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Schlüchtern (Main-Kinzig-Kreis)
Jüdische Geschichte / Synagoge
Übersicht:
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde (english
version)
In Schlüchtern
bestand eine bedeutende jüdische Gemeinde bereits im Mittelalter.
Bereits am Anfang des 13. Jahrhunderts dürften Juden in der Stadt gelebt haben.
Auf dem alten jüdischen Friedhof in Schlüchtern wurden 1235 34 Märtyrer
aus Fulda beigesetzt, denen die Ermordung von christlichen Kindern am
Weihnachtsabend nachgesagt wurde. Im 14. Jahrhundert flüchteten mehrere
jüdische Familien aus Fulda nach Schlüchtern, wo sie Aufnahme fanden. Einige
von ihnen stammten ursprünglich aus Frankreich beziehungsweise aus Spanien und
Portugal. Von großer Berühmtheit ist der jüdische Minnesänger Rabbi Isaak
alias Süßkind von Trimberg (R. Isaak hamachuna Süßkind me
Trimberg, geb. 1218, gestorben um 1298). Er stand unter dem Schutz Albert
von Trimbergs, der Schirmherr des Klosters Schlüchtern und Gerichtsherr in der
Stadt war. Süßkind von Trimberg kam immer wieder nach Schlüchtern, wo er nach
dem Schlüchterner Memorbuch (1694 angelegt) auch gestorben und im alten jüdischen
Friedhof beigesetzt wurde.
Auch im benachbarten Steinau lebten Juden im
Mittelalter. Das jüdische Wohnviertel war im Bereich des Steinweges. Im
Zusammenhang mit der Judenverfolgung in der Pestzeit wurde die Gemeinde
vernichtet. Danach gab es am Ort keine jüdische Gemeinde mehr. Einige Überlebende
konnten später wieder in der Umgebung leben (in dem 1496 abgegangenen Ort
Ratzerod, zwei sephardische Familien in Schlüchtern), andere wanderten nach
Polen aus.
Im 18. Jahrhundert wurden an jüdischen Einwohnern gezählt: 1707 13
Familien, 1753 90 jüdische Einwohner, 1761 17 Familien, 1776 105 Personen, 1787
33 Familien.
Die Zahl der jüdischen Einwohner entwickelte sich im 19. Jahrhundert
wie folgt: 1811 41 Familien, 1827 287 jüdische Einwohner (15,5 % von
insgesamt 1.878 Einwohnern), 1835 298 (14,1 % von 2.114), 1861 274 (12,6 % von
2.172), 1871 277 (11,7 % von 2.371), 1880 362 (14 %), 1885 372 (14,1 % von
2.635), 1895 375 (13,7 % von 2.745), 1905 395 (13,2 % von 2.998). Zur jüdischen
Gemeinde Schlüchtern gehörten auch die wenigen in Elm
leben jüdischen Personen (1835 16, 1861 2, 1905 4 Personen).
An Einrichtungen bestanden in der streng orthodox geprägten Gemeinde:
eine Synagoge (s.u.), eine jüdische Schule (Religionsschule, zeitweise
Elementarschule; im Schulhaus neben der Synagoge, heute das der ehemaligen
Synagoge benachbarte Wohnhaus beim Kuki-Schaukasten), ein rituelles Bad (im
Schulhaus) sowie ein eigener Friedhof (beziehungsweise zwei
Friedhöfe). Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war ein Lehrer
angestellt, der zugleich als Vorbeter und Schochet tätig war. Unter den Lehrern
sind bekannt: More Schwarzschild (1867-ca. 1918), Lehrer Hes (1921), A. Berlinger
(um 1924/28, wechselte im Frühjahr 1929 an die jüdische Volksschule in München), Kohn (bis 1930), danach Ludwig Seckbach.
Im 19. Jahrhundert war Schlüchtern Rabbinatssitz. Es amtierten als
Rabbiner bis 1836 Michel Abraham Gabriel, von 1836 bis 1874 Dr. Moses
Schwarzschild, dessen Sohn More Schwarzschild über 50 Jahre Lehrer in der
Gemeinde war.
Im Ersten Weltkrieg fielen aus der jüdischen Gemeinde: Emil Levi (geb.
31.7.1891 in Schlüchtern, gef. 1.10.1918), Julius Levi (geb. 21.5.1878 in
Kassel, gef. 22.7.1916), Emil Oppenheimer (geb. 5.6.1887 in Schlüchtern, gef.
13.4.1918), Aron Rothschild (geb. 5.6.1885 in Schlüchtern, gef. 25.12.1916),
Max Rothschild (geb. 30.12.1896 in Schlüchtern, gef. 21.4.1917), Michael Max
Rothschild (geb. 15.9.1885 in Schlüchtern, gef. 25.9.1915), Isidor Seelig (geb.
7.12.1895 in Schlüchtern, gef. 17.8.1918), Hermann Seelig (geb. 8.10.1887 in
Schlüchtern, gest. an der Kriegsverletzung 29.12.1919), Arthur Schwarzschild
(geb. 5.5.1890 in Schlüchtern, gef. 6.5.1917) und Gefreiter Max Sondheimer
(geb. 27.5.1893 in Schlüchtern, gef. 15.9.1914). Außerdem ist gefallen: Isak
Rothschild (geb. 18.9.1894 in Schlüchtern, vor 1914 in Schweinfurt wohnhaft,
gef. 21.11.1915).
Hinweis: in verschiedenen Listen wird zusätzlich der Offiziersstellvertreter
Alexander Hanauer in der Gefallenenliste von Schluchtern (mit Geburtsort Schlüchtern
(Hessen) geführt; die Recherchen von Elisabeth Böhrer ergaben jedoch die
eindeutige Zuordnung von Hanauer zur Gemeinde Schluchtern
in Baden.
Um 1924, als etwa 400 Personen der jüdischen Gemeinde angehörten,
waren die Vorsteher Jakob Hirsch Rothschild (Vorsteher seit 1903; siehe
unten Bericht zu seinem 25-jährigen Amtsjubiläum 1928) und David Goldschmidt.
Als Religionslehrer war Lehrer Berlinger tätig, als Kantor und Schochet
Wolf Brünn. An der Religionsschule wurden 52 Kinder unterrichtet (1931/32: 36
Kinder). An jüdischen Vereinen bestanden die Vereinigte Alte und
Junge Brüderschaft (1932 unter Leitung von Leo Sichel, Zweck und
Arbeitsgebiet: Unterstützung Hilfsbedürftiger und Kranker, 1932 70 Mitglieder),
der Frauenverein e.V. (gegründet etwa 1875, Zweck und Arbeitsgebiet:
Unterstützung Hilfsbedürftiger, 1932 unter Leitung von Lea Rothschild), die Gemeinde-Armenkasse
(1932: Örtliche Zentrale für jüdische Wohlfahrtspflege. Freiwillige
Armenkasse für Wohlfahrts- und Wanderarmenfürsorge, gegründet 1910, Träger:
Synagogengemeinde, Zweck und Arbeitsgebiet: Unterstützung Hilfsbedürftiger und
Wanderfürsorge, 1932 Vorsitzender Meier Wolf, 60 Mitglieder) sowie einen
Mendelssohn-Verein (Vorsitzender Hugo Wolf). Die Gemeinde war dem Rabbinatsbezirk
Hanau zugeteilt. 1932 waren die Vorsteher der Gemeinde: Meier Wolf
(1. Vors.), Lion Goldschmidt (2. Vors.) und Leo Rothschild (3. Vors.). Als
Lehrer war inzwischen Ludwig Seckbach angestellt. Als Kantor wirkte
weiterhin Wolf Brünn.
1933 lebten etwa 400 jüdische Personen in der Stadt. In den folgenden
Jahren ist ein Teil der jüdischen Gemeindeglieder auf Grund der zunehmenden
Entrechtung und der Repressalien weggezogen beziehungsweise
ausgewandert. Bereits im Sommer 1933 sind 91 Personen aus Schlüchtern
weggezogen. Beim
Novemberpogrom 1938 kam es zu schweren Ausschreitungen in der Stadt:
dabei wurde die Synagoge geschändet und verwüstet (s.u.), die Ritualien
verbrannt. Der alte jüdische Friedhof
wurde geschändet. Die Männer der jüdischen Gemeinde wurden für mehrere Wochen in
das KZ Buchenwald verschleppt. Ende 1939 wurden nur noch 29 jüdische Einwohner
in Schlüchtern gezählt, 1942 noch 26. Die meisten waren inzwischen in andere
Orte/Städte verzogen, etwa 50 Personen konnten emigrieren (30 in die USA, 9 nach
England, 6 nach Palästina, einige nach Holland, Frankfurt und Südafrika).
