. Der letzte ist heute zur Mitteilung gekommen und wird am kommenden Sonntag von der Kanzel verlesen werden. Der an die Diözesanen bezüglich ihres Verhaltens zu den Andersgläubigen gerichtete Passus lautet wie folgt: 'Wir leben hier, mit solchen zusammen, die nicht unseres Glaubens, aber doch mit uns Kinder eines Landes, Glieder eines Volkes sind. Erbauet dieselben durch euren Lebenswandel: lasset sie stets und in allen Beziehungen eure Pflichttreue, eure Aufrichtigkeit und Redlichkeit sehen, damit sie um dessentwillen euch achten und euren Glauben ehren. Beweiset ihnen auch, wo ihr könnt, eure Nächstenliebe und zeigt dadurch, dass ihr treue und wahre Kinder jener Kirche seid, die so reich an Liebe ist....  Sie (die Kirche) gebietet uns Liebe und Achtung gegen unsere Mitmenschen und diesem Gebote wollen wir getreulich Folge leisten. Es ist wahr, es fällt oft manches harte und verletzende Wort gegen uns und unseren Glauben; allein wir wollen es nicht zurückgeben, wir wollen von Herzen vergeben und uns bemühen so weit es an uns liegt, mit Allen in Liebe und Eintracht durch das Leben zu gehen.'"  

    
Über die Institutionen der Israelitischen Gemeinde in Fulda (1891)  
Anmerkung: in dem Artikel werden die von Rabbiner Dr. Cahn geschaffenen beziehungsweise geprägten Einrichtungen der Gemeinde im Blick auf das Schächtwesen (Kaschrut, Schechita), die Mikwe, den Erub (Eruv, vgl. Wikipedia-Artikel "Eruv") und das Schreiben der Heiligen Schriften (Sofrut) als beispielhaft beschrieben.    

Fulda Israelit 01061891.jpg (304848 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 1. Juni 1891: "Die Institutionen der Israelitischen Gemeinde Fulda.  
Die Errichtung und Instandhaltung jüdischer Gemeindeinstitutionen, die in jeder Hinsicht den Ansprüchen des Religionsgesetzes und dem praktischen Bedürfnis entsprechen, war zu jeder Zeit mit großen Schwierigkeiten verbunden. Heutzutage sind solche Institutionen viel seltener geworden, als man sich gerne zugesteht. Nicht etwa nur in den Gemeinden, deren Führer und Häupter sich von dem überlieferten Judentum offiziell losgesagt haben, sondern selbst in solchen, die dem Namen und der Gesinnung nach dem orthodoxen Judentum angehören. In einer Zeit, in welcher die Halbheit, Lauheit und Lebensgemütlichkeit so en vogue ist, wie in der unsrigen, vermögen sich auch diejenigen nicht ganz ihrem Einfluss zu entziehen, welche durch Beruf und Charakter die treuen Hüter der ihnen anvertrauten Heiligtümer sein sollten. Aber selbst die Festen und Wackeren, die jedem derartigen Einfluss unzugänglich sind, haben für die intakte Aufrechterhaltung dieser unbeugsamen Festigkeit viel schwerere Opfer zu bringen, als dies in früherer Zeit der Fall war. Die Halbheit, die Unkenntnis und Gleichgültigkeit bei vielen Mitgliedern der Gemeinden, lässt diesen das mannhafte, wackere Eintreten pflichttreuer Rabbiner und Vorsteher leichter als früher wie etwas übertriebenes, beurteilen und verurteilen, dessen Notwendigkeit man nicht einsieht und deshalb bekämpft, jedenfalls aber nicht sympathisch begrüßt und fördert. Wenn aber gar der von seiner Pflicht durchdrungene Rabbiner keinen gleichgesinnten Vorstand auf seiner Seite hat, oder der wackere Vorstand in dem Rabbiner keine Unterstützung findet, so macht sich dieser Gegensatz zunächst in dem Verfall der Gemeindeinstitutionen bemerkbar. Aus diesen und manchen anderen Ursachen finden sich heutzutage so wenige Gemeinden, deren Institutionen wirklich allen Anforderungen entsprechen, dass eine Gemeinde, wie die Fuldaer geradezu die Aufmerksamkeit auf sich zieht.    
Sie verdankt ihre in jeder Hinsicht mustergültigen Einrichtungen zuallererst ihrem Rabbiner, Herrn Dr. M. Cahn - sein Licht leuchte -, der seines Rabbinerberufes mit einer Umsicht, Gewissenhaftigkeit und Entschiedenheit waltet, die vielen seiner Herren Kollegen zu wünschen wäre. - An denselben wurden von mehreren Seiten Anfragen über die Einrichtungen des Schächtwesens und Fleischverkaufes in seiner Gemeinde gerichtet. Dieses veranlasste Herrn Dr. Cahn, den Gegenstand dieser Anfragen eingehend darzustellen und in Form eines Memorandums drucken zu lassen, das uns nun vorliegt.  
Diese nur wenige Seiten umfassende Schrift, enthält für alle diejenigen, die sich für den Gegenstand derselben interessieren, eine Fülle wichtiger Details, die Menschen, der seine Gemeinde im Besitz  ganz guter Kaschrut-Institutionen glaubt, auf Momente und Umstände aufmerksam macht, die vielfach nicht die genügende Würdigung und Berücksichtigung finden und dennoch geeignet sind, das Kaschrut eines ganzen Gemeindewesens in Frage zu stellen.  Der Konservatismus mancher Rabbiner und Gemeinden geht so weit, dass er offenbare, unleugbare Mängel und Missstände mit in den Kauf nimmt, 'weil es von jeher so gewesen ist', und sich zufrieden gibt, wenn sich die Zustände nur nicht verschlimmern, aber vollkommen genug getan zu haben glaubt, wenn er das Althergebrachte mit seinen Vorzügen und Schäden intakt erhält. Diese gefährliche Genügsamkeit hat im jüdischen Gemeindeleben schon so viel Unglück gestiftet, dass sie eine besondere Monographie verdiente. Was nicht besser wird, wird schlechter. Einen Stillstand gibt es hier so wenig, wie sonst.  
Es ließe sich das nicht etwa an vielen, sondern an allen Äußerungen des jüdischen Pflichtenlebens nachweisen, wie es in jedem jüdischen Gemeindewesen zum Ausdruck kommt. - Beschränken wir uns jedoch auf den vorliegenden Gegenstand. -  Derselbe         
Fulda Israelit 01061891b.jpg (261093 Byte)handelt zunächst von der Kontrolle im Schlachthause. Die erste Abteilung der vorliegenden Schrift bespricht die absichtlichen Täuschungen, sowie die unbeabsichtigten Verwechslungen, die im Schlachthause schön möglich, ja geradezu unvermeidlich sind, besonders bei den losen Stücken, wie Fett, Därme, Milz und dergleichen, wenn nicht eine ganz strenge Kontrolle gebt wird. Es wird das Ungenügende oder doch Schwerfällige der üblichen Kontrollverfahren beleuchtet und ein neues, sinnreiches Verfahren angegeben, das Herr Provinzial-Rabbiner Dr. Cahn mit Recht als einen Tikun Gadol bezeichnet. Es ist dies ein von Herrn Ruben Stern - sein Licht leuchte - in Fulda erfundener, sinnreicher Stempelapparat, der in der Schrift abgebildet und erläutert ist und durch den Erfinder bezogen werden kann. 
Die zweite Abteilung behandelt die Kontrolle im Geschäftsraume des Metzgers. Die Betrügereien, die mit Koschersiegeln, Plomben, Koscherzetteln schon konstatiert wurden, sind bekannt, sie werden hier eingehend zur Sprache gebracht und auch hier ein neues Verfahren empfohlen, das beachtet zu werden verdient.  
Die letzte Abteilung handelt von der Regelung und Verwaltung des Koscherfleisches und enthält ebenfalls manche treffliche Einrichtungen, die allgemein eingeführt zu werden verdienen, wo die Verhältnisse es erfordern. 
Überall tritt einem in wohltuender Weise das redliche Bestreben entgegen, Missständen, wie sie leider vielfach bestehen, entschieden entgegenzutreten und ihnen durch praktische Maßregeln zu begegnen. - Es war dies, wie der Verfasser zum Schlusse bemerkte, nicht ohne große Mühe zu erreichen. Die Reorganisation hatte zwei Metzgerstreike zur Folge, von denen der eine 3/4 und der andere 1 1/2 Jahre dauerte. 
Die Darlegung dieser Verhältnisse hat in uns den Wunsch rege gemacht, dass auch die anderen Institutionen der Gemeinde Fulda, um die sich Herr Provinzialrabbiner Dr. Cahn nicht minder große Verdienste erworben hat, einmal die richtige Würdigung erfahren möchten. Überall begegnen wir dem aufrichtigen Bestreben mit jedem Schlendrian zu brechen, und Gediegenes und Bewährtes an dessen Stelle zu setzen. -  Wie die Schechita (Schächtwesen), so ist auch die Einrichtung der Mikwe eine wahrhaft mustergültige. Auch hier hat Herr Kreisvorsteher Ruben Stern - sein Licht leuchte - eine Erfindung gemacht, die ich schon vor mehreren Jahren von Rabbiner Stern - das Andenken an den Gerechten ist zum Segen - in Hamburg als einen Tikun gadol rühmen hörte. Es wäre gewiss dankenswert, wenn vielleicht der Erfinder sich entschließen würde, diese Erfindung einmal in diesem Blatte zu besprechen. Merkwürdig ist ferner eine eigenartige, von Herrn Dr. Cahn geschaffene Erubeinrichtung und das wahrhafte tolerante Entgegenkommen von nichtjüdischer Seite, das sich bei dieser Gelegenheit bewährt hat. Besonders aber ist es das Sofrut (Kunde vom Schreiben der Heiligen Schrift), dem Herr Dr. Cahn - sein Licht leuchte - seine besondere Aufmerksamkeit gewidmet und dabei Erfolge erzielt hat, die geradezu staunenerregend sind. Er hat jahrelang unablässig auf den frivolen Schlendrian hingewiesen, mit dem gerade Toraschreiber (soferim) ihren Beruf vielfach betreiben, und hat im Laufe der Zeit die Genugtuung erlebt, dass sogar große Gelehrte in Russland ihre Tefillin aus - Fulda beziehen. 
Wir beglückwünschen die Gemeinde Fulda aus ganzem Herzen zu ihren trefflichen Institutionen und zu deren Begründern respektive Vervollkommnern und schließen mit dem innigen Wunsche, dass die Gemeinde und ihr Rabbiner recht viele Nachahmung finden mögen.  Summachos."         

  
Aus der Arbeit des Talmudvereins (1901) 
Anmerkung: Bei der Feier des Sijum handelt es sich um das Abschlussfest nach dem Studieren eines Talmudtraktates, hier des Traktates Ketubbot.  

Fulda Israelit 09011902.JPG (228312 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 9. Januar 1902: "Fulda. Der 29. Dezember 1901 wird den Mitgliedern der Chevras Schaß hier unvergesslich bleiben. An diesem Tage beging sie die Feier des Sijum auf Mas. Kethubet. Abends versammelten sich die Chevra und mehrere Ehrengäste im Hotel Birkenruth, um an der an den Sijum sich anreihenden Sudas Mizwoh teilzunehmen. Eine weihevolle Stimmung bemächtigte sich aller Teilnehmer, als unser hochverehrter Rav nach Schluss der Masechtah in ergriffener und ergreifender Weise das Kadisch sagte. Während des Mahles wechselten ernste und heitere Toaste mit einander ab. Den Reigen eröffnete der Vorstand der Chevrah, Herr Dr. med. Stern. In nach Form und Inhalt gleich ausgezeichneter Weise brachte er nächst Haschem (=Gott) dem teuren Rabbi, Herrn Provinzialrabbiner Dr. Cahn, für sein hingebungsvolles Wirken im Dienste unserer heiligen Tora den Dank dar und richtete einen warmen Appell an alle Mitglieder, in ihrem Lerneifer nicht zu erlahmen. In wehmütigem Tone gedachte er des Heimgangs des seligen Herrn Baron Wilhelm von Rothschild (vgl. Wikipedia-Artikel "Wilhelm Carl von Rothschild"), in dem die Chevrah einen edlen Freund und Gönner verloren. Eine Träne erzitterte in dem Auge unseres Rav, als des unvergesslichen Verklärten gedacht wurde. In fast einstündiger Rede vernahmen die Tischgenossen, die gebannt schienen, Chiduschei Tora unseres geliebten Rabbi. Es würde über den Rahmen des uns zur Verfügung gestellten Raumes gehen, wollte wir auch nur einen geringen Teil der Darlegungen rekapitulieren, die Zeugnis ablegen von dem Charifus und Bekius, das wird zu bewundern Gelegenheit hatten. Herr Dr. Stern gab dem Danke der Anwesenden für den ihnen gebotenen Hochgenuss in warm empfundenen Worten Ausdruck. Die wohlschmeckenden Gerichte und der gute Wein erzeugten allmählich eine heitere Stimmung. Der Sohn unseres teuren Rav, Herr stud. phil. Meier Cahn, zeigte in längerer Rede, dass er ein würdiger Sohn seines großen Vaters ist. Herr stud. phil. Lorsch, Hörer der Jeschiwa in Frankfurt am Main, toastete auf das Wohl Seiner Ehrwürden, des Herrn Provinzial-Rabbiner Dr. Cahn, Herr Lehrer Spiro in seiner bekannten humorvollen, die Lachmuskeln in Bewegung setzende Art auf den Gesamtvorstand der Chevrah, Herr Lehrer Nußbaum aus Hersfeld auf das weitere Emporblühen der Chevras Schaß und Herr Lehrer Löwenstein, hier, auf das Wohl der Frauen. Die Versteigerung des Tischgebets ergab das nette Sümmchen von 150 Mark. Erst gegen 3 Uhr hatte die erhebende Feier ihr Ende erreicht, die einen würdigen und große Heiterkeit weckenden Abschluss in der von Herrn Lauer mit sprudelndem Humor vorgetragenen sogenannten Purim Tora fand. Das waren genussreiche Stunden, deren baldige Wiederkehr wir aufrichtig wünschen.         

   
Ein neues jüdisches Hotel wurde eröffnet (1903)  

Fulda Israelit 14091903.jpg (23590 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 14. September 1903: "Fulda. Eine Minute vom Bahnhof entfernt wurde dahier ein neues, jüdisches Hotel, Hotel Deutsches Haus, eröffnet, welches Herr Kaufherr vorzüglich verwaltet. Reinlichkeit, vorzügliche, streng koschere Küche empfehlen das Hotel allen Reisenden."     

   
Einweihung einer Tora-Rolle (in Hünfeld) und weitere Ereignisse im Gemeindeleben (1904)  

Fulda FrfIsrFambl 21101904.jpg (216598 Byte)Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 21. Oktober 1904: "Fulda. Nur selten ließt man ihrer geschätzten Zeitschrift einen Bericht über das jüdische Leben berührende Ereignisse in unserer Stadt und in unserem Rabbinatsbezirke und doch gibt es hin und wieder Interessantes zu verzeichnen.
Am ersten Tage Chol-Hamoed schel Sukkos (= erster Halbfeiertag des Laubhüttenfestes) wurde in der Nachbargemeinde Hünfeld durch Herrn Provinzial-Rabb. Dr. Cahn hier eine Thoraweihe vollzogen. An der Feier in der Synagoge nahm auch der königliche Herr Landrat teil.
Am 9. dieses Monats beging die hiesige Schaß-Chebrah (Talmudverein) einen Sijum (Fest zum Abschluss des Lernen eines Traktates) auf Traktat Gittin. Ein solennes Festmahl vereinigte Mitglieder der Chebrah und Ehrengäste im Saale der Restauration Birkenruth. Ernste und heitere Reden wechselten miteinander ab. Den Reigen eröffnete Herr Provinzial-Rabbiner Dr. Cahn. Zu geistvoller Weise verband er den Anfang des Traktats mit dem Ende desselben. Begeistert lauschten die Zuhörer den trefflichen Ausführungen. Nicht minder großen Beifall fanden die mit Humor reichlich gewürzten Diwre-Tauroh (Toraworte) des Herrn Dr. Frankel, der seit 3 Monaten als Rabbinats-Assessor hier seines Amtes waltet.
Jom Kippur konnte man in unserer Synagoge neben dem weißen Sterbegewande, manch bunten Rock erblicken. Neben der üblichen Eingabe des Herrn Rabbiners um Befreiung der jüdischen Mannschaften vom Dienste an den hohen Festtagen, der in der Regel die stereotype Antwort folgt, dass, soweit es das dienstliche Interesse erlaubt, dem Gesuche stattzugeben sei, hatte Herr Provinzial-Rabbiner Dr. Cahn in Erfahrung gebracht, dass selbst Jom Kippur die jüdischen Soldaten nicht vom Dienst befreit seien. Herr Dr. Cahn trug telefonisch dem in Salzschlirf weilenden Kommandeur die Bitte, um Befreiung der jüdischen Mannschaften vom Dienste am Versöhnungstage vor und zugleich um die Erlaubnis, dem Gottesdienste hier und in den angrenzenden Nachbargemeinden beiwohnen zu dürfen. In liebenswürdiger Weise gewährte der Herr Oberst die Bitte. Die Soldaten mussten sich am Rüsttage des Versöhnungsfestes beim Herrn Provinzial-Rabbiner Dr. Cahn melden, der Fürsorge getroffen hatte, dass sie rituelle Kost erhielten und bei ihrer Rückkehr eine Bescheinigung des Herrn Rabbiner vorlegen, dass sie am Gottesdienste teilgenommen haben. Dieses Vorgehen verdient Nacheiferung und dürfte für manchen Rabbiner ein Fingerzeit sein, sich nicht dabei zu beruhigen, wenn die pp. Eingabe den Briefkasten überantwortet ist, sondern weitere Schritte zu tun, um Dispensation vom Dienste zu erwirken, auch wenn scheinbar das dienstliche Interesse ein 'Veto' einlegen sollte."    

  
Abendunterhaltung des Jungfrauen-Vereins zugunsten der russischen Juden (1906)    

Fulda FrfIsrFambl 23021906.jpg (132424 Byte)Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 23. Februar 1906: "Fulda. Der Jungfrauen-Verein Liwjas-Chein veranstaltet am 17. dieses Monats zum Besten der russischen Juden eine Abendunterhaltung, deren Verlauf auch weitere Kreise interessieren dürfte. Kunstsinn und Opfersinn paarten sich miteinander und weckten frohe Empfindungen im Herzen der Beteiligten. Da der Wohltätigkeit keine Grenze gesetzt war, flossen reichlich die Gaben. Im Saale waren Buden mit Speisen und Getränken aufgestellt, die unentgeltlich geliefert und von schmucken Damen und Mädchen verkauft wurden. An die Abendunterhaltung schloss sich eine Verlosung an, deren Gewinne ebenfalls gespendet wurden. Das Arrangement lag in den Händen der Vorsteherin des Liwias-Chein-Vereins, Frl. Dilla Katzenstein, die ihre Aufgabe mit unermüdlichem Fleiße und großem Geschicke löste und allseitig gebührende Anerkennung fand.
Nun ein Wort über die Abendunterhaltung selbst. Eingeleitet wurde diese durch einen von Herrn Lehrer Spiro, hier, gedichtet und von Frl. Thekla Gottlieb vorgetragenen Prolog. Dann folgte ein Klaviervortrag der Fräulein Bella Spiro. Die sich daran anschließenden theatralischen Aufführungen der Mitglieder des Vereins, wie verschiedene musikalische und deklamatorische Vorträge, unter denen der von dem Töchterlein des Herrn Provinzial-Rabbiner Dr. Cahn gesprochene Prolog besonders erwähnt zu werden verdient, ernteten reichlich Beifall. Es war ein genussreicher Abend, der den Zuschauern geboten wurde, aber nicht minder ergebnisreich für die armen unglücklichen Glaubensbrüder und Glaubensschwestern im Zarenreiche."     