Von den in Schlüchtern geborenen und/oder längere Zeit
am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit umgekommen
(Angaben nach den Listen von Yad Vashem,
Jerusalem und den Angaben des "Gedenkbuches
- Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945", ergänzt nach den Angaben
auf der Gedenkstele des alten jüdischen Friedhofes in Schlüchtern): Rosa
Abeles geb. Katz (1893), Abraham Adler (1875), Adolf Adler (1893), Bernhard
Adler (1878), Betti Adler geb. Wolf (1878), Emilie Adler geb. Mann (1871), Emma
Adler (1889), Hanna Adler geb. Grünebaum (1883), Johanna Adler (1883), Julie
(Julia) Adler geb. Sacki (1878), Löb Adler (1861), Siegfried Adler (1908), Simon Adler (1910), Sofie Adler geb. Strauß
(1881), Thekla Adler (1887), Bella Aul geb. Reis (1883), Josef Baer (1869), Ida Baum
geb. Nußbaum (1899), Minna (Mina) Baum geb. Strauß (1869), Bella Benario geb. Sichel (1875), Jenny Bender geb. Stern
(1878), David Berliner (1858), Regina Bössmann geb. Levi (1873), Else Brandt geb. Schwarzwälder
(1893), Clara David geb. Rothschild (1884), Mathilde (Tilde) Dannenbaum geb. Walter (1882), Clara David geb. Rothschild (1884), Hildegard
Denneboom geb. Preis (1919), Rosa Dinner geb. Levy (1894), Johanna Hindel Freienstein (1874),
Felix Goldschmidt (1895), Juda
(Judel) Goldschmidt (1897), Lina Lilly Goldschmidt geb. Birk (1900), Max Meier Goldschmidt (1871),
Rosa Goldschmidt geb. Adler (1879), Salomon Goldschmidt (1870), Blanka Grünebaum
(1919), Hugo Grünebaum (1878), Johanna Grünfeld
(1896), Rose (Rosa) Grünfeld geb. Hecht (1868), Lazarus Hecht (1875), Max Mayer Hecht
(1881), Selma Höxter geb. Oppenheimer (1881),
Lilly Kahn geb. Stern (1900), Clara Katzenberger geb. Sichel
(1884), David Katzenstein (1876), Rosa (Röschen) Katzenstein geb. Blumenbaum (1869), David
Levy (1900), Amalie Löb geb. Seelig (1876), Rena Lena Loeb geb. Seelig (1890),
Margarete (Grete, Gretel( Mantel geb.
Wolf (1894), Jakob May (1886), Flora Neuhof geb. Goldschmid (1883),
Henriette Neuhof (1886), Jakob Neuhof (1889), Leo Neuhof (1882), Meta (Martha, Metha)
Neuhof geb. Seelig (1893), Rosel Neuhof geb. Löwenstern (1891), Siemund Neuhof
(1878), Siegmund Neuhof (1940), Betty (Betti) Nossbaum (1888), Fanny (Fanni)
Nossbaum (1888), Leopold Nossbaum (1887), Salomon Nossbaum (1879), Sidoni (Toni) Nussbaum geb.
Oppenheimer (1883), Cilly (Silli, Cilli) Oppenheimer (1886), Moses Oppenheimer (1872), Nathan Oppenheimer (1885), Viktor Oppenheimer (1886), Ernst
Moritz Rosenbaum (1910), Max Rosenbaum (1882), Max Rosenbaum (1899), Johanna
Rosenstein geb. Goldschmidt (1878), Betti (Betty)
Rothschild (1896), Emanuel (Mendel) Rothschild (1862), Hugo Rothschild (1901),
Mathilde Rothschild (1885), Meier (Maier) Rothschild (1884), Emanuel (Mendel) Rothschild (1862), Berta Schloss
geb. Rotschild (1899),
Regina (Regine) Schloss (1924), Moritz (Moses) Schwarzschild (1880), Aron Seelig (1879), Felix Seelig
(1893), Hannchen (Johanna) Seelig (1868), Jette (Jettchen) Seelig geb. Adler (1860), Karl Seelig
(1895), Bella Seemann geb. Nossbaum (1883), Moritz Seemann (1883), Abraham Sichel (1873), Fanny
(Franziska) Speier (1873),
Johanna Stern geb. Goldschmidt (1879), Anna
Strauss geb. Rosenberger (1884), Jenni Strauß geb. Rosenbaum (1874), Liebmann
Strauss (1883), Betti Tannenberg geb. Oppenheim (1882), Albert Vogel (1884),
Hedwig Vogel geb. Katz (1891),
Alfred Wallenstein (1923), David Wallenstein (1894), Emmi (Emma, Aenni, Änni,
Anne) Wallenstein geb. Adler
(1901), Fanny Weinberg geb. Katzenstein verw. Mayer (1891), Recha Weinberg (1879), Rosa
(Rosel) Weinstein geb. Wolf (1893),
Mathilde Wetterhahn geb. Neuhof (1880), Bernhardine Windmüller geb. Hoffmann
(1877), Bella Wolff geb. Walter (1881). An die umgekommenen Schlüchterner Juden
erinnert eine Gedenktafel in der ehemaligen Synagoge in der Grabenstraße.
Anmerkung zur Recherche über Yad Vashem: bei zahlreichen Personen gibt es
bei Yad Vashem keine klare Unterscheidung zwischen Schlüchtern und der Gemeinde
Schluchtern
(Gde. Leingarten, Kreis Heilbronn); daher sind - soweit erstellt - die ausgefüllten Blätter mit
heranzuziehen. Auch im Gedenkbuch des Bundesarchives Berlin kommen
Verwechslungen zwischen Schlüchtern und Schluchtern vor.
1945 kehrten nur
Alexander Kohn (geb. 1893) und seine Frau Paula (geb. 1897) nach Schlüchtern
zurück in ihre frühere Wohnung in der Obertorstraße 34. Sie waren die einzigen
jüdischen Rückkehrer im ganzen Kreis Schlüchtern, in dem es vor 1933 elf
jüdische Gemeinden mit rund 900 Mitgliedern gegeben hatte. Zur Geschichte des
Ehepaares Kohn siehe den Beitrag von Ernst Müller-Marschhausen (s.Lit.).
Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Die Texte sind auf einer weiteren
Seite zu Schlüchtern eingestellt (interner Link)
Zur Geschichte der Synagoge
Es ist nicht bekannt, ob bereits im Mittelalter ein Betsaal
oder eine Synagoge vorhanden war.
In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts (vor 1671) wurde eine
Synagoge am Obertor erbaut (Obertorstraße 33). Es handelte sich um einen
Fachwerkbau mit Hallengeschoss, Satteldach, Krüppelwalmen und sechs großen
Rundbogenfenstern von 3,40 Meter Höhe (vgl. Foto unten). 1837
erfolgte ein Umbau, bei dem im Obergeschoss eine Frauenempore eingebaut
wurde. Bis 1895 wurde diese Synagoge verwendet.
Nachdem die alte Synagoge zu klein
geworden war und den Ansprüchen der Gemeinde nicht mehr genügte, wurde 1896
bis 1898 eine neue Synagoge im Bereich Grabenstraße / Weitzelstraße erbaut.
Vor dem Bau war an dieser Stelle der alte Stadtgraben zugeschüttet worden. Die Einweihung war
am 26./27. August 1898. Über die Einweihung liegt der nachfolgende
Bericht vor:
Die Einweihung der Synagoge am 27. August 1898
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 1. September 1898: "Schlüchtern,
28. August (1898). Die Zahl der Mitglieder der hiesigen israelitischen
Gemeinde hatte sich in den letzten zwei Jahrzehnten durch Zuzug aus den
Landgemeinden so vergrößert, dass die Synagoge denselben nicht mehr
genügend Platz bot. Da diese außerdem ringsum von einem Gebäudekomplex
dich umschlossen und die polizeiliche Schließung wegen Feuersgefahr zu
befürchten war, entschloss sich die Gemeinde unter Aufbietung aller ihrer
Kräfte ein neues Gotteshaus zu errichten.
In einem der schönsten Stadtteile, umgeben von duftigen Gärten, wurde
die neue Synagoge, prachtvoll von Außen und herrlich im Innern, im
romanischen Stile erbaut; gleichzeitig wurde der Bau eines neuen
Schulhauses mit Lehrerwohnung und einer Mikwe in Angriff genommen.
Die Einweihung der Synagoge fand vergangenen Freitag, am 26. dieses Monats
unter großen Fest- und Feierlichkeiten statt. Ich war Zeuge einer
wahrhaft freudig erhobenen Stimmung und Begeisterung, die nicht bloß bei
den Mitgliedern der hiesigen Gemeinde zum Ausbruche gelangte, die auch in
einer selten großen Anteilnahme von israelitischen Gemeinden aus der
Nähe und Ferne, deren Mitglieder zu Hunderten zu dieser Freude über
(eine Erfüllung eines) Gottesgebotes herbeiströmten, sich
dokumentierte.
Was die Festesfreude noch besonders steigerte, war der Umstand, dass man
bei dieser Gelegenheit die erfreuliche Wahrnehmung machen konnte, dass
unter den Mitbürgern der hiesigen Stadt Frieden und Eintracht herrscht,
und die 'Schmach des Jahrhunderts', der Antisemitismus, welcher den
Glaubens- und Rassenhass predigt, keinen Eingang gefunden. An den
Einweihungsfeierlichkeiten beteiligten sich der Herr Landrat, Gemeinrat
Roth, der Magistrat und die Stadtverordneten in corpore mit dem
Bürgermeister, Herrn Salomon an der Spitze. Dieselben wohnten nicht nur
dem Abschiedsgottesdienste in der alten Synagoge und der Einweihung des
neuen Gotteshauses bei, sondern schlossen sich auch dem Festzuge an. Herr
Landrat, Geheimrat Roth spendete bei Überreichung des Schlüssels zur
neuen Synagoge an Herrn Bürgermeisters, der Gemeinde für die Errichtung
des neuen Gotteshauses, das in seiner prachtvollen Schöne eine Zierde der
Stadt sei, großes Lob mit der Aufforderung, dass sämtliche Bürger der
Stadt demselben den wohlwollendsten Schutz gewähren lassen. Herr
Amtsrichter Zimmerman drückte in einem verbindlichen Schreiben an die
Synagogenältesten sein tiefes Bedauern aus, dass er amtlich verhindert
gewesen, der Festlichkeit anzuwohnen.
Um den Raum Ihres geschätzten Blattes nicht zu sehr in Anspruch zu
nehmen, versage ich mir auf die Einzelheiten der Feier einzugehen,
bemerken will ich nur, dass der Festzug und der Weihegottesdienst bei
allen Teilnehmern einen imposanten Eindruck hervorgerufen, dessen hehre
Wirkung noch lange andauern wird.
Aber besonders soll der Abschieds- und Weihereden des Herrn
Provinzialrabbiners Dr. Koref - sein Licht leuchte - aus Hanau
gedacht sein, der als bekannter Kanzelredner in tief gefühlten Worten - die
aus dem Herzen kamen und in das Herz eindrangen - die Bedeutung des
Weiheaktes in einer Weise zum Ausdruck brachte, welche die ungeteilte
Begeisterung aller Zuhörer hervorzurufen, nicht verfehlt hat. Herr
Landrat Roth drückte dem Herrn Rabbiner nach Schluss des Gottesdienstes
seine volle Anerkennung und Befriedigung aus.
Nicht minder ergötzte die Predigt beim Sabbat-Morgengottesdienst, welche
geistreich ausgeführt und von vielen Midraschim gewürzt einen
nachhaltigen Eindruck hervorgerufen hat.
Schließlich will ich nicht versäumen der Synagogenältesten, der Herren
J.M. Walther und B. Strauß und des Bauausschusses zu erwähnen, welche in
aufopferungs- und hingebungsvoller Weise die Errichtung des Prachtbaues
förderten und nicht Zeit und Mühe scheuten, um dieses Denkmal echt
jüdischer Opferwilligkeit und Zusammengehörigkeit ins Leben zu rufen.
Nicht vergessen darf ich, dass Herr Lehrer und Kantor M. Schwarzschild und
der wohlgeschulte Chor unter Leitung seines Dirigenten, Herrn Leo Stern
durch ihre schöne Gesänge, welche sich allgemeinen Beifalls erfreuten,
zur Verherrlichung des Festes und des Gottesdienstes wesentlich
beigetragen haben. Auch des wohl durchdachten und mit tiefem Gefühle
vorgetragenen Prologs des Fräulein Bella Strauß vor Eröffnung der neuen
Synagoge sei hiermit lobend gedacht. Die Frauen der israelitischen
Gemeinde spendeten ein prachtvolles Parochet (Toraschreinvorhang),
ein ebensolches Herr und Frau Nathan Oppenheim aus Kassel, letztere eine
geb. Sichel aus Schlüchtern. Beide Parochot sind in dem Atelier
des Sofer (Toraschreibers) B. Grünebaum in Kassel angefertigt.
Die jüdische Gemeinde Schlüchtern hat mit dem Neubau einer Synagoge, mit
der Errichtung eines neuen Schulgebäudes in einer neuen Mikwe
Institutionen ins Leben gerufen, die der Erbauung des innern Menschen, der
religiösen Erziehung der Jugend und der Förderung des echt jüdischen
Familienlebens gewidmet sind. Möge der Geist, der aus ihnen spricht und
resultiert, der Geist der Gottesfurcht und der Menschenliebe, der Geist
der Torakenntnis und ihre Betätigung für alle Zeilen ihren nachhaltigen
Einfluss ausüben.
Es dürfte die geehrten Leser des 'Israelit' interessieren zu erfahren,
dass die hiesige israelitische Gemeinde zu den älteren Gemeinden im
deutschen Reiche zählt. Das alte Memorbuch, das bis in die Mitte des 17.
Jahrhunderts zurückreicht, erwähnt an der Spitze (es folgen mehrere
Namen).
Bei der Vertreibung der Juden aus Fulda werden mehrere große Rabbiner und
Gemeindevorsteher aufgezählt, welche sich nach Schlüchtern flüchteten
und hier auf dem jüdischen Friedhof ihre Ruhestätte gefunden haben. J.K." |
Nachtrag; Über den Architekten der
Synagoge in Schlüchtern (1898)
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 8. September 1898: "Schlüchtern,
3. September (1898). In der vorjüngsten Nummer Ihres Blattes waren
verschiedene Mitarbeiter des hiesigen Synagogenbaues mit Namen genannt.
Leider vergaß man des Baumeisters des ganzen Werkes, des Herrn
Architekten Joseph Beitscher aus Wiesbaden, zu gedenken. Verstand er
es doch unter Leitung des Herrn Gemeindeältesten Strauß vor allen
Dingen, den sehr knapp bemessenen Bauplatz aufs prächtigste auszunützen
und das Gefüge trotz der sehr beschränkten Mittel so zu gestalten, dass
es sich mit ähnlichen Gebäuden, nciht nur der nächsten Umgegend,
sondern selbst der benachbarten Großstädte, in jeder Beziehung messen
kann. - Von den an dem Bau beschäftigten Künstlern wollen wir Herrn
Maler Martin aus Brückenau, der seiner Aufgabe vollständig gewachsen war
und sie aufs Beste löste, nicht unerwähnt lassen.
Vergessen darf ich nicht noch zu bemerken, dass auch neben einer Anzahl
hiesiger seitens auswärtiger Familien namhafte Spenden zu dem Bau
gestiftet wurden u.a. von Gebrüder Ehrlich in Paris, Julius Stern, David
Stern's Erben, Frankfurt am Main, Hanauerlandstraße, Benario, Marktbreit,
Deutsch-Israel. Gemeindebund, Berlin
u.a.m." |
Der Neubau der Synagoge wurde als eingeschossiger Zentralbau erbaut,
größtenteils aus roten Sandsteinquadern, von neuromanischen Stilelementen geprägt
(Radfenster, Rundbogenfries usw.). Die an den vier Schnittpunkten der
Grundrissfläche erbauten Türme sind unterschiedlich hoch und haben eine
unterschiedliche Form: rechteckig, polygonal und rund. In der Synagoge gab es etwa 300
Sitzplätze (168 für Männer, 134 für Frauen).