      
Eine Ortsgruppe des Vereins der Sabbat-Freunde soll gegründet werden (1906)  

Fulda FrfIsrFambl 09031906.jpg (110920 Byte)Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 9. März 1906: "Fulda. Am Sonntag sprach hier Herr Jakob Rosenheim - Frankfurt als Vertreter des Vereins der Sabbat-Freunde - zwecks Gründung eines Zweigvereins hier - vor zahlreich erschienenem Publikum. Den Vorsitz führten Seine Ehrwürden Herr Provinzialrabbiner Dr. Cahn und Herr Dr. med. Stern. - Der Vortrag war ein in jeder Hinsicht geistvoller und fesselnder. Unter Hinweis auf Reincke (gemeint: Johannes Reinke) u.a.m. zeigte Redner, wie man auch in der Philosophie wieder auf den Schöpfungsgedanken zurückkomme und somit auf die Zweck-Idee, das logische, zielbewusste Walten im Weltall. - In herzgewinnender Weise führte er aus, wie der Sabbat ein Beweis hierfür sei, der, vor Jahrtausenden uns gegeben, zum Gedeihen der Menschen und des Menschen jetzt wichtiger sei denn je zuvor.  
So konnte es denn nicht wunder nehmen, wenn auf die Anregung des Herrn Wertheim, es möge sich in Fulda ein jeder in Betracht Kommende dem zu gründenden Vereine der Sabbat-Freunde anschließen, aus der Versammlung ein einstimmiges 'Bravo' entgegen tönte. Herr Rosenheim wusste derart die Wichtigkeit des Vereines ins richtige Licht zu setzen, dass beschlossen wurde, hier sollten schon Mitglieder von 15 Jahren aufgenommen werden, während in Frankfurt das aufnahmefähige Alter auf 18 Jahren festgesetzt ist.  Th."     

  
Eine Ortsgruppe des Vereins der Sabbat-Freunde wird gegründet (1906)   

Fulda FrfIsrFambl 23031906.jpg (113002 Byte)Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 23. März 1906: "Fulda. In zahlreich besuchter Versammlung entwickelte Sonntag, den 18. dieses Monats Herr Moritz A. Löb aus Frankfurt am Main die Aufgaben und Ziele des Vereins der Sabbatfreunde. Der Vortrag war klar und fesselnd und weckte bei allen Hörern wohltuende Begeisterung. Herr Dr. Stern, der den Vorsitz führte, dankte dem Redner und richtete einen warmherzigen Appell an die Erschienenen, dem Verein beizutreten. Die Anregung war vom schönsten Erfolge begleitet. Es bildete sich eine Ortsgruppe, die schon heute mehr als 200 Mitglieder zählt., In der ihm eigenen geistvollen Weise schilderte Herr Provinzialrabbiner Dr. Cahn die Bedeutung der Sabbatheiligung für die Erhaltung des Judentums und bezeichnete die Förderung des Vereins für die unerlässliche Pflicht eines jeden gesetzestreuen Juden. Was Wunder, dass diese Worte auf fruchtbaren Boden fielen? - In Herrn Löb besitzt der Verein eine schätzenswerte Kraft, einen wirksamen Agitator, dessen uneigennützigem Wirken die gebührende Anerkennung und tatkräftige Unterstützung nicht versagt werden darf. Wie wir zu unserer Freude vernommen haben, sind bereits in mehreren Städten Deutschlands Ortsgruppen gebildet worden, ein sprechender Beweis für die richtige Erfassung der Aufgabe des Vereins, der blühen, wachsen und gedeihen möge."      

    
Erste Mitgliederversammlung der zionistischen Ortsgruppe (1907)
   

Fulda Frf IsrFambl 29111907.jpg (71893 Byte)Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 29. November 1907: "Fulda, 20. November (1907). Heute fand die erste Mitgliederversammlung der vor vierzehn Tagen gegründeten Zionistischen Ortsgruppe statt. Es waren dazu aus Frankfurt die Herren B. Stern und Josef Hackenbroch erschienen. Herr Stern gab ein klares Bild über die Ziele des Zionismus. Herr Hackenbroch sprach über die Bedeutung des Misrachi im Zionismus und betonte besonders, dass ein Zusammengehen der orthodoxen Zionisten mit den andersdenkenden Zionisten innerhalb des Zionismus vonnöten sei. - Die Vorstandswahl ergab die Wahl des Herrn Gustav Nussbaum als 1. Vorsitzenden und des Herrn Mendel Grünebaum als 2. Vorsitzenden."    

  
Vortrag in der zionistischen Ortsgruppe (1908)    

Fulda FrfIsrFambl 31011908.jpg (47867 Byte)Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 31. Januar 1908: "Fulda. Letzten Samstag Abend hielt in der hiesigen zionistischen Ortsgruppe Herr Zahnarzt Bütow - Alsfeld einen Vortrag über Jungjüdische Literatur. Redner gab stets erst eine kurze Biographie des Dichters und rezitierte dann einige seiner Gedichte, sodass sich das Publikum, das den Saal bis auf den letzten Platz füllte, unbeeinflusst seine eigene Meinung über die Bewertung jedes einzelnen der in ihren Werken vorgeführten Dichter bilden konnte. Eine weihevolle Stimmung hielt die Versammlung in Banden und wirkte noch nach, als der Vortrag beendet war."       

   
Chanukkafeier der zionistischen Ortsgruppe (1908)    

Fulda FrfIsrFambl 31121908.jpg (93755 Byte)Artikel im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 31. Dezember 1908: "Fulda. Nach langer Pause hat die zionistische Ortsgruppe wieder einmal ihre Flügel geregt und ihre Schwungkraft bewiesen. Vergangenen Mittwoch veranstaltete sie im Saale des 'Deutschen Hauses' eine Chanukkafeier, die einen glänzenden Verlauf nahm und auf die zahlreich erschienenen Teilnehmer einen tiefen Eindruck hervorbrachte. Nachdem der Vorsitzende, Herr Gustav Nußbaum, der Festversammlung den Willkommensgruß entboten hatte, bestieg Herr Zahnarzt Bütow - Alsfeld das Podium, um in lichtvoller Weise die Bedeutung des Lichtfestes zu schildern. Reicher Beifall wurde dem Redner gespendet, der des verstanden, die Zuhörer zu fesseln und zu begeistern. Es machte sich bald eine gehobene Chanukkastimmung bemerkbar, die erhöht wurde durch deklamatorische und musikalische Darbietungen. Herr stud. med. Fritz Löbenstein, Fräulein Ella Birnbaum, Fräulein Selma Gottlieb und andere trugen durch ihre Vorträge wesentlich zur heiteren Festesstimmung bei. Die Aufforderung des Herrn Katzmann zum Eintritt in die Ortsgruppe verhallte nicht wirkungslos."        

  
Über die Arbeit des "Fortbildungsheimes jüdischer junger Kaufleute" (1911)    

Fulda Israelit 05011911.jpg (120212 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 5. Januar 1911: "Fulda, 2. Januar (1911). Seit einigen Monaten hat hier das schon vor einigen Jahren von hiesigen Geschäftsleuten gegründete 'Fortbildungsheim jüdischer junger Kaufleute' seine Tätigkeit wieder aufgenommen. In dem Heime soll Handlungsgehilfen und Lehrlingen Gelegenheit geboten werden, ihre freie Zeit praktisch zur Weiterbildung zu verwerten.  
Unter tatkräftiger Leitung des Herrn A. Friedmann ist das Programm so festgelegt, dass es Kizzur Schulchan Oruch - Vorträge, deutsche Literatur, Stenographie umfasst, denen sich ein Buchführungskursus noch anschließen soll. Außerdem hat sich der größte Teil der Mitglieder bereiterklärt, an den außerhalb des Vereins stattfindenden Schiurim teilzunehmen.  
Am letzten Abend des Chanukkafestes versammelten sich alle Mitglieder im Saale des Restaurants Birkenruth, um ein offizielles Stiftungsfest zu feiern. Eingeleitet wurde die Feier durch gemeinschaftliches Entzünden der Chanukkalichter, woran sich der Gesang des 'Moaus Zur' schloss, das nach einer für mehrstimmigen Chor geeigneten Melodie klangvoll zum Vortrag kam. Die durch das Bild des großen Lichtermeers ohnehin schon sehr weihevolle Stimmung wurde gehoben, als jetzt Herr Rabbinats-Assistent B. Kunstadt in seiner Ansprache mit warmen, empfindungsreichen Worten schilderte, was die Chanukkageschichte speziell einem Jugendverein bedeute und wie der Zusammenschluss für eine heilige Sache mit dem Blicke auf den 'Moaus Zur' gerichtet, auch in unserer Zeit noch segensreiche Früchte tragen kann."      