An besonderen Ereignissen in der Geschichte der Synagoge erfährt man unter
anderem von der Einweihung einer Torarolle 1930:
Artikel
in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 16. Januar 1930: "Schlüchtern,
29. Dezember 1930. Zu einer erhebenden Feier gestaltete sich am Schabbos
Chanukka das Fest der Einweihung einer Torarolle, die Herr Saffra -
Darmstadt in längsbekannter Meisterschaft angefertigt hatte. Die mit
herrlichen, aus freiwilligen Spenden aufgebrachten Kle Kaudesch
(sc. Toraschmuck) geschmückte Rolle, an der das von den Familien Jakob
Hirsch und Lea Rothschild gestiftete Mäntelchen besonders gefällt, wurde
vor der Toraverlesung von den Vorsteher eingeholt und mit allen anderen Seforim
(Torarollen) um den Almemor geleitet. Herrliche Gesänge des
Synagogenchors unter der bewährten Führung des Herrn Leo Stern,
klangschöne Soli unseres Kantors, Herrn Brünn, umrahmten die weihevolle
Handlung. In seiner Festpredigt feierte der am 1. Januar 1930 scheidende
Lehrer, Herr Kohn, den Tag im Glanze des dreifachen Lichts: in dem der
Weltschöpfung, der Tora und des Chanukkafestes. Mögen die Hoffnungen,
die der bedeutungsvolle Tag geweckt hat, sich in reichstem Maße
erfüllen!" |
Beim Novemberpogrom 1938 wurde die
Synagoge geschändet, ihre Inneneinrichtung zerstört. Die Kultgegenstände der
Synagoge wurden verbrannt.
Von 1939 bis 1945 wurde die ehemalige Synagoge als Lagerhalle zweckentfremdet.
1945 bis 1946 wurde das Gebäude auf Befehl der amerikanischen Militärregierung
wiederhergestellt (zu den damaligen Ereignissen vgl. unten den Beitrag von Ernst
Müller-Marschhausen über den "Selbstmord des Adam Niemann, siehe Literatur). 1950 bis 1969 war in ihr
eine Kleiderfabrik eingerichtet. Beim Umbau zur Fabrik wurde eine Betondecke auf Höhe der früheren Frauenempore
eingezogen. 1970 bis 1993 war die Weitzelbücherei im Synagogengebäude sowie ein Raum
für kulturelle Veranstaltungen. Eine Renovierung fand 1995 statt. Seit
Abschluss dieser Renovierung dient die ehemalige Synagoge als "Kulturhaus" der Stadt.
Der Bereich im Erdgeschoss wird als Galerie für Ausstellungen, Autorenlesungen,
Vorträge und Seminare genutzt. Im oberen Stockwerk (der obere Saal hat 115
Sitzplätze) finden unter dem Kuppeldach
regelmäßig Theaterabende, Kabarett oder klassische Konzerte statt. Dazu
betreibt der
Kulturkinoverein der Stadt (Kuki) ein Kino.
1998 wurde das hundertjährige Bestehen des Synagogengebäudes mit einer
Gedenkfeier begangen. Wenig später wurde von einer Besuchergruppe ehemaliger
jüdischer Schlüchterner am Eingangstor eine Mesusah angebracht.
Die alte Synagoge am Obertor wurde noch in den 1960er-Jahren als Lagerraum
verwendet und 1978 abgebrochen.
Adresse/Standort der Synagoge: Grabenstraße/Weitzelstraße
7.
Hinweis:
Im Bergwinkel-Museum - Museum
der Stadt Schlüchtern - besteht eine
Judaica-Dauerausstellung Info-Seite
auf Website der Stadt Schlüchtern
Schlossstraße 15 36381 Schlüchtern E-Mail
Tel. 06661-85359 Eintritt 3,00 €
Öffnungszeiten: Sommer (April bis Oktober): Di. bis So. 14.00 Uhr
bis 18.00 Uhr
Winter (November bis März): Fr. bis So. 14.00 Uhr bis 18.00 Uhr
Gruppen nach Vereinbarung
Zur Geschichte der Judaica-Sammlung: bereits in der Zeit vor dem Ersten
Weltkrieg befanden sich in der "Heimatsammlung" in einem Raum des
Kreishauses in Schlüchtern erste Judaica. Unter den ersten Gegenständen waren
ein von der jüdischen Gemeinde selbst an die Heimatsammlung gegebenes Parochet
von 1819 mit Kaporeth aus der alten Synagoge in Schlüchtern, ebenfalls ein
Purim-Handtuch von etwa 1820. Weitere Gegenstände kamen im Verlauf der
folgenden Jahrzehnte dazu.
Fotos
(Quelle: die historischen Karten aus der Sammlung Hahn; die alte Synagoge ist abgebildet in der Encyclopedia
of Jewish Life und im Pinkas Hakehillot; das ältere Foto der Synagoge [von
1966] aus Arnsberg: Bilder S. 184; neuere Fotos: Hahn, Aufnahmedatum
31.5.2007)
Historische
Karten mit der (neuen) Synagoge
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Karte oben ist in
hoher Auflösung eingestellt |
Die
Karten oben sind in niedriger Auflösung eingestellt |
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Mordechai Löb aus
Schlüchtern, genannt das Preißje, eine
Radierung von E.L. Grimm (Bruder der Märchensammler
Ludwig und Emil Grimm. Der Vater der Grimms war Amtmann in
Steinau, wo die Gebräder Grimm ihre Jugendzeit verbrachten |
Das Foto zeigt den
Kutscher des Gutshofes Elisabethenhof
in Ulmbach. Dieser Kutscher war ein
Ulmbacher Bürger,
der die jüdischen Gäste des Gutsbesitzers
in die Synagoge nach Schlüchtern (Hintergrund) kutschierte. |
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(Abbildungen aus der Sammlung von Horst Kunz, Heimat- und Geschichtsverein Ulmbach
e.V.) |
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Ältere Aufnahmen |
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Die alte Synagoge in der
Obertorstraße |
Die neue Synagoge nach 1945 |
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Neuere Aufnahmen
(Fotos: Hahn, Aufnahmedatum: 31.5.2007) |
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Die ehemalige
Synagoge von verschiedenen Seiten; in der Mitte Blick auf den Eingang. |
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Die ehemalige Synagoge wird
als
Kulturzentrum und Kino verwendet. |
Mesusa am Eingang |
Tafel mit Beschreibung der
verschiedenen
Stationen der Geschichte des Gebäudes |
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Judaica-Dauerausstellung
im Bergwinkelmuseum
(Fotos: Bergwinkelmuseum
Schlüchtern) |
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Vitrine mit
religiösen Gegenstände; das Foto in der Mitte zeigt: eine charakteristische
Schabbat-Lampe mit Tropfschale, ein Rimon
(Toraaufsatz), beides vermutlich
nach dem Novemberpogrom aus dem Schutt der Synagoge in Schlüchtern
geborgen, hinten ein
Purim-Handtuch von etwa 1820; das Foto rechts
zeigt ein Psalmengebetbuch (Tehilimbuch). |
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Darstellung eines
Schlüchterner Handelsjuden namens Mordechai Löb, der den Beinamen
"das Preusje von Schlüchtern" trug. Er war mit seinem hölzernen
Karren von Fulda bis
Frankfurt unterwegs und besorgte dabei alles, was es
in Schlüchtern nicht gab.
Er war in der Bevölkerung sehr beliebt. |
Erklärungen zur Synagoge in
Schlüchtern;
unten Inschriftensteine aus der Synagoge
Vollmerz von 1813.
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Erklärungen zur
Synagoge
in Schlüchtern |
Die
Inschriftensteine aus der Synagoge Vollmerz von 1813: "Jahr (5)573 [=
1812/13] / Naftali Lipmann / Sohn des J. Levi / Jaakow Leser / Sohn
des Sch. Katz"
(das Kursive ist unsicher und der Versuch, zwei Abkürzungen sinnvoll
aufzulösen) |
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Informationen über die
"Schlüchterner
Seifenfabriken": 1825 gründete Victor Meier
Wolf (1776-1850) die Seifenfabrik
Schlüchtern, eine der ältesten in
Deutschland. |
Informationen über die
Brüder Hugo und Fritz
Wolf, die Anfang der 1920er-Jahre die von
ihrem
Vater Meier Wolf gegründete
"Dampfseifenfabrik Schlüchtern"
übernahmen. |
Informationen über den
Unternehmer und
Sozialist Max Wolf, der nach dem Ersten
Weltkrieg die
väterliche "Seifenfabrik
Victor Wolf Schlüchtern" übernahm. |
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Erinnerungsarbeit
vor Ort - einzelne Berichte
Mai 2009:
Diskussion über die zukünftige Nutzung und die
Sanierung des ehemaligen Synagogengebäudes |
Artikel von Dorothee Müller am 19. Mai 2009
in der "Fuldaer
Zeitung": Kulturhaus Synagoge: Kinobetrieb soll weitergehen.
SCHLÜCHTERN Im Haupt- und Finanzausschuss war heftig über die Zukunft des Kulturhauses Synagoge und des dortigen Kinos diskutiert worden.
Ein BiSS-Vorstoß, per Nachtragshaushalt 150.000 Euro für die Sanierung des historischen Gebäudes bereitzustellen, wurde mit der Begründung abgelehnt, die Besitzverhältnisse seien nicht geklärt. Denn bis dato befindet sich die Synagoge in Händen eines Schlüchterner
Privatiers..." |
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November 2009:
Aus für das Kulturkino KUKI in der
Synagoge ? |
Artikel von Walter Kreuzer in der "Fuldaer Zeitung" vom 2.
November 2009 (Artikel):
" Aus für das Kuki in der Synagoge.
SCHLÜCHTERN Die Nachricht schlug am Montagabend in der
Stadtverordnetenversammlung ein wie eine Bombe: Das Kulturkino Kuki darf seinen Spielbetrieb in der ehemaligen Synagoge nicht wieder aufnehmen.
Heinrich Heil, Eigentümer des Gebäudes, hatte seinen Entschluss am Vormittag Bürgermeister Falko Fritzsch telefonisch mitgeteilt.
'Für ihn ist eine weitere Nutzung des Gebäudes als Kino ausgeschlossen...". |
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April 2010:
Die Stadt will die ehemalige Synagoge kaufen |
Artikel von Walter Kreuzer in "Kinzigtal Nachrichten" vom 21.
April 2010 (Artikel):
"Kuki: Stadt will ehemalige Synagoge kaufen.
SCHLÜCHTERN. Das Schlüchterner Kuki-Kino steht offenbar vor der Rettung. Der Magistrat schlägt den Kauf der ehemaligen Synagoge vor. In dem Gebäude will die Stadt künftig das Kulturhaus Synagoge in eigener Regie betreiben..."
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Mai 2011:
"Kuki" bleibt in der ehemaligen
Synagoge |
Artikel von "juw" in der "Lauterbacher Zeitung" vom
23. Mai 2011 (Artikel):
"Kuki bleibt in der Synagoge.
Schlüchtern Die Mediationsgespräche zwischen dem Kuki-Verein und der Stadt Schlüchtern sind erfolgreich beendet worden. Der Kinobetrieb in der Synagoge soll im Oktober wieder aufgenommen werden. Das teilten die Beteiligten in einer Pressenotiz mit...".
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Artikel von Walter Kreuzer in der
"Fuldaer Zeitung" vom 31. Mai 2011 (Artikel):
"Kulturkino nimmt wichtige Hürde.
Schlüchtern Die Schlüchterner Kommunalpolitiker stehen hinter der Einrichtung Kulturhaus Synagoge. 34 der 35 anwesenden Stadtverordneten stimmten Montagabend im Grundsatz für den Kauf des Gebäudes.
Alle Stadtverordneten von SPD, Grünen, FDP und Linkspartei sowie zehn CDU-Vertreter halfen mit ihrem Votum für die Magistratsvorlage dem Kulturkino Kuki über eine weitere Hürde in Richtung Rückkehr an die alte Spielstätte..." |
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September 2011:
Die Stadt verzichtet auf den Kauf der
Synagoge |
Artikel von Steffen Reith in der
"Fuldaer Zeitung" vom 6. September 2011: "Stadt
verzichtet auf Kauf der Synagoge.
Schlüchtern. Das war es wohl mit Kino in der ehemaligen
Schlüchterner Synagoge. Bereits gestern Nachmittag gab der Trägerverein
des Kulturkinos (Kuki) bekannt, dass man auf die Synagoge als
Aufführungsort verzichtet. Die Stadt wird das Gebäude nun nicht
kaufen..."
Link
zum Artikel in der Fuldaer Zeitung online. |
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Mai 2019:
Die Stadt möchte die ehemalige Synagoge
kaufen |
Artikel in der "Fuldaer Zeitung" vom 17. Mai
2019: "Stadt Schlüchtern will ehemalige Synagoge kaufen
Schlüchtern. Die Stadt Schlüchtern möchte die alte Synagoge in der
Innenstadt (Grabenstraße 10) kaufen und dazu in Kaufverhandlungen mit den
Eigentümern treten. Darüber berichtet Schlüchterns Bürgermeister Matthias
Möller (parteilos) in einer Pressenotiz. Nach dem Tod des bisherigen
Eigentümers Heinrich Heil gab es Kontakte zwischen den Erben und der
Verwaltungsspitze, heißt es in der Mitteilung. 'Wir haben bereits im ersten
Gespräch deutlich gemacht, dass wir als Ansprechpartner zur Verfügung
stehen, wenn die Synagoge veräußert werden soll', sagt Möller. Die
Verwaltung hat indes bereits Fördermittel zum Erwerb der Synagoge im Rahmen
des Förderprogramms Aktive Kernbereiche in Aussicht gestellt bekommen. 'Wir
sollten die Synagoge und das Rabbinerhaus erwerben und werden hierzu
Förderungen zum Kauf und zur mittelfristigen Sanierung beantragen', so
Möller. Der Bürgermeister und der Magistrat sind sich bewusst, dass mit dem
Erwerb des zeitgeschichtlich wertvollen Gebäudes noch mehr Arbeit auf die
Stadt und seine Verwaltung zukommt. 'Wir haben in den vergangenen drei
Jahren zahlreiche Bauprojekte in der Kernstadt sowie in den Stadtteilen
angestoßen.' Der Bürgermeister äußert sich wie folgt: 'Die Synagoge nicht in
städtisches Portfolio zu übernehmen, halte ich strategisch für unklug. Wir
müssen die Planungshoheit über solch kulturell- und stadtgeschichtlich
wichtigen Gebäuden besitzen. Allerdings werden wir mittelfristig an der
Synagoge baulich und konzeptionell definitiv nichts verändern. Vorrangig
müssen wir aufgrund der Komplexität und der Außenwirkung und der damit
verbunden stadtentwicklungstechnischen Bedeutung für Schlüchtern und den
gesamten Bergwinkel die Neue Mitte auf dem Langer-Gelände sowie die
Kreissparkasse in Ihrem Bauvorhaben begleiten, entwickeln und uns dringend
um die Stadtteile kümmern. Gerade in den Stadtteilen müssen wir im Rahmen
der Dorferneuerung unglaublich viel aufarbeiten und den Investitionsstau
dringend abbauen. Eine konzeptionelle Entwicklung der Synagoge in der
aktuellen Situation halte ich für fahrlässig in Anbetracht der vielen
Aufgaben der Verwaltung. Wir entwickeln aktuell das Kultur- und
Begegnungszentrum und werden im Anschluss auf die abgeschlossene Entwicklung
der Schlüchterner neuen Mitte das wertvolle Kleinod Synagoge mit
angeschlossenem Rabbinerhaus in Korrelation zu einem gesamtstädtischen
Konzept vereinen.' Deshalb werde am Gebäude der Synagoge und des
Rabbinerhauses erst einmal nichts verändert. Die Stadtverwaltung plant, das
Stadtarchiv und weitere Archive aus unterschiedlichen Liegenschaften, als
Zwischenlösung, zusammenzuführen und im oberen Bereich der Synagoge
anzusiedeln. Gerade im Bereich der Stadthalle schaffen wir zudem wichtigen
freien zusätzlich nutzbaren Raum für unsere Vereine und Kulturschaffende der
Stadt. Für große kulturelle Veranstaltungen sind laut Möller weiterhin die
Stadthalle sowie das neue Kultur- und Begegnungszentrum auf dem Langer-Areal
vorgesehen.