  
Neue Aktivitäten der Aguda-Gruppen (1921) 
Vgl. grundsätzlich Wikipedia-Artikel "Agudat Jisra'el" 

Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 27. Januar 1921: "Fulda, 20. Januar (1921). Die hier längere Zeit schlummernde Agudabewegung ist zu neuem Leben erwacht und zeigt kräftige Pulsschläge. Jugend- und Ortsgruppe entfalten einen edlen Wetteifer im Toralernen und es ist eine Freude wahrzunehmen, wie die Schar der Lernenden sich vermehrt. Die Leitung der Ortsgruppe liegt in den bewährten Händen des für unsere Heilige Tora begeisterten Herrn Sanitätsrat Dr. Stern. Wir hatten die Freude, vor einigen Wochen Herrn Rabbiner Dr. Wolf aus Köln zu hören, der in fesselnder Weise 'kulturhistorische Pinselstriche' vor einem zahlreichen Auditorium zeichnete, und in dieser Woche einem Vortrage des Herrn Dr. Auerbach aus Köln zu lauschen, der ein Bild von der Lage in Erez Israel vor dichtbesetztem Hause entrollte, das Begeisterung und langanhaltenden Beifall auslöste. Der Leiter der Versammlung, Herr Lehrer Spiro, stellvertretender Vorsitzender der Aguda, dankte in hebräischer Sprache dem verehrten Herrn Redner und bat, von einer Diskussion, die leicht die weihevolle Stimmung trüben könnte, abzusehen. Trotz der zahlreich erschienen Zionisten wurde dieser Bitte ohne Widerrede entsprochen. Der Aguda blühen Erfolge, wenn zielklare Redner von Zeit zu Zeit die Indifferenten aufrütteln."     

  
Generalversammlung des Vereins "Jeschurun" (1922)   

Fulda Israelit 09021922.jpg (209800 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 9. Februar 1922: "Fulda. Am 26. Dezember v. J. fand hier die Generalversammlung des Vereins 'Jeschurun' statt. Die ungünstigen Verkehrsverhältnisse, des Winters starres Regiment und der die Reisestimmung beeinträchtigende Stand der in der Agonie befindlichen Valuta ließen eine größere Beteiligung nicht erwarten. Umso freudiger war man überrascht, als eine stattliche Anzahl Mitglieder sich eingefunden hatte. Der Vorsitzende, Herr Lehrer Gans, Niederaula, richtete einen den wohltuenden Gegensatz zu der herrschenden Kälte bildenden warmen Willkommensgruß an die erschienenen und erstattete den durch Wort und Inhalt die Hörer im hohen Grade fesselnden Jahresbericht. Der durch den Tod dem Vereine entrissenen Mitglieder wurde ehrend gedacht. Wehmut weckte die Schilderung des heimgegangenen langjährigen Vorsitzenden und bis zu seiner Abberufung von der irdischen Schaubühne dem Vorstande des 'Jeschurun' angehörigen Lehrers Schwarzschild, Schlüchtern, der in vorbildlicher Weise die Interessen des Vereins, dessen Mitbegründer der Entschlafe gewesen, zu fördern bemüht war. Mit einem warmherzigen Appell an die Nahen und Fernen, der Tendenz des Jeschurun'  'Stärkung der Wahrheit/Religion'  stets eingedenk zu sein und durch Werbung von Ehrenmitgliedern und Zuwendung außerordentlicher Beiträge die Vereinskasse zu stärken, schloss der Vorsitzende seinen tiefen Eindruck auf alle Hörer hervorbringenden Bericht. Anstelle des ans Krankenlager gefesselten Kassierers, Herrn Bankdirektors Birkenruth, erstattete der Unterzeichnende den Kassenbericht. Schmerzlich fühlbar wird die Lücke empfunden, die der Tod des Herrn Provinzial-Rabbiner Dr. M. Cahn - das Andenken an den Gerechten ist zum Segen gerissen, der dem Verein immer neue Hilfsquellen zu erschließen und so die materielle Sorge zu bannen wusste. Die Klage - um diejenigen, die verschwunden sind und nicht wiederkehren - fand ein Wehmut weckendes Echo in der Hörer Brust. 'So sind wir denn mehr denn je auf eigenes Wirken angewiesen', hörte man aus dem Munde der anwesenden Mitglieder. Nach Verlesung des Kassenberichts erhielt Herr Lehrer Sonn, hier, das Wort zu seinem Referate: 'Die Bedeutung des biblischen Geschichtsunterricht und dessen Behandlung in der jüdischen Volksschule'. Der von großem Fleiße und verständnissinniger Erschaffung zeugende Vortrag löste reichen Beifall aus und rief eine lebhafte, fruchtbringende Diskussion hervor. Der Vorsitzende erging sich in herzlichen Dankesworten an den Referenten und regte an, den Vortrag durch Veröffentlichung desselben in der demnächst erscheinenden Beilage des 'Israelit': 'Erziehung und Lehre' weiteren Kreisen zugängig zu machen. Für die nächste Generalversammlung hat Herr Lehrer Freudenberger, Flieden, über 'Der Lehrer in der Jugendbewegung' zu referieren übernommen. Schnell verrannen die anregenden und belehrenden, die Berufsfreudigkeit zu erhöhen geeigneten Stunden, und man schied mit dem Wunsche: 'Auf gesundes, frohes Wiedersehen'. 
J. Spiro.
"     

  
Bezirkstag der Agudas Jisrael - Jugendgruppen in Alsfeld (1922)   

Fulda Israelit 02031922.jpg (274196 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 2. März 1922: "Fulda, 22. Februar. Am 15. Tewes (= 15. Tewet, = 15. Januar 1922) fand in Alsfeld der Bezirkstag der hessischen Agudat Jisrael Jugend-Gruppen statt, der trotz mancher Widrigkeiten gut besucht war. Vertreten waren die Gruppen Alsfeld, Birstein, Burghaun, Flieden, Fulda, Guxhagen, Hersfeld, Kassel, Lauterbach, Niederaula, Rhina und Treysa. Aus Alsfeld und Umgebung waren zahlreiche Gäste zugegen. Herr Lehrer Kahn - Alsfeld begrüßte im Rahmen der gastgebenden Gruppe die Versammlung herzlich. Dr. Herz dankte der Gruppe Alsfeld für die Übernahme der mühevollen Aufgabe, die sie aufs schönste gelöst habe und dem Vertreter der Gemeinde Alsfeld für sein Erscheinen. Zum Vorsitzenden wurde einstimmig Herr Lehrer Kahn - Alsfeld gewählt.
Dr. Herz gab den Bericht über seine Tätigkeit jetzt dem letzten Bezirkstag (17.11.1920). Er sprach einleitend über die Notwendigkeit der Organisation, in der ein jedes Glied das Bewusstsein haben müsse, dass es in Deuten, Fühlen und Handeln ein Teil des Ganzen sei. Seine Tätigkeit, die leider 3 mal durch längere Abwesenheit unterbrochen werden musste, gab er mit folgenden Daten:
(siehe Liste in Text links mit Zahl der Besuche, Schiurim, Vorträge usw. in Fulda, Hersfeld, Kassel, Guxhagen, Burghaun, Rhina, Hanau, Treysa, Gersfeld, Marburg, Alsfeld, Birstein, Wüstensachsen, Flieden, Lauterbach, Niederaula, Langenselbold, Groß-Krotzenburg, Schmalnau, Propagandavorträge in Gelnhausen und Sterbfritz, Vorträge außerhalb des Bezirks in Basel, Luzern, Zürich und Schwäbisch Hall)
Die Vorträge bezogen sich auf Sidre und Haphtarah (Wochenabschnitt und prophetischer Abschnitt), auf die besonderen Tage des Jahres und auf allgemeine jüdische Fragen.
Dr. Herz beklagt, dass in vielen unserer Gruppen die Verbindung mit der Aguda und ihrem Ideenkomplex noch eine sehr lockere sei.
In der Diskussion bedauerten die Herren Lehrer Haas - Niederaula, Kahn - Alsfeld und Stern - Lauterbach, dass die Gruppen an kleinen Orten von dem Bezirkssekretär weniger häufig besucht werden als die in den Städten. Namentlich wäre es wünschenswert, dass Vertreter der Aguda, vor allem Kaufleute, über den Heiligen Schabbat in die kleinen Gruppen kommen. Allerlei Schwierigkeiten, die unserer Arbeit im Wege stehen, vor allem die Übertreibung des Sports, hebt Lehrer Freudenberger - Flieden hervor.
Die Gruppenvertreter gaben kurze Berichte über die Tätigkeit ihrer Gruppen: es ist hierbei zu konstatieren, dass, einige Gruppen ausgenommen, die Leistungen sich vermehrt haben, von Einzelheiten ist hervorzuheben, dass die Gruppe Birstein alle 14 Tage von einem Ben Tora (= Sohn der Tora, Torastudierender), der Schiurim (= Lehrstunden) (zur Nachahmung empfohlen!), ferner, dass die Fuldaer Mädchengruppe soziale Arbeit leisten (Kinderfürsorge, Krankenpflege usw.)
Kassel und Hersfeld beklagen es, dass die Agudat Jisrael Jugend-Organisation nur außerordentlich selten Propagandaredner zur Verfügung stellt. Allgemein wurde der Wunsch geäußert, dass häufigere orientierende Vorträge über ihre Arbeit in und für Erez Jisrael veranstaltet werden. Dr. Herz sagt die Weiterleitung der geäußerten Wünsche zu; er erwidert, dass seine Besuche in den Landorten deshalb weniger oft stattfinden können, weil dort gewöhnlich der Sonntag der einzige geeignete Tag sei. Es folgt ein Referat des Herrn Lehrer Landsberg - Hersfeld: 'Das Schulwesen im Talmud': Die umfassende und tiefgehende Darstellung zeugte von gründlicher Durcharbeitung des Stoffes und wurde mit gespannter Aufmerksamkeit verfolgt. Der Bericht über die vor einem Jahr gegründete Wanderbibliothek besagt, dass ungefähr 70 Werke vorhanden sind, die in 6 Serien zirkulieren; zur Erweiterung der Bücherei wird ein einmaliger Betrag von 5 Mark pro Mitglied beschlossen.    
Fulda Israelit 02031922a.jpg (86984 Byte)  Eine Bibliothekskommission unter dem Vorsitz des Herrn Lehrer Landsberg wird gewählt.
Lehrlingsfürsorge: An etwa 90 Lehrer Hessens wurden Fragebögen versandt auf denen Angaben über die in die Städte kommenden Lehrlingen etc. erbeten wurden; nur die Hälfte ungefähr wurde beantwortet; die Jugendgruppen und geeignete Persönlichkeiten wurden auf die uns gemeldeten jungen Leute aufmerksam gemacht. Herr Schneemann - Fulda hob besonders die Notwendigkeit der Förderung des Gemeinschaftsgefühls hervor; ferner fordert er intensive Arbeit für Erez Jisrael, er hält die Belehrung der Jugend über die jüdische Politik für unerlässlich; außerdem stellt er die Forderung der Pflege und Stärkung des Körpers auf. Eine rege Diskussion knüpfte sich an seine Worte.
Mit warmem Dank an Alsfeld und an den Vorsitzenden Herr Lehrer Kahn, wurde die Tagung geschlossen; besonders wurde noch der weitgehenden Fürsorge der Gruppe Alsfeld für das leibliche Wohlergehen der Gäste rühmend gedacht.
Am Abend war gemütliches Beisammensein: besonders tiefer Eindruck machten hierbei die von einigen Fuldaer Esräern vorgetragenen jüdischen Melodien aus dem Osten."   