Hintergrund: Am Ende des 19. Jahrhunderts war die jüdische
Gemeinde in Schlüchtern auf etwa 400 Personen angewachsen, sodass die
Synagoge in der Grabenstraße 10 errichtet wurde. Von 1898 bis 1938 war die
Synagoge Treffpunkt und Gebetshaus der Schlüchterner Juden. In der
Reichspogromnacht wurde das Innere verwüstet, das Gebäude blieb jedoch
stehen. 1945/46 wurde die Synagoge wieder hergerichtet. Die Synagoge wurde
verkauft und seit 1950 als Kleiderfabrik genutzt. Von 1970 an folgte die
Nutzung durch die Stadt Schlüchtern unter anderem auch für kulturelle
Veranstaltungen. Seit 2013 steht das Gebäude leer."
Link zum Artikel |
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April 2020:
Kauf der ehemaligen Synagoge steht
bevor |
Artikel in der "Fuldaer Zeitung" vom 8.
April 2020: Innerhalb des Artikels: "'Trotz Corona-Krise starten
Projekte: Langer-Abriss beginnt, Synagogen-Kauf vor Abschluss...
Einig in allen Belangen'. 'Einig in allen Belangen', ist sich die
Stadt mit dem Eigentümer der Synagoge, die nach dem Willen der
Stadtverordneten in städtischen Besitz übergehen soll. Möller spricht von
'fairen, aber auch anstrengenden Gesprächen'. Ein Abschluss sollte noch vor
der Sommerpause möglich sein. Den Erwerb bezeichnet Möller auch bei
einbrechenden Steuereinnahmen als 'händelbar', weil viele Fördertöpfe
bereitstünden. So steuere das Programm 'Aktive Kernbereiche' rund 80 Prozent
zum Erwerb bei, während das Programm 'Soziale Integration im Quartier' die
Investitionen bis zu 90 Prozent bezuschusse..."
Link zum Artikel |
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August 2020:
Die Stadt kauft die Synagoge und das benachbarte Rabbinerhaus - das
Stadtarchiv wird einziehen |
Artikel von Alexander Gies in der "Fuldaer
Zeitung" vom 26. August 2020: "Stadtverordnete beschließen einstimmig. Es
ist beschlossen: Schlüchtern kauft Synagoge
Die Stadtverordneten von Schlüchtern haben einstimmig für den Ankauf der
Synagoge und des benachbarten Rabbinerhauses gestimmt.
Schlüchtern - Ein Teilnehmer sagte nach der Sitzung, die zu diesem Punkt
unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfand: 'Ich bin ein bisschen stolz
auf dieses Gremium. Es gab keinen Streit, keine hitzige Debatte über dieses
Thema, sondern von allen Fraktionen wertvolle, ernst zu nehmende
Stellungnahmen, die jede einen individuellen Schwerpunkt bei diesem Thema
einnahmen.' Wie berichtet, will die Stadt die Synagoge des verstorbenen
Eigentümers zum symbolischen Betrag von 1 Euro kaufen. Das benachbarte
Rabbinerhaus soll zum Schätzwert von 245.000 Euro erworben werden. Zusammen
mit Nebenkosten und Inventar belaufen sich die Kosten auf rund 300.000 Euro,
die mit 175.000 Euro aus dem Programm 'Lebendige Zentren' mitfinanziert
werden sollen. Der Vertrag soll bereits bis Ende des Monats notariell
beurkundet werden.
Stadt Schlüchtern kauft Synagoge - Stadtarchiv zieht ein. Geplant
ist, die Synagoge als Stadtarchiv und Ausstellungsraum zu nutzen. Das
Rabbinerhaus soll vermietet werden, um Einnahmen zu erzielen. Ursprünglich
war geplant, dort auch eine Dauerausstellung zur jüdischen Geschichte
unterzubringen. Wie Bürgermeister Matthias Möller (parteilos) an anderer
Stelle der Sitzung betonte, soll die Synagoge zunächst nur 'mit wenig Geld'
baulich gesichert werden. Eine größere Sanierung stehe unter dem Vorbehalt,
dass sich 'weitere Fördermöglichkeiten' ergäben. Ziel sei es dabei, den
städtischen Haushalt 'nachrangig' zu belasten. Wie sich aus verschiedenen
Äußerungen entnehmen lässt, war offenbar bei einigen Bürgern, Ehrenamtlichen
und Ortsbeiräten die Sorge aufgetreten, ob sich die Stadt angesichts der
steuerlichen Mindereinnahmen wegen der Corona-Krise den Ankauf zum jetzigen
Zeitpunkt leisten könne, ohne andere wichtige Maßnahmen zu gefährden.
Bürgermeister Möller versicherte: 'Der Kauf bedeutet keinen Nachteil für
Vorhaben wie das Ikek- oder das Schlaglochprogramm und anderes.'
Jürgen Heil: Stadtparlament schreibt 'ein Stück Stadtgeschichte'. Die
CDU begrüßte, 'dass die Synagoge in das Eigentum der Kommune geht, um der
Geschichte und der Präsenz des Gebäudes innerhalb städtebaulicher Prägung
Rechnung zu tragen'. Die Entscheidung, in die Immobilien zunächst nur wenig
zu investieren, finde die Zustimmung der CDU, heißt es in einer
Pressemitteilung des CDU-Fraktionschefs Jürgen Heil. Auch sei es richtig,
das Rabbinerhaus zu vermieten, um damit Einnahmen zu erzielen. Hingegen sei
es den Bürgern nicht zu vermitteln, so Heil, angesichts der bevorstehenden
Aufgaben in der gesamten Stadt jetzt sechsstellige Summen in die Gebäude zu
investieren. Wie berichtet, wird eine grundlegende Sanierung auf mehr als
2,2 Millionen Euro geschätzt. Heil: 'Das Stadtparlament hat mit seiner
einstimmigen Zustimmung ein Stück Stadtgeschichte geschrieben.'
SPD: Zeitpunkt wegen Corona ungünstig. Die SPD bezeichnete den Erwerb
der Synagoge als 'alternativlos'. Hintergrund seien die stadthistorische
Bedeutung und das stadtbildprägende Gebäude. Laut einem vorbereiteten
Redemanuskript wies SPD-Fraktionschef Helmut Meister darauf hin, dass Ankauf
und Sanierung den Haushalt in den nächsten Jahren belasten werden.
Angesichts der Corona-Pandemie sei der Zeitpunkt ungünstig. Deshalb könne
die Sanierung nur in sinnvollen Einzelschritten, zusammen mit Fördermitteln
und verteilt auf mehrere Jahre erfolgen. 'Notwendige Investitionsvorhaben in
die soziale und technische Infrastruktur, vor allem in unseren Stadtteilen,
dürfen hierdurch nicht verschoben werden', betonte Meister.
Peter Büttner regt Bildung eines Fördervereins an. Auch Dr. Peter
Büttner, Vorsitzender der FDP-Fraktion, sprach von einer alternativlosen
Entscheidung. Dies resultiere sowohl aus der spezifischen deutschen
Verantwortung für die nationalsozialistische Herrschaft und deren Folgen für
die jüdische Bevölkerung, als auch aus der spezifischen Verantwortung, 'die
sich aus unserer Schlüchterner Geschichte heraus ergibt'. Es dürfe nicht
vergessen werden, dass der jüdische Anteil an der Stadtbevölkerung einer der
höchsten im damaligen Reichsgebiet gewesen sei und dass jüdisches Leben hier
nahezu komplett ausgelöscht wurde. Für Büttner wäre es nicht hinnehmbar,
wenn das Ensemble dem Verfall preisgegeben oder einer nicht angemessenen
Nutzung zugeführt würde. Auch die FDP plädierte laut dem vorliegenden
Redemanuskript für eine zeitliche Zurückhaltung bei den weiteren Schritten.
Büttner regte die Bildung eines Fördervereins an, der an der Konzeption
mitarbeiten oder sie vielleicht sogar federführend leiten könnte. Daran
würde er auch persönlich mitwirken.
'Verantwortung aus Geschichte'. Die Grünen hatten sich bereits
vergangene Woche zu Wort gemeldet und den Ankauf begrüßt. Die Bürgerbewegung
Bergwinkel (BBB) sprach sich 'uneingeschränkt für den Ankauf' aus.
Fraktionsvorsitzender Hans Konrad Neuroth erklärte, die Synagoge sei eines
'der herausragenden Kulturdenkmale in unserer Heimatstadt'. Die BBB habe
frühzeitig den Kontakt mit jüdischen Gemeinden insbesondere in Nordhessen
gesucht. Ein Rabbiner der jüdischen Gemeinde Felsberg habe bei einem Besuch
das Haus als eines der schönsten erhaltenen Synagogengebäude in Hessen
bezeichnet. Laut Neuroth ist der Kaufpreis 'durchaus angemessen'. Eine
Benachteiligung anderer Projekte sehe man nicht. Wie die FDP spreche man
sich für einen Förderverein aus, der das Haus mit 'Leben' erfüllt. Die BBB
ist der Ansicht, die räumliche Aufteilung der Synagoge müsse in ihrem
ursprünglichen Zustand versetzt werden. Die Einziehung eines Zwischenstocks
sei lediglich der Produktion einer Kleiderfabrik geschuldet.
Diskussion fand unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Die
Debatte und der Beschluss der Kaufentscheidung wurde unter Ausschluss der
Öffentlichkeit diskutiert und beschlossen. Beantragt hatte dies Jürgen Heil,
Fraktionsvorsitzender der CDU und Vorsitzender des Haupt- und
Finanzausschusses. Bereits dort hatte die Debatte ohne Publikum auskommen
müssen. Der Vorstoß dazu sei aus der Verwaltung gekommen, sagte Heil, dieser
wurde aber auch von ihm und anderen unterstützt. Die Entscheidung zum
Ausschluss der Öffentlichkeit wurde mit großer Mehrheit bei einer
Gegenstimme und zwei Enthaltungen beschlossen. Heil sagt dazu: 'Ich denke,
es ging dabei um einen, ohne öffentlichen Druck beeinflussten,
parlamentarischen Vorgang'. Es wurden aber auch Datenschutzgründe
angeführt."
Link zum Artikel |
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Juni 2021:
Ein Verein der Freunde der
Synagoge Schlüchtern kümmert sich nun um das Gebäude
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Artikel von Alexander Gies in der "Fuldaer
Zeitung" vom 22. Juni 2021: "'Verein der Freunde der Synagoge
Schlüchtern' gegründet - Peter Büttner ist Vorsitzender
Dem Vorstand des Vereins gehören an: Werner Hölzer, Peter Büttner,
Schriftführerin Ines Schwarzer sowie der stellvertretende Vorsitzende Hans
Konrad Neuroth.
Die ehemalige Synagoge zu erhalten sowie Kunst und Kultur in der
historischen Stätte zu fördern, das sind die wichtigsten Ziele des 'Vereins
der Freunde der Synagoge Schlüchtern', der gestern Abend aus der Taufe
gehoben worden ist.
Schlüchtern - Um 18.52 Uhr war der historische Moment erreicht: Als
Versammlungsleiter Bürgermeister Matthias Möller (parteilos) die
entscheidende Abstimmung aufrief, votierten 22 Schlüchterner Bürgerinnen und
Bürger einstimmig für die Gründung des Vereins. Der erste – und wie die
anderen Vorstandsmitglieder einstimmig – gewählte Vorsitzende Dr. Peter
Büttner erinnerte daran, dass er und Hans Konrad Neuroth nach dem Beschluss
der Stadtverordneten, die Synagoge zu kaufen, die Notwendigkeit formuliert
hätten, dass ein Förderverein im Main-Kinzig-Kreis sich mit
zivilgesellschaftlichem Engagement in die Konzeption und den Betrieb der
Synagoge einbringen müsse. Dieser Tag sei gekommen. Auch Bürgermeister
Möller betonte, es sei wichtig, dass neben der Stadt 'ein Partner dem
Gebäude eine Seele gibt und es wiederbelebt'. Er fügte an: 'Ich habe von
Anfang an gespürt, wie ernst ihr es mit dieser Aufgabe meint.'"
Link zum Artikel |
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Dezember 2022:
Auf den Verein der Freunde...
wartet noch viel Arbeit |
Artikel in "Fulda-Info" vom 23. Dezember
2022: "Synagoge in Schlüchtern: 'Es stehen viele Aufgaben und Tätigkeiten
vor uns'...
Link zum Artikel |
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Mai 2024: Die
Synagoge soll bis Herbst 2026 restauriert werden - neues Nutzungskonzept
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Artikel von Eugen El in der "Jüdischen
Allgemeinen" vom 10. Mai 2024: "SCHLÜCHTERN - Geschichte weitertragen. Die
Synagoge der einst sehr jüdischen Stadt soll restauriert werden. Ein
Ortstermin.
Eine schlichte Bronzetafel begrüßt den Besucher: 'Dieses Gebäude wurde im
Jahr 1898 als Synagoge der Jüdischen Gemeinde Schlüchtern gebaut und bis
1938 als Gotteshaus benutzt. Im Jahre 1932 lebten 358 Mitglieder der
Jüdischen Gemeinde im Kreis Schlüchtern. Sie wurden entweder zur
Auswanderung gezwungen oder sind umgekommen.' Wir sind in Schlüchtern, einem
17.000-Einwohner-Städtchen in Osthessen – ein Luftkurort im malerischen
'Bergwinkel' zwischen Rhön, Vogelsberg und Spessart. Drei Kirchtürme und die
Landschaftssilhouette zieren das Stadtsignet. Einst muss Schlüchtern eine
sehr jüdische Stadt gewesen sein. Die Existenz einer jüdischen Gemeinde ist
durch Quellen aus dem 13. Jahrhundert überliefert, im Jahr 1932 betrug der
jüdische Bevölkerungsanteil zehn Prozent. Zu dieser Zeit gab es auf dem
Gebiet des heutigen Bundeslandes Hessen etwa 400 Synagogen – viele von ihnen
in Dörfern und Kleinstädten wie Schlüchtern. Die dort 1898 eingeweihte,
neuromanische Synagoge bot Platz für etwa 300 Gemeindemitglieder.
'Bis 1938 als Gotteshaus benutzt'. Sie wurde 'bis 1938 als Gotteshaus
benutzt', heißt es auf der Bronzetafel im Eingangsbereich – ohne ins Detail
zu gehen. Eine an der Außenfassade angebrachte Tafel erzählt die Chronik
dieses Gebäudes im 20. Jahrhundert, die vielerorts in Deutschland ähnlich
klingen könnte: '1938 9./10. November Zerstörung'; 1939–1945 Lagerhalle;
1945–1946 Wiederherstellung; 1950–1969 Kleiderfabrik; 1970–1993
Weitzelbücherei, Raum für kulturelle Veranstaltungen; 1995 Renovierung und
Wiedereröffnung als Kulturhaus'. Bald könnte ein neues Kapitel hinzukommen.
'Sie war prunkvoll', sagt Peter Büttner über die Schlüchterner Synagoge. Der
Historiker, Psychologe und langjährige FDP-Kommunalpolitiker steht im leeren
Gebäude, dem die teils gewaltsamen Eingriffe der vergangenen acht Jahrzehnte
anzusehen sind. Büttner ist Vorsitzender des 2021 gegründeten Vereins der
Freunde der Synagoge Schlüchtern, der das Gebäude und angrenzende
Rabbinerhaus nach Sanierung, Restaurierung und Umbau als Kultur- und
Begegnungsstätte betreiben möchte. Im Februar 2023 schloss der Verein einen
Erbbaupachtvertrag mit der Stadt, die den Bau zuvor von den Erben des
ehemaligen Besitzers erworben hatte. Viele Schlüchterner kennen die alte
Synagoge als 'KuKi'-Programmkino, welches bis 2010 das Obergeschoss nutzte.