  
Bericht über die jüdische Abteilung im Kreissiechenhaus in Fulda (1926)    

Fulda Israelit 02091926.jpg (55735 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 2. September 1926: "Fulda, 27. Aug. Am 1. September ist es ein Jahr, dass im Kreissiechenhaus in Fulda eine jüdische Abteilung für Alte und Sieche eingerichtet wurde. Bis jetzt sind 9 Insassen untergebracht, die von den Schwestern in rührender Weise gepflegt werden; die Leiterin der jüdischen Abteilung versorgt ihre Schützlinge vorbildlich. 
Das Kuratorium ergibt sich alle erdenkliche Mühe, um den Aufenthalt so angenehm wie möglich zu gestalten. Vorerst sind noch 3-4 Plätze frei. Anfragen bittet man an den 1. Vorsitzenden, Herrn Gustav Nußbaum, Bahnhofstraße, zu richten."     

  
Versammlung der Agudas Jisroel (1927)      

Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und Waldeck" vom 4. März 1927:        

  
Bezirkstagung der hessischen Agudas-Jisroel-Jugendgruppen (1927)   

Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und Waldeck" vom 20. Mai 1927:       

 
Koscherküche im Landeskrankenhaus (1927)   

Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 21. Juli 1927: "Fulda, 13. Juli. Im hiesigen Landeskrankenhaus ist anlässlich des Neubaus einer Frauenklinik eine Koscherküche eingerichtet worden, durch die einem Übelstand, der sich bisher häufig unangenehm bemerkbar machte, für die Zukunft abgeholfen wird. In Zukunft wird das Essen in der Koscherküche des Landeskrankenhaus selbst nach genauen Angaben der Ärzte zubereitet und braucht nicht mehr aus der Stadt dorthin gebracht zu werden. Die Küche ist mit allem Komfort der Neuzeit und zugleich den Forderungen des Kaschrus entsprechenden Einrichtungen versehen. Sie steht unter Aufsicht des Rabbinats und wird von einer besonders geeigneten Persönlichkeit geleitet werden. Während bisher die Patienten von hier und aus der näheren und weiteren Umgebung wegen der Schwierigkeiten der Verpflegung jüdische Krankenhäuser in den Großstädten aufsuchten, wird dies in Zukunft nicht mehr nötig sein. Das Landeskrankenhaus steht unter der bewährten Leitung des Herrn Direktor Dr. Gunkel (sc. Dr. Paul Gunkel, Chirurg), zu dem viele ehemalige Patienten als zu dem Retter ihres Lebens und ihrer Gesundheit dankbar aufblicken. Es verfügt über 300 Betten und ist mit den modernsten hygienischen Einrichtungen ausgestattet und hat außer der neu erbauten Frauenklinik eine chirurgische und eine innere Klinik und eine Spezialabteilung für Hals-, Nasen-, Augen- und Ohrenkrankheiten. Die Eröffnung der Küche ist für Mitte August vorgesehen."   
 
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und Waldeck" vom 22. Juni 1927:   
derselbe Bericht wie in der Zeitschrift "Der Israelit" siehe oben.   

  
Über die hebräischen Handschriften der Landesbibliothek in Fulda (1928)   

Fulda Israelit 02021928a.jpg (175113 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 2. Februar 1928: "Die hebräischen Handschriften der Landesbibliothek zu Fulda. Von B. Horwitz, Kassel.
Diese Bibliothek kann im Sommer dieses Jahren auf ein 50jähriges Bestehen zurückblicken. Diese Geistesquelle teilt mit ihren Schwestern in Provinzialstädten das gleiche Schicksal, dass ihre hebräischen Schätze sehr wenig beachtet werden. Darum möchte ich mit nachstehenden Notizen interessierte Kreise auf Fuldaer Handschriften hinweisen.
Katalog Theologie: Orientalische Handschriften. 1-11 hebräische Pentateuchs. Fol. 20: Darin fehlen jedoch von Kap. 11,32 bis Kap. 14,18 der Genesis und aus dem Deuteronomium von Kap. 23, 23 bis zu Ende. Jedem Werke dieses Pentateuchs ist ein Paraphrasis Chaldaica beigefügt. Außerdem enthält derselbe noch die 5 Megillos. Dieser Kodex sehr schön geschrieben, enthielt die Puncta Massoretica von einer anderen Hand. Dass er aber einer früheren Zeit als dem 14. Jahrhundert angehört, beweisen die Namen einer Judenfamilie, welche sich, jedoch von schlechter Handschrift, hin und wieder finden. So heißt es 'Folio 1a: Moses, Sohn Sauls, 372, und auf Seite 17: Baruch Hachiel, mein ältester Sohn, geboren 235; Meine Tochter Rechlein, geb. 236. Meine Mutter starb am 23. Jjar am Merkurstag und ist in Gunzenhausen beerdigt.' Dieser Kodex ging auf eine Judenfamilie 'an der Treppe' genannt und von dieser an die Lusmann durch Erbschaft über, von welcher er im Jahre 1778 um 30 Gulden für die Landesbibliothek gekauft wurde. Die 264 Seiten sind auf Pergament geschrieben; als Zeit wird das 13. Jahrhundert angegeben. - Eine Handschrift unter Nr. 2 aus dem gleichen Zeitalter ist bezeichnet: 'Interpretation geschrieben von Rabbi Rambam', worauf die Rede des Verfassers auf dem Wege nach Jerusalem folgt. Auf der letzten Seite steht: 'Dieser Kodex ist geschrieben 5027 vom Salmon, Sohn des Gelehrten Chajim.' - Die anderen hebräischen Handschriften sind aus dem 14. bis 17. Jahrhundert. Eine andere Eintragung lautet: Mehorar Mosche ben Nachman Erinnerung zum ewigen Leben und 'Ex libris Petri Behm. Benedictini Fuldensis'. Das Manuskript beginnt: 'Im Namen Gottes...' Die Schrift ist tadellos erhalten. Ihr Forscher ...(hebräisch)."    

    
Esraführertagung in Fulda (1928)       

Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und Waldeck" vom 8. Juni 1928:      


Vortrag von Rabbiner Dr. Merzbach aus Darmstadt (1929)   

Fulda Israelit 07021929.jpg (58574 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 7. Februar 1929: "Fulda, 1. Februar. Am Sonntag, den 27. Januar sprach hier in einer sehr gut besuchten Versammlung der Agudas Jisroel Herr Rabbiner Dr. Merzbach - Darmstadt über 'Die Ergebnisse der Naturwissenschaften und Religion.' Der Redner verstand es in einer nach Form und Inhalt fesselnden Art, die mannigfachen Probleme und ihre Lösung vom Standpunkt des gesetzestreuen Judentums aufzuzeigen und am Schlusse in einer zur Begeisterung hinreißenden Art zu begründen, wie der von echtem Taurohgeist und wissenschaftlichem Streben erfüllte jüdische Mensch aus der Naturbetrachtung zur Liebe Gottes gelangen muss."    

  
Bezirksversammlung der Agudas Jisroel (1929)  

Fulda Israelit 07031929.jpg (197171 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 7. März 1929: "Fulda. Am 24. Febr. fand hier eine Bezirksbesprechung statt. Eine große Anzahl auswärtiger Lehrer, Vorstandsmitglieder und Freunde der Agudas Jisroel hatten sich zur Teilnahme eingefunden. Infolge eines Todesfalles in der Gemeinde Fulda musste der angesagte öffentliche Vortrag ausfallen. - Um 5.45 Uhr eröffnete Herr Dr. Herz die Versammlung und begrüßte alle Erschienenen namens der Gemeinde und der Aguda-Gruppe Fulda. Nach diesen herzlichen Begrüßungsworten wurden die Herren Lehrer Gans - Niederaula und M. Elzas - Kassel zu Vorsitzenden der Versammlung gewählt. Darauf erhielt sofort der Generalsekretär der Agudas Jisroel, D. Ullmann, das Wort zu seinem Referat 'Jüdische Erziehung und Agudas Jisroel'. Der Referent zeigte zunächst die Schwierigkeiten der jüdischen Erziehung, die vor allem durch die beiden Gefahrenmomente der Zeit und des Milieus, heute noch erhöht sind. Nach einigen grundlegenden Ausführungen über das Wesen jüdischen Erziehung, ging er dazu über, die Bedeutung der Agudas Jisroel als Erziehungsfaktor zu schildern. Seine Ausführungen gipfelten in der Forderung, dass es uns gelingen muss, der gesamten gesetzestreuen Jugend in der Agudas Jisroel ein Arbeitsfeld zu schaffen, das sie mit innerer Verbundenheit beackert. Angesichts der zweiten Kenessio Gedaulo, deren Aufgaben der Referent eingehend behandelte, wird es uns möglich sein, die jüdische Jugend für Agudas Jisroel zu gewinnen, denn die Zukunft der Agudas Jisroel, die im jüdischen Volk eine geschichtliche Sendung zu erfüllen hat, ist nur gewährleistet, wenn die Jugend sind freudig zu ihr bekennt. - Nach den Ausführungen des Referenten setzte sofort eine lebhafte Debatte ein, an der sich wiederholt die Herren Dr. Herz, Elzas, Lehrer Gans, Lehrer Berlinger, Rabbiner Dr. Baßfreund, Rabbiner Kunstadt, Speyer und Bacharach beteiligten. Die Diskussion beschäftigte sich sowohl mit den Wegen, die zur Gewinnung der Jugend einzuschlagen sind, wobei manche wertvolle Anregung gegeben wurde, als auch mit den Aufgaben und der Bedeutung der K. G.
Es zeigte sich, dass die Anwesenden aus dem starken Bewusstsein heraus, eine Klall-Aufgabe zu erfüllen, wenn sie agudistische Arbeit leisten, bereit sind, jeder in seinem Kreis, insbesondere im Kreis der jüdischen Jugend, für die Idee der Agudas Jisroel zu wirken.
Kurz nach 9 Uhr schloss der Vorsitzende, Herr M. Elzas, die Besprechung mit Dankesworten, einem Wort der Aufmunterung und mit einem Thorawort."   
 
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und Waldeck" vom 1. März 1929:  

   
Jahresversammlung des "Jeschurun" in Fulda (1930)        

Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und Waldeck" vom 14. Februar 1930:       

   
Vortragsabend der Agudas Jisroel mit Lehrer Oppenheim aus Rhina (1930)     

Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und Waldeck" vom 14. Februar 1930: "Fulda. Auf Einladung der hiesigen Ortsgruppe der Agudas-Jisroel sprach Sonntagabend vor vollbesetztem Saale Herr Lehrer Oppenheim (Rhina) über Kadisch. Die eineinviertelstündigen Ausführungen des Redners wurden mit großem Beifall aufgenommen. Die Herren Provinzialrabbiner Dr. Cohn, sowie Synagogenältester Dr. Herz sprachen dem Redner den Dank der Versammlung aus."        

 
5 Jahre jüdische Abteilung im Kreissiechenhaus (1930)  

Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 19. September 1930: "Fulda, 11. Sept. am 1. September waren es 5 Jahre, dass im hiesigen Kreissiechenhaus eine jüdische Abteilung unter dem Protektorat von Herrn Provinzial-Rabbiner Dr. Cahn ins Leben gerufen wurde. Die Pflege, die von katholischen Schwestern mit Liebe ausgeführt wird, lässt nichts zu wünschen übrig. Die Betreuung und wirtschaftliche Leitung wird mit großer Sorgfalt und Selbstlosigkeit vorn Frl. Seelig ausgeübt. Gar mancher Insasse oder Insassin verbrachte den Lebensabend dort in Frieden. Was nur im Rahmen der Anstalt vom Kuratorium getan werden kann, geschieht, um den Ansprüchen gerecht zu werden. Augenblicklich sind, so viel wir erfahren konnten, einige Plätze für alte Leute frei. Der. 1. Vorsitzende des Kuratoriums, Herr Gustav Nußbaum, erledigt die Anfragen."    

  
Ein jüdisches Altersheim soll eröffnet werden (1931)   

Fulda Israelit 08011931.jpg (64212 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 8. Januar 1931: "Fulda, 4. Januar (1931). Der Verein für jüdische Wohlfahrtspflege e. V. in Fulda hat ein schönes Anwesen zur Errichtung eines Altersheims erworben. Das Haus liegt in ruhiger Gegend, ist mit Garten umgeben, hat Zentralheizung, Bad und in einigen Zimmern fließendes Wasser. Für gute Küche und Verpflegung wird gesorgt. Es ist hier älteren Ehepaaren oder alleinstehenden Personen Gelegenheit geboten, zu mäßigem Preise ein behagliches Heim zu finden. - Es beabsichtigt, dass Heim im Laufe des nächsten Frühjahrs zu eröffnen. Anmeldungen werden bei dem Vorsitzenden des Vereins, Herrn Gustav Nußbaum, Fulda, Bahnhofstraße 3, entgegengenommen." 
 
Artikel in der "Jüdisch-liberalen Zeitung" vom 21. Januar 1931: "Fulda. (Vom jüdischen Altersheim.) Der Verein für jüdische Wohlfahrtspflege hat Baulichkeiten erworben, die der Errichtung eines Altersheim dienen sollen. Alle neuzeitlichen Forderungen (Bad, fließendes Wasser in mehreren Räumen, Zentralheizung) werden erfüllt; das Haus liegt außerdem in ruhiger Gegend, ist von Gärten umgeben und erweist sich auch dadurch seiner Bestimmung gemäß. Ältere Ehepaare und alleinstehende Personen sollen in dem Heim, dessen Inbetriebnahme im nächsten Frühjahr beabsichtigt ist, Aufnahme finden."       
 
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und Waldeck" vom 9. Januar 1931: 
Ähnlicher Bericht wie im "Israelit" bzw. in der "Jüdisch-liberalen Zeitung" siehe oben.     

   
Über das Misrachi-Lehrgut Geringshof bei Hattenhof (1927 noch in Rodges / 1932)  
Anmerkung: siehe den Fulda-Wiki-Artikel Gehringshof: http://fuldawiki.de/fd/index.php?title=Gehringshof   und http://de.wikipedia.org/wiki/Gehringshof 
Hinweis: Die Kibbuz-Haddati-Bwegung war 1924 zunächst in Betzenrod (Ortsteil von Eiterfeld) gegründet wurden und 1926/27 nach Rodges (Stadtteil von Fulda) umgezogen. Da Rodges zu klein war, zog die Gruppe schließlich 1929 auf den Gehringshof am südwestlichen Rand der Gemarkung von Hattenhof (Ortsteil von Neuhof im Landkreis Fulda).        

 Fotos aus dem 
Lehrgut Gehringshof 
(Quelle: Fotoarchiv von 
Yad Vashem Jerusalem
Gehringshof 10264873634923053525.jpg (238773 Byte) Gehringshof 16529284274049206212.jpg (137785 Byte) Gehringshof 392377001612151326.jpg (177481 Byte) Gehringshof 7772391540755818102.jpg (248085 Byte)
 
Unwetterkatastrophe auf dem Misrachi-Lehrgut (1927) 
Anmerkung: da das Misrachi-Lehrgut 1926/27 von Betzenrod nach Rodges umgezogen ist, wird sich die berichtete Unwetterkatastrophe nicht in Betzenrod, sondern in Rodges ereignet haben, zumal im zweiten Bericht von der "ersten Ernte" die Rede ist, die durch das Unwetter vernichtet wurde.     
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und Waldeck" vom 26. August 1927: "Fulda (Unwetterkatastrophe auf dem Misrachi-Lehrgut). Von dem Lehrgut des Misrachi, Betzenrod bei Fulda, wird gemeldet, dass bei den starken Unwettern der letzten Wochen dort aus außerordentlich starker Hagelschlag niedergegangen ist, der fast die ganze Ernte des Gutes vernichtete. Es ist ein Schaden von annähernd 5000 Mark entstanden, der das blühende Gut in seinem Bestande stark gefährdet. Eine Hilfsaktion für die Siedlung, wo fünfzehn Chaluzim unter dem Diplom-Agronomen Moses Unna ihre Ausbildung empfangen, ist in die Wege geleitet."   
 
Artikel in der "Jüdischen Wochenzeitung für Kassel, Kurhessen und Waldeck" vom 27. Januar 1928: "Rodges (Fulda). Die zionistische Föderation 'Misrachi' unterhält ein jüdisches Lehrgut in Rodges bei Fulda, das vor seiner ersten Ernte durch eine Unwetterkatastrophe heimgesucht wurde. Infolge des hierdurch entstandenen beträchtlichen finanziellen Schadens ist die weitere Ausbildung der zur Zeit auf dem Gute weilenden misrachistischen Chaluzim gefährdet. Nachdem schon die Gemeinde Frankfurt am Main beihelfend Mittel zur Verfügung gestellt hat, hat nunmehr auch die Gemeinde Berlin nach einem befürwortenden Referat des Vorsitzenden der Volkspartei, Dr. Klee, in der letzten Repräsentantenversammlung einen entsprechenden Zuschuss bewilligt. Es steht zu hoffen, dass der Betrieb des Lehrgutes ohne Einschränkung weitergeführt werden wird."     
 