In der Nachkriegszeit ließ ein Fabrikant auf der Höhe der Frauenempore eine
Stahlbetondecke einziehen, um noch mehr Platz für seine Textilproduktion zu
schaffen. Jetzt klafft in der Decke ein großes, rundes Loch – erstmals seit
Jahrzehnten ist der ursprüngliche Raumeindruck der Synagoge zu erahnen. 'Im
Rahmen des Rückbaus wurden die Veränderungen, die nach Kriegsende für die
industrielle Nutzung eingebaut wurden, entfernt, um im Rahmen der
Machbarkeitsstudie eine höhere Sicherheit zu bekommen', erläutert Peter
Büttner. Die in der unmittelbaren Nachkriegszeit weiß überstrichene
Wandbemalung soll stellenweise wieder freigelegt und restauriert werden,
während die beiden in der Pogromnacht abgebrannten Türme als stählerne
Rohbauten wiedererstehen sollen. Auf eine vollständige Rekonstruktion der
ehemaligen Synagoge verzichtet Büttners Verein bewusst: 'Wir wollen alle
Zeitschichten, die das Gebäude erlebt hat, in der inneren und äußeren
Architektur widerspiegeln.' Das aufwendige Vorhaben wird vom Land Hessen,
vom Bund und von der Alfred Landecker Stiftung gefördert. In der breiten
Unterstützung sieht Peter Büttner ein Zeichen für die überregionale
Bedeutung des Projekts.
Jüdisches Leben seit Jahrhunderten verwurzelt. Josef Schuster,
Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, kam unlängst nach
Schlüchtern, um an einer Informationsveranstaltung des Fördervereins in der
ehemaligen Synagoge teilzunehmen. 'In Orten wie Schlüchtern wird deutlich,
wie verwurzelt jüdisches Leben in Deutschland seit Jahrhunderten ist. Diese
Geschichte in Form von Begegnungsorten, gerade für junge Menschen,
weiterzutragen, halte ich für ungemein wichtig', sagt der
Zentralratspräsident. In der künftigen Kultur- und Begegnungsstätte sollen
Lesungen, Konzerte und Theateraufführungen stattfinden, ebenso sind eine
Dauerausstellung zur jüdischen Geschichte Schlüchterns und verschiedene
Wechselausstellungen vorgesehen. Auch interreligiöse Formate sowie
Veranstaltungen zu Antisemitismus und NS-Geschichte sind geplant. Das
Rabbinerhaus soll Forschungsaufenthalte für Historiker ermöglichen. Als
angestrebten Eröffnungstermin nennt Büttner den 9. November 2026. In seiner
zupackenden Art sagt er: 'Das ist sportlich, aber erreichbar.'"
Link zum Artikel |
Links und Literatur
Links:
Quellen:
Literatur:
| Paul Arnsberg: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang -
Untergang - Neubeginn. Frankfurt am Main 1971. Bd. II S. 273-279 und S.
313. |
| ders.: Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Bilder -
Dokumente. Darmstadt 1973. S. 184. |
| Karl Hahn: Die alte Schlüchterner Synagoge, in:
"Bergwinkel-Bote 1982" |
| Wilhelm Praesent: Die Alte Synagoge. in:
"Mitteilungen des Heimat- und Geschichtsvereins Bergwinkel e.V.". Nr. 4 -
Beiträge zur Geschichte der Schlüchterner Juden. Schlüchtern 1988, S. 72-74. |
| ders.: Die Neue Synagoge, in: "Mitteilungen des Heimat-
und Geschichtsvereins Bergwinkel e.V.". Nr. 4 - Beiträge zur Geschichte der
Schlüchterner Juden. Schlüchtern 1988, S. 75-76. |
| Thea Altaras: Synagogen in Hessen. Was geschah seit
1945? Königstein/Taunus 1988 S. 158-159 und S. 217. |
| dies.: Das jüdische Rituelle Tauchbad und: Synagogen in
Hessen. Was geschah seit 1945 Teil II. 1994. S. 137. |
| dies.: Neubearbeitung der beiden Bände. 2007² S.
171-172. |
| Studienkreis Deutscher Widerstand (Hg.):
Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der
Verfolgung 1933-1945. Hessen I Regierungsbezirk Darmstadt. 1995 S. 222-223.
|
| Pinkas Hakehillot: Encyclopedia of Jewish
Communities from their foundation till after the Holocaust. Germany Volume
III: Hesse - Hesse-Nassau - Frankfurt. Hg. von Yad Vashem 1992
(hebräisch) S. 590-593. |
| Monica Kingreen: "Wir sind Aussätzige geworden und Schlüchtern hat sich darin
hervorgetan". Die antijüdischen Exzesse des November 1938 in Augenzeugenberichten und Dokumenten. Keiner der Täter wurde jemals gerichtlich belangt, in Frankfurter Rundschau. Lokalteil Main-Kinzig-Kreis, 2. Dezember 1999. |
| Ernst Müller-Marschhausen: Der Selbstmord des Adam
Niemann - Hausbursche und Synagogenschänder in Schlüchtern. Neubelebung der
Folgeereignisse nach der Pogromnacht. Erschien in: "Bergwinkel-Bote.
Heimatkalender 2020". Hrsg. vom Kreisausschuss des Main-Kinzig-Kreises
(Druckerei Griebel, Schlüchtern). S. 80-90.
Als pdf-Datei eingestellt. |
| ders.: Nur zwei von 400 Schlüchterner Juden kamen nach
dem Holocaust zurück - in eine fremde Heimat. Zum Schicksal von Alexander
und Paula Kohn. In: Mitteilungsblatt - Zentrum für Regionalgeschichte. 45.
Jahrgang 2020. S. 79-88.
Als pdf-Datei eingestellt. |
| Michael Wildt: Volksgemeinschaft als
Selbstermächtigung. Gewalt gegen Juden in der deutschen Provinz 1919 bis
1939. Hamburger Edition HIS Verlagsges.mbH. Hamburg 2007. Zu Schlüchtern S.
160-167. |
| Christine Wittrock: Das Unrecht geht einher mit
sicherem Schritt... Notizen über den Nationalsozialismus in Langenselbold
und Schlüchtern. CoCon-Verlag Hanau 2017². Informationen über
https://d-nb.info/1135680159
|
| dies.: Saubere Geschäfte, weiße Westen und Persilscheine:
die Geschichte der Seifenfabriken in Schlüchtern und Steinau seit 1825.
CoCon-Verlag Hanau 2002. Informationen über
https://d-nb.info/966144120
|
| dies.: Kaisertreu und führergläubig: Impressionen aus dem
Altkreis Gelnhausen. 1918-1950. CoCon-Verlag Hanau 2006. Informationen über
https://d-nb.info/981725384.
|
Article from "The Encyclopedia of Jewish life Before and During the
Holocaust".
First published in 2001 by NEW
YORK UNIVERSITY PRESS; Copyright © 2001 by Yad
Vashem Jerusalem, Israel.
Schluechtern
Hesse-Nassau. Jews were encouraged to settle there by patrons of Suesskind von
Trimberg (1250-1300), the only Jewish minnesinger, while others found refuge in
Schluechtern during the Black Death persecutions of 1348-49. The community later
absorbed refugees from Hungary and Spain in the 17th century, building a
synagogue in 1670. The community numbered 105 in 1776. Abandoning their former
trades, some Jews became industrialists. This strictly Orthodox community,
affiliated the the rabbinate of Hanau, dedicated an imposing new synagogue in
the Byzantine style in 1898. The Jewish population grew to 395 (13 % of the
total) in 1905 and more than 80 children attended the Jewish elementary school (opened
in 1903). After Worldwar I, a branch of the Central Union (C.V.) was established
and communal life flourished. Nazi boycott measures and violence heralded Kristallnacht
(9-10 November 1938), during which SA troops vandalized the synagogue's interior
and Hitler Youth participated in the looting and destruction of Jewish homes. By
May 1939, 362 Jews had left Schluechtern, many emigrating to the United States,
Britain and Palestine. In 1942, 26 were eventually sent to the Theresienstadt
ghetto and over 100 perished in the Holocaust.
vorherige Synagoge zur ersten Synagoge nächste Synagoge
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