Bericht von einem Ausflug zum Lehrgut Gehringshof (1932)  
Anmerkung: hinter Gehringshof steht noch "Rodges", doch war das Lehrgut inzwischen von Rodges nach Gehringshof umgezogen.   
Fulda Gehringshof Israelit 09061932a.jpg (410260 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 9. Juni 1932: "Erez Israel-Luft in der Rhön.
Ausflug nach dem Lehrgut Gehringshof (Rodges). 
Die jüdische Kolonie, die ich am Sonntag besuchte, liegt nicht am Jordanufer oder am Emek, sondern im weniger heiligen Fuldaer Ländchen. Die Reise dahin ist ein wenig beschwerlicher als nach den Bergen Judäas. Ist man einmal in Palästina gelandet, dann ist man da und Schluss! Wenn man aber hier, nachdem man volle vier Stunden in der Holzklasse eines bedächtig dahinkriechenden Personenzügleins tüchtig gerüttelt worden ist, vor einem Bahnhöfchen mit der Aufschrift 'Kerzell' haltgemacht, dann beginnt erst die eigentliche Fahrt, mit einem Pferde- oder Ochsengespann durch eine Dorfstraße und über unebene Feldwege, bis zur Kolonie. Auch sonst fallen manche wesentliche Unterschiede ins Auge. Es fehlt die duftende Orange, die liebliche Olive, es blüht keine Palme und keine Zeder. Und was da im bläulich-weißen Kopftuch sehr von der Ferne und von oben herab winkt, ist nicht der Hermon oder der Tabor, sondern die Wasserkuppe hinter den schwarzbewaldeten Bergstraßen der Rhön. Sonst stimmt so ziemlich alles!
Vor allem die Menschen, sie sind ganz palästinensisch, in Kleidung, in Stimmung, in Ton und Einstellung. Zwei junge Juden, bäuerlich wie alle jungen Bauern der Umgegend, erwarten uns am Bahnhäuschen mit dem gelbgestrichenen Landauer, der von zwei feurigen Braunen gezogen wird. Als führen wir in Deganja oder Kefar Chassidim ein, jubelt der Führer, knallt mit der Peitsche und schnalzt mit der Zunge, da die erste jüdische Wiese sichtbar wird: 'Die ist unser! --- Und die hundertfünfzig Schafe, die da weiden, auch! Und auch der Schäfer! Seht, wie er gerade einem Schäfchen die Klauen manikürt! Auch ein Chawer, der Schäfer nämlich. Und hier die beiden Teiche sind von uns angelegt, es werden darin Karpfen und Forellen gezüchtet. Und die beiden Gemüsegärten, vorne der große und daneben der kleine! Und die in frischem Grün prangenden Äcker; 250 Morgen weit! Und sogar das lange Waldstück dahinter, alles uns, uns, uns! Wir bewirtschaften es.' -
Wer sind 'Wir?' Durch den echten rechten Bauernhof, mit allem, was zu einem Bauernhof gehört: dampfende Düngerhaufen, Scheune, Stallungen, Hühnerhaus usw. gelangen wir in das Wohnhaus und finden darin 42 junge Menschen, wie wir ihnen mir 'Scharon' und im 'Emek' zwei Wochen lang täglich begegneten, die aber hier in den Bergtälern der Rhön für uns doch eine gewaltige Überraschung sind. Die Einfachheit und Natürlichkeit sind stark betont in Kleidung, Wohnung, Nahrung, auch im Verkehr zwischen den Chawerim. Und das alles wirkt so erfrischend, wie die würzige Luft aus den nahen Fichten- und Birkenwäldern.
Keinem wäre es eingefallen, den Rock, der nur für den Stadtbesuch reserviert ist, zu Ehren des Besuchs anzuziehen. In Kniehose und Sporthemd mit hoch aufgekrempelten Ärmeln, dazu noch derbe Stiefel oder Holzschuhe an den Füßen und ein winziges Käppchen auf dem Kopf, so hantieren die jungen Menschen mit Spaten und Rechen, im Feld und im Garten. Vierzehn Mädels sind darunter, derb und einfach angezogen, natürlich und freundlich im Tone und emsig bei der Arbeit im Stall, in der Küche, im Keller, beim Butterschlagen oder Käsemachen. 'Trinken Sie Kaffee' mit?' Es gibt keine großen Einladungen. Man tut gut, gleich zu bejahen, denn die Frage wird nicht wiederholt. Man setzt sich auf die schmale harte Bank oder einen brüchigen Stuhl und ist Kamerad unter Kameraden. Ein ganzer Berg gutgebackener bäuerlich schwarzer und dicker Brotscheiben häuft sich auf dem rohgezimmerten Tisch. Dazu werden in feierlicher Prozession fast mit klingendem Spiel von den beschürzten Mädels ganze Waschkessel (wenigstens der Form nach) zarten, blütenweißen Schmierkäses aufgefahren, harmonisch betupft mit grünen Lauch- und Zwiebelpünktchen. 'Greif hinein ins volle Leben!' d. h. in die volle Käseschüssel. Sie wandert den weiten Weg über den Tisch von Pol zu Pol. Alles ist eigenes Gewächs, selbstgemacht. Wie mir scheint, auch die Kaffeebohnen, aus denen der braune Saft, der, wie sich's gehört, in Blechtassen verzapft wird, gebraut wird. Dafür dampft die warme Milch aus den bauchigen Blechkannen, als wären diese die Fortsetzung der gesegneten Euter im Stalle. In wenigen Minuten ist das alles vom Tische wie weggefegt. War das eine Kaffeetafel! Ich habe sie selten im Leben schöner, schmackhafter und erquickender genossen.
U. a. w. g. Und alsdann wird gebenscht, sogar mit Minjan, auch nach jedem Kaffeeimbiss. Kurz und bündig, wie sichs für schaffende Menschen gehört. Auf zur Arbeit!
Es glucken die Hennen im Hühnerhause, die Nester müssen der Eier entleert werden; es dampft die Brutmaschine Es summen die Bienen im Bienenkäfig; die Rosen und Blumen müssen gegossen und die Gäule gefüttert werden; die Schäfchen kehren heim und müssen in ihre Pferche; in den Teichen muss den jungen Fischen Nahrung gegeben werden.
'Und im Stall die Kuh, macht muh, muh! ...'
Inzwischen ziehe ich mich ins 'Misrad' (das Büro) zurück, wo der oberste Leiter, Direktor in Kniehose und Hemdsärmeln mit schwieligen Händen, der treffliche Rudi Herz und der Sekretär, akademisch gebildeter Handelslehrer von Beruf, mir liebenswürdig die nötigen Auskünfte erteilen. Zu den 42 Menschen, die zur Zeit das Lehrgut bevölkern, kommen nächste Woche noch zwölf vom freiwilligen Arbeitsdienst dazu. Die Schlafräume sind etwas eng, aber man richtet sich ein. Man ist ja nicht zur Kur hier, sondern um etwas zu lernen und – Anspruchslosigkeit, Einfachheit, Genügsamkeit sind gute Dinge für das Leben. Die Lehrzeit beträgt in der Regel zwei Jahre. Zu gut 70 Proz. sind die Schüler Kinder deutscher Eltern, denen andere Lieder in die Wiege gesungen wurden. Viele haben höhere Schule, alle Jeschiwa besucht. Sie bewähren sich glänzend. Der Rest kommt aus Polen, Galizien, Rumänien, Holland, Tschechoslowakei. Unter den Mädchen ist sogar eine junge Engländerin, die sich gut anlässt. Fast alle sehen in Geringshof gewissermaßen nur einen Vorhof für Palästina. Alle arbeiten fleißig und mit Begeisterung, von einer Idee beseelt, von einem Lebensziel angetrieben, alle fügen sich willig den Anordnungen des Leiters, obwohl dieser den Vorgesetzten nie hervorkehrt und nur Chawer unter Chawerim ist. Der kameradschaftliche Ton ist gegeben. Jeder und jede strebt mit jedem und jeder auf Du und Du. 
Fulda Gehringshof Israelit 09061932b.jpg (343584 Byte) 'Wie ist das kulturelle, das geistige und religiöse Leben?'
Es sind welche darunter, die ein hohes Maß an talmudischem Wissen besitzen und mit den anderen lernen. Welche dabei, die sich aus anderen geistigen Sphären zum jüdischen Pflichtbewusstsein durchgerungen haben und hier vom Milieu ganz erfasst wurden. Die Mädchen lernen in freier Zeit Tnach (= hebräische Bibel), Geschichte und Hebräisch (viele sind über 'Schalom' noch nicht hinausgekommen, aber es wird schon werden!) Der Sabbat ist ein Tag absoluter Ruhe und Erhebung, ist von morgens bis abends mit Andacht, Lektüre und Lernstunden angefüllt.
Ich kann einer Gemorohstunde beiwohnen und muss zuletzt sogar vor der versammelten Korona ein kurzes Referat über das Leben im neuen Palästina halten.
Wir besichtigen die verschiedenen Räume und Baulichkeiten. Sauber und zweckmäßig die Küchen- und Waschräume. In der Käserei alles blitzblank. Etwas eng die Schlafsäle oben.
Draußen im Hofe großer Betrieb. Im großen Garten wartet der Gärtner zwischen seinen Gemüse- und Blumenbeeten. Im Kuhstall stehen in Reih und Glied 25 Kühe, Kälber und Ochsen. Erstere bezahlen ihre gute Pflege täglich mit vollgefüllten Milchzubern, die es ermöglichen, dass das ganze gesetzestreue Fulda mit Milch, Butter und Käse versorgt wird. 150 prächtige Hühner im Hühnerstall liefern fleißig die Eier dazu. Jede Henne hat ihre Nummer und jede Kuh ihren Namen. Ihre Leistungen bei der Milch- und Eierproduktion werden gewissenhaft registriert. Auf den Feldern wächst der Roggen, der Hafer, auch etwas Weizen und besonders die Kartoffeln. Das Brot wird aus dem eigenen Korn hergestellt. Von den vier Gäulen im Stalle dürfen zwei sich noch nicht zur Ruhe begeben, sie werden uns nach Kerzell an die Bahn fahren müssen.
Die Arbeit beginnt frühmorgens mit dem Morgengebete und schließt abends um sieben. Nach getaner Arbeit folgen Moncho, Abendessen, Schiurim, Maariw, Kurse, anregende Unterhaltung. Man muss früh ins Bett, denn wenn gegen fünf Uhr – in der Erntezeit früher – die Sonne über den Wipfeln der Rhönwälder auftaucht und der stimmbegabte Hahn im Hühnerhause seinen Weckruf in den Hof hinauskräht, dann heißt das: 'Auf, zur Arbeit!...'
Dieser Geringshof ist der Nachfolgestaat des früheren misrachistischen Rodges. Er wird erhalten vom 'Vereine Jüdische Landwirtschaft' (Sitz in Frankfurt) und von einigen verwandten Organisationen (auch von Agudas Jisroel) unterstützt. Die jungen Menschen zahlen, soweit sie bemittelt sind, ein Minimum, das aber bei weitem für die Unterhaltungskosten nicht ausreicht, umso weniger das Lehrgut nicht unter den Gesichtspunkten der Rentabilität arbeiten kann, sondern alles pflanzen und bauen muss, was zur vollen Ausbildung der Schüler beiträgt. Die zionistische Organisation gewährt einen Zuschuss, doch darf das Lehrgut nicht als ein an eine politische Organ gebundenes Institut angesprochen werden. Alle seine Menschen legen durch Tat und Gesinnung mehr wert darauf, ein Brith Chaluzim Dathim (Bund religiöser Chaluzim) zu sein. Dieser Bund beschränkt sich nicht auf Geringshof, sondern erhält kleine Gruppen in der nahen und weiten Umgegend und sogar in Holland. Die jungen Menschen, die bei christlichen Bauern untergebracht sind (das System hat sich bei allen antisemitischen Strömungen gut bewährt), sind in kleinen Gruppen zusammengeschlossen, die sich selbst verpflegen und in steter Fühlung mit der Zentrale in Geringshof stehen. Die Sabbatruhe ist ihnen gesichert. Die größere Gruppe in Holland arbeitet selbstständig. Die Anmeldungen fließen in letzterer Zeit sehr reichlich, doch können mit Rücksicht auf den Raum – auch wenn mancherlei Voraussetzungen an Fähigkeit, Charakter und Gesinnung gestellt – nur wenige berücksichtigt werden. Zur Zeit ist ein Verein Freunde von Geringshof (Rodges) in Bildung begriffen, der Mitglieder mit dem kleinen Beitrag von einer Mark im Monat zu gewinnen sucht. Das Kuratorium mit dem Sitz in Frankfurt a. M. (Vorsitzender Herr Benno Kohn), ebenso das Büro in Gehringshof nehmen Mitgliedsanmeldungen und Beiträge entgegen.
Bauern aus der Umgegend kommen Sonntagnachmittag, um das 'Judengut' zu bestaunen. Sie stehen wie vor einem Wunder in den sauberen Stallungen, vor den bestens gepflegten Äckern und Gärten. Sie lernen in Bezug auf die landwirtschaftliche Eignung der Juden um, und gestehen es offen ein. Das Verhältnis zu der Bevölkerung der umliegenden Dörfer ist das denkbar beste. Die Bauern vom Hattenhof grüßen die 'Geringhofer' schon längst mit 'Schalom!...'
Es dunkelte bereits, als uns die zwei strammen Braunen den Feldweg – er wird von den jungen Juden alle paar Tage mit eigenen Händen gesäubert und geebnet – zur Bahn hinunterfuhren. Der jetzt auf dem Bocke saß und mit den Gäulen hebräisch sprach, war ein junger Mensch, der früher in einer deutschen Großstadt die höhere Schule besuchte. Ein echtes rechtes palestinensisches Kewuzahleben mitten in den Wäldern des Fuldaer Ländchens; 'Aulim', die von allen jüdischen Träumen täglich mehr in die Wirklichkeit steigen. 
Wir wissen nicht, wie die anderen, überall verstreuten jungen Menschen vom Brith Chaluzim Dathim geartet und eingestellt sind. Sollten sie alle von dem guten Geiste geleitet sein, wie er in ihrer Zentrale in Geringshof herrscht, dann sollten wir in der Orthodoxie diesem Unternehmen der Hachschara volles Interessante zuwenden."  

   
Jüdische Viehhändler werden schikaniert (1934)      

Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 29. November 1934: "Fulda. Auf dem Viehmarkt zu Fulda wurden, nach einer Mitteilung des 'Deutschen', mehrere jüdische Viehhändler angezeigt, dass sie das Vieh um acht Uhr morgens noch nicht gemolken hätten, sodass die Kühe Schmerzen erdulden mussten. Einer der Händler sei deswegen in Schutzhaft genommen worden."       

  
Provinzialrabbiner Dr. Leo Cahn empfiehlt Sabbat
ofen (1935)    

Fulda Israelit 03101935.jpg (79756 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 3. Oktober 1935: "Fulda, 2. Oktober (1935). Herr Provinzial-Rabbiner Dr. Leo Cahn schreibt uns: Da in vielen Orten die Frage der Möglichkeit selbsttätiger Entzündung eines Ofens am Schabbos, die dem Din (Rabbinatsgericht) entspricht, aktuell geworden ist, sei darauf hingewiesen, dass Herr Lehrer Oppenheim - Rhina, einen von seinem Bruder konstruierten Apparat besitzt, der einen am Freitag mit Brandmaterial gefüllten Ofen zu gewünschter Zeit am Sabbat Vormittag in Brand setzt. Der Apparat kostet 2.- bis 3.- Mark und kann bei jedem Ofen, dessen Verschlusstüre eine kleine Öffnung hat, verwertet werden. Notfalls ist eine derartige Türe neu anzubringen. Außerdem besteht die Möglichkeit, einen kleinen Raum mit einer Grude zu beheizen. Keinesfalls darf ein Jehudi, außer bei Lebensgefahr, selbst am Schabbat Feuer anmachen."         

   
Der jüdische Viehhandel wird "restlos ausgeschaltet" (1936)  

Fulda Israelit 12111936.jpg (36025 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 12. November 1936: "Berlin. Die 'Fuldaer Zeitung' schreibt: 'In Zusammenarbeit mit der Partei wird im kommenden Winter der jüdische Viehhandel im Landkreise Fulda restlos ausgeschaltet werden. Es darf auch hier gesagt werden: 'Wer nicht will, wird müssen!'"      

   
Bitte des Jüdischen Lehrgutes Gehringshof (1936)  

Fulda Israelit 12111936a.jpg (26372 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 12. November 1936: "Fulda, 5. November (1936). Das Jüdische Lehrgut Gehringshof, Hattenhof bei Fulda benötigt dringend eine gut erhaltene Schreibmaschine, sowie einen Büroschrank. Mitteilungen erbeten an obige Adresse sowie an die beiden Hanhaloth Berlin und Frankfurt am Main."    

  
Bericht von Provinzialrabbiner Dr. Leo Cahn über seine Palästinareise (1937)  

Fulda Israelit 03061937.jpg (90373 Byte)Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 3. Juni 1937: "Fulda, 1. Juni (1937). Eine erhebende Weihestunde durften wir am vergangenen Sabbat erleben. Unser verehrter Raw, Herr Provinzialrabbiner Dr. L. Cahn, der von einer Reise aus Erez Jisrael zurückkehrte, nahm bei einer Predigt die Gelegenheit wahr, einen kleinen Ausschnitt seiner Reiseerlebnisse zu geben. Anknüpfend an das Haftora-Wort schilderte er in begeisterten und begeisternden Worten den Eindruck, den er vom Heiligen Land mitnahm. Er hatte dort die Jeschiwot besucht und gesehen, wie sich da junge, lernbeflissene Menschen mit glühendem Eifer dem Torastudium hingeben. In den Kibbuzim lernte er junge Leute kennen, die sich ihrer Aufgabe mit bewundernswertem Idealismus widmen. Besonders ergreifend war die Beschreibung, wie sich am Schwuausfeste (Schawuoth-Fett = Wochenfest) die jüdischen Massen zur Heiligen Maurer (= Westmauer, "Klagemauer" in Jerusalem) drängten, um das Mussaf-Gebet zu verrichten. Mit einem Appell, durch reiche Spenden dazu beizutragen, dass die etwa beschäftigungslosen Bebauer des Erdbodens während des bevorstehenden Schmitto-Jahres (= Sabbatjahr, vgl. Wikipedia-Artikel) nicht notleiden müssen, schloss der verehrte Redner seine meisterhaften Ausführungen."     

  
Kinderspeisung in der jüdischen Gemeinde (1938)    

Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 28. Juli 1938: "Fulda, 25. Juli (1938). Dank der Initiative des Herrn Gemeindevorsitzenden Salomon Nussbaum konnte, ähnlich wie im Vorjahre, auch in diesem Jahr während der Ferien eine Kinderspeisung veranstaltet werden. Als Einleitung hierzu fand am Sonntag, den 10. dieses Monats eine kleine Feier statt, zu der neben den zu betreuenden Kindern eine größere Anzahl Damen und Herren erschienen. Herr Nußbaum eröffnete die Feier mit einer eindrucksvollen Ansprache, worin er eine Rückschau hielt und den Kindern in trefflichen Worten vor Augen führte, warum man ein Hauptaugenmerk auf die Körperpflege der Kinder richte. Anknüpfend daran mahnte Herr Lehrer Möller die Kinder, ihr Leben einstmals toratreu zu führen und es so zu gestalten, wie es in der Schule gelehrt wird. Herr Lehrer Sonn hob das segensreiche Wirken des Herrn Nußbaum hervor und machte die Kinder aufmerksam, dass sie diesem Herrn und allen, die bei dem Liebeswerk mithelfen, großen Dank schuldig seien.  
Herr Dr. Löwenstein
legte den Kindern in längeren Ausführungen dar, wie sie zur Pflege ihres Körpers und Förderung ihrer Gesundheit die Ferien verbringen sollen. Mit der Überreichung einer Süßigkeit an die Kinder war die Feier beendet."     

      
        

        

        

        

       

       

 

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Stand: 16. November 2